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»Deine Hand fiebert,« sagte die Baronin, während sie draußen auf der Freitreppe des Säulenhauses ihren Arm in den ihres Mannes schob und seine Rechte dabei streifte. Er aber fuhr bei dieser Berührung mit der unwillkürlichen Gebärde des Wegschleuderns zurück, als habe ihn eine Viper gestochen.
Sie biß sich auf die Unterlippe, hing sich jedoch um so fester an seinen Arm. »Du bist ernstlich böse, wie mir scheint,« sagte sie, »und ich habe doch im Grunde nichts verbrochen. Hast du wirklich das Recht, von mir zu verlangen, daß ich eine treue, aufopfernde Freundin ohne weiteres vor die Tür stoße, weil sie dir unsympathisch ist?«
»Das Recht habe ich, und ich bin noch einmal so unverzeihlich nachgiebig gewesen, die Erfüllung meiner gerechten Forderung in deine Hand zu legen, anstatt selbst gründlich ›Kehraus‹ zu machen. Es war das alte Spiel – die Freundin triumphiert, und ich habe mich einfach lächerlich gemacht.«
»Mein Gott, niemand hat mehr darunter gelitten als ich! Aber das ist ja nun zu Ende. Eine bessere Gelegenheit, Adelheid los zu werden,« – ihre Stimme sank zum Flüstern herab, und sie sah sich scheu um, ob kein Horcher in der Nähe – »läßt sich nicht denken. Wir verreisen eben, und es bedarf nur eines ausdrücklichen Befehles, daß ich dich begleite, um jeden Einwand zu entkräften.«
»Und du glaubst wirklich, ich spreche den Befehl aus?« Er zog seinen Arm, den sie umschlungen hielt, straff nieder und blieb stehen – bis dahin hatte er im förmlichen Sturmschritt dem Atelier zugestrebt, so daß sie sich nur mit Mühe an seiner Seite zu halten vermochte.
»Allerdings wirst du das tun,« bestätigte sie entschieden, aber in seltsam heiserem Ton und sah ihn mit lodernden Augen an, in denen sichtlich Angst und eine wilde Drohung um die Herrschaft stritten.
Er lachte bitter auf. »Nachdem du gerade jetzt wieder in drastischer Weise gezeigt hast, wie liebevoll du meinen Wunsch und Willen zu achten gewohnt bist? ... Ich reise allein, jetzt und immer! Und auch du hast die vollkommene Freiheit, zu gehen, wohin du willst. Ich habe mich ja schon jedes Einspruchs begeben, als du nach Rom gingst, ohne meine Einwilligung auch nur mit einem Wort nachzusuchen. Ich ließ dich widerspruchslos gewähren, mit dem festen Vorsatz, daß es fortan auch so bleiben solle zwischen uns.«
»Ich will diese Freiheit aber nicht, und dir gestatte ich sie noch viel weniger.«
Er lächelte verächtlich und schritt nach dem Atelier. Sie hielt sich eng an seiner Seite.
Die Tür des Wintergartens stand offen, und sie traten ein. Es war schwül drinnen; keiner der Springbrunnen war in Tätigkeit; Baron Schilling hatte sie vor einigen Stunden selbst geschlossen, weil ihm ihr Rauschen störend gewesen war. Er trat an das große Becken, und gleich darauf zischte die silberfunkelnde Wassergarbe empor und durchstäubte erfrischend die schwere, balsamische Luft.
Und die Baronin huschte mit der flinken Geschäftigkeit einer sorglichen Hausfrau helfend zu den zwischen den Pflanzen halb versteckten kleinen Steinmulden und ließ die Wasserstrahlen, einen nach dem anderen, aufsteigen. »Das ist sehr hübsch,« sagte sie, mit den Augen die dünnen, glänzenden Wasserbogen verfolgend, die sich über ihrem Haupte wölbten, um in das große Becken niederzusinken – sie ließ sich gefällig zu einem Lob herab. »Ich habe keine Ahnung von dieser netten Spielerei hinter den Glaswänden gehabt, sonst hätte ich doch vielleicht meine Abneigung vor dem Atelier unterdrückt und wäre manchmal hierher geschlüpft, um in deiner Nähe zu sein ... Nun, wenn wir zurückkommen!« –
Er schwieg; kein Zug seines Gesichts bewegte sich, während er umherging und sorgfältig die Röhren wieder schloß, die sie aufgedreht hatte. »Das macht zu feucht,« bemerkte er kurz. »Es war ein Fehler, so viel Wasser neben dem Atelier zu sammeln –«
»Ist denn der Zufluß so erheblich?«
»Er ist so bedeutend, daß mein Arbeitslokal bei irgend einem Versehen sehr schnell unter Wasser gesetzt werden könnte.« – Damit wandte er sich ab und schob den Samtvorhang hinter der offenen Glastür zurück, um in das Atelier zu gehen.
»Ei, das könnte uns in diesem Augenblick fehlen!« rief sie, ihm fast auf dem Fuße folgend. »Drüben im Hause die Zerstörung und hier – doch, mein Freund, nun gib der Wahrheit die Ehre!« – unterbrach sie sich und sank überlegen lächelnd in den nächsten Lehnstuhl. »Habe ich nicht recht gehabt mit meinem Widerwillen gegen diese amerikanische Einquartierung? Was alles hat unser ehrbarer, stiller Schillingshof in dieser Zeit mit ansehen müssen! Die Flucht einer Ballettänzerin mit Hinterlassung von Schulden, eine tödliche Krankheit, die auch mein Leben bedroht hat, als ich ahnungslos zurückkehrte, – die Verwüstung in unserem schönen Holzsalon –«
»Ohne die Hannchens unglücklicher Vater Gott weiß wie viele Jahre noch auf deinen besonderen Befehl spuken gehen müßte –«
»Und unser eigenes Zerwürfnis um dieser fremden Leute willen,« fuhr sie fort, wie immer jede Anspielung auf einen ihrer Irrtümer überhörend, wobei sie, die Ellbogen auf die Armlehnen gestützt, im gleichmütigen Spiel die Fingerspitzen gegeneinander stippte. »Und was ist der Dank für all diesen Jammer, den du dir und mir aufgebürdet hast? – Das frechste, unverschämteste Auftreten einer anmaßenden Baumwollbaronin, das mir je bei dem widerwärtigen Geldprotzentum vor die Augen gekommen ist!«
Sie schüttelte boshaft in sich hineinlachend den Kopf. »An dieser bronzefarbenen Schönheit hast du keine Eroberung gemacht, mein Freund. Sie hat dir böse Dinge gesagt, häßliche Dinge – an dem ›germanischen Nationaldünkel‹ wirst du zu schlucken haben.« Er war längst hinter die Staffelei getreten. Das große Bild verdeckte ihn vollkommen, und so konnte sie nicht sehen, wie dieses ausdrucksvolle Männergesicht blaß wie der Tod wurde, wie sich die festgeballten Hände unwillkürlich hoben und gegen die Brust schlugen.
Die bequem hingesunkene Frau sprach weiter, lächelnd vor innerer Befriedigung und unerschöpflich in der Schilderung der »ergötzlichen« Szene, die sie kaum noch im Holzsalon erlebt hatte, und dann richtete sie sich plötzlich aus ihrer nachlässigen Stellung auf und rief erschrocken: »Aber ich verplaudere hier die Zeit, und meine Jungfer sitzt drüben und liest, um die Nachmittagsstunden totzuschlagen, und hat keine Ahnung, daß die Arbeit bergehoch über sie hereinbricht ... Im Ernste, Arnold, kannst du nicht noch einen einzigen Tag zugeben?«
»Ich sagte dir bereits, daß meine Abreise deine gegenwärtigen Lebensgewohnheiten in keiner Weise berühren wird!« rief er ungeduldig herüber. »Wie oft soll ich wiederholen, daß ich allein reisen werde –«
»Torheit! – Ich gehe jetzt, um Adelheid selbst zu benachrichtigen –«
Er trat rasch hinter der Staffelei hervor – jetzt fühlte sie jäh zusammenschreckend, daß sie es mit einem tiefergrimmten, unerbittlichen Gegner zu tun habe.
»Und ich,« unterbrach er sie harten Tones – »ich werde Fräulein von Riedt schriftlich anzeigen, daß ich dir unter keinen Umständen gestatte, mich zu begleiten, daß ich dich, ›deine Seele‹ – um mit ihrem klösterlichen Pathos zu sprechen – für heute und immerdar ihrer Obhut und Leitung widerspruchslos überlasse.«
Sie schnellte empor, als habe sie nie in ihrem Leben an Muskel- und Nervenschwäche gelitten, und trat ihm hochaufgerichtet gegenüber. Der Schrecken hatte ihr jeden Blutstropfen aus dem Gesicht gejagt, aber zu beugen vermochte er sie nicht. »Das wirst du wohl bleiben lassen, mein lieber Arnold!« sagte sie hohnvoll und überlegen. »Ich habe Freunde, die schon seit lange sehnsüchtig die Arme nach mir herüberstrecken. Bin ich einmal in ihrem Bereich, dann würdest du mich – mein Gott, von mir will ich gar nicht reden – ich meine, hauptsächlich alles, was mit dem Namen Steinbrück verknüpft ist, vergebens zurückfordern – du siehst, der Schritt würde dir ein wenig teuer zu stehen kommen.«
»Diese guten Freunde kenne ich,« entgegnete er – für ihre letzte Bemerkung hatte er nur ein verachtungsvolles Achselzucken. – »Es sind diejenigen, denen man glaubhaft zu machen gemußt hat, mein guter, alter Papa habe dich durch allerhand teuflische Künste und Blendwerk deinem ursprünglichen, heiligen Beruf entrissen, um seinem Sohn eben jenes alles, was mit dem Namen Steinbrück verknüpft ist, zuzuwenden. Sie sind bis zur Stunde in der Meinung erhalten worden, dein der Aszese, dem Heiligsten zugeneigtes Herz sei dabei gar nicht beteiligt gewesen, du würdest, der Ehe innerlich abhold, längst wieder in die Reihen dieser entsagungsvollen Braven zurückgekehrt sein, wenn dein in jener teuflischen Verblendung gesprochenes ›Ja‹ dich nicht an die Seite des Mannes zwänge, der alles aufbiete, dich festzuhalten ... Ich bin vollkommen unterrichtet, Klementine, und längst imstande, das Ränkespiel einer Frauenseele zu übersehen, die um keinen Preis den Heiligenschein einbüßen möchte und doch dem Weltleben nicht entsagen will.«
Sie war sprachlos in den Stuhl zurückgesunken und biß sich die Lippen fast wund.
»Es ist ja wahr, mein Vater hat lebhaft unsere Verbindung gewünscht,« fuhr er fort – er hatte die Hände auf dem Rücken zusammengeballt und durchmaß unausgesetzt den weiten Raum des Ateliers. – »Dein stilles, gelassenes Wesen, die widerspruchslose Hingebung in deinen sehr hübsch geschriebenen Briefen, haben dich in seinen Augen madonnenhaft verklärt. Er war damals dem Tode nahe und hat geglaubt, er bette das Geschick seines Sohnes sanft und weich. Und dieser Sohn hat in jenen schweren Stunden gar nicht an die Zukunft gedacht, er hat nur angstvoll in das verschleierte Auge des Kranken gesehen und über den geweckten Freudenstrahl gejubelt – du weißt das; ich habe damals aufrichtig, ohne Rückhalt mit dir gesprochen –«
»Das soll wohl jetzt – wer weiß aus welchen Gründen – heißen, du habest mich nie geliebt?«
»Habe ich dir je Liebesleidenschaft geheuchelt?« fuhr er empört auf. »Wohl habe ich mich vom Anfang an redlich bemüht, unser Zusammenleben zu einem harmonischen zu machen –«
»Ich auch!« – Sie erhob sich so überlegen, als halte sie den letzten, wichtigsten Trumpf in den Händen. – »Es ist mir unvergeßlich, wie ich vor unserer Verheiratung auf einem mehrstündigen Besuch im Schillingshof war, um mich – ein wenig umzusehen. Warum soll ich's leugnen? Ich war sehr erschrocken, hauptsächlich erschrocken um deinetwillen, der du gezwungen sein solltest, deine junge Frau in jene tabakverräucherte Hauswirtschaft eines alten Soldaten zu bringen... Was damals geschehen konnte, dir diese Beschämung zu ersparen, ich habe es opferwillig und gern getan – der Schillingshof war binnen wenigen Wochen ein standesgemäßes Heim für uns. Du hast das leider nur zu bald vergessen –«
»Nie! Dafür hast du gesorgt!« – Er lachte höhnisch auf. – »Wie hätte mir sonst so oft der Stoßseufzer kommen können: ›Gott behüte jeden mittellosen Mann vor einer reichen Frau‹?«
Ihre Lippen bebten; sie fuhr sich wiederholt mit dem Taschentuch über die Stirn, als feuchte sie ein plötzlich hervorbrechender Angstschweiß; aber ihr starrer Sinn, das beispiellose Selbstvertrauen, daß sie alles durchzusetzen verstehe, was sie einmal wolle, siegten auch jetzt. »Nun, solch ein unerträgliches Joch läßt sich ja abschütteln!« sagte sie trotzig und herausfordernd.
»Bei jeder anderen katholisch eingesegneten Ehe schwerlich –; uns zweien dagegen wird es allerdings sehr leicht gemacht werden – ich weiß das! Die schwarze Dame drüben im ersten Stock des Säulenhauses, ›deine treue, aufopfernde Freundin‹, hat die Lösung von Rom aus längst in der Tasche.«
»Das hättest du gewußt und doch keine Hand gerührt, um diese willkommene Erlösung zu beschleunigen?« triumphierte sie.
»Weil ich meine ehrliche Hand nicht in diesem klösterlichen Ränkespiel haben wollte; vor allem aber mußte ich im steten Kampfe mit meinen eigenen Wünschen – ich verhehle das keinen Augenblick – mein Gewissen vor dem inneren Vorwurf rein erhalten, daß ich geholfen habe, dich dem Kloster auszuliefern.«
»Arnold!« –
Er wich zurück, als entsetze ihn der umgewandelte Ton. Diese unzweideutige Gebärde erbitterte sie bis zur Wut.
»Vielleicht hast du dir auch noch vergegenwärtigt, daß dann das Kloster alles mitverschlingt, was dem Auftreten des Baron Schilling Glanz verliehen hat,« sagte sie boshaft. »Glaubst du ernstlich, man werde, wenn du ohne mich wieder in jene Kreise trätest, den Mann ohne den Hintergrund eines großartigen Besitztums noch ebenso auszeichnen, wie dies bisher geschehen ist?«
»Und meinst du, ich habe auf diese sehr zweifelhafte Auszeichnung je auch nur den allermindesten Wert gelegt?«
unterbrach er sie mit einer Summe, in der ein heranbrausender Sturm grollte. »Ich frage dich, wer sind sie, die lediglich dem Rittergutsbesitzer – das heißt in diesem Falle ›dem Mann seiner Frau‹ – ihre Auszeichnung zuteil werden lassen? – Ein Häuflein Standesgenossen, die in unserer, den Reichtum nicht mehr in ihrem Sinn verteilenden Zeit froh sind, einen Geldmächtigen mehr in ihren Reihen aufzählen zu dürfen. Sie machen die Welt nicht aus, die meinen Namen nennt, mit Ehren nennt, und wenn ich jetzt hinausgehe, ohne dich –«
»Dann hast du nicht einmal mehr einen Herd in der Heimat, an dem du, zurückkehrend, deine Füße wärmen kannst –«
»Meinst du? – Das alte, liebe Säulenhaus mit seinem Garten ist mein! Das Werk da« – er zeigte nach dem Bild auf der Staffelei – »tilgt den Rest deiner Hypothek auf meinem Vaterhause. Mehr will ich nicht! Es klebt keines Hellers Eigentumsrecht der Steinbrücks daran, und kraft meines nunmehrigen unumschränkten Rechtes möchte ich dich hiermit ersuchen, alles, was du zwischen die vier Wände des Schillingshofes gebracht hast, bis auf den kleinsten Bildernagel herab, möglichst rasch fortbringen zu lassen.«
Jetzt brach sie zusammen. »Arnold, verzeihe!« rief sie und schwankte mit ausgebreiteten Armen auf ihn zu.
»Fort!« stieß er außer sich hervor; an dem sonst so beherrschten Mann bebte jede Fiber. »Nach allem, was deine bitterböse Zunge mir angetan hat, gibt es kein Wort der Erde mehr, das versöhnen könnte... Gehe du hin zu denen, ,die die Arme sehnsüchtig nach dir ausstrecken!' Gehe zu den Pflegerinnen deiner Jugend! Mögen sie jetzt die Früchte ihres Erziehungssystems ernten und mit all den bösen Dämonen kämpfen, die mir das Leben vergiftet haben... Sie schleudern ihre Verdammung gegen das Theater mit seinem ›teuflischen Blendwerk‹ und bedenken nicht, daß sie mit ihrer heuchlerischen Erziehung der Mädchenseele die Komödie in die Ehe, in das Heim des ahnungslosen Mannes tragen.« –
Er schritt rasch nach der Wendeltreppe, während die Baronin zerknirscht neben dem Lehnstuhl in die Knie gesunken war.
»Und bedenkst du nicht, daß du diesen Schritt gar nicht tun darfst, ohne alle die bloßzustellen, die in eurem großen Saal so hochmütig und familienstolz von den Wänden herabsehen?« rief sie ihm nach und hob wie neubelebt den Kopf. »Bis jetzt wissen nur wenige, wie schlimm es zuletzt um die Schillings gestanden hat; in dem Augenblick aber, wo wir uns trennen, und die Kirche mit meinem Willen von allem, was mir gehört, Besitz ergreift, wird es der ganzen Welt offenbar werden, daß der alte Freiherr Krafft von Schilling in seinen alten Tagen nicht mehr über einen Halm auf seinen Wiesen, einen Baum im Walde das Verfügungsrecht gehabt hat.«
»Mag die Welt es wissen! Wir haben nur selbst darunter zu leiden; kein anderer Mensch hat dabei auch nur einen Pfennig verloren – von Betrug ist unser Name vollkommen rein geblieben!«
»Aber man wird es nachträglich mindestens lächerlich finden, daß die Bewohner des großartigen Säulenhauses insgeheim arm wie die Kirchenmäuse gewesen sind – auch das nenne ich ›den Leuten Sand in die Augen streuen‹,« sagte sie, sich erhebend. Es hatte ihr geschienen, als habe seine Stimme geschwankt, seine Haltung einen Augenblick die ruhige Sicherheit verloren; sie meinte den Boden wieder unter ihren Füßen zu fühlen. »Arnold, lasse dies das letzte Wort des Streites zwischen uns sein!« rief sie, mit ausgestreckten Händen auf ihn zueilend. »Ich verspreche dir, daß ich diesen Punkt nie, nie mehr berühren will – nimm mich wieder auf!«
»Niemals! – Ich will nicht länger mein Leben so sonnenlos und gedrückt neben dir hinschleppen!«
»Aber ich gebe dich nicht frei! Ich weiche nicht von deiner Seite – der Platz ist mein, mein!« rief sie verzweiflungsvoll. »Arnold, ich bin erbötig, offen vor aller Welt zu erklären, daß ich dem Weib bleiben will, daß ich dich gebeten habe, mich zu behalten – ist dir auch das nicht genug?«
Wie ein Schaudern flog es durch seine Glieder.
»Zwinge mich nicht, im letzten Augenblick das Wort noch auszusprechen, das sich mir seit lange schon auf die Lippen drängt!« stammelte er seiner kaum noch mächtig.
»Sprich es aus – es soll mich nicht beirren –«
»Das Wort ewigen, unvertilgbaren Hasses,« sagte er und stieg die Treppe hinauf, um sich in seinen Zimmern einzuschließen.
Sie hielt sich taumelnd am Treppengeländer fest und stierte ihm nach, ohne noch einen Versuch zu machen, ihm zu folgen. »Haß, Haß!« murmelte sie, schwerfällig mit dem Kopfe nickend. »Ja, der schneidet wohl das Tischtuch entzwei!« – Sie stieß ein irres, grelles Lachen aus. »Gut denn, immerhin! er wird schon sehen, der Elende, was er getan hat! Er wird schon sehen! Jetzt weiß er's noch nicht – er weiß es noch nicht, wie der Sturz von der Höhe des Reichtums und Ansehens sein wird! Jetzt triumphiert er noch! O, wie das wurmt und – wehe tut! Könnt' ich sterben!«
Mit Aufbietung aller Kraft raffte sie sich empor und warf einen wilden Blick um sich, als Halle das entscheidende, schreckliche Wort ihr immer noch von allen Wänden entgegen und raune aus jeder Ecke, um sie von dem Boden zu scheuchen, der keinen Raum mehr für sie hatte. Ihre Knie wankten, aber sie schleppte sich durch das Atelier, schlug den Vorhang zurück und trat in den Wintergarten.
Der Springbrunnen plätscherte, und die Sonnenfunken, die durch das engmaschige Netz der verschränkten Zweige und Blätter hereindrangen, tanzten auf der glänzenden Wasserkuppel und rollten in jedem Tropfen als leuchtende Goldperlen in das Becken.
Dieses einförmige Rieseln und Murmeln inmitten der stummen, stillen Pflanzenwelt, dicht neben dem Raum, in dem eben noch zwei Menschenstimmen in aufgestürmter Leidenschaft einen erbitterten Kampf ausgefochten, war von dämonisch bezwingender Wirkung ... Das Wasser, ja, das schmeichelnde, kühle Wasser, da stieg es aus der Erde empor, fügsam nicht einen einzigen seiner Tropfen weiter verspritzend, als der Steinrand des Beckens vorschrieb.
Die Frau starrte auf die Wasserfläche, die sich in zitternder Unruhe hob und senkte. Ja sie meinte zu sehen, wie sie sich höher und höher hob, aufschwellend, als steige ein Haupt unter dichtem Silberschleier empor. Und die Schleierfalten dehnten und weiteten sich – es stieg über den Steinrand und setzte einen schwach auftappenden Fuß auf den Asphaltboden und schlüpfte weiter und weiter. Und die Silberschleppe floß nach, unerschöpflich fortwogend und majestätisch sich ausbreitend, um plötzlich eng zusammengerafft und geduckt unter dem dunkeln, schweren Samtvorhang hinzukriechen – hei, wie der Mosaikfußboden drüben zu glitzern begann, wie es drunten an den Wänden, in den Ecken lebendig wurde! Papierbogen, große, starre, mit Skizzen bedeckte, und alle die verhaßten Gesichter auf der gespannten Leinwand legten sich breit und schaukelnd auf die silberwogende Schleppe; die hingebreiteten Panther- und Bärenfelle wurden leise gehoben, als sollten sie sich wieder über den Rücken ihrer früheren Bewohner schmiegen; von den Postamenten und Säulenstümpfen rollten die Ibisse, die Vasen mit den Kakteen; selbst die schweren Schränke und Kredenzen an den Wänden schwankten, als rüttelten und schüttelten grobe Sande an ihren geschnörkelten Beinen, und all das blinkende Geschirr, die Kannen und Becher, die venezianischen Gläser und Spiegel stürzten klirrend und schmetternd von den Kanten ... Ein halb unterdrückter wilder Jubelschrei zitterte durch den Wintergarten, und wie gejagt lief die lange gebückte Frauengestalt hinaus und durch die Platanenallee, und in das heftige Rauschen ihres steifen Seidengewandes mischte sich das Gemurmel der Lippen, die immer und immer wieder »Haß, Haß!« vor sich hinsagten ...