Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
In seinem Zimmer des Klosters della Barbara zu Santa Jaga, das der freundliche Leser ja bereits kennt, saß Pater Hilario, in das Studium eines Buches vertieft. Dieses Buch war Luigi Regerdis »Über die Kunst, Könige zu beherrschen«. Er war in diese Lektüre so sehr vertieft, daß er ein halblautes Klopfen an der Tür zweimal überhörte. Erst als dasselbe zum dritten Male, und zwar etwas ungeduldiger erklang, vernahm er es. Er blickte an die Uhr, zog die Brauen finster zusammen, wie man es bei einer unangenehmen Störung zu machen pflegt, und rief ein kurzes »Herein!«
Aber kaum hatte sich die Tür geöffnet, so daß er den Eintretenden bemerken konnte, da glätteten sich die Falten seines Gesichts und er erhob sich in einer Weise, die deutlich besagt, daß der Kommende ihm sehr angenehm und willkommen sei. Dieser war von kurzer, gedrungener Gestalt. Seine gelben Hängebacken ließen erraten, daß er nicht gewöhnt sei, zu darben; seine kleinen Äuglein hatten jetzt einen freundlichen Glanz, konnten jedenfalls aber auch ganz anders blicken, und seine ganze Erscheinung war diejenige eines Mannes, der sich seines Wertes und seiner Würde wohl bewußt ist.
»Ah, mein lieber Bruder in dem Herrn, willkommen, tausendmal willkommen!« sagte Hilario, indem er dem Eintretenden beide Hände entgegenstreckte. »Wie lieblich sind die Füße des Boten, die da Gutes predigen und Heil verkündigen. Euch hätte ich nicht erwartet, das will ich aufrichtig sagen.«
Sie küßten sich gegenseitig auf die fast mit anekelnder Zärtlichkeit angebotenen Wangen, und dann antwortete der andere:
»Der Mann des Glaubens wandelt die Wege der Vorsehung. Er weiß heute niemals, wohin sie ihn morgen führen werden, aber er bringt Segen mit seinen Schritten und Freude mit seinen Worten.«
Bei dieser mit großer Salbung hervorgebrachten Rede erheiterten sich die Züge des Paters Hilario in einer solchen Weise, daß seine Freundlichkeit wörtlich eine glänzende genannt werden konnte.
»Wie?« fragte er. »Ihr bringt mir gute Botschaft?« – »Ja«, nickte der andere. – »Woher? Aus dem Hauptquartier des Juarez?« – »O nein. Was kann aus der Höhle der Hyäne Gutes kommen!« – »Aus dem Lager des französischen Marschalls?« – »Auch nicht. Der Franzose hat uns genommen, soviel er konnte; er wird uns nichts wiedergeben. Von ihm haben wir nichts zu erwarten.« – »Also vom Kaiser?« meinte Hilario jetzt sehr gespannt. – »Ja, lieber Bruder, vom Kaiser komme ich.« – »Ah, vom Kaiser selbst?« – »Nein. Der Kaiser ist ein Rohr. Von einer starken Hand gehalten, wird es wachsen und zunehmen, unbeschützt aber wird es der nächste Wind umbrechen, so daß es im Staub liegt. Ich komme vom obersten Diener des Herrn und habe Euch im Namen desselben einige Fragen vorzulegen.« – »Ich bin bereit, Euch zu antworten. Wollen wir aber nicht zu dem Wort auch den besten Quell des Wortes nehmen?«
Hilario öffnete ein kleines Schränkchen und zog eine Flasche hervor, aus der er zwei Gläser füllte. Sie stießen an und nahmen die Gläser an den Mund. Es war eigentümlich, mit welcher Aufmerksamkeit der Gast sein Auge auf das Glas des Paters richtete, um sich zu überzeugen, ob derselbe auch wirklich trinken werde. Erst als er bemerkte, daß Hilario sein Glas bis über die Hälfte leerte, ließ auch er sich den süßen, starken Trank über die Lippen laufen. Es war fast, als ob er besorge, daß der Wein eine schädliche Substanz enthalten könne. Hielt er den Pater Hilario, gegen den er doch so freundlich war, für einen Giftmischer?
Sie setzten beide die Gläser auf den Tisch und nahmen die Stühle daneben; dann begann der kleine Dicke:
»Sind wir hier vollständig sicher und unbeobachtet, mein Bruder?« – »Wir werden nicht gestört« – »Auch wird niemand unsere Worte vernehmen?« – »Man kann und wird uns nicht belauschen, denn mein Neffe ist angewiesen, Wache zu halten, sobald ich Besuch habe.« – »So wollen wir von Politik sprechen oder vielmehr von einer Seite der Politik ...«
Der Blick des Dicken fiel auf das aufgeschlagene Buch, das der Pater auf den Tisch gelegt hatte. Er unterbrach sich, nahm es zur Hand, las den Titel, blätterte ein wenig darin, und sagte dann, zustimmend mit dem Kopf nickend:
»Ihr lest dieses Buch? Wißt Ihr bereits, daß es in einigen Ländern verboten ist?« – »Ja. Aber der Verfasser gehört zu den Unsrigen.« – »Folglich ist es wert, wenigstens gelesen zu werden. Auch ich habe es und kann sagen, daß ich es mit vielem Vergnügen durchlas. Was sagt Ihr zu dem Kapitel über die Wahl der Mittel zu den im Titel angegebenen Zwecken?« – »Hm«, meinte der Pater mit vorsichtiger Zurückhaltung, »ich möchte fast glauben, daß der Verfasser sich hier etwas zu viel Freiheit genommen hat.«
Der Dicke warf einen forschenden Blick auf Hilario und fragte:
»Das ist Eure wirkliche, rückhaltlose Meinung?« – »Muß es die nicht sein? Haben wir nicht nach den Regeln zu urteilen, die uns von den Lehren und Satzungen der heiligen Kirche vorgeschrieben werden?« – »Wollt Ihr Versteckens mit mir spielen, Pater Hilario?« fragte der andere mit einem überlegenen Lächeln. »Was nennt Ihr Regeln? Was sind Lehren und Satzungen?« – »Ich meine damit die heiligen Worte, die aufbewahrt wurden, weil sie vom Geist Gottes eingegeben worden sind.« – »Zugegeben! Aber lebt dieser Geist nicht mehr? Hat er etwa seine Kraft verloren? Hat er es etwa vorgezogen, nicht mehr auf die Menschen zu wirken? Er hat auf Abraham, Moses, die Richter und Propheten, auf die Apostel und Evangelisten gewirkt. Er hat die Kirchenväter und Päpste erleuchtet; er hat sogar aus Calvin, Luther und Zwingli gesprochen. Was versteht Ihr überhaupt unter diesem Geist Gottes?« – »Kann man von ihm, von Gott und Geist, eine Definition geben?« – »Nein, aber man kann den Begriff umschreiben, man kann seine Meinung in Worten ausdrücken. Hervorragende Männer werden vom Geist Gottes erleuchtet. Die Menschheit entwickelt sich, und der Geist akkomodiert sich dem gegebenen Bildungszustand der Völker, wie sich der Lehrer dem seiner Schüler anbequemt. Die einfache Sprache, die kindliche Anschauung früherer Jahrhunderte ist überwunden. Was der Geist damals sagte, galt für die damals Lebenden, nicht für die später Kommenden. Darum ist jeder neue, große Mann auch ein Reformator. Kann es also Satzungen und Regeln geben, die für Jahrtausende Geltung haben dürfen oder gar müssen?« – »Nein.« – »Nun gut! Wollen wir nun annehmen, daß der Geist nur in einigen Auserlesenen tätig sei? Wohnt er nicht vielmehr in uns allen? Ich muß Euch da ganz bestimmt um Eure Meinung ersuchen.« – »Der Geist wohnt in jedem, das ist nicht zu bestreiten, obgleich er, je nach der vorgefundenen Materie, den einen mehr, den anderen weniger erleuchtet.« – »Angenommen! Was von einzelnen Jahrhunderten, von einzelnen Nationen gilt, muß auch von jedem Menschen gelten. Der Geist bedient sich nicht einer Universalsprache, er spricht mit dem einzelnen in der Weise, die demselben verständlich ist. Die Lehren und Regeln, die er dem einen gibt, können nicht für einen anderen oder für alle passen. Auf diese Weise entwickeln sich individuelle Satzungen und Gesetze, die, da sie vom Geist stammen, heiliger und unverletzlicher sind als alle die sogenannten Gesetze, die die Herren Juristen zusammenstellen. Der Mensch, als vom Geist Gottes beeinflußt, ist nur sich selbst verantwortlich; er hat niemandem Rechenschaft abzulegen über das, was er denkt, redet und tut. Das ist das Resultat der einzig richtigen Philosophie. Wir werden nicht das Reich der Freiheit erlangen, in dem jeder sein eigener Richter und Gesetzgeber ist. Es gehören nur wenig Auserwählte zu demselben. Der Verfasser dieses Buches beweist, daß er einer dieser Auserwählten ist.«
Es war eine furchtbare Philosophie; dieser kleine, dicke Mensch entwickelte ein System, das allen Gesetzen Hohn sprach und einem jeden gerade das zu tun erlaubte, was ihm beliebte; es war die Philosophie der Bosheit, des Verderbens.
Er blickte scheinbar nachdenklich und, wie auf eine Fortsetzung seiner Rede sinnend, vor sich hin, aber diese Pause hatte doch nur den Zweck, die Wirkung zu taxieren, die seine Worte auf den Pater gemacht hatten. Dann fragte er:
»Darf ich annehmen, daß Ihr mit diesen Deduktionen einverstanden seid?«
Der Pater zuckte die Achsel und antwortete:
»Im allgemeinen, ja; aber im besonderen nicht.« – »Wieso?« – »Es schmeichelt mir, daß ein jeder Mensch, also auch ich, vom Geist erleuchtet werden soll. Aber der Umstand, daß diese Erleuchtung je nach der Individualität eine verschiedene ist, läßt mich annehmen, daß zwei Menschen niemals vollständig, sondern nur im allgemeinen gleicher Meinung sein können. Ich muß mir daher die Individualität meines Denkens und Handelns vorbehalten.«
Ahnte der Pater vielleicht, daß der andere das Gespräch nicht ohne Absicht auf dieses Thema gebracht hatte? Ahnte er, daß derselbe damit irgendeinen gefährlichen Zweck verfolge? Erriet er diesen Zweck, und war er etwa entschlossen, sich gegen denselben aufzulehnen?
Der andere schien dieser Ansicht zu sein, denn seine Äuglein verkleinerten sich noch mehr, und er nagte einige Augenblicke lang mit den Zähnen an der Unterlippe, ehe er in scheinbar gleichgültigem Ton sagte:
»Wem fällt es denn ein, Eure Individualität anzugreifen? Wir sprachen ja nur darüber, daß der Verfasser dieses Buches zu weit zu gehen scheint, und es war, gerade da er einer der Unsrigen ist, meine Pflicht, ihn gegen diesen Vorwurf in Schutz zu nehmen.« – »Es sollte eine Meinung sein und kein Vorwurf«, entschuldigte sich Pater Hilario. – »Das freut mich um Euretwillen und besonders auch des Umstandes wegen, daß wir sehr oft, ja, meist gezwungen sind, nach den Anschauungen dieses Buches zu handeln. Der Beweis für diese Behauptung wird sich auch Euch gegenwärtig bieten.« – »So vermute ich, daß Ihr mir den Stoff oder vielmehr den Auftrag zu einer solchen Handlung bringt.« – »Ihr vermutet richtig. Es soll Euch Gelegenheit gegeben werden zu einer Tat des Geistes, auf die Ihr stolz sein könnt, zu einer Tat, die große Belohnung finden wird.« – »Ich bin gern bereit, Euren Auftrag entgegenzunehmen.« – »So hört.«
Der Kleine ergriff das Glas, benetzte seine Lippen, als ob er dieselben zu dem Kommenden erst kräftigen müsse, setzte sich behaglich in seinem Stuhl zurecht und fuhr dann fort:
»Ihr kennt den Zustand unseres Landes und wißt, was wir, das heißt unsere Gesinnungsgenossen, von demselben erwarten können. Oder glaubt Ihr etwa, Euer Heil bei Juarez zu finden?« – »Oh, keineswegs.« – »Bei diesem österreichischen Max?« – »Ebensowenig.« – »Oder bei irgendeinem anderen Führer, der unseren Grundsätzen ebenso fern steht, wie er sich weigert, unsere berechtigten Forderungen anzuerkennen und zu befriedigen?« – »Ganz und gar nicht.« – »Nun gut, so sehen wir doch einmal, ob uns wirklich alle Hoffnungen genommen sind. Was haltet Ihr von der Fortdauer der französischen Invasion?« – »Die Franzosen müssen gehen.« – »Von der Fortdauer des Kaiserreiches?« – Es wird und muß zusammenbrechen, sobald es seiner einzigen Stütze, das heißt der Franzosen, beraubt ist.« – »Was wird dann geschehen?« – »Juarez wird wieder an das Ruder kommen.« – »Und was haben wir von diesem Mann zu erwarten?« – »Die unnachsichtigste Rache, die schärfste Unterdrückung.« – »Ich sehe, daß wir übereinstimmen. Wir müssen dieses uns bevorstehende Schicksal zu vermeiden suchen; das ist eine Aufgabe, an die wir alle Kräfte setzen müssen.« – »Es wird uns nicht gelingen, sie zu lösen«, meinte der Pater. – »Warum?« fragte der andere, indem ein leises, überlegenes und fast höhnisches Lächeln um seine Lippen spielte. – »Wollen und können wir die Franzosen zurückhalten?« – »Fällt uns nicht ein.« – »Oder wollen wir das Kaiserreich dieses Maximilian stützen?« – »Dieses ebensowenig.« – »Oder wollen wir uns der wahnsinnigen Hoffnung hingeben, daß es uns gelingen werde, Juarez uns zum Freund zu machen?« – »Das am allerwenigsten. Wißt Ihr, was er kürzlich über uns hat verlauten lassen?« – »Ich hörte es noch nicht.« – »Er hat geäußert, daß es eine Partei im Lande gebe, die er die Partei des Teufels nennen möchte. Weder republikanisch, noch kaiserlich, noch sonst irgendwie gesinnt, rekrutierte sie sich aus Menschen, die, außerhalb aller göttlichen und menschlichen Gesetze stehend, sich von der Kirche losgesagt haben und zum Schein und zur Täuschung anderer sich doch unter dem Panier des Christentums versammle. Diese Partei gebe keinen Pardon und habe also von ihm auch keinen zu erwarten. Sie sei trotz ihres frommen Habitus ja nicht etwa mit der Partei der ultra oder kirchlich Gesinnten zu verwechseln. Sie bestehe aus nur wenigen Mitgliedern, besitze aber eine Tatkraft und Rücksichtslosigkeit, die sie geradezu furchtbar mache.«
Pater Hilario lächelte, ehe er antwortete, eine Weile zufrieden vor sich hin.
»Dieser Juarez scheint uns zu kennen«, meinte er. »Sein Urteil weicht nicht gar zu sehr von der Wahrheit ab.« – »Ich muß es sogar als vollständig treffend bezeichnen. Wir sehen also sehr leicht ein, daß wir von den anderen keine Vorteile, von ihm aber weder Gnade noch Erbarmen zu erwarten haben. Wird er von neuem Präsident, so fallen wir dem unvermeidlichen Verderben anheim. Daraus folgt der Kernpunkt unserer gegenwärtigen Politik: Die anderen gehen fort, Juarez aber geht unter.«
Der Pater schüttelte den Kopf.
»Diese Politik wäre eine gute, wenn sie nur Aussicht auf Erfolg haben könnte«, sagte er.
Wieder spielte jenes höhnische, überlegene Lächeln um die Lippen des Kleinen. Er zuckte die Achseln und meinte leichthin:
»Wem nicht zu raten ist, dem ist auch nicht zu helfen. Glücklicherweise aber haben wir an unserer Spitze einen Mann, dem es nie an Rat fehlt; also läßt sich wohl annehmen, daß uns doch auch zu helfen sei.« – »Hm. Ich kenne nur einen einzigen Rat, den es geben könnte.« – »Welchen?« – »Juarez müßte sterben. Dann wäre man ihn los.« – »Ihr haltet das wirklich für den einzig möglichen Rat?« – »Ja.« – »Ihr Kurzsichtigen könnt mich dauern! Habt Ihr denn noch nie gehört, daß, selbst wenn ein Mensch stirbt, die Seele seines Wirkens doch immer weiterschafft? Wenn Juarez stirbt, so treten andere auf, die in seinem Geist fortarbeiten. Hilfe wird uns also nur dann, wenn man Juarez leben läßt, aber diesen seinen Geist tötet.«
Der Pater, sonst doch ein so scharfsinniger und rücksichtsloser Mann, machte ein sehr verblüfftes Gesicht und meinte:
»Ihr sprecht mir zu hoch, Eure Worte sind mir lauter Rätsel, ich verstehe Euch nicht.« – »Nun, dann muß ich Euch abermals bedauern. Juarez selbst muß leben bleiben, er darf nicht angetastet werden, denn wir wollen ihn zu einem unserer Werkzeuge machen. Aber sein Geist, die Seele seines Wirkens muß sterben, muß moralisch und politisch totgemacht werden. Ist der Augenblick da, wo er sein Werk zu krönen vermeint, muß diese Krone sich in eine Verbrechermütze verwandeln, um die sich ein Scheiterhaufen erhebt, dessen Flammen aus allen Teilen der Erde emporlodern.« – »Ich merke, daß Ihr einen bestimmten Plan vor Augen habt, doch ist es mir nicht möglich, ihn zu erraten.« – »Nun, so will ich ihn Euch in kurzen, trockenen Worten sagen: Kaiser Max ist ein unglücklicher, guter Mensch, der zwar den Fehler begangen hat, Mexiko glücklich machen zu wollen, aber doch die Sympathie der ganzen Erde besitzt. Sein Schicksal war die Abdankung. Das liegt aber nicht in unserem Sinn. Sein Schicksal muß ein viel, viel schlimmeres sein, und Juarez muß zum Urheber desselben gemacht werden. Mit einem Wort, Juarez muß der Mörder des Kaisers Maximilian von Mexiko werden.«
Der Pater fuhr in seinem Stuhl empor.
»Alle Teufel!« rief er. »Dann wäre er allerdings verloren. Er würde von aller Welt gerichtet werden, er würde unmöglich sein, er wäre in jeder Beziehung tot und abgetan.« – »Jawohl. Und dann? Kein Napoleon, kein Bazaine, kein Österreicher, kein Juarez! Wir hätten gewonnenes Spiel!« – »Werden aber niemals so weit kommen.« – »Warum?« – »Es wird kein Mensch Juarez dazu bringen, der Mörder des Kaisers zu sein.« – »Oh, ich kenne doch einen, der dies fertigbringen soll und wird!« – »Wer wäre das?« – »Ihr! Pater Hilario aus Santa Jaga!«
Der Pater machte ein Gesicht, das sich gar nicht beschreiben läßt. Man sah es ihm aber an, daß er mehr erschrocken als erstaunt war, gerade seinen Namen hier zu hören.
»Um des Teufels willen! Was könnte denn ich dabei tun?« rief er mit dem Ausdruck gänzlicher Ratlosigkeit. – »Fällt Euch denn wirklich gar nichts bei?« – »Soll ich den Kaiser etwa erschießen und die Schuld auf Juarez schieben?« – »Nein.« – »Oder soll ich den Kaiser vergiften und dann sagen, daß Juarez mir das Gift bezahlt habe?« – »Nein.« – »Das hieße, mich geradezu in den offenbaren Tod schicken!« – »Das beabsichtigen wir ja nicht. Es gibt da ganz andere, viel feinere und geschicktere Wege.« – »Ich sehe keinen anderen. Der Kaiser kann nicht anders sterben als durch Meuchelmord.« – »Den verschmähen wir. Kennt Ihr denn gar nicht sein berüchtigtes Dekret, in dem er gebietet, jeden Patrioten als Räuber zu behandeln und zu erschießen?« – »Natürlich kenne ich es.« – »Aber Ihr wißt nicht, daß die Wirkung dieses Dekretes auf ihn zurückfallen muß?« – »Auch das weiß ich. Wenn Max in die Hände der Republikaner fällt, so wird ihm der Prozeß gemacht. Juarez kann nicht anders; er darf ihn nicht begnadigen, wenn er nicht dadurch sich selbst verderben will.« – »Nun gut. Endlich fangt Ihr einmal an, zu begreifen! Wir haben weiter nichts zu tun, als eben einfach dafür zu sorgen, daß Max in die Hände der Republikaner fällt.« – »Wie sollte man das anfangen?« – »Ihr denkt nicht daran, daß die Franzosen abziehen werden.« – »Er wird mit ihnen gehen. Napoleon hat die hohe Verpflichtung, das Opfer, das er uns herbeigeschleppt hat, wieder mit sich fortzunehmen; er darf ohne dasselbe nicht abziehen, wenn er nicht von aller Welt gerichtet und verurteilt sein will.« – »Das ist zwar wahr; aber wie nun, wenn sich gerade dieses Opfer weigert, mit ihm zu gehen?« – »Das wäre Wahnsinn!« – »Allerdings. Aber der Wahnsinn, überhaupt unser Kaiser werden zu wollen, war nicht geringer. Max ist lenkbar und ein Träumer. Malt ihm eine Krone vor, und er hält die Farbe für reines Gold.
Es bedarf nur eines Mannes oder zweier Männer, um den Plan gelingen zu lassen. Den einen haben wir bereits, der andere sollt Ihr sein.« – »Ich?« fragte der Pater abermals erschrocken. »Ich soll dem Kaiser raten, nicht mit den Franzosen abzuziehen?« – »Ja, Ihr!« – »Das bringe ich allerdings nicht fertig.« – »Oh, man wird Euch alle Mittel in die Hand geben, die nötig sind, diesen Maximilian zu überzeugen, daß Ihr recht habt.« – »Er wird es doch nicht glauben.« – »Ihr kennt ihn schlecht, wir aber haben ihn studiert.« – »So soll ich Santa Jaga verlassen und zu Max gehen?« – »Ja.« – »Das geht nicht, das kann ich nicht; ich habe große Verpflichtungen, die mich hier zurückhalten.« – »So macht Eure Rechnung, und man wird Euch entschädigen.« – »Ich fühle mich für die Lösung einer solchen Aufgabe ganz und gar nicht geeignet!« – »Das kommt nicht in Betracht. Wir anderen wissen gerade, daß Ihr der geeignetste Mann dazu seid. Und das ist die Hauptsache.«
Der Pater befand sich augenscheinlich in einer schauderhaften Verlegenheit. Es war allerdings nicht wahr, daß er sich einer solchen Aufgabe nicht für gewachsen hielt; aber er dachte an die Gefangenen, die in seinem Keller steckten, und die er zu beaufsichtigen und zu ernähren hatte. Konnte er fort?
»Nein!« sagte er. »Ich bitte, von mir abzusehen. Es sind andere da, die eine solche Auszeichnung verdienen.« – »Diese anderen sind bereits beschäftigt. Ich habe Euch den ganz bestimmten Befehl zu überbringen, von heute an in zehn Tagen einzutreffen.« – »In Mexiko?« – »Ja.« – »Ich denke, Max residiert in Cuernavaca?« – »Ihr werdet nach Mexiko eine Einladung erhalten, bei ihm zur Audienz zu erscheinen. Ihr seht, daß alles eingeleitet ist und also nichts mehr redressiert werden kann.« – »Und dennoch bin ich gezwungen, zu verzichten.«
Da erhob sich der andere. Seine Miene nahm auf einmal einen erbarmungslosen Ausdruck an; seine Augen hefteten sich fast durchbohrend auf den Pater, und in einem Ton, der dem Versuch eines Löwen, seine Stimme zu erheben, glich, fragte er:
»Ihr wollt wirklich verzichten?« – »Ja.« – »Trotz des strikten Befehls, den ich Euch überbringe?« – »Ich bin gezwungen dazu.« – »Kennt Ihr die Gesetze unserer Verbindung denn noch?« – »Ich kenne sie.« – »Was hat einer zu erwarten, der sich weigert, einen Befehl zu erfüllen?« – »Allerdings eine Bestrafung.«
Der Dicke ahmte höhnisch den Ton des Paters nach, indem er auch dessen Worte wiederholte:
»Allerdings eine Bestrafung! Aber was denkt Ihr Euch denn wohl bei diesem Wort Bestrafung, das Ihr mit einer so naiven Unbefangenheit aussprecht?« – »Es ist eine Bestrafung festgesetzt; aber worin diese zu bestehen hat, das ist nicht erwähnt« – »So denkt Ihr wohl gar, daß die Bestrafung Eurer unbegreiflichen Weigerung etwa in einer kleinen Geldbuße bestehen werde?« – »Ich weiß, daß geheime Verbindungen nicht so leichte Strafen in Anwendung bringen. Ich bin also auf eine größere Geldsumme gefaßt, die ich zu zahlen haben werde.«
Da brach der Dicke in ein lautes Gelächter aus.
»Geld! Geld! Geld!« meinte er. »Ich sage Euch, daß unsere Verbrüderung gar keine Geldstrafe kennt. Es gibt nur eine einzige Art der Bestrafung, und diese heißt – Tod.« – »Tod!« rief der Pater, tief erbleichend. »Wer hat das Recht, eine solche Strafe zu verhängen? Ich erkenne es nicht an.« – »Pah! Ihr habt es durch Euren Beitritt anerkannt!« – »Eine solche Härte wäre Grausamkeit, Unmenschlichkeit.«
Da blickte der andere ihn fixierend von der Seite an und sagte:
»Grausamkeit? Unmenschlichkeit? Diese Worte gebraucht Ihr?« – »Ja, ich!« – »Das ist fast lustig; das ist sogar lächerlich. Kann es einen grausameren, rücksichtsloseren Schurken geben als Euch? Und Ihr, Ihr wollt andere grausam und unmenschlich nennen?«
Der Pater trat einen Schritt zurück und antwortete: »Was fallt Euch ein? Was wißt Ihr von mir?« – »Wenn nicht alles, so doch vieles. Oder glaubt Ihr, daß wir das Tun und Treiben unserer Mitglieder nicht beobachten und kennen? Wollten wir das unterlassen, so könnten wir gar nicht bestehen. Oft kennen wir unsere Leute besser als sie sich selbst Was also die Strafe betrifft, so wiederhole ich, daß es nur eine einzige gibt, und diese ist der Tod.« – »So trete ich aus!« – »Hahaha! Austreten! Der Teufel läßt keine Seele wieder aus den Krallen. Ein Austritt ist nicht gestattet, ist nicht möglich. Nur der Tod gibt Befreiung.« – »Beim Himmel! Das hätte ich früher wissen sollen.« – »Ah, manches Eurer Opfer hätte Euch früher kennen sollen! Also, ich wiederhole meine Frage, ob Ihr dem Befehl gehorchen wollt.« – »Laßt mir wenigstens Bedenkzeit.« – »Wozu Bedenkzeit, da alles bereits fest bestimmt ist? Ihr habt ebenso blind und unweigerlich zu gehorchen wie jedes andere Mitglied. Euch besonders will ich noch die Mitteilung machen, daß die Todesstrafe zwar unsere einzige ist, daß wir aber doch auch noch gewisse Verschärfungen kennen. Euer Tod zum Beispiel würde ein sehr verschärfter und nicht etwa ein leichter sein.« – »Glaubt Ihr etwa, daß ich zu Eurem Scherz mich ängstigen lasse?« – »Ich scherze nicht. Ich spreche aus Kenntnis der Sache. Ihr seid nicht der erste, dem ich sein Todesurteil gebracht habe. Das Eure würde darin bestehen, daß Ihr zerrissen oder gevierteilt würdet, und zwar bei lebendigem Leib.«
Das war dem Pater zu stark, so daß er zu glauben anfing, es handle sich wirklich nur um einen grausamen Spaß.
»Ihr würdet dann das Geschäft des Vierteilens wohl in eigener Person vornehmen?« fragte er lachend.
Der Dicke aber behielt sein strenges Gesicht bei und antwortete:
»Das fiele mir nicht ein. Wir wissen es so einzurichten, daß wir unser Urteil niemals selbst zu vollstrecken brauchen. Ihr, zum Exempel, würdet in der Hauptstadt von dem offiziellen Henker hingerichtet. Dafür würden wir sorgen.«
Es überlief den Pater ein kalter Schauder. Der Ton des anderen überzeugte ihn, daß es sich doch nicht um einen Scherz handle.
»Auf welche Weise wolltet Ihr das besorgen?« fragte er. – »Hm! Das will ich Euch sagen, obgleich ich eigentlich zu einer solchen Aufrichtigkeit gar nicht verpflichtet bin. Aber, da fällt mir gleich eine Frage ein, die ich nicht vergessen möchte. Gibt es wohl ein Gift, das den Geist tötet?«
Der Pater dachte wirklich, daß diese Frage seinem Besucher nur ganz zufälligerweise in den Sinn gekommen sei. Als Fachmann erwachte sofort sein Interesse daran, und so antwortete er ahnungslos:
»Ein jedes Gift wirkt eigentlich, indem es den Körper schädigt, auch indirekt auf den Geist.« – »Das meine ich nicht. Ich frage nach einem Mittel, das direkt den Geist tötet, ohne den Körper zu verletzen.« – »Ha, da könnte man das Kurare nennen. Rein angewandt, tötet es die Bewegungsnerven. Der Betreffende liegt regungslos da, scheinbar tot, weiß aber alles, was mit ihm getan wird. Er fühlt ein jedes Lüftchen und den geringsten Nadelstich. In einer Vermischung wirkt es augenblicklich tötend, und in einer anderen Vermischung wirkt es allerdings nur auf den Geist, den es wahnsinnig macht, ohne die geringste Wirkung auf den Körper.« – »Kennt Ihr diese Mischung?« – »Nein.« – »Gibt es noch ein weiteres Gift, das nur wahnsinnig macht, ohne von irgendeiner weiteren Wirkung zu sein?« – »Nein«, sagte der Pater zurückhaltend. – »Und doch hat man mir da kürzlich den Namen eines solchen genannt.« – »Wie hieß es?« – »Ich glaube Toloachi, oder, wie es ausgesprochen wird, Toloadschi.« – »Toloadschi?« machte der Pater nachdenklich. »Hm!« – »Kennt Ihr es?« – »Nein, gar nicht.« – »Das ist doch höchst wunderbar.« – »Warum?« – »Weil Toloadschi eine hier bei uns so häufige Pflanze ist.« – »Möglich, aber ihre Wirkung kenne ich nicht.« – »Sie soll große Ähnlichkeit mit der Wolfsmilch haben. Ein paar Tropfen ihres Milchsaftes, der vollständig geschmack- und auch geruchlos ist, erzeugt einen unheilbaren Wahnsinn, während der Körper dabei ein hohes Alter erreichen kann. Politische Gegner, Nebenbuhler, allerlei Feinde und Konkurrenten pflegen sich damit unschädlich zu machen, ja, es soll sogar vorgekommen sein, daß – ah, solltet Ihr es nicht auch bereits gehört haben, daß man mit einigen Tropfen dieses Toloadschi auch gekrönte Häupter wahnsinnig gemacht hat?« – »Weiß nichts davon«, antwortete der Pater möglichst unbefangen. Dem anderen aber entging es nicht, daß die Stimme des Paters ganz plötzlich einen gepreßten Ton angenommen hatte.
Der Dicke fuhr in erzählendem Ton fort:
»So spricht man von einer Kaiserin, von der das Volk nichts wissen wollte, weil sie und der Kaiser dem letzteren aufgedrungen worden waren. In einem Kloster wohnte ein früherer Pater, der sich sehr viel mit Medizin beschäftigt hatte und besonders ein ausgezeichneter Kenner des Toloadschi war.«
Der Pater konnte ein Husten nicht unterdrücken.
»Ihr hustet?« fragte der andere höhnisch. »Seid Ihr krank?« – »Nein.« – »Oder langweilt Euch mein Geschwätz?« – »O nein.« – »So kann ich diesen hochinteressanten Fall weitererzählen. Zu diesem Pater nämlich kamen zwei Männer und verlangten von ihm ein Wahnsinn erzeugendes Gift. Sie machten kein Hehl daraus, daß es für die Kaiserin bestimmt sei, erhielten es aber dennoch, natürlich gegen die Auszahlung einer angemessenen Summe, deren Höhe ich sogar kenne.« – »Ist das nicht ein Märchen oder Phantasiestück?« warf der Pater, dem der Schweiß auf die Stirn zu treten begann, ein. – »O nein. Die Kaiserin erhielt das Gift. Nach und nach stellten sich die Vorwirkungen, die den völligen Wahnsinn vorbereiten, ein. Die hohe Dame war gezwungen, einen anderen Kaiser, von dem ihre Krone abhängig war, zu besuchen, um die Erfüllung eines Wunsches von ihm zu erlangen, was allerdings vergeblich war. Kurze Zeit darauf trat der Wahnsinn bei ihr ein.« – »Vielleicht hat sie sich über die Vergeblichkeit dieser Reise und die Nichterfüllung ihres Wunsches so sehr aufgeregt und gekränkt, daß dies der Grund ihrer Krankheit geworden ist.« – »So hieß es allerdings, und so heißt es noch überall; aber Eingeweihte wissen es besser. Wißt Ihr, wer diese Eingeweihten sind?« – »Nein.« – »Einige Obermeister unseres Geheimbundes; auch ich gehöre zu ihnen. Und wißt Ihr, welche Kaiserin ich meine?« – »Ich – ich ahne es«, stieß der Pater hervor. – »So brauche ich es nicht zu sagen. Aber ahnt Ihr denn vielleicht auch, wer der Giftmischer ist?« – »Nein.« – »Der früher Pater eines Klosters.« – »Ich weiß es nicht.« – »Das Gift befand sich in einem Fläschchen von schwarzem Glas.«
Der Pater ächzte vor Angst.
»Am Montag wurde es bestellt, und am Sonnabend brachte er es dem Señor Ri...« – »Um Gottes willen!« rief der Pater, die Hände emporstreckend. – »Was habt Ihr denn?« – »Ich kann dergleichen Erzählungen nicht anhören!« – »Ihr als Arzt? Ihr müßtet doch eigentlich starke Nerven haben!« – »Es wird mir aber dennoch übel davon.« – »Das glaube ich!« lachte der andere. »Wie übel aber müßte es da erst dem wirklichen Täter werden, wenn er davon reden hörte! Glaubt Ihr wohl, daß er gevierteilt würde, wenn die Sache zur Anzeige käme?« – »Der Beweis wäre die Hauptsache.« – »Der ist da; da habt nur keine Sorge. Aber während dieser Mordgeschichte sind wir von unserem eigentlichen Thema abgekommen. Wovon sprachen wir denn eigentlich?«
Der Pater wischte sich den Schweiß von der Stirn und erwiderte: »Wir sprachen zuletzt wohl von dem Befehl, den Ihr mir zu überbringen hattet.« – »Allerdings, ja, davon sprachen wir. Und, wie steht es? Wird dieser Auftrag Euch angenehm sein?« – »Hm! Angenehm gerade nicht.«
Hilario brachte diese Worte kaum zwischen den Zähnen hervor.
»Aber auch nicht unangenehm?« – »Nein«, stammelte er. – »Gut, so bin ich mit Euch zufrieden. Von dieser Toloadschigeschichte und der wahnsinnigen Kaiserin soll nicht wieder die Rede sein; denn ich hoffe nicht, daß Ihr mich zwingen werdet, noch einmal darauf zurückzukommen. Die Euch gewordene Aufgabe kennt Ihr im allgemeinen. Besondere Informationen und Instruktionen werden Euch in der Hauptstadt zuteil. Einige Bemerkungen will ich Euch im voraus machen. Glaubt Ihr, daß Juarez persönlich dem Kaiser übelwill?« – »Ich glaube das Gegenteil.« – »Ich auch, ja, ich habe die Beweise dafür. Juarez wird den Kaiser schonen, so lange es nur immer möglich ist. Er ist sogar bereits in heimliche Unterhandlung mit ihm getreten, um ihn zu retten.« – »Hat er denn Agenten bei ihm?« – »Einen einzigen.« – »Einen Mexikaner?« – »Eine Dame.« – »Eine Dame? Das klingt sehr unwahrscheinlich.« – »Und ist doch wahr. Diese Dame ist ein höchst gefährliches Wesen. Entzückend schön, geistreich, gewandt, listig, wie nur ein Weib sein kann, ist sie zu einer politischen Geheimagentin wie geschaffen. Wir haben sie durchschaut, ein anderer aber noch nicht. Sie ist eine begeisterte Anhängerin von Juarez und verstand es doch, die Franzosen glauben zu machen, daß sie es mit ihnen halte.« – »Ein ähnliches Weib habe auch ich gekannt.« – »Sie sind aber selten. Die, welche ich meine, betrog zum Beispiel die Franzosen und überlieferte Juarez Chihuahua.«
Da fuhr der Pater empor.
»Alle Wetter! Heißt sie etwa Emilia?« fragte er. – »Ja«, antwortete der andere. »Señorita Emilia wird sie genannt. Ist das die, welche Ihr kennt?« – »Ja. Wo steckt sie jetzt?« – »In Cuernavaca.« – »So hat sie wohl sogar beim Kaiser Zutritt?« – »Nein, aber sie verhandelt mit Personen, die mit dem Kaiser verkehren.« – »Brächte die Aufgabe, die ich zu lösen habe, mich auch mit ihr in Berührung?« – »Natürlich! Ihr ständet Euch als Feinde gegenüber. Sie soll ja für Juarez wirken und Ihr gegen ihn. Sie wird alles tun, um den Kaiser zur schleunigen Abreise zu bewegen, und Ihr sollt alles tun, um ihn festzuhalten.«
Die Haltung des Paters war jetzt plötzlich eine ganz andere geworden, die Gewißheit, mit Emilia zusammenzutreffen, söhnte ihn schnell und gänzlich mit seinem Auftrag aus, so daß er sogar den Schreck und die Angst vergaß, die ihm die Erwähnung der wahnsinnigen Kaiserin bereitet hatte.
Von jetzt an verlief infolgedessen das Gespräch zur beiderseitigen Zufriedenheit, und als beide voneinander schieden, geschah es in ganz anderer Weise, als es vorher zu erwarten gewesen war.