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I.
Das Kriegsglück

 

Das Gerücht

Der König hat gesiegt. Das eine Mal hat er den Feind zurückgeworfen und gedemütigt. Er hat die Übermacht weder vernichtet noch entscheidend aufgehalten. Nach wie vor ist sein Königreich in Lebensgefahr, gehört auch noch gar nicht ihm. Es gehört bis jetzt der »Liga«, da die Zuchtlosigkeit der vorhandenen Menschen, ihr Widerstand gegen die Ordnung und Vernunft seit den Jahrzehnten der inneren Kämpfe schon bis zum Wahnsinn gediehen sind. Oder, noch schlimmer als der offene Wahnsinn, die platte Gewöhnung an den vernunft- und zuchtlosen Zustand hat die Menschen ergriffen, die traurige Ergebung in ihre Schande hat sich bei ihnen festgesetzt.

Der einmalige Sieg des Königs kann das keineswegs ändern. Ein vereiteltes vereinzeltes Gelingen -- wieviel ist daran Zufall und wieviel ist Bestimmung? Es überzeugt noch keine Mehrheit von ihrem Unrecht. Wie denn? Dieser Protestant aus dem Süden wäre kein Räuberhauptmann, er wäre der wahrhafte König! Was müßten dann alle großen Führer der Liga sein: sie, von denen jeder eine Provinz beherrscht oder einen Gau leitet, und zwar mit wirklicher Gegenwart und voller Gewalt. Der König gebietet beinahe nur dort, wo sein Heer steht. Der König hat für sich den Gedanken des Königreiches: soviel erkennen manche, und nicht ohne Unruhe oder Wehmut. Ein Gedanke ist weniger als die wirkliche Gewalt, und ist auch mehr. Das Königreich, das ist mehr als ein Raum und Gebiet, es ist dasselbe wie die Freiheit und ist eins mit dem Recht.

Wenn die ewige Gerechtigkeit auf uns herabblickt, muß sie sehen, daß wir furchtbar erniedrigt, und schlimmer noch, daß wir ein Moder und getünchtes Grab sind. Wir haben uns um der täglichen Notdurft willen den ärgsten Verrätern unterworfen und sollen durch sie an die Weltmacht Spanien kommen. Aus bloßer Menschenfurcht dulden wir im Lande die Knechtschaft, geistige Verwahrlosung und verzichten auf das erhabenste Gut, die Gewissensfreiheit. Wir armen Edelleute, die in den Heeren der Liga dienen oder Staatsstellen bekleiden, und wir ehrbaren Leute, die ihr Waren liefern, und wir niederes Volk, das mitmacht: wir sind nicht immer dumm und manchmal nicht ehrlos. Was sollen wir aber tun? Ein Geflüster unter Vertrauten, ein heimliches Gebet zu Gott, und nach dem unverhofften Sieg des Königs bei Arques schwillt für kurze Zeit unsere Hoffnung an, daß der Tag kommt!

Höchst merkwürdig, die Weitentfernten machen sich von den Ereignissen meistens einen größeren Begriff als die nahe Wohnenden. Der Sieg des Königs geschah an der Küste der Nordsee: im Umfang von zwei oder drei Tagereisen hätte man staunen sollen. Besonders in Paris hätten sie sich prüfen und ihre hartnäckigen Irrtümer endlich berichtigen müssen. Durchaus nicht. Dort im Norden sahen wohl viele mit Augen, wie das geschlagene Riesenheer der Liga durch zersprengte Banden das Land unsicher machte -- was ihnen aber nicht in den Kopf ging. Die Liga blieb für sie unbesiegt; der König hatte vermöge des dichten Nebels, den das Meer verbreitete, und dank anderen Umständen des Kriegsglücks ein unbedeutendes Stück Landes behauptet, das war alles.

Für den innersten Teil des Königreiches hatten dagegen die erhofften Entscheidungen sich wirklich angekündigt. Am Flusse La Loire und in der Stadt Tours glaubten sie nach alten Erfahrungen, daß zuletzt doch immer der König in Person bei ihnen einkehrte. Manchmal als armen Flüchtling, aber endlich als den Herrn, so hatten sie ihn seit Jahrhunderten empfangen. Wie nun erst die entlegenen Provinzen des Westens und des Südens! Dort sahen sie diese Schlacht bei Arques, als ob sie vor ihren Blicken nochmals geschlagen würde und wäre ein Machtwort des Himmels selbst. Die stürmischen Protestanten der Festung La Rochelle am Ozean sangen: »O Gott, so zeige Dich doch nur« -- denselben Psalm, mit dem ihr König gesiegt hatte. Von Bordeaux schräg abwärts, der ganze Süden nahm aus ungemessener Begeisterung vieles als geschehen vorweg, was in weitem Felde stand, die Unterwerfung der Hauptstadt, die Bestrafung mächtiger Verräter und ruhmvolle Einigung des Königreiches durch ihren Henri, geboren bei ihnen, ausgezogen von hier, und jetzt so groß!

Gingen seine Landsleute wirklich weiter als alle anderen? Groß -- nennt man am leichtesten den Mann, den man nicht einmal von Angesicht kennt. Seine Landsleute im Süden wissen aus eigenen Begegnungen, daß er nur gerade mittleren Wuchses ist, den Filzhut zum abgewetzten Wams trägt und niemals Geld hat. Sie erinnern sich seiner sanften Augen: sprechen diese eigentlich vom heiteren Gemüt oder von manch erlebter Trauer? Jedenfalls ist er schlagfertig und versteht sich auf den Ton des gemeinen Mannes -- versteht sich noch besser auf die Art der Frauen. Von ihnen könnten viele, niemand ermißt die Zahl, seine Geheimnisse verraten. Aber sonst so plauderhaft, auf einmal schweigen sie. Genug, hier kennt man ihn von Angesicht und war nur nicht bei seiner vorigen Arbeit mit, dort oben, wo Nebel lag, wo die Unseren den Psalm sangen, als sie angriffen und das gewaltige Heer schlugen. Das war eine sehr große Arbeit, und während sie getan wurde, haben Himmel und Erde den Atem angehalten.

Jetzt haben auch ganz ferne Länder den Ausgang erfahren. Über seine Person wurde ihnen bisher nichts berichtet. Ein so neuer Ruhm ist auf große Entfernungen unirdisch und fleckenlos. Um so größer steht einer da, auf den Schlag. Die Welt hat ihn erwartet, sie hatte es gründlich satt, als einzigen Herrn und Meister ihren Philipp von Spanien zu ertragen, immer und ewig den trostlosen Philipp. Die bedrückte Welt hatte längst um den Befreier gefleht: nun sieh, hier ist er! Sein Sieg: eine kleine Schlacht, nichts von jähem Umsturz der Lage, und dennoch bedeutender als vorher der Untergang der Flotte Armada. Hier hat einer ganz durch seine Kraft den Thron des Weltherrschers erbeben gemacht. Wenn noch so leise, das Beben wird verspürt über den Grenzen, über den Bergen und bis an das andere Ufer des Meeres. Sie sollen in einer berühmten Stadt hinter dem Meer -- sie sollen ein Bild mit Prozession durch die Straßen getragen haben. Stellte das Bild ihn auch nur vor? Es war schon nachgedunkelt, sie haben es beim Trödler ans Licht gezogen, es abgewaschen. »Der König von Frankreich!« rief das Volk und veranstaltete den Umzug, sogar die Pfaffen sind mitgegangen. Das Gerücht weiß alles und es fliegt.

 

Die Wirklichkeit

Er selbst in Person hielt keine Siegesfeier. Denn eine gelungene Arbeit zieht sogleich die nächste nach sich; und wer seinen Erfolg nicht erlistet, sondern redlich gewinnt, weiß eigentlich nichts von Sieg und gewiß nichts von Berauschung. Der König dachte nur daran, seine Hauptstadt Paris überraschend einzunehmen, solange der Herzog von Mayenne mit dem geschlagenen Heer der Liga sie noch nicht erreicht hatte. Der König war der schnellere; außerdem ließen sie in Paris sich einreden, daß er von ihrem Mayenne besiegt und in voller Flucht wäre; das gab ihm noch mehr Vorsprung. Bevor er aber ankam, hatte Paris sich gefaßt und auf seine Verteidigung eingerichtet -- übrigens unklug. Anstatt nur die festen Mauern und Wälle um die innere Stadt, beschlossen sie, auch die Vororte zu halten. Das war nach dem Sinn des Königs, der sie draußen zu überrennen dachte, und mit den Fliehenden wäre er in die Tore eingedrungen.

Er stürmte die Außenwerke leicht, die Tore indessen konnten gerade noch geschlossen werden. So blieb es dabei, daß seine Truppen, alle diese Schweizer, deutschen Landsknechte, vier Kompanien von Abenteurern, viertausend Engländer, sechzehn französische Regimenter -- daß alle zusammen stürmten, metzelten, plünderten. Sonst führte es zu nichts. Der König wurde zwar mit Hochrufen empfangen, aber inmitten von Plündern und Metzeln. Er ließ wohl über die Mauer hineinschießen und wußte doch schon, seine Hauptstadt bekäme er auch diesmal nicht. Jetzt begibt er sich zur Ruhe in einem Palast, der nach seiner Familie benannt ist: Klein-Bourbon heißt er; Henri hat hier eindringen müssen wie ein Fremder, findet auch wenig, um sich zu betten, nur frisches Stroh. Drei Stunden bleiben ihm für den Schlaf, ein Teil vergeht mit vergleichenden Gedanken.

›In der Stadt steht Schloß Louvre, dort brachte ich mich durch als Gefangener in mehreren lehrreichen Jahren, ich trag ihre Spur. Soll ich als freier Mann und König die Stadt nie wiedersehn? Einst in der Bartholomäusnacht fielen am Hofe fast alle meine Freunde und in der Stadt die meisten meines Glaubens. Nach achtzehn Jahren seid ihr gerächt worden! An einem einzigen Kreuzweg haben heute meine Soldaten achthundert Feinde niedergemacht und dabei gerufen: Sankt Bartholomäus! Schrecklich ist, daß alles wiederkehrt und nichts, nichts kann je aus der Welt kommen. Ich wäre für Vergessen und Vergeben, ich wäre für Menschlichkeit. Was ist von unseren Streitfragen denn wahr? Was weiß ich? Gewiß bleibt, daß wir töten, draußen wie drinnen. Wäre ich doch durch das Tor gelangt, bevor sie es schlossen! Ich hätte ihnen den milden Sieger und wahren König gezeigt. Das Königreich hätte seine Hauptstadt, die Menschen das Ziel, worauf sie in Güte würden hinblicken können. Aber nein! Nur etwas gesättigte Rache, und das gewohnte Töten, und das Kriegsglück.‹

Henri, ein Sechsunddreißigjähriger, der hinter sich viele Schrecken und geduldige Mühen hat, aber auch Freuden ohne Zahl hat er genossen vermöge seiner inneren Heiterkeit, hier liegt er auf frischem Stroh, am Fuße eines großen Eßtisches. Noch einmal fährt er hoch: der König befiehlt, daß die Kirchen verschont werden sollen -- »und auch die Menschen!« ruft er dem Hauptmann nach. Dann schläft er wirklich ein, da er sich beherrschen gelernt hat, bei Fehlschlägen und Betrübnis nicht weniger als in Fällen erstaunlicher Schicksalsgunst. Der Schlaf ist sein guter Freund, erscheint pünktlich und bringt meistens mit, wessen Henri bedarf, keine Ängste, eher Gesichte von guter Vorbedeutung. In seinem Traum dieser Nacht sah Henri Schiffe herbeifahren. Sie schwebten zuerst in den Schleiern des Horizontes, wurden groß und nahmen das besonnte Meer ein, Gebäude voll Macht und Glanz: sie näherten sich, ihn suchten sie. Sein Herz schlug, dem Bewußtlosen fiel wieder ein, was der Besuch bedeutete. Man hatte wirklich dergleichen besprochen bald nach seiner gewonnenen Schlacht. Er hatte nicht hingehört wegen gegenwärtiger, höchst dringlicher Arbeit und Mühe. Da hört man nicht auf Märchen. Beim Erwachen aus seinem dreistündigen Schlaf blieb von den erblickten Schiffen in seinem Gedächtnis abermals keine Spur.

Der Tag Allerheiligen war angebrochen; die königliche Armee, alles, was in ihr katholisch war, ging in die Kirchen der Vorstädte. Hinter den Mauern hatten sie nicht den Mut, das Fest zu feiern, sondern jammerten um ihre Toten und fürchteten für sich selbst. Gegen Abend aber waren sie gerettet, denn die Truppen der Liga rückten an, und der König konnte sie jetzt nicht mehr hindern, von drüben her die Stadt zu besetzen; das war versäumt. Er ließ zu, daß noch einmal eine Abtei von den Seinen erobert und dreihundert Pariser niedergemacht wurden. Das war der Abschied, und kein schöner, wie er am besten wußte. Er bezahlte ihn auch, -- bestieg, um die Stadt zu sehen, einen Kirchturm und nahm als Führer einen Mönch. Droben in der Enge, allein mit dem Mönch, überfiel ihn ein großes Elend, da Henri des vorigen Königs gedachte. Den hatte ein Mönch ermordet. Ihn selbst hatte schon mehrmals aus den Ärmeln einer Kutte ein Messer angeblickt. Schnell trat er hinter seinen Begleiter und hielt ihn an beiden Armen fest. Der Ordensbruder, obwohl groß und stark, rührte sich nicht. Henri blickte nicht lange auf seine Hauptstadt hinunter; beim Abstieg ließ er den Verdächtigen vorangehen, er selbst blieb um einige Stufen zurück. Drunten traf er seinen Marschall Biron. »Sire«, sagte Biron. »Ihr Mönch kam herausgestürzt und ist entsprungen.«

In diesem Augenblick erscholl das Freudengeschrei der Pariser, ihr Feldherr Mayenne war persönlich eingetroffen, sie bewirteten seine Truppe auf den Straßen. Der König stellte des nächsten Tages sein Heer in Schlachtordnung auf und ließ dem Feinde drei Stunden Zeit, um hervorzukommen. Vergebens, Mayenne hütete sich; da zog der König ab. Unterwegs nahm er befestigte Plätze ein, aber da ihr Sold ausblieb, lösten einige seiner Regimenter sich auf. Mit den übrigen ritt der König nach seiner Stadt Tours, um dort die Gesandten Venedigs zu empfangen. Die alte Republik hatte aus weiter Ferne ihre Schiffe geschickt, das Gerücht beglaubigte sich nun. Die Gesandtschaft war an Land gestiegen und langsam, indes der König kleine Städte unterwarf, reiste sie das Königreich hinauf, um ihm zu huldigen.

 

Ein Märchen

Er hörte von ihrem Herannahen täglich und war davon beunruhigt, darum machte er sich lustig. »Es regnet! Den Weisen aus dem Morgenlande wird ihr Weihrauch naß werden.« Er fürchtete eher, daß die Liga sie gefangennehmen und ihm wegschnappen könnte, bevor sie zur Stelle waren mit aller großen Ehre und sichtbarem Ruhm, die sie ihm darbringen wollten. Als sie von der Loire noch mehrere Tagereisen entfernt waren, schickte er ihnen zahlreiche Truppen entgegen, scheinbar als Ehrengeleit, aber er meinte es ernster. Hierauf erwartete er sie in seinem Schlosse zu Tours, und das dauerte. Unterwegs war einer der bejahrten venezianischen Herren von Unpäßlichkeit befallen. »Es ist eine recht alte Republik«, sagte Henri zu seinem Diplomaten, Philipp Du Plessis-Mornay.

»Sire, die älteste in Europa. Sie war unter den mächtigsten, jetzt aber ist sie die erfahrenste. Wer Erfahrung sagt, weiß gewöhnlich nicht, daß er Verfall meint. Denen, die jetzt kommen, ist auch das bekannt. Nun ermessen Sie dies Ereignis! Die klügste Regierung, sie ist nur darauf noch bedacht, die Gebrechen des Alters mit Würde zu tragen und den Tod hinauszuschieben, sie hat an allen Höfen die besten Beobachter und liest Berichte, Berichte: plötzlich rafft sie sich auf, sie handelt. Venedig fordert die Weltmacht heraus, es huldigt Ihnen nach Ihrem Sieg über die Weltmacht. Wie groß muß Ihr Sieg sein!«

»Ich habe angefangen, über meinen Sieg nachzudenken. Der Sieg, Herr de Mornay«, begann Henri, stockte und lief erst einmal hin und her durch den steinernen Saal des Schlosses von Tours. Sein Jugendgefährte sah ihm nach; wie schon oftmals fand er, daß er seinen Fürsten richtig gewählt habe. Der gibt für seinen Sieg nur Gott die Ehre! Der strenge Protestant nahm bei dieser Wahrnehmung den Hut ab. Da stand er, ein Vierzigjähriger in dunkler Kleidung, der weiße Kragen einfach umgelegt nach Art seiner Glaubensgenossen, ein sokratisches Untergesicht, die Stirne hoch, besonders glatt und empfänglich für allerlei Licht.

»Mornay!« Henri hielt vor ihm an. »Der Sieg ist nicht mehr, was er war. Wir beide kannten ihn sonst anders.«

»Sire!« erwiderte der Gesandte klar und ohne Unruhe. »Sie haben in Ihrem früheren Amt als König von Navarra einige böse Städte, die Ihnen widerstanden, zur Vernunft gebracht. Zehn Jahre der Mühe und Arbeit und eine namhafte Schlacht; dann hatte Fama Sie berühmt genug gemacht, daß Sie Erbe der Krone wurden. Der König von Frankreich, der Sie jetzt sind, wird weniger mühselig kämpfen, wird größer siegen, und Fama soll, um seinetwegen, stärker die Flügel rühren.«

»Wenn das der ganze Unterschied wäre! Mornay, seit meinem Sieg, wegen dessen die Venezianer herbeireisen, habe ich Paris belagert und bin unverrichteterdinge abgezogen. Wissen das die Venezianer nicht?«

»Es ist weit bis Venedig, und sie waren schon auf der Reise.«

»Sie könnten umkehren. Sind es nicht kluge Leute? Solche begreifen, was es heißt, wenn ein König seine eigene Hauptstadt belagern muß, und noch dazu vergeblich. Metzeln, plündern -- und abziehen, nachdem ich von einem Turm in die Stadt geblickt und mich vor einem Mönch gefürchtet hatte.«

»Sire, das Kriegsglück.«

»So nennen wir's. Aber was ist es? Während ich das eine der Tore bewache, zieht Mayenne durch das andere ein. Ist über eine Brücke herbeigekommen: nach meinem Befehl hätte sie abgebrochen sein sollen, war es aber nicht. So sieht das Kriegsglück aus. Ich habe den Verdacht: nicht anders sieht es aus, wenn ich siege.«

»Sire, Menschenwerk.«

»Gleichviel, es soll Feldherren geben --«, Henri brach ab: er dachte an einen Feldherrn, Parma genannt, der verließ sich nach dem Ruf von seiner Kunst auf kein Kriegsglück, und redete sich auf Menschenwerk nicht aus.

»Mornay!« rief Henri und schüttelte seinen Berater. »Ein Wort! Kann ich denn siegen? Mein Beruf ist, dies Königreich zu retten; aber zufriedener war mein Geist, als noch niemand herbeireiste, um mir vor der Zeit zu huldigen.«

»Venedig will, daß Sie gesiegt haben, Sire. Es würde seine Gesandten nicht zurückrufen und wenn Ihr Heer in voller Auflösung wäre.«

Henri sagte: »So erfahre ich denn, daß der Ruhm ein Mißverständnis ist. Ich verdiene ihn und bekomme ihn dennoch ohne mein Verdienst.«

Hierauf veränderte sein Gesicht sich, er wippte auf den Absätzen herum, höchst aufgeräumt empfing er die Personen, die soeben bei ihm eintraten. Zahlreiche seiner besten Herren, auch hübsch und neu gekleidet waren sie. »Brav, de la Noue!« rief Henri. »Ein eiserner Arm, und sind über den Fluß geschwommen! Brav, Rosny! Ihre Juwelen sind aus guten Häusern, obwohl nicht aus Ihrem eigenen, und wieviel Geld erst werden Sie in den Pariser Vorstädten gefunden und mitgenommen haben! Wenn ich Sie zu meinem Finanzminister machte anstatt des dicken d'O?«

Er sah sich um, da sie ihm nicht genug lachten. »Ich fürchte nichts so sehr wie traurige Leute und mißtraue ihnen.«

Sie schwiegen. Er betrachtete sie abwechselnd, bis er alles erraten hatte. Da nickte sein alter d'Aubigné ihm zu, einst sein Mitgefangener, nachher sein Kampfgefährte, und immer kühn und immer fromm, in Versen wie in Taten. Dies befreundete Gesicht nickte und sagte: »Sire! So ist es. Ein ganz durchnäßter Bote traf ein, als wir uns gerade schön gemacht hatten für den Empfang.«

Der Schrecken durchlief Henri. Er ließ es vorbeigehen. Als die Stimme ihm wieder völlig gehorchte, antwortete er munter dem alten Freund. »Agrippa, was willst du, das Kriegsglück. Die Gesandten sind umgekehrt. Sie werden sich aber nochmals anders besinnen, denn bald schlag ich wieder eine Schlacht.«

Hinter der Tür geschah ein großes Gepolter. Sie wurde aufgestoßen; zwischen Wachen erschien ein ganz durchnäßter Bote, der außer Atem und unfähig zu sprechen war. Man ließ ihn hinsitzen und gab ihm zu trinken. »Es ist ein anderer«, bemerkte Agrippa d'Aubigné.

Endlich sprach der Mann. »In einer halben Stunde sind die Gesandten hier.«

Henri dies hören, und er griff sich an das Herz. »Jetzt laß ich sie bis morgen warten.« Damit ging er schnell ab.

Nun geschah über Nacht ein Wunder, und von November wurde es Mai. Eine weiche Luft wehte aus Süden, vertrieb alle Wolken, der Himmel spannte sich hell und weit über den Park des Schlosses von Tours, über den Fluß, der breit und langsam vorbeizog an den Feldern in der Mitte des Königreiches. Die Birken standen hoch und sehr entlaubt; vom Schloß her folgte man dem Landen der Schiffe, mit denen die Gesandten übersetzten. Ihre Wohnungen waren in Landhäusern drüben. Unter Fenstern, die bis zum Boden reichten, wartete zu ebener Erde der Hof, Herren und Damen so reich gekleidet als sie vermochten oder für anständig hielten. Roquelaure war der geschmackvollste. Agrippa hatte die größten Federn, Frontenac stand im Wettbewerb mit Rosny. Dieser trug am Hut und Kragen mehr Schmuck, als auf die Kleider der Frauen genäht war. Indessen zeigte sein noch junges, glattes Gesicht den verständigen Ernst wie sonst. Die Schwester des Königs erschien bei ihrem Eintritt sogleich als die schönste Frau. Gegen den hohen Kragen aus Spitzen und Diamanten lehnte ihr feiner blonder Kopf; das Damengesicht von höflicher Strenge verriet dennoch eine innere Kindlichkeit, die unvergänglich ist. Sie war noch in der Tür, als ihr golddurchwirkter Schleier hängenblieb. Oder machte ihr ungleicher Fuß ihr Verlegenheit? Der ganze Hof hatte sich an ihrem Weg aufgestellt. In diesem Augenblick sieht sie durch die entgegengesetzte Tür ihren Bruder, den König, kommen. Ein kleiner Jubellaut -- sie achtet nicht mehr auf sich, einige Schritte läuft sie, es macht plötzlich gar keine Schwierigkeit. »Henri!«

Inmitten trafen sie einander. Catherine von Bourbon beugte das Knie vor ihrem Bruder -- sie hatten zusammen gespielt am Anfang des Lebens, sie waren in schweren alten Kutschen durch das Land gereist mit ihrer Mutter Jeanne. ›Unsere liebe Mutter war wohl krank und ruhelos, aber wie stärk durch den Glauben, den sie uns lehrte! Hat endlich recht behalten, obwohl sie zuerst sterben mußte an dem Gift der bösen alten Königin, und auch uns waren Schrecken und viel Mühe beschieden. Dennoch stehen wir jetzt wirklich in einem Saal in der Mitte des Königreiches, sind selbst der König mit seiner Schwester und werden die Gesandten Venedigs empfangen.‹ -- »Kathrin!« brachte der Bruder unter Tränen hervor, hob die Schwester aus ihrem Kniefall auf und küßte sie. Der Hof gab fröhlichen Beifall.

Der König in weißer Seide, blauer Schärpe, rotem Mäntelchen, führte die Prinzessin an schwebender Hand, der Hof wich auseinander, aber hinter den Herrschaften schloß er sich wieder. Sie hielten unter dem höchsten der Fenster, um sie her drängte man sich -- und wer nach vorn gelangte, war nicht immer von den Besten. Die Schwester sagte dem Bruder ins Ohr: »Ich mag deinen Kanzler Villeroy nicht. Ich mag noch weniger deinen Schatzmeister d'O. Und du hast noch Schlechtere. Henri, lieber Bruder, könnten doch alle, die dir dienen, von unserem Glauben sein!«

»Ich wollte es auch«, sagte er seiner Schwester ins Ohr; hierauf aber winkte er gerade den beiden Höflingen, die sie genannt hatte. Sie wendete sich unwillig nach hinten: je weiter fort, um so befreundeter die Gesichter. An der Wand stieß Kathrin zu einem ganzen Haufen alter Freunde: Waffengefährten ihres Bruders, die Kavaliere des einstigen Hofes von Navarra, damals trugen sie meistens rauhe Lederkoller. »Ihr habt euch fein gemacht, meine Herren! Baron de Rosny, als ich Sie tanzen lehrte, hatten Sie noch keine Diamanten. Herr de la Noue, Ihre Hand!« Sie nahm die eiserne Hand des Hugenotten -- nicht seine lebende, die eiserne nahm sie und sagte, allein für ihn, Agrippa d'Aubigné und den langen Du Bartas:

»Gott hätte auf unserem Wege nur ein einziges Sandkorn anders rinnen lassen müssen als es wirklich vom Hügel rann: wir wären nicht hier. Wißt ihr's wohl?«

Sie nickten. In dem verdüsterten Gesicht des langen Du Bartas standen schon die geistlichen Verse, die er sprechen wollte: da setzten draußen die Trompeten ein. Sie kommen! Geben wir uns Haltung und stellen einen mächtigen Hof vor! Die meisten Gesichter wurden alsbald von einer glänzenden Feierlichkeit, gemildert durch Neugier; die Gestalten strafften sich, auch die Prinzessin von Bourbon. Sie suchte unter den Damen, es waren wenige zu finden an diesem unsteten Hof und Feldlager. Schnell entschlossen nahm sie eine Hand und ging nach vorn mit Charlotte Arbaleste, der Frau des Protestanten Mornay. Plötzlich entstand eine Pause.

Die Gesandten dort hinten fanden wohl nicht die rechte Ordnung ihres Zuges. Verfrüht, der Trompetenstoß. Der Weg nach dem Ufer fiel ab; waren die Herren aus Venedig zu alt, ihn zu ersteigen? Es schien, daß der König sich belustigte, wenigstens lachte seine Umgebung. Die Prinzessin, seine Schwester, führte ihre Begleiterin an ein anderes Fenster: sie war erschrocken, neben ihrem königlichen Bruder stand Vetter Soissons, den sie liebte. ›Hätte ich nicht gerade diese sittenstrenge Protestantin am Arm!‹ dachte Catherine, als wäre sie selbst keine. Ja, sie vergaß sich -- vergaß sich ihr ganzes kurzes Leben lang, beim unerwarteten Anblick ihres Geliebten. Ihr Herz klopfte, ihr Atem wurde kurz, zu ihrem Schutz machte sie ihr hochmütigstes Gesicht, wußte aber kaum, was sie ihrer Nachbarin noch sagte. »Herzklopfen«, sagte sie. »Madame de Mornay, litten Sie daran nicht? Schon in Navarra, als Sie es mit dem Konsistorium zu tun bekamen wegen Ihrer schönen Haare?«

Charlotte Arbaleste hatte den Kopf in eine Haube geschlossen; diese reichte bis nahe an die Augen, die flüssig glänzten und Menschenscheu nicht kannten. Ruhig bestätigte die tugendhafte Frau des Protestanten Mornay: »Man warf mir Unbescheidenheit vor, weil ich falsche Locken trug, und der Pastor schloß mich vom Abendmahl aus. Sogar Herrn de Mornay verweigerte er es. Von den Aufregungen habe ich allerdings noch heute, nach so vielen Jahren, ein sehr empfindliches Herz behalten.«

»So unrecht kann unsere Kirche uns tun«, beeilte die Prinzessin sich festzustellen. »Sie hatten doch für unsere Religion die Verbannung und die Armut auf sich genommen, nachdem Sie der Bartholomäusnacht entronnen waren. Wir alle, die hier die Gesandten erwarten, waren einst Gefangene oder Verbannte um des Glaubens willen: Sie selbst wie Herr de Mornay, der König, mein Bruder, und auch ich.«

»Und auch Sie«, wiederholte Charlotte; ihr heller, flüssiger Blick fiel genau in die Augen Kathrins, die vor Unruhe zitterte. Reden hilft nichts, begriff sie. Die Frau durchschaut mich.

»Sie haben trotz den Pastoren Ihre rötlichen Locken noch lange behalten.« Darauf verharrte die arme Catherine. »Mit Recht, sage ich. Wie denn? Zuerst Verfolgung, das Exil, und endlich zurück in der Heimat, wird Ihr Opfer nicht angenommen, bloß wegen Ihrer Haare.«

»Ich hatte unrecht«, gestand die Frau des Protestanten. »Es war Unbescheidenheit.« Womit sie allerdings ihr eigenes Gebrechen preisgab, aber eigentlich erinnerte sie die Prinzessin an sich selbst und ihr noch schwereres Vergehen. Sie machte dies ganz deutlich. »Meine Unbescheidenheit war nicht bloß läßlich: sie war vorsätzlich und widerstand allen Warnungen. Indessen empfing ich die Erleuchtung im Gebet, legte endlich ab, was Unrecht war, trage seitdem auch bescheiden die Haube.«

»Und habe Herzklopfen«, sagte Kathrin. Zornig überflog sie das Gesicht der anderen, bleich, fromm und länglich wie es nun geworden war. ›Früher, als sie hübsch war, gingen wir beide auf den Ball‹, dachte sie. Davon legte sich ihr Zorn. Ihr kam Mitgefühl, bald sollte es Reue sein. ›Ich seh noch aus wie damals -- und meine Sünde auch. Ich kenne mich, ich bin belehrt, aber unverbesserlich; vergeben wird mir nicht‹, dachte sie mit Reue. »Herr, hilf mir, daß auch ich heute abend die Haube anlege für immer!« betete sie leise und dringend, wenn auch ohne rechte Hoffnung auf Erhörung.

Der Graf von Soissons stand vor ihnen, er sagte: »Meine Damen, es wird nach Ihnen verlangt von Seiner Majestät.« Beide neigten gehorsam die Gesichter, das eine war so still wie das andere. Er nahm ihre Fingerspitzen und führte die Damen an den erhobenen Händen. Die Hand seiner Cousine versuchte er leise zu drücken. Sie erwiderte nicht, und das Gesicht hielt sie abgewendet. Höflich übergab er sie ihrem königlichen Bruder.

Zwischen den Pappeln erglänzte Metall: zuerst dachten alle, an Waffen oder Kriegsgerät. »Nein«, sagten die Frauen, »wir wissen wohl, wie Edelsteine aufleuchten. Zum wenigsten sind es Stickereien.« Es war aber dies alles und noch mehr: staunend erblickte man ein Schiff aus Silber, es schwamm herbei durch die Luft -- so schien es, und war dem übrigen Zuge voran, als er kaum erst in Sicht kam. Das silberne Schiff war so groß, daß Menschen es hätten besteigen können -- und wirklich, Hände setzen ein Segel, aber es sind Kinderhände. Das Schiff ist mit Knaben bemannt, die sich anstellen wie Seeleute und derart auch singen. Ein wenig Kling und Klang begleitet sie, wer weiß woher, und übrigens, wovon bewegt sich dies Zauberschiff?

Zwanzig Schritte vor der Front des Schlosses hielt es an -- wurde vielmehr niedergesetzt, und unter den prächtigen Geweben, die von seinem Bug hingen, sprangen Zwerge hervor: die hatten es getragen. Bucklige Zwerge, ganz in Rot, und nahmen Reißaus wie der Teufel, da lachte der Hof. Indessen nahte eine Sänfte. Wie? Das ist ein Thron. Noch soeben knapp über den Boden hingeführt, steigt das Gebäude an, nur die besten Maschinen können es so geräuschlos in die Lüfte erheben, und wird ein Thron. Die Lüfte aber sind blau und kreisen frei um das blonde Haupt der Frau auf dem Thron. Das blonde Haupt steht hoch in Locken und großen Perlen. Der Thron ist Purpur, die Frau: ein stolzes Weib mit goldenen Gewändern, so wie es Paolo Veronese malte. Wer ist das? Um die Augen liegt ihr eine Maske aus schwarzem Samt; wer ist das? Der Hof wurde ganz still. Der König entblößte den Kopf und alle mit ihm.

Neben den hohen Thron traten oder stampften verwegene Gestalten, schwarze Panzer, die Trachten von düsterer Buntheit, ihre Köpfe zeigten unbedeckt das rötliche oder schwarze Gestrüpp der fremdartigen Haare. Aber sie wurden erkannt an den furchtbaren Gebissen: Sklavonen, eroberte Untertanen Venedigs. Fischer lösten diese ab, die echten Söhne der Seestadt, unverschönt, mit ihren geflickten Kleidern und abgewetzten Rudern, nicht anders als sie von der Brücke eines Kanals waren fortgeholt worden. Diese nun sangen -- sehr klare Stimmen, kein Geheimnis zu vermuten, trotz der Sprache, die nicht jeder kannte. Es machte sich feierlich, obwohl so heiter. Der Hof dachte an eine Kirche, wenn er sie nicht sogar sah, die fernher funkelnde Kirche über dem Meer.

Die Sänger brachen ab -- mitten in einem so schönen Klang, da die Dame auf dem Thron die Hand ausstreckte. Das war eine außerordentliche Hand, der Rücken voll, die Finger zugespitzt und leicht aufwärts gebogen. Sie war ohne Schmuck, von der Farbe des Rosenblattes, und winkte, großartig, aber lockend, wie für einen Liebhaber, den eine so große Dame gnädig zuließe. Der Gesandte! begriff der Hof; und der König von Frankreich als einziger trat hinaus auf die Rampe, ihn zu empfangen.

Gleichzeitig bewegten sich die Fischer von dem Thron fort und knieten hin. Bewegten sich fort und knieten hin die kriegerischen Sklavonen. Die Kinder knieten in dem silbernen Schiff, unter den hintersten Büschen die roten Zwerge. Der Weg neben dem Thron lag frei, ihn beschritt ein magerer Mann in schwarzem Talar und Barett: ein Gelehrter, vermeinte der Hof. Warum ein Gelehrter? Schickt die Republik als Höchsten einen Gelehrten? Die beiden anderen, graubärtige Heerführer, lassen ihm den Vortritt.

Agrippa d'Aubigné und Du Bartas, zwei Humanisten, die aus alten und neuen Schlachten viele Narben an ihren Leibern trugen, berieten sich eilig, indessen der Gesandte sehr langsam dem König nahte. Herr Mocenigo, ein Verwandter des Dogen und selbst ganz alt. Hat einst bei Lepanto gekämpft, der berühmte Seesieg über die Türken. Jetzt lehrt er Latein zu Padua, davon kennt ihn erst die Christenheit. »Welch eine große Ehre!« jubelte der Dichter Agrippa. »Herr Mocenigo huldigt unserem König, ich aber könnte aus lauter Freude die Schlacht bei Lepanto in Versen beschreiben, als war ich dabei gewesen!«

»Beschreibe statt dessen unsere nächste Schlacht«, verlangte in düsterem Ton der lange Du Bartas. ›Ich selbst werde verstummt sein‹, sprach er in sich hinein zu seinem ahnungsvollen Herzen.

Der König hatte jetzt wieder seinen Federhut mit der aufgeschlagenen Krempe, darunter waren seine unbeschatteten Augen aufgerissen, um nichts zu verlieren. Er war aber bewegt, vielleicht wären Tränen in seine Augen gestiegen: eigentlich darum hielt er sie so weit offen, rührte die Lider sowenig wie Hand oder Fuß. Der Gesandte neigte zur Begrüßung den Kopf auf die Brust. Dann erhob er ihn, legte ihn in den Nacken, und da sah man erst. Da sah man, daß ein Auge geschlossen war, und eine rote Narbe lief darüber.

Er begann zu sprechen, ein Latein von merkwürdigem Wohllaut -- glatt, obwohl hart. Der Hof dachte an Marmor. Auch erkannte man jetzt, welch ein Gesicht dies war -- knochiger Umriß, scharfe Nase, gesenkter Mund, alles wie an Büsten Dantes, eines alten Weisen. Der Hof verstand nicht jeden Satz, die gewohnte Sprache kam aus fremdem Mund. Dem Gesicht merkten sie an, daß ihr König hoch gefeiert wurde: gemessen wurde er am Beispiel der römischen Feldherren und ihrer würdig befunden.

Henri, er ganz allein, begreift jedes Wort, nicht nur, was es obenhin sagen will: viel tiefer. ›Deine Sache wird verhandelt. Wer bist du? Das erfährst du aus dieser Anrede, oder glaubst es zu ahnen, solange sie noch währt. Der einäugige Weise vergleicht dich zum Schein mit dem ersten Eroberer dieses Königreiches, dem Römer Cäsar, deinem Vorgänger. In Wahrheit warnt er dich, zu bleiben wie bisher, ein Kampfhahn und kühner Reitersmann, groß im Kleinen, an hohen Taten unbewährt. Ich weiß, wen er mir vorzieht: es ist sein Landsmann, Farnese, Herzog von Parma, der berühmteste Stratege des Zeitalters. Das bin ich nicht, bin nur ein Kampfhahn ohne große Kunst.‹

Davon wurde ihm schwül, er riß die Augen noch weiter auf. Der Hergereiste, der ihn so plötzlich mit der Wahrheit angesprochen hatte, beurteilte auf einmal ernst, jetzt erst ernst, dies Gesicht -- fand es schmaler als jedes erblickte; und gerade die Abgezehrtheit bezeugte seine Inbrunst und Hingabe, ihresgleichen hatte der Gesandte hier nicht erwartet. Er hielt seine Rede an, er faltete die Hände.

Als er wieder anfing, klang seine Stimme gedeckt, nicht mehr glatt und hart; auch sagte er nur noch wenige Worte, das hauptsächliche hieß »Liebe«. »Und war einer kunst- und siegreich, hätt aber der Liebe nicht --« Das Evangelium, anstatt des Cäsars: es war nicht vorgesehen, es überraschte jeden, und am meisten den Redner, der daraufhin abschloß. So tat auch Henri etwas Unerwartetes. Er reichte nicht, wie vorher verabredet, dem Gesandten die Hand, damit der Gesandte auf die Rampe käme: er selbst sprang hinab und gab ihm auch schon die Akkolade, Umhalsung, Kuß auf beide Wangen. Der Hof sah es, geräuschvoll bekundete er seine Zufriedenheit. Die Kinder in dem silbernen Schiff sahen es, die thronende Frau mit goldenen Gewändern sah es -- und da sie die Tochter eines der Fischer in geflickten Kleidern war, vergaß sie alle Hoheit und schlug in die Hände. In die Hände schlugen die kriegerischen Sklavonen, das Fischervolk und die beiden graubärtigen Heerführer.

Henri blickte umher und lachte fröhlich -- obwohl zugleich ein unbekannter Schauder ihm die Schulter berührte. ›Nicht, wie wenn hinter dir der Mörder steht, nein, diesmal war es die Ahnung eines Fittichs. Dich streift der Ruhm, zum erstenmal, da du den Vierzig nahe bist, der große Ruhm der Welt. Ist anzusehen wie die Märchen aus Morgenland, wird sogleich verfliegen, macht unheimlich erschaudern.‹

»Herr Gesandter, wenn die Zeremonie vorbei ist, sprechen Sie zu mir allein.«

»Sire! Worüber?«

»Über den Herzog von Parma.«

 

Das Wappentier

›Ich muß meine Schlacht haben‹, dachte Henri, kaum daß die Gesandten Venedigs abgereist waren; eigentlich aber hatte er schon bei ihrem ruhmreichen Erscheinen so zu sich gesprochen. Gerade der unheimliche Ruhm machte ihm seine Lage klar. Er war noch immer ein König ohne Krone, dem seine Hauptstadt fehlt. Ein Feldherr seinesgleichen hat kein Geld, und damit sein Heer ihm nicht auseinander läuft, muß er möglichst oft eine Stadt erobern: diese zahlt für ihn. Es sind die Städte seines Königreiches; eine schwere Sache, der Vater des Vaterlandes und recht volkstümlich zu bleiben, während er im Umherziehen seine Feinde unterwirft und Abgaben eintreibt. Keine Woche seit dem festlichen Märchen von Tours, da war er wie vorher mitten im harten Lehen.

Er reinigte sowohl die Touraine wie die nächsten Provinzen vom Feind und drang in die Normandie ein -- hatte dort aber schon gestanden, als er bei Arques den Sieg errang. Wohin war der Sieg gekommen? Die eroberten Plätze, die er hinter sich gelassen hatte, waren inzwischen abgefallen. Sein Feind, das war kein Mensch wie er: eine Hydra mit vielen Köpfen war es. ›Du schlägst sieben ab, acht wachsen nach. So geht es mir mit der Liga. Straßenweise bekehren sich meine Untertanen zu mir, wenn ich in ihrem Nest der Herr bin. Wollen nie gegen mich die Waffen getragen haben -- obwohl ich nur ihren Garten müßte umgraben lassen, dort liegen die Musketen. Alles das wäre unterhaltend, ich wäre gemacht, in dieser Art das Leben zu verbringen. Und wenn ich in Wirklichkeit nicht dafür gemacht bin, sondern für Größeres, so tue ich doch klug, davon zu schweigen.‹

»Meine Gesundheit ist so gut wie noch nie«, erklärte er jedem in diesem Winter bei häufigem Schneefall und dem Nächtigen auf gefrorenem Erdboden. »Auch mein Heer hat keine Krankheiten, und es wird immer größer, da allein dies Nest mir sechzigtausend Taler zahlt. Wetten, das nächste am Wege ergibt sich bis Donnerstag!«

Wirklich schloß er mit der Stadt Honfleur einen solchen Vertrag. Waren Mayenne oder sein Sohn Nemours bis Donnerstag nicht zur Stelle, dann sollte das Tor ihm geöffnet werden, und richtig, so kam es. Der Führer Mayenne ließ seine Liga eine Liga sein und ruhte sich in Paris aus, »wo auch ich es mir einmal so sanft tun werde«, äußerte Henri zuversichtlich. Für sich dachte er: ›Ich muß meine Schlacht haben.‹ Er erwog dies abwechselnd wie einen fröhlichen Streich -- oder auch wie die Entscheidung seines Lebens.

In seinem Gepäck führte er ein seltenes Stück mit, eine Weckuhr, die er sorgfältig stellte. Mit Schlafen verging ihm weniger Zeit als dem dicken Mayenne bei Tisch. Eine Neuigkeit für seine gute Natur: zuweilen versäumte er sogar die wenigen Stunden. Aufgestützt sann er. ›Ich muß meine Schlacht haben -- und nicht wie sonst, als ich sie gewinnen oder verlieren konnte. Ich darf sie nicht verlieren, darf diese nicht verlieren: dann war es aus. Mich beobachten nachgerade zu viele, die Welt sieht mir zu, meine Verbündeten, die mir vor der Zeit gehuldigt haben, aber besonders der König von Spanien, der dies Königreich begehrt. Würde es auch haben, sobald ich nicht mehr da wäre. Wer sollte ihn noch hindern. Dies Volk streitet sich um seine Religion. Hätten nur alle die wahre, dann könnte sogar Don Philipp ihnen nicht an. Indessen was weiß ich, jeder hat die seine, ich bin Hugenott und lieg auf hart gefrorener Erde. Soll Don Philipp kommen, soll er mit viel Macht anrücken -- all eins, ob meine Religion die rechte ist, hier gilt nicht das Bekenntnis, es geht um das Königreich, das in jedem Fall von Gott ist. Diese Sache spielt zwischen mir und Gott‹ -- wurde dem König leuchtend klar, in einer ganz finsteren Nacht, indessen unter dem Zelt eine Ölfunzel knisterte und erlosch.

Der Wecker schlug an, der König stand auf und rief nach seinen Offizieren. An diesem Tag war viel zu tun und lange zu reiten. Ein Wassergraben mußte trockengelegt werden, damit die Belagerer bis unter die Mauer der Festung vordrängen. Dies vollbracht, wurde hin und her geschossen, bis der frühe Abend fiel. Henri war zu Pferd schon unterwegs wegen anderer Arbeiten im weiten Umkreis. Sehr hungrig, erreichte er um die Zeit des Nachtessens die Stadt Alençon und begab sich mit wenig Begleitung nach dem Hause eines ergebenen Hauptmannes, fand ihn indessen nicht vor. Der Frau war der König unbekannt, sie hielt ihn für einen der königlichen Heerführer und empfing ihn nach Gebühr, wenn auch mit merklicher Verlegenheit.

»Fall ich Ihnen lästig, meine Dame? Reden Sie frei weg, ich will keine Umstände machen.«

»Mein Herr, dann sag ich es lieber gleich. Heute ist Donnerstag; ich hab in der ganzen Stadt umhergeschickt: nichts aufzutreiben, ich bin einfach verzweifelt. Nur ein braver Handwerker hier nebenan sagt, er hab am Haken eine fette Pute hängen; will sie aber durchaus nicht anders hergeben, als wenn er mitessen darf.«

»Ist er denn in Gesellschaft zu brauchen?«

»Ja, mein Herr, in unserem Viertel macht keiner soviel Witze. Sonst ein anständiger Mann, Feuer und Flamme für den König, und sein Geschäft geht ganz gut.«

»Dann lassen Sie ihn nur kommen, liebe Dame. Ich habe wirklich Appetit; und wenn er auch langweilig wäre, lieber eß ich mit ihm, als gar nicht.«

Hierauf wurde der Handwerker geholt und erschien in seinem Sonntagsrock mit der Pute. Während nun diese briet, unterhielt er den König, schien ihn aber gleichfalls nicht zu kennen: sonst hätte er schwerlich mit dieser Unbefangenheit dahergeredet, Nachbarsklatsch, Einfälle, Scherze, alles so gut, daß Henri für die Weile den Hunger vergaß. Alsbald verfiel er selbst in den Ton seines Gesellschafters -- ohne Absicht, und merkte es nicht einmal. Keine schwere Sache, der Vater des Vaterlandes und recht volkstümlich zu bleiben, während er doch Untertanen zum Gehorsam zwingt und Abgaben eintreibt. Das ganze Geheimnis ist sein gutes Gewissen, wegen des ehrlichen Geschäftes, das er betreibt. Ohne Umschweife und List seine Landsleute zur Vernunft bringen und dies Königreich retten. Dessen gedenkt er im Grunde fortwährend, im Schlaf und auch beim munteren Gespräch. Der ordentliche Handwerker ihm gegenüber erzählt, vergißt aber gleichfalls seine Werkstatt nicht.

Der König denkt: ›Ich muß meine Schlacht haben. Jetzt ist sie nicht mehr weit. Ich habe genug feste Plätze eingenommen, daß den Dicken die Ruhe verläßt. Mein Vetter Marschall Biron macht seinerseits der Liga viel Verdruß, und alle unsere Erfolge laß ich der Königin von England melden. Jetzt wollen wir die Stadt Dreux belagern: das wird Mayenne nicht mit ansehen können, er muß herbeirücken und sich zum Kampf stellen. Auch die Spanier werden es von ihm verlangen. Wozu sonst hätte er ihre Hilfstruppen, die ersten, die Philipp der Liga gewährt. Kommen aus den Niederlanden, vom Gouverneur, Farnese. Und ihn selbst sollt ich nicht zu sehen kriegen, den großen Strategen und berühmtesten Künstler des Krieges? Möchte wissen, was er von mir sagt, Farnese.‹

Bei diesem Namen mußte Henri vom Sitz auf. Der Handwerker behielt den Mund offen. Henri wiederholte ihm aber richtig, was er erzählt hatte. »Als der Handschuhmacher den gewaltigen Hufschmied bei seiner Frau fand, da streckte er versöhnlich die Hand hin und sprach: ›Von dir, Freund, kann ich es nicht glauben.‹« Henri lachte. »Gevatter! Das ist komisch.«

»Sehr komisch, Gevatter!« wiederholte der gute Mann und war über das stürmische Benehmen seines Genossen beruhigt. In diesem Augenblick rief die Hausfrau ihre Gäste zu Tisch. Selbdritt verzehrten sie das große Geflügel, aber die Hausfrau und der Handwerker hielten sich zurück, der Gast bekam das meiste, und so reichlich er aß, soviel lachte er über die Geschichten seines Nachbarn, davon wurde dieser immer besserer Laune. Daher war es erstaunlich anzusehen, wie er nach dem letzten Glase, als man aufstehen sollte, das runde Gesicht ganz lang zog und furchtsam die Augen schloß. Der König hätte auch das für einen Spaß gehalten, da lag ihm aber der Mann zu Füßen und bat: »Verzeiht, o Herr, verzeiht! Dies ist der schönste Tag meines Lebens gewesen. Ich kannte Eure Majestät, ich hab gedient und bei Arques gekämpft für meinen König; hab meine Lust gebüßt, an Ihrem Tisch zu sitzen. Vergebung nochmals, Sire, ich mußte mich dumm stellen, damit Sie über meine Scherze ein bißchen lachten. Jetzt ist das Unglück geschehen, ein Knecht wie ich hat mit Ihnen zu Abend gegessen.«

»Was machen wir nur dabei?« fragte der König.

»Ich sehe ein einziges Mittel.«

»Nun?«

»Sie müssen mich in den Adelsstand erheben.«

»Dich?«

»Warum nicht, Sire? Ich arbeite mit meinen Händen, trag aber meine Gesinnung im Kopf und im Herzen meinen König.«

»Ausgezeichnet, lieber Freund, und dein Wappen wäre?«

»Meine Pute. Ihr verdank ich alle Ehre.«

»Dein bester Witz. Steh auf als ›Ritter von der Pute‹!«

 

Ein Ritterroman

Der neue Ritter sorgte selbst dafür, daß sein Erlebnis sich herumsprach und dem König beim Volk viel Nutzen brachte. Endlich ein braver Mann wie wir! Nicht stolz, läßt mit sich reden, obwohl ihm als Ketzer die Verdammnis gewiß ist. Ein Ketzer, der König, auch daran würde man sich gewöhnen, sofern Gott es bestimmt. Wird er ihn siegen lassen?

Der König fragte sich dies gleichfalls. Noch keine seiner Schlachten hat er so umsichtig vorbereitet. Er hebt die Belagerung von Dreux wieder auf, ja, zieht von überall seine Truppen ab, und läßt sich zurückdrängen bis an die Grenze der Provinz Normandie: nicht aber bis hinein. Er hält bei Ivry. Das ist noch Ile de France, das Herzstück, das Paris birgt.

Der Herzog von Mayenne aus dem Hause Lothringen hatte schon geglaubt, diesmal würde seine Überzahl allein genügen, und den Kampf brauchte es nicht. Der spanische General Farnese, Herzog von Parma, mußte ihm auf Befehl Don Philipps die Blüte seiner Armee überlassen, sechstausend Musketiere, zwölfhundert wallonische Lanzen; im ganzen befehligte Mayenne fünfundzwanzigtausend Mann. Was will dagegen ein König ohne Land, dessen Heer nicht ein Drittel so stark ist, und ihm gegenüber stehen Regimenter Spaniens! Das sind die nie besiegten Waffen der Weltmacht. Aber der König hält bei Ivry.

Es war der zwölfte März des Jahres 1590. Diesen Tag und die Nacht verbrachte Henri ganz anders als sonst die Stunden vor einem Kampf. Er ritt nicht von einer seiner Truppen zur anderen, um Mut zu verbreiten, man sah ihn nicht selbst mit Hand anlegen bei den Verschanzungen. Es gab keine, wurden auch keine gegraben. Weites Land, ein kleiner Fluß, jenseits die Übermacht, und hier ein Mann, der seinen Plan macht.

Er lag am Boden und zeichnete. Seine Marschälle Biron und d'Aumont erkannten ihn nicht wieder, indessen war er besessen von dem Gedanken an Parma. Der berühmte Feldherr kam nicht selbst, so wichtig schien ihm die Sache nicht -- diese noch nicht; aber nachher wird Don Philipp ihn hersenden als den letzten Retter. ›Das gebe Gott. Herr! Dich rufen wir.‹

Henri betete auch. Sooft er von seinen Plänen aufstand, vertauschte er den Ehrgeiz, ein Stratege zu sein, mit der Inbrunst vor dem höchsten Ratschluß. Er betete mit seinen Truppen, hatte zwar denen von der anderen Religion freigestellt, in ihren Kirchen das Sakrament zu empfangen, und viele gingen dahin, die Kirchen der Umgegend waren voll. Die meisten Soldaten, ihres Glaubens ungeachtet, wollten den König das Gebet sprechen hören -- und das tat er in der Mitte eines weiten Kreises von Truppen, führte das Gesicht über sie hin und hob es dann gegen die fliegenden Wolken, als brächte er Dem, der in der Höhe thronte, alles dar, was hier das Menschenherz bewegt. Es war aber das Menschenherz sein eigenes und erschütterte seine Brust. Davon trug seine Stimme weiter als jemals vorher. Dann wieder versagte sie vor großer Bewegtheit oder wurde entführt vom Wind. Seine Hugenotten der vorderen Reihen knieten, hielten die verwitterten Köpfe gesenkt, und fiel die Träne, sie ließen sie fallen.

Nach diesem himmlischen Umgang war Henri besonders fröhlich und gab allen von seiner Zuversicht. Die wurde auch anerkannt von dem hohen Umgang über der Wolke: fortwährend kamen Hugenotten weithergeritten, um die Schlacht gewinnen zu helfen. In der Nacht regnete es, was nur für den Feind von Nachteil war: die Königlichen lagen in den Dörfern. Am Morgen stellte der König sie nach seinen Plänen auf; Mayenne, der von drüben zusah, verfolgte mit Staunen, wie alles pünktlich ging. Erst der dreizehnte, Mayenne will die Schlacht so schnell nicht liefern. Der Kampfhahn drüben soll vom Warten die Fassung verlieren; Husarenstreiche, damit verdirbt er die teure Zeit; holt einen Schweizer Obersten unter einem Apfelbaum hervor und fängt ein paar Landsknechte. Deswegen muß der Kampfhahn doch am Abend die kunstvolle Ordnung seines Heeres auseinandernehmen, war ganz umsonst getan.

Der vierzehnte. Geduldig stellt Henri alles wieder auf: die Reiterei des Marschalls d'Aumont, die des Herzogs von Montpensier, im Zentrum seine eigene, daneben Baron Biron, Sohn des alten Marschalls -- und jede berittene Truppe sorgfältig gesichert durch Fußvolk, französische Regimenter, Schweizer Regimenter, sogar Landsknechte von jenseits des Rheins. Macht alles zusammen immer nur sechs- oder siebentausend Mann zu Fuß, zweitausendfünfhundert zu Pferd. Eng formiert wie sie stehen, hält der Feind sie von fern für noch weniger. Der Feind zieht seine Linie im Gegenteil recht lang, um seine Übermacht hervorzukehren. So groß diese war, sie hat inzwischen abgenommen. Erstens, weil der König fortwährend Zulauf bekommt, der neue Ritter von der Pute und tausend seinesgleichen, die um des Vertrauens willen kommen, und ihr Gewissen führt sie her. Auf der anderen Seite aber sind der Liga letzthin viele entlaufen -- nicht allein wegen des Regens und anderen Ungemachs, auch aus nackter Furcht. Sie haben erfahren, unbekannt woher, daß der König den Sieg haben wird.

Er selbst blieb bei der Vernunft und hoffte nur, mit ihr werde auch Gott sein. Zwischen neun und zehn war seine Schlachtordnung instand wie gestern, nur etwas gedreht mit Rücksicht auf Wind und Sonne und den Rauch der Arkebusen. Henri erging sich ganz in der himmlischen Fröhlichkeit wie immer vor seinen Schlachten, wenn das Gebet getan ist und nur der Kampf bleibt. Daran erkannte allerdings jeder den Sieg. Ein Dichter unter seinen Offizieren, Du Bartas, acht Jahre älter als Henri von Navarra, sein Gefährte seit der Jugend durch viele Höhen und Tiefen, die Bartholomäusnacht, die lange Gefangenschaft im Louvre, die Kämpfe, die Siege, der Aufstieg zum Thron, das Schwanken des Kriegsglückes -- Du Bartas, ein langer Mensch mit verdüstertem Gesicht, der mehr vom Tod als vom Leben hielt und je länger, um so weniger vom Leben, um so mehr vom Tod: er sah damals Henri. Erblickte ihn noch einmal mit voller Liebe und so starker Zuversicht, wie einst in ihrer Jugend, als sie in einem engen Haufen, Pferd an Pferd, durch das Land ritten. Hugenotten, in ihren beschwingten Geistern war dies Land das heilige, sie hielten sich bereit, daß an der nächsten Wegbiegung Herr Jesus leiblich zu ihnen stieße, sie hätten ihn angerufen: Sire! Sie wären ihm nachgefolgt und hätten für ihn gesiegt. So stand es zuletzt nochmals für Du Bartas, als er den König erblickte bei Ivry.

Henri blieb stehen, weil dieser Blick ihn festhielt. »So sollen wir denn wieder für die Religion kämpfen«, sagte er. »Du warst immer in Sorge, Du Bartas, wegen der Verblendung und Bosheit der Menschen. Wird unser Sieg und Königreich sie vielleicht belehren?«

»Vielleicht«, sagte diese Brust voll Vorgefühl. »Ich hoffe es. Die wenigstens, die berufen sind, den Sieg in Gottes Auge zu sehen. Sire! Sie müssen mich entlassen.«

»Nein«, bestimmte Henri und senkte den Ton. »Das war ein Stück Leben, die alten Freunde, die Zeit der glücklichen Dunkelheit. Ich will's nicht missen und verlieren. Bleibt bei mir, was würde sonst aus mir. Du Bartas, früher schickte ich dich insgeheim an die Höfe. Wie hab ich deine Reisen bezahlt?«

»Einmal hundertfünfzig Taler, einmal fünfundachtzig.«

»Das nächste Mal wirst du Gouverneur einer großen Stadt.«

»Das alles war«, sagte Du Bartas. »Herr! Heute diene ich noch Ihnen, morgen schon einem Größeren. Hab auch das Lied gemacht, das Sie singen sollen, zum Dank für Ihren Sieg.« Er gab es hin. »Und ist nicht meines, sondern Ihres, gedacht und erfunden von Ihnen selbst. Das sollen Sie laut sagen, damit in Ihrem Ruhm ein Rest von mir auf Erden fortlebt.«

Hier wurden sie unterbrochen, was Henri nicht ungern sah. Allerdings war es der Schweizer Oberst Tisch, und kam wegen des Soldes für seine Leute. So kurz vor der Schlacht war der rechte Augenblick. Der König hatte es ihm sofort angesehen und brach in Zorn aus -- machte sogar mehr daraus, als er wirklich fühlte, damit Tisch das Geld vergäße über diesen großen Zorn. Der Schweizer bekam auch einen dunkelroten Kopf und hielt den Mund gepreßt, sonst hätte er auf die starken Worte des Königs erwidern müssen. Zuletzt sah Henri ihm nach, wie er abging in seinen großen Stiefeln, und dachte, daß es für die Schweizer zu spät wäre, ihn zu verlassen. Sie mußten nun kämpfen, und um so besser, je mehr die Beute ihre ganze Hoffnung war, daß sie zu ihrem Gelde kämen.

Unerläßlich aber ist wenigstens der Entschluß zu kämpfen. Die anderen Schweizer drüben beim Feind, die auch nicht bezahlt waren, wußten überdies, daß der König von Frankreich der Verbündete ihrer Eidgenossen war, und wollten keinen Streich tun in dieser Schlacht. Das war ihr Wort, beide kannten es, Henri so gut als sein Oberst Tisch, darum war keiner wegen des anderen ernstlich in Sorge. Sie sollten gewinnen. Henri hatte einen riesigen weißen Federbusch an seinen Hut gesteckt, ein ebenso großer nickte auf dem Kopf seines Pferdes. Er ritt vor die Front seines Heeres hin und sprach: »Kameraden! Gott ist für uns, dort unser Feind, hier euer König! Drauf! Und weht die Standarte euch nicht mehr voran, sucht meinen weißen Federbusch, ihn findet ihr, wo immer es zu Sieg und Ehre geht!«

Reckt sich, denkt hinter seinem schmalen Gesicht, den aufgerissenen Augen: ›Habt ihr doch was zum Staunen. Mein Hut! Mich kostet er hundert Taler mit dem weißen Amethysten und den Perlen. Der Federbusch ist außerdem. Und die Schweiger werden kämpfen!‹ -- denkt er noch, erkennt aber schon, wie das feindliche Heer in Bewegung kommt, vornweg ein Mönch: der hat dem Feinde versprochen, vor seinem großen Kreuz würden die Ketzer davonlaufen. Henri, den Befehl zum Angriff auf den Lippen, jagt diese letzte Minute die Front hin, bis vor seine Schweizer. »Oberst Tisch!« Umarmt ihn von Pferd zu Pferd. »Ihnen hab ich unrecht getan, will aber alles gutmachen.«

»Ach! Sire, Ihre Güte wird mich das Leben kosten«, entgegnete der alte Oberst. Da trennten sie sich und jagte schon jeder seiner Truppe voran gegen den Feind. Zuallererst stieß auf ihn der Marschall d'Aumont, er schlug die leichte Reiterei des Feindes zurück. Gleich nachher warfen deutsche Reiter die Schwadronen des Königs in Unordnung gegen sein Fußvolk, was große Verwirrung bei den Königlichen anrichtete. Zu allem Unglück fällt jetzt auch Graf Egmont mit seinen Wallonen die Königlichen an, auf einmal begegnen diese Spanien und Haus Habsburg, haben aber noch niemals der unbesiegten Weltmacht so nah ins Auge gesehen. Das ist furchtbar, und aus dem ersten unglücklichen Zusammenstoß könnten alsbald die Flucht und das Ende werden. Ein Königlicher im Getümmel zum anderen, schnell bevor es ihn weiterschiebt:

»Na, alter Ketzer, wer gewinnt die Schlacht?«

»Ist für den König verloren. Bliebe er nur leben!«

Rosny, sonst ein unbeirrter Ritter, urteilt nicht günstiger -- hat schon fünf Verwundungen, sowohl von Pistolen wie von Schwertern und Lanzen, hält es für genug und schleppt sich aus dem Getümmel fort, bis unter einen Birnbaum. Hängen noch Zweige schützend über ihm. So voll Wunden, will niemand den Schlachtenlärm hören, und Rosny, später Sully genannt, fällt erst einmal in Ohnmacht. Kein Donner der Kanonen weckt ihn.

Wie in seinen anderen Schlachten hatte der König für sich die Kanonen und verstand es, sie richtig zu gebrauchen. Die feindlichen schossen über ihn weg, die seinen trafen. Als erster riß der Mönch aus, der zuviel versprochen hatte. Nun war das Heer der Liga ein Heer des Aberglaubens und der unwahrhaftigen Vermessenheit: mit seinen Lügen zugleich wurde es selbst erschüttert, wie es vorher durch sie zu großmächtig gewesen war. Das taten die Kanonen des Königs. Aus bloßem Haß machte Graf Egmont mit Spaniern und Landsknechten einen Todesritt gegen die Kanonen. Stieß den Hintern seines Pferdes in eines der feuerspeienden Rohre, um dieses zu demütigen, da es nach seiner Meinung die Waffe der Ketzer und Feiglinge war. Indessen spie es gerade nicht. Statt dessen fielen die Reiter des Königs über den unbedachten Feind her und hieben ihn in Stücke, auch Egmont selbst. Der Herzog von Braunschweig fiel beim Angriff seiner deutschen Reiter, die alsbald flüchteten. Henri! Übersieh nicht im Drang der Vorgänge, daß die flüchtenden Deutschen sehr plump gegen ihre eigene Front prallen: rechts wankt sie.

Ein Augenblick, unmeßbar, unwägbar, versäum ihn, es ist aus. Der König hält, er steht in den Steigbügeln auf. Als müßte der Augenblick dennoch gemessen werden, faßt er nach seiner Taschenuhr, hat sie aber verloren: achtzig Taler, und der Augenblick unmeßbar. Sein Plan war anders; wahrhaftig hat der ehrgeizige Stratege niemals aufgezeichnet oder vorgesehen, was er jetzt unternehmen wird. Ein Blick rückwärts, wo alles schweigt, plötzlich tief schweigt: »Dreht das Gesicht her! Und wollt ihr nicht kämpfen, seht mich sterben.« Schon schnellt er vor um zwei Pferdelängen, dringt wütend in den Wald der feindlichen Lanzen, packt sie mit den Händen, hält die Feinde auf, bis seine Reiter da sind. Hält sie nicht nur mit seinen Händen auf, sondern zeigt ihnen sein Gesicht, das Macht und Hoheit spricht: sonst vielleicht anderes, hier Hoheit und Macht. Zuerst die Beschämung mit dem Mönch, dann ihr Schrecken vor den Kanonen, jetzt aber das Gesicht des Königs. Sie haben den Augenblick versäumt, die Spanier, Franzosen, deutschen Reiter! Königliche über ihnen, zerhauen sie, versprengen sie, durchstoßen die gelichtete Front des soeben noch furchtbaren Feindes. Ein Reiter bringt dem König seine Uhr zurück, was besonders erstaunlich ist, und sagt dazu:

»Sire! Vor weniger als einer Viertelstunde waren wir geschlagen.«

»Schont die Franzosen!« rief der König den Verfolgenden nach. Die Schweizer der Liga ergaben sich, sie hatten keinen Streich getan. Der König selbst, an der Spitze von nur fünfzehn oder zwanzig Pferden, verfolgte eine Schar von mehr als achtzig Flüchtenden. Als er anhielt, hatte er eigenhändig sieben getötet und eine Fahne erobert. Auf der Stelle, wo er anhielt, endeten Schlacht und Sieg von Ivry. Der König stieg vom Pferd und kniete hin. Seinen Hut warf er zu Boden: Niemand mehr sollte sich nach dem großen weißen Federbusch richten, gern wäre er allein und allen fern gewesen; viel versprengtes Getümmel erscholl aber allseits aus der Ebene. Der König, kniend, zog aus der Brust ein Blatt Papier, das Danklied, geschrieben von seinem alten Gefährten Du Bartas.

Ganz entfernt mühte sich Mayenne aus dem Hause Lothringen, Führer der großmächtigen Liga, mühte sich, so beleibt er war, verzweifelt mit nur zwei der Seinen, ob er nicht doch noch eine Streitmacht sammeln könnte. Ganz entfernt, in anderer Richtung, erwachte ein übel zugerichteter Ritter -- sollte aber dereinst der berühmte Herzog von Sully sein -- aus seiner Ohnmacht unter einem Birnbaum.

Rosny betastete seine Glieder und Körperteile, keines war ganz, Schwerter, Pistolen und Lanzen, alle hatten ihn zugerichtet, und war auch noch mit dem Pferd gestürzt: mit seinem ersten, als diesem der Bauch aufgeschlitzt worden war. Auf sein zweites besann er sich gar nicht mehr. Wo er an sich hingriff, war geronnenes Blut. ›Jämmerlich muß ich aussehen‹, dachte der Baron, dem viel an seinem glatten Gesicht lag. Der Abend sank. ›Mein Schwert in Stücken, mein Helm verbeult, den Panzer muß ich ausziehen, schrecklich drückt das verbogene Eisen meinen wunden Leib.‹ -- »He! Arkebusier, wohin so eilig? Komm näher, fünfzig Taler für den Gaul, den du am Zügel führst! Aber du mußt mir hinaufhelfen.«

Kaum hat der Kerl das Geld, läuft er. Der Ritter, im Sattel schwankend vor Blutverlust, Hunger, Durst und Schwäche, findet die Richtung nicht, irrt über das Schlachtfeld: da stößt er auch noch auf den Feind -- andere Ritter, ihre Standarte besät mit den schwarzen Kreuzen von Lothringen. Wollen mich gewiß gefangennehmen, die Schlacht haben wir nun einmal verloren.

»Wer da?« rief einer der Edelleute von der Liga.

»Herr de Rosny, im königlichen Dienst.«

»Wie, was, Sie kennen wir doch. Erlauben Sie, Herr de Rosny, daß wir uns Ihnen vorstellen. Wollen Sie die Höflichkeit haben, uns gegen Lösegeld gefangenzunehmen?«

»Wie, was«, sagte zuerst auch er. Aber das Wort »Lösegeld« klärte ihm alsbald den Kopf auf. Fünf vermögende Edelleute, und jeder wollte nach seinem Wert bezahlen. Da erfaßte Rosny die Lage. Unter seinem Birnbaum war er unversehens zum Sieger geworden.

 

Danklied

Sein König inzwischen kniete auf dem Schlachtfeld, seine Gesellschaft waren weithin nur Tote, zu mehreren oder vereinzelt, und es wurde dunkel um ihn. Seine Reiter vom letzten Treffen hatten ihn verlassen, da sie bemerkten, daß er von einem Blatt ablas und die Lippen bewegte. Es war Nacht, er steckte das Papier weg, das allerdings ein Danklied übermittelte -- ihm klang es zu prachtvoll und auch wieder zu traurig. Sein eigener Dank an Gott den Herrn war, daß er ihn vernünftig nannte. »Gott ist immer auf Seiten der Vernunft«, sagte Henri, hier kniend nach der Schlacht; später aber aufrecht auf dem Thron sprach er dasselbe.

Meine Feinde haben armselige, aufgeblasene Köpfe voll Lug und Trug: darum. Sie vermessen sich eines Ehrgeizes und Machtdünkels, die ihnen nicht zukommen: darum der Zorn des Herrn. Ihr Glaube ist bestimmt falsch, schon weil es der ihre ist; und gegen sie arbeitet die Vernunft Gottes. Denn die ist für das Königreich.

So hieß sein Bekenntnis und klang ihm klar wie nie in der Schattenstille eines verlassenen Schlachtfeldes. Darum berührte ihn zum erstenmal kein Mitleid mit den Geschlagenen. Tausend von ihnen mußten niedergemacht sein, gewiß fünfhundert gefangen, und im Fluß ertrunken wer weiß wie viele. ›Indessen hat die Geduld des Herrn ihre Grenzen. Verlieren auch all ihr Gepäck an uns, wir setzen ihnen nach, und so erleichtert sie dahinfliehen, diesmal wollen wir früher als sie in Paris sein. Das gib, o Herr, denn Deine Geduld hat ihre Grenzen.‹

So lautete seine Andacht nach dem Siege, anstatt daß er sonst um jedes seiner getöteten Landeskinder Tränen vergoß. Das Böse wird aber zuletzt unverzeihlich, was Henri hier durchaus empfand, und den dicken Mayenne würde er aufgehängt haben.

Jetzt wurden dort hinten einige Lichter von Fleck zu Fleck bewegt. Der König ging zu seinen Edelleuten, die unter den Toten die Ihren suchten. »Das ist Herr de Fouquières«, stellte er fest. »Er hätte nicht fallen sollen, ich brauchte ihn noch.«

Sie sagten ihm, daß der Gefallene eine Frau hinterlasse, und diese erwarte ein Kind.

Der König verfügte: »Seine Pension geb ich dem Bauch.«

Weiter trugen sie ihre Windlichter von Leiche zu Leiche, bis sie anlangten bei der des Obersten Tisch. Der König prallte zurück, er bedeckte die Augen. ›Hätt ich ihn nicht umarmt! Gleich nachher ritten wir den Angriff, da muß es geschehen sein. Er wollte mir's zu ehrlich heimzahlen.‹ -- »Für meinen tapferen Schweizer mein Kreuz vom heiligen Geist«, sagte der König und wollte es sich von der Brust nehmen. Da war kein Kreuz, war in der Schlacht verloren, auch kein Reiter brachte es zurück. Der König senkte den Kopf wegen des Gefühls seiner Ohnmacht. So machen sie sich denn fort, und ich hab nichts, ihnen nachzuschicken. Was ginge sie mein kurzer Sieg noch an, da sie selbst am Sitz des ewigen Sieges sind. Auf einmal wußte er das ganze Danklied, so wie er es gelesen hatte beim sinkenden Abend, und hatte es sowohl zu prächtig als zu traurig gefunden. Jetzt wurde aber seine Brust sehr angstvoll zusammengeschnürt.

Schnell entriß er einem das Licht und eilte damit zu den nächsten Toten, bis er den vorgeahnten hatte. Aufschluchzen konnte er nicht, sehr angstvoll zusammengeschnürt war die Brust. Führte aber das Licht immerfort über seinen alten Gefährten hin, wie er daläge, die Hände hielte, oh in seinen gebrochenen Augen kein Vermächtnis stände. ›Keines. Natürlich keines. Denn erstens ist dies einer von mehreren aus dem berittenen Haufen von einst. Bleiben noch genug Hugenotten. Aber dieser wollte gehen -- warum? War deine Zeit herum, mein Du Bartas? Wie steht es dann mit mir?‹

Als Antwort auf die Fragen seiner zusammengeschnürten Brust sagte er zu den Edelleuten, daß sie dem Herrn ein Danklied singen wollten, und er wollte es ihnen vorsingen. Dann sprach er nach der Weise eines Psalms, einfach und halblaut. Die anderen kannten die Weise und summten alle mit.

»Jetzt, Herr und Gott, jetzt soll Dein lieber Sohn,
Als wie ein Mensch, gemacht aus irdischem Ton,
Herniedergehn im blitzumhüllten Wagen.
Die Liebe zieht ihn, die Gerechtigkeit,
Indessen ihm zur Seite weit und breit
Bis zur gestirnten Wölbung sein Geleit
Von Engeln alle mit den Flügeln schlagen.

Das ist die schöne Schlacht in diesem Land,
Da unser Gott uns seinen Sohn gesandt,
Daß wir den Sieg in seinen Augen sehen!
Das Reich ist Dein, mein König und mein Christ,
Nun Du auf Erden groß und Sieger bist:
Gib denn den Abschied, den mein Herz vermißt!
Laß mich zum Sitz des ewigen Sieges gehen!«

Als der König zu Ende war, weinte er sehr, ohne daß jemand ihn recht begriffen hätte. Er hatte schon die letzten Zeilen nicht mehr deutlich ausgesprochen. Das fromme Gesumme der Edelleute hatte ihn übertönt.

Im Gasthof des Dorfes war heller Jubel, aber einige Personen erwarteten außerhalb der festlichen Räume den König, der vom Schlachtfeld kam.

»Sire! Ihre Befehle!«

»Nach meiner Hauptstadt aufgebrochen noch vor dem Morgen!«

»Sire, das schulden Sie Ihrem Ruhme ... Diesmal widersteht Ihnen nichts und niemand ... Die Tore springen vor Ihrem Ruhm auf.« Die Sätze, von verschiedenen gebracht, klappten aufeinander, wie vorher verabredet. Dies war der Eindruck des Königs, besonders als der folgende Satz fiel. »Ein großer und siegreicher König wird niemals seine Religion abschwören.«

Henri blickte von einem zum anderen. So sahen diese aus und zweifelten an ihm und seiner Festigkeit. Er wußte es längst, er verstand auch, daß mancher heimlich wankend wurde, weil er ihn selbst dafür hielt. Am besten ermaß er dies an seinen eigenen Beklemmungen und Zweifeln. Seine Brust schnürte sich nochmals zusammen, wie an der Leiche seines alten Gefährten. »Gott läßt den Hugenotten siegen, ihr Herren«, sprach er mit Hoheit und mit Kraft. »Der Herr, mein Gott, lehrt mich, beide Bekenntnisse zu achten und den Meinen treu sein.« Dessen gerade war er nicht mehr sicher -- überzeugte sich auch mit Blicken, daß mehrere der Protestanten, die ihm zuhörten, seinen Worten mißtrauten. Nur Mornay nicht. Sein tugendhafter Mornay, sein Diplomat, voll praktischer Klugheit, und hat seinen Feinden mit Noten geschadet, als wie mit Haubitzen: gerade der glaubt ihm seine Treue. Wie kann er's aber wissen, ich weiß es selbst nicht. Merkwürdig, der gute Glaube des tugendhaften Mornay verstimmt Henri, er wendet sich ab. In diesem Augenblick sagt jemand:

»Sire! Paris ist eine Messe wert.«

Der König fuhr herum, der Sprecher war ein Mensch namens d'O, nichts als O, und sah auch so aus, ein Junge mit Bauch, durch die Gunst des vorigen Königs zum Faulpelz und Dieb geworden: einer der Glücksritter, die das Land und seine Einkünfte unter sich aufgeteilt hatten. Gerade darum hat Henri ihn bleiben lassen, was er war, Schatzmeister des Königreiches. Dieses kann am ehesten vollendet werden unter Benutzung derer, die daran verdienen wollen. Tugendhafte dagegen müssen dafür nicht erst gewonnen werden. Als der fragende Blick des Königs auf Mornay fiel, sagte dieser:

»Alle ehrenhaften Katholiken dienen Eurer Majestät.«

Dasselbe hatte Henri diesem d'O und seinen Kumpanen erwidert, als sie ihn das erstemal drängten, die Religion abzuschwören. Das geschah einst neben der Leiche des ermordeten Königs und war eine gefährliche Warnung gewesen. Dennoch hatte damals Henri selbst das Wort gesprochen, und heute sprach es nur noch sein Mornay. Aber er nahm seinen Mornay beim Arm und drückte ihm den Arm. Im Vertrauen fragte er ihn:

»Haben wir für die Religion gekämpft? War dies die beste unserer Schlachten?«

»Sie wäre es«, sagte Mornay. »Sire! Sie haben nicht mehr das Recht, Ihr Leben auszusetzen wie heute, als Sie zwischen die feindlichen Lanzen drangen. Es war die tapferste Tollheit Ihres Lebens.«

»So stände es jetzt doch anders? Was sprechen Sie da, Mornay!«

Als der König den Festsaal betrat, waren Gelächter und Geschrei unterbrochen. Tische und Becher waren verlassen, alle standen -- und des Königs ansichtig, stimmten sie das Danklied an. Es war dasselbe Danklied, das zuerst Henri gesungen hatte auf dem nächtlichen Schlachtfeld, mit nur wenigen. Diese hatten es sich wohl gemerkt: besonders Agrippa d'Aubigné, der alte Freund. Von untersetzter Figur, richtete er sich auf, so hoch er konnte, und betonte stark. Ganz deutlich kamen bei ihm die letzten Zeilen, die Henri eigentlich nur gemurmelt oder sogar verschluckt hatte:

»Gib denn den Abschied, den mein Herz vermißt!
Laß mich zum Sitz des ewigen Sieges gehen!«

Das von Natur kühne und humorvolle Gesicht Agrippas wurde hier so ausdrucksvoll, daß dem König kein Zweifel blieb. Ihr alter Freund Du Bartas hatte das Danklied, bevor er fiel, ihnen beiden gezeigt. Jemand sagte:

»Das ist das Danklied, gedichtet von unserem König.«

»Ja«, bestätigte Henri laut, wie der Abscheidende es von ihm verlangt hatte. Er sprach es unter dem humorvollen und kühnen Blick Agrippas, der nickte. Henri dachte dabei: ›Ist aber doch nicht wahr -- und auch alles andere, was hier vorgeht, nicht. Nur anzusehen ist es noch einmal wie unsere alten Hugenottensiege.‹

 

Der Tisch ohne Gäste

So schnell wie befohlen ging es nicht mit dem Marsch auf die Hauptstadt des Königs. Auch ein Heer, das gesiegt hat, kommt etwas aus der Ordnung, und um so mehr, wenn viel Beute zu machen und der fliehende Feind überall zu verfolgen ist. Der König konnte nur warten, bis seine Hauptleute ihre Mannschaften wieder beisammen hatten. Er erholte sich inzwischen von seiner schweren Schlacht vermittels der Jagd und der Liebe. Diese zweite entbehrte er jetzt schon lange. Indessen ist sie die wahre Kraft seines Wesens, wie auch der Gesandte Venedigs sogleich erkannt hat. Für alles, was er tut, ist sein ursprünglicher Antrieb das Geschlecht und die gesteigerte Kraft, die es hervorbringt durch seine Entzückung. Nach geschlagener Schlacht bleibt zurück die Entzückung, und Henri denkt seiner Frauen: der einst geliebten, die verloren sind, wie auch derer, die er erblickt hat, ihrer zu begehren.

Er schrieb Briefe an Corisande -- die Muse seines Aufstiegs zum Thron. Jetzt hatte sie ein rotgeflecktes Gesicht, er schämte sich ihrer und war froh, sie im Süden, hundert Meilen entfernt, zu wissen. Dennoch lag sie vor seinen Sinnen als das besessene Glück, und noch immer schrieb er der nicht mehr geliebten Gräfin von Gramont die Briefe, in denen er Meister geworden war bei der romantisch Angebeteten. Auch zum Meister im Schreiben hat ihn die gesteigerte Kraft des entzückten Geschlechtes gemacht.

Corisande von einst, sie durchschaut, daß er sich nur betrügt. Sie selbst ist längst von ihm betrogen. Schreibt bittere Bemerkungen an den Rand seiner lebensvollen Briefe, die sie eben dafür haßt: ihr Leben hat nicht Platz darin, nur seine Schlachten, seine Mörder, Feinde, Siege, seine große Hoffnung, sein Königreich. Vor Zeiten, ob er das noch weiß, war beschlossene Sache, daß sie auf einem Balkon stände als die Hauptperson, wenn er in seine Hauptstadt einzöge. Ungetreuer, das hast du dir aus dem Sinn geschlagen! Sie nimmt eine Schere und sticht in den Brief, in seinen Namen.

Er fühlte es nicht. Sogar die Königin von Navarra wünschte er in diesen Tagen herbei, mußte sich aber mit irgendeiner durchreisenden Abenteurerin schnell vergnügen. Am häufigsten in all seiner Jugend hatte er doch seine Königin umarmt, und was mehr ist: im Unglück, in der Todesnot. Damals hielt sie zu ihm, so viele andere Männer sie nebenbei schöner fand -- hielt zu ihm, rettete ihn, folgte dem Entflohenen nach seinem Lande Navarra. ›Margot, nie wieder? Als es anfing hinanzugehen, wurdest du meine eifersüchtige Feindin, rüstetest Truppen gegen mich und tätest es weiter, wenn du noch Geld hättest. Sitzest aber allein in einem kahlen Schloß und hassest mich. Dich würde ich nochmals, würde ich immer lieben, Margot aus der Bartholomäusnacht!‹ So sann er nach Ivry, indessen Marguerite von Valois in ihrem kahlen Schloß mehrere ihrer besten italienischen Majoliken zerbrach, als sie von seinem Sieg erfuhr.

Das Schloß der verwitweten Gräfin von La Roche-Guyon stand in der Normandie; Henri hatte nicht weit, dorthin zu reiten, und das tat er des öfteren, seit er die Gräfin kannte. Er hatte bis zu der Schlacht von Ivry den Weg fast immer des Nachts gemacht, bei Tage hielten Arbeiten und Kämpfe ihn auf. In grauer Frühe langte er unter ihren Fenstern an, die junge Dame trat auf ihren Balkon hinaus, und er im Sattel, sie in sicherer Höhe, unterredeten sie sich eine Weile. Er sagte ihr, daß sie schön sei, wie nur die Fee Morgane, falls diese denn mehr als ein Traum wäre. Hier über seinem Kopf aber erscheine ihm der Traum in leiblicher Gestalt, eine blonde Frau, hoch, biegsam, und ihr Fleisch, dürfte man es nur berühren, werde gewiß nicht nach Feenart in Luft zergehn.

Was Antoinette mit galanten Scherzen desselben Geschmackes erwiderte. Sie ließ auch ihre fließenden Schleier auseinander gleiten, sich wieder schließen, und ihren blauen Blick machte sie abwechselnd ernsthaft, anzüglich, spöttisch und ganz still. Jedesmal ließ diese kluge und höchst ehrenhafte Dame den feurigen Liebhaber sich Hoffnungen machen. Nach Ablauf seiner kurzen Rast mußte er dennoch umkehren, ohne daß sie ihn eingelassen hätte. Ihre Ausrede war, daß noch Nacht wäre. Das sollte sie, nun seine Arbeit getan war, nicht mehr vorschützen können. Bald nach Ivry kündigte er an, daß er am hellen Nachmittag zu kommen gedenke. »Wenn wir noch so lange um den Brei herumgehen, einmal ist es so weit, daß Antoinette gesteht, sie habe Liebe für Henri. Herrin! Körperlich erhol ich mich schon, nur meine Seele wird die Betrübnis nicht los, bis Sie den Sprung über das Hindernis getan haben. Meine Treue verdient es. Tun Sie's doch, mein Herz. Mein Alles, lieben Sie mich wie den, der Sie anbeten wird bis zum Grabe. Dessen zum wahren Zeugnis drück ich eine Million Küsse auf Ihre weißen Hände.«

So schrieb er; als aber später alles längst vergangen war und er hatte Antoinette nie besessen, reute ihn nichts, weder ihr Widerstand noch seine Hingabe. Vielmehr erhob er sie, aus Achtung für ihre Tugendhaftigkeit, zur Ehrendame der Königin.

Jenen angekündigten Besuch damals machte er, wie alle seine anderen, allein und unbegleitet. Sie tat erstaunt, empfing ihn auf der halben Höhe ihrer Freitreppe und führte ihn hinein zu einem Tisch, der Gläser und Teller für wenigstens zwanzig Personen trug. Zuerst ließ er sich täuschen und sah nach den Gästen umher. Sie lachte, so daß er begreifen mußte, woran er mit ihr war. Darauf bekam er auch seinen Witz zurück und verlangte, die Diener, die an der Wand standen, möchten den unsichtbaren Gästen die Schüsseln reichen. Sie schickte die Lakaien hinaus, sogleich wiederholte er, was er schon geschrieben hatte von dem Brei und dem Sprung, aber galanter und ausdrucksvoller, als der beste Brief vermag. Wahrhaftig, sie brauche Untreue nicht zu besorgen, sie habe sein Wort -- von dem war er selbst überzeugt. Sie aber: »Sire! Anbetung bis zum Tode? Ich bin zu jung und möchte Sie nicht sterben sehen, weil Sie mich nicht mehr anbeten.«

Sie saßen zu zweien an dem langen Tisch mit den zwanzig Gedecken. Das hübsche, feine Gesicht versank wieder einmal in aufmerksame Stille, die Dame sprach:

»Ich spotte, Sire, weil ich mich fürchte. So singt man wohl im Dunkeln. Sie haben bei Ivry gesiegt, das war viel schwerer, als über eine arme Frau allein.«

Da fiel er ihr zu Füßen, küßte ihr Knie und bat bescheiden. Sie zeigte Strenge. »Ich bin von zu geringer Herkunft, um die Frau des Königs zu sein, und von zu großer für seine Geliebte.« Als er bei seinem Wunsch verharrte, gab sie vor, schon in ihr Zimmer zu gehen, verließ aber das Haus auf seiner Rückseite und stieg in ihren bereit gehaltenen Wagen. Bevor Henri ihre Abwesenheit bemerkte, war sie gerettet.

Er hatte, auf der Suche nach ihr, mehrere Kabinette durchschritten. In dem letzten öffnete sich eine Tür, jemand kam von drüben. Kurz vor der Begegnung erkannte er sein Spiegelbild. Es hätte ihn sonst weniger lang irregeführt, aber er war verwirrt durch das Benehmen der jungen Frau. »Grüß dich, Alter«, winkte er in den Spiegel; was er dort erblickte, erregte bei ihm den Verdacht, diese junge Frau könnte in Wahrheit vor ihm davongelaufen sein, weil er ihr nicht mehr jung genug wäre. Es war in dieser Richtung sein erster Verdacht. Man erschrickt, prüft, und endlich lacht man, weil man widerlegt wird durch das eigene Herz, das Entzücken des Geschlechtes, das die Kraft vermehrt, wie eh und je. Was vermögen dagegen eingefallene Wangen, ergrauender Bart, die tiefe Falte, von der Nasenwurzel bis in die Mitte der gefurchten Stirn? Er ließ indessen das Lachen, damit er richtig die Anstrengung sähe in den erhobenen Brauen und in den aufgerissenen Augen den Schmerz.

›Warum so schmerzlich?‹ fragte er allen Ernstes. ›Tief innen bin ich heiter; und alle entzücken sie mich.‹ Er meinte die Frauen, das ganze Geschlecht. ›Sie hat die Nase zu groß gefunden‹, entschied er. ›Zu lang gebogen und herabgesenkt. Hat auch ein so schmales Gesicht eine Nase wie die!‹ Nach allem kam er zu dem Schluß, daß er sich mehr als früher »bei ihnen« werde bemühen müssen. Das leichte Glück der Jugend war vorbei. Seinem Sinn entging hier, was außerdem noch verändert war. »Henri!« sagte in dem gleichen Augenblick die Gräfin Antoinette, und das Ächzen ihres Wagens auf dem holprigen Wege verdeckte alles, ihren Ausruf und was sie litt.

›Henri! Wärest du nicht der große Sieger von Ivry. Sire! Ich hätte Ihnen zu Gesicht kommen sollen, als Sie ein unbekannter Prinz waren, und im Wald auf der Jagd fanden Sie die Frau eines Köhlers und machten sie glücklich. Sie ließen auch auf einem Ball die Kerzen auslöschen und nahmen sich im Dunkeln, welche Sie wollten. Die hätt ich sein wollen. Es wäre gehabt und verschmerzt, längst wären Sie weitergereist. Jetzt stehen Sie im Begriffe, ausdauernd zu werden: ein treuer Liebhaber, es war auf deiner Stirn zu sehen, mein Henri, und unter deinen Brauen las ich es. Ich möchte dir folgen überall hin, nur nicht in deine Größe, deinen Ruhm. Verzeih! Dein viel zu helles Licht würde auf mich fallen. Sire! Zehn Jahre lang versprächen Sie mir, mich zu heiraten, und niemals täten Sie es.‹ -- »Im Schritt, Kutscher! Im Schritt nach Hause!« -- ›Jetzt wird er fortgegangen sein.‹ Sie weint.

 

Leise Frage

Die Jagd mußte Henri über die Liebe trösten, und als er nun mit Pferden und Hunden über eine Ebene jagte, und an ihrem Ende erhob sich ein Hügel mit einem Schloß, was erblickte er? Ein Zug, der sonderbar schien, erklomm den Hügel -- sehr langsam übrigens, die Jäger holten ihn leicht ein. »Heda, Leute, was ist das?« Voran die großen Pferde, mit aufgeschlitzter Haut.

»Sire! Es sind die Reitpferde des Herrn de Rosny. Das größte war sein erstes bei Ivry. Es ist unter ihm zusammengestürzt, und später haben wir es aufgegriffen.«

»Warum führt der Page eine Rüstung und ein weißes Banner?«

»Es ist der Page des Herrn de Rosny, er trägt die eroberte Hauptstandarte der katholischen Armee. Der andere Page hält mit einer zersplitterten Lanze den zertrümmerten Helm des Herrn de Rosny.«

»Wer sind die hinter ihnen?«

»Der mit verbundenem Kopf ist der Stallmeister des Herrn de Rosny, der andere auf dem englischen Zelter ist sein Kammerdiener, gekleidet in den orangegelben und silbernen Mantel des Herrn, in der Hand seine Siegeszeichen, das sind Schwerter und Pistolen, die Herr de Rosny an den Feinden zerbrochen hat.«

»Aber in der Mitte, auf der Bahre?«

»Sire! Herr de Rosny.«

»Ich hoffe, daß es ihm gut geht, sonst hätte er sich selbst keine so schöne Ovation bringen können«, sagte Henri, seinen Begleitern zugewendet. Dann fragte er wieder den Mann aus dem Zuge: »Wer reitet denn auf den Eseln hinter der Bahre?«

»Sire! Das sind die Edelleute, die Herr de Rosny gefangengenommen hat.«

»Sie unterhalten sich wohl über das Kriegsglück. Und was tut ihr selbst als Schwanz des Zuges?«

»Wir sind die Diener des Herrn de Rosny und folgen ihm auf seinen herrschaftlichen Familiensitz. Dort reitet sein Bannerträger mit seiner Kompanie Gendarmen, zwei Kompanien berittener Arkebusiere. Mehr als fünfzig fehlen, und die noch da sind, haben verbundene Köpfe oder Arme.«

Gern hätte Henri gelacht über die eitle Schau; aber soll man die Ruhmsucht verspotten, wenn sie auf einer Bahre liegt? Er näherte sich dieser: sie war gemacht aus grünen Zweigen und Faßreifen, war mit Leinen bedeckt, darauf aber prunkten ausgebreitet die Mäntel der Gefangenen, schwarzer Samt mit zahllosen Lothringer Kreuzen silbern bestickt, und ihre zerbeulten Helme samt schwarz-weißen Büschen. Zwischen all dem ruhte, triumphierend, aber arg zugerichtet, der Ritter selbst. Henri sagte herzlich:

»Lieber Freund, da gratulier ich aber. Sie sehen viel besser aus, als man erwarten durfte. Es ist doch nichts gebrochen? Nur kein Krüppel bleiben, das dürfen wir nicht. Über Ihre Abenteuer gehen Gerüchte um, haarsträubend.«

Da er die einfachen Worte hörte, verließ den guten Rosny seine ganze Selbstbewunderung. Er erhob sich aus seiner ruhenden Lage und hätte sogar die Bahre aufgegeben, aber der König erlaubte es nicht. So redete der Baron denn überaus verständig. »Sire!« sagte er, ohne sich um eine leidende Stimme zu bemühen. »Eure Majestät bringt mir Trost und ehrt mich viel zu sehr durch Ihre Sorge um mich. Meine Gefühle kann ich nicht ausdrücken und erwidere nur, daß ich den Beistand Gottes sichtbar erkannt habe. Dank seiner Güte sind meine Wunden in gutem Zustand, sogar die ganz große an der Hüfte, und in längstens zwei Monaten hoffe ich mir wieder welche holen zu können in Ihrem Dienst, werd es auch zum gleichen Preis tun, nämlich aus Liebe.«

Dies hören, und Henri hätte bei weitem eher geweint als gelacht, so sehr war er bewegt. Er umarmte Herrn de Rosny, der ernst und bescheiden gesprochen hatte anstatt großartig. »Seht her, ihr Herren!« rief er. »Den erklär ich für einen wahren und echten Ritter.«

Noch ein Stück Weges begleitete er den Zug, neigte sich über die Bahre und sagte insgeheim:

»Schnell gesund werden, Rosny, hartnäckiger alter Ketzer, damit wir Paris nehmen.«

Auch der Baron raunte nur: »Eure Majestät spricht kaum noch wie einer von der Religion.«

Henri, immer leiser: »Würde es Ihnen etwas ausmachen?«

Rosny, am hingehaltenen Ohr des Königs:

»Sire! Von einem hartnäckigen Hugenotten, wie ich es bin, dürfen Sie nicht verlangen, daß ich Ihnen zurate, zur Messe zu gehn. Eins will ich Ihnen aber doch sagen, daß dies allerdings das schnellste und leichteste Mittel ist, damit alle bösen Anschläge zu Rauch werden.«

Der König richtete sich im Sattel auf. Als hätte er nichts gehört, zeigte er nach dem Schloß, das nah war. »Adieu, mein Freund, gehabt Euch wohl. Wenn mir's gelingt und ich bekomme Zuwachs von Macht und Größe, Ihr Anteil, Herr de Rosny, ist Ihnen gewiß.«

Sprach es, gab seinem Pferde die Sporen, und hinter sich die Jagd und die Meute, sprengte der König von Frankreich voll Eifer durch das waldige Gebiet seines treuen und klugen Dieners. Einmal verließ er das Gehölz und geriet auf einen Acker, Birken standen hoch darum her. Leicht schwebten ihre Wipfel im Himmelsblau. Über die Erde gebückt arbeiteten Bauern -- sahen auf, als sie den Hufschlag hörten, und wollten zur Seite springen. Die Jagd hielt aber auf der Stelle an, und der König, den diese Leute noch nicht kannten, zeigte nach dem Schloß, das fern und blauend aus Wipfeln ragte. Den ältesten der Männer fragte er: »Sag mir, Freund, wem das Schloß gehört?«

»Herrn de Rosny«, antwortete der Alte.

Dem rüstigen Sohn befahl der König: »Reich mir eine Handvoll Ackerkrume«, und der gab sie ihm auf das Pferd. Der König ließ die Erde von einer Hand in die andere gleiten. »Gute fette Krume. Wem gehört der Acker?«

»Herrn de Rosny.«

»Seht her!« Der König hatte den Klumpen auseinandergenommen: es glänzte darin ein Silbertaler. »Der ist für Madelon. Mach deine Schürze auf.« Das tat das Mädchen, er warf das Geldstück hinein, und sie lachte zu ihm hinan aus halbgeschlossenen Augen -- ein schelmisches Leuchten und geheimes Einverständnis, ihm wohlvertraut aus allen seinen Jugendtagen.

Im Weiterreiten rief er zurück:

»Ihr habt einen guten Herrn, und auch er wird an mir alle Zeit einen guten Herrn haben.«

Da sahen die Leute einander mit offenen Mündern an, dann aber liefen sie, lautlos vor Staunen, noch schnell ein Stück hinterdrein. Von den Hufen der Pferde stoben die Schollen, fröhlich bellten die Hunde, und ein Jäger stieß ins Horn.

 

Ein Höllenpfuhl

»Es lebe Gott, der König ist tot«, sagten sie in Paris und glaubten wirklich, daß er diesmal nicht nur Unglück gehabt, sondern ausgespielt habe. Aber der König ließ sie dabei. Ein Regen ohne Ende fiel, die Landstraße war verlassen, man hörte nichts von ihm, obwohl er nur einen Tag entfernt in Mantes war. Er hatte die Stadt erobern müssen wie jede andere. Kaum in ihren Mauern, gab er den Bäckern ein Fest. Diese Zunft hatte in Erfahrung gebracht, daß der König dort unten in seiner Heimat eine Mühle besaß und der Müller von Barbaste hieß. Um seinem Namen Ehre zu machen, spielte er mit ihnen Ball, sie gewannen ihm all sein Geld ab, und dann wollten sie aufhören. Er verlangte Genugtuung, und als sie sich weigerten, ließ er die ganze Nacht Brot backen. Am Morgen verkaufte er es für die Hälfte: wie sie da kamen und sich erboten, mit ihm weiterzuspielen.

Diese Sache ließ er eigens nach Paris melden. So erfuhren sie dort nicht nur, daß er lebte, was schon Unglück genug war; sondern daß er überall das Getreide aufkaufte. Sein Heer muß unzählig sein! Plötzlich weiß jeder und gibt es zu, daß der König bei Ivry gesiegt hat. Er hat unseren Herzog ganz entsetzlich geschlagen. Der Dicke und sein auseinandergelaufenes Heer findet nie mehr zu uns her die aufgeweichten Wege. Der rettet uns diesmal nicht. Nur den Ketzer wird nichts abhalten, den dürfen wir erwarten, schon das vorige Mal hat er unsere Vorstädte rein ausgeplündert und neuntausend erschlagen.

Es waren achthundert gewesen, aber der Schrecken der großen Stadt übertrieb in jedem Betracht, sowohl seine Furchtbarkeit wie ihre eigene Ohnmacht. »Der führt Krieg gegen die Mühlen und Kornspeicher des ganzen Landes. Wir werden verhungern!« sagten sie, wurden gelähmt vom Vorgefühl und sahen zu, wie die Spanier sich mit Lebensmitteln versorgten. Die Spanier, das waren der Gesandte Mendoza und der Erzbischof von Toledo, dieser in besonderer Sendung, damit er seinem König Don Philipp berichtete, was den nächstens ausersehenen Untertanen der Weltmacht am meisten fehlte, ob der Glaube oder das Geld. Nun, es sollte das Brot sein, wie der Erzbischof bemerken konnte. Er und die spanische Partei versorgten sich, besonders die sechzehn Vorsteher der Stadtteile, und vor allem die Klöster.

Die Herzöge von Nemours und von Aumale befehligten die Besatzung, waren mit Spanien wohl oder übel verbündet, hielten aber im Wesen zu Frankreich, was für Paris damals nicht mehr die Regel war: nur alte Leute, die in Gefängnissen saßen, wußten noch, was die Freiheit, die Religion und der gesunde Sinn sind. Einer, Bernhard Palissy, bot aus der Bastille heraus dem Herzog von Nemours, einem Guise, den Stein der Weisen an. So nannte er einen versteinerten Schädel -- und meint eigentlich, daß der Anblick eines so alten Menschenrestes den Lothringen mahnen sollte, den verfehlten, unheilvollen Ehrgeiz seines Hauses aufzugeben und den wahren König von Frankreich anzuerkennen. Denn wir treten bald vor Gott, meinte der Achtzigjährige, der nie erfuhr, daß Nemours in der Tat in sich gegangen war bei der Berührung des »Steines der Weisen«.

Daneben gab es die Schwester der Lothringen, die berühmte Herzogin von Montpensier, deren Gatte im Heer des Königs stand; sie selbst war seine Feindin und stolz darauf, daß sie den Mörder des vorigen Königs abgerichtet hatte für die Tat. Nicht genug daran, sie wollte den Hugenotten auf dem Schafott sehen. Wie denn, am Rad und Galgen! Die Furie der Liga hetzte schon wieder von ihrem Balkon herab die Jugend der hohen Schulen, bis sie ihr Mordgeschrei durch die Straßen trugen. Die schöne, aber alternde Herzogin indessen in ihrem Palast hielt sich den unbändigen Busen. Der Haß und Rachedurst, der ihn stürmisch bewegte, war schmerzhaft, zuletzt wurde er ihr verdächtig. Der Sieg Navarras bei Ivry, sie hatte ihn durch ihren Bruder Mayenne, den Besiegten, früher erfahren als sogar die Spanier, hatte die Kenntnis lange für sich behalten und verschwieg sich selbst den Grund, bis es sie überwältigte. »Navarra«, sagte sie, um nicht »Frankreich« zu sagen; aber in ihrer leidenschaftlichen Brust hieß sein Name nur Henri, und ihr Haß war ihr zur Qual wie sein Glück. Sie hörte, daß er den Prior ihres Mönches gefangen hatte, desselben, den sie zum Königsmord abgerichtet hatte. Henri übergab den Prior seinem Gericht in Tours, der Prior wurde von vier Pferden zerrissen, die Herzogin lag drei Stunden in Ohnmacht. Ambroise Paré kam, ein alter Chirurg, den alle achteten, obwohl er Hugenott war. Er ließ die Dame zur Ader, und als sie erwachte, fragte sie: »Ist er schon da?« -- in einem Ton, mit einem Gesicht, daß der Greis zurückwich, er, der die Bartholomäusnacht und auch sonst schon mehrmals die Hölle erblickt hatte.

Die große Stadt glaubte alles. Er ist da, glaubte sie, während er erst überlegte, ob er seine Soldaten nochmals gegen die Vorstädte von Paris losließe. Wir verhungern! weinten sie, als ihre Märkte noch hätten voll sein können; wurden aber verraten von den Vorstehern der sechzehn Stadtteile, die nur spanisch dachten, obwohl ihre Rede französisch war. Am achten Mai des Jahres 1590 hielt der König seine Hauptstadt endlich ganz eingeschlossen. Diesmal ließ er ihr keine Ausflucht, weder links noch rechts des Flusses, nahm die Vorstädte, verhinderte Gewalt, ließ seine Geschütze mäßig über die Mauern schießen -- umschloß sie nur, eng und ohne Ausflucht.

Am vierzehnten begannen die Prozessionen. Die Mönche führten die Bürgerwehr an. Noch hatten alle gegessen, die Mönche mehr als nötig; sie schnauften furchtbar unter dem Panzer, in den sie ihre Bäuche gezwängt hatten. Die Kutte war hochgeschürzt, die Kapuze zurückgeschlagen, der Mönch trug Helm und Waffen. Beim Erscheinen des päpstlichen Legaten wollten die geistlichen Krieger ihn passend begrüßen und erschossen ihm dabei seinen Almosenier. Der Herzog von Nemours sagte hier im Vertrauen zum Herzog d'Aumale: »Wie lange werden wir den Unfug mitmachen? Ich bin ein Lothringen und immer noch Franzose: hier aber ist Spanien. Wir sind auf der falschen Seite. Unser Platz wäre jenseits der Mauer, mitsamt unseren siebzehnhundert Deutschen, achthundert Mann französischem Fußvolk, sechshundert Reitern. Guise oder Navarra, das wird draußen auf ehrenvolle Art entschieden.«

D'Aumale antwortete: »Vergessen Sie nicht die Bürgerwehr und alle, die jemals Hugenotten gemetzelt haben. Vergessen Sie nicht die Furcht vor Wiedervergeltung, die den Bürgerkrieg so ausschweifend macht. Ziehen wir jetzt ab, Paris wird sich dem Rausch seiner Angst ergeben, wird sich selbst abschlachten und wird schwören, daß es für die wahre Religion sei.«

Der andere Herr reckte die Hand nach der tanzenden, brüllenden Prozession, zum Zeichen, daß er begriffen habe. »Paris will spanisch sein«, sagte Nemours. »Wir Guise sind betrogen, Don Philipp zahlt mir nicht einmal mehr den Sold. Mendoza prägt Bettelpfennige und wirft sie aus seinen Fenstern. Wozu? Da dies Volk höchstens noch Katzen ißt, und die am Sonntag?«

Die beiden Herren ritten nur mit starker Bedeckung durch die Stadt, die sie verteidigen sollten. Gewöhnlich flüchtete alles, wegen schlechten Gewissens, oder weil niemandem mehr zu trauen war. Vereinzelt ließ niemand sich leicht sehen. Die Haufen, die unterwegs waren, wollten bei ihren Unternehmungen die Stärkeren sein. Sie machten Haussuchung in den Klöstern, voran die Bürgerwehr; fanden zwar nur so viel, wie sie auf der Stelle verzehren konnten, alles andere war gut versteckt; dafür spaßten sie und drohten den Mönchen, auf einem steuerlosen Schiff würden die Fettesten zuerst gefressen. Satt wie sie endlich waren, kamen erst Messe und Predigt daran, damit niemand Mut und Eifer verlöre.

Andere Haufen umdrängten die Türme, jeder wollte hinauf, Felder und reifende Frucht von fern zu erblicken. Nachher stürmten sie erbittert vor das Parlament und schrien sich heiser nach Brot. Unter den Frauen brach der Wahnsinn aus: sie boten sich selbst an, man sollte sie niedermachen und ihr Fleisch verkaufen, wenn nur ihre Kinder Brot bekämen!

Was hätte Brisson, Präsident des hohen Gerichtes, mit diesen Armen angefangen. Er hatte selbst nichts, er war ein ehrlicher Mann. Schon hatte man auch in seinem Hause von dem verdächtigen Mehl genossen, womit Schleichhändler hinten heraufkamen, und das sie aus keiner Mühle geholt hatten, sondern des Nachts vom Friedhof. Brisson, Humanist, dem Recht ergeben, daher in seinem Herzen ein Mann des Königs, verhandelte, um diese wütende Stadt zu retten, mit Herrn de Nemours. Sie führten das gefährlichste Gespräch, das ein großer Bürger und ein großer Herr je wagen konnten unter dem eisernen Himmel des Fanatismus. Sie gestanden einander, daß der Aufstand der gottlosen Widervernunft jetzt wahrhaft sein äußerstes Ziel erreicht habe, und die Liga niederzuschlagen, so viele Opfer es irgend kosten könnte, wäre dennoch von jetzt ab der einzige Ausweg, um sowohl die menschliche Vernunft als Gott zu versöhnen.

Jedes Opfer! -- sagten die beiden wohl, spähten aber unentschlossen hinter einem Vorhang aus dem geöffneten Fenster. Was sie erblickten, war die Kirche und das überquellende Portal, war die Straße voll Volk, alle stumm, alle vom Hunger bleich, vor Schwäche kniend oder in aufrechter Stellung entrückt; und zu hören war allein die Stimme des Predigers, ein Gebell. Der König wird die Messe abschaffen und alle umbringen! Volk! Dein Heil bedenke! Der Mann der Lüge, Boucher, hatte sie groß und Legion gemacht seit vielen Jahren mit seinem listigen Rasen, und begleitete die Lüge jetzt bis an ihren Rand, bis über den Abgrund; er bellte, er schnappte von der Kanzel. Die nächsten erschraken vor ihm, sie stießen rückwärts gegen die Masse, die Masse wankte, sie stöhnte in Todesfurcht und Schwäche. Man erdrückte und zertrat einander fast lautlos, nur Stöhnen, und das Gebell. Da beendeten Brisson und Nemours ihre hoffnungslose Unterredung. Waren aber natürlich belauscht worden. Mönche mitsamt einer meuchlerischen Rotte drangen ein, um das ganze Parlament aufzuhängen. Der Herzog mußte schießen lassen.

Da nach dieser Rede des bewährten Boucher gegen den König und die Vernunft seine Hörer abflossen so hungrig wie zuvor, waren es zuerst dichte Gefälle menschlicher Körper, dann langsamere Bächlein, endlich aber Nachzügler wie Rinnsale, die den Strom nicht mehr finden. Diese tropfen armselig und matt in die umliegenden Gassen. Eine Frau sinkt erschöpft gegen die Hauswand. O Hoffnung! Ihr Knabe hat eine Ratte entdeckt im Kanal, der bald offen, bald verdeckt, inmitten der Gasse läuft. Der Knabe steigt hinein, kriecht unter den Steinen durch, windet sich aus dem Loch und hält die Ratte. »Mutter! Essen!« In diesem Augenblick kommen zwei Landsknechte einher, ein Ungetüm von einem Landsknecht und ein Kleiner mit Spürnase. Dieser faßt den Knaben ab, er will ihm die Ratte nehmen, der Knabe schreit und läßt sie nicht los. Da hebt der große Landsknecht ihn selbst vom Boden auf, faßt ihn hinten am Kittel und hält das Kind an seiner Tatze vor sich hin wie einen Einkauf -- stapft gewaltig und biegt um die Ecke. Sein bleicher Freund schielt, ein Auge eingedrückt, nochmals zurück, dann sind sie fort.

In der Gasse die wenigen Personen bleiben vom Schrecken erstarrt, daher ist noch eine Weile das Wimmern des fortgetragenen Kindes zu hören. Seine Mutter will ihm nach, sie taumelt, sie stößt gegen eine andere Frau, die aus einem Hause tritt. Jetzt erst erfolgt der Schrei der Mutter, ein Schrei des Abscheus, des Grauens, des Versinkens, und die Mutter schlägt hin, sie rührt sich nicht mehr: die Frau aus dem Hause muß über sie wegsteigen. Zwei alte Leute an der dunkelsten Stelle wispern. »Die hat es schon getan. Was die Landsknechte jetzt vorhaben mit dem Knaben, diese Dame weiß, wie es schmeckt. Ihr eigener Sohn ist gestorben, aber niemand hat ihn tot gesehen, und seitdem lebt sie von Gesalzenem.« Ihre zitternden Stimmchen ersterben, die alten Wesen verkriechen sich, die Frau aus dem Hause kommt vorbei. Sie ist fast eine Dame, sie rafft ihr Gewand, damit es nicht durch den Schmutz schleift. In ihrem steinernen Gesicht richten die Augen sich irrsinnig gegen das Grenzenlose.

 

Ein Gewissenskampf

Der König aber entließ des nächsten Tages dreitausend Personen aus der Stadt, damit sie nicht Hungers stürben. Als seine hohe Verbündete, Elisabeth von England, hiervon erfuhr, war sie mit ihm recht unzufrieden; er mußte ihr seinen besonderen Gesandten, Philipp Mornay, schicken -- tat es übrigens gern, entfernte Mornay gern eine Weile aus seiner Nähe. Dieser sollte der Königin vorstellen, daß der Tod einiger armer Franzosen die spanische Partei zur Übergabe von Paris nicht bewogen haben würde, solange sie selbst noch Vorräte hatte. Überdies erlaubte er, daß die Bevölkerung kurze nächtliche Ausflüge machte, Getreide zu ernten, auf Feldern nahe der Mauer. Plötzlich erschien wieder Brot bei den Bäckern, wofür das Volk den König gesegnet hätte. Mönche und Bürgerwehr sorgten vor durch verstärkten Schrecken sowie auch vermittels der Nachricht, daß der König das Brot nur geliefert habe aus großem Bedürfnis nach spanischem Gold. Sein Heer entläuft ihm, und die Truppen unseres rechtmäßigen Herrschers Don Philipp sind im Anmarsch! Es lebe Gott, der kleine Ketzer ist verloren. Sein schönster Traum, die Hauptstadt des Königreiches aussterben zu sehen, erfüllt sich ihm nicht.

Henri, dies hören, und Entsetzen ergriff ihn. Was hinter den Mauern über ihn an Abscheulichkeit umging und bis zu ihm herausdrang, es war leider nichts Unbekanntes: sein Gewissen gab ihm ganz dasselbe schon ein, und je länger, je heftiger bestand sein Gewissen darauf. ›Henri! Du kämpfst hier keine gute und tapfere Schlacht. Henri! Du besiegst Menschen, die keine Waffen führen, und es sind die Einwohner deiner Hauptstadt. Sie sinken durch Erschöpfung hin, sie verlieren den Verstand, ja, vergehen sich gegen die Natur -- indessen du selbst in sicheren Häusern schläfst und tafelst.‹

Womit sein Gewissen ihm noch nicht alles vorhielt, was es wußte. Er trieb auch Liebe mit der schönen Äbtissin eines Frauenklosters und verlegte sein Quartier sogar noch in ein zweites Ordenshaus. ›Henri!‹ sagte sein Gewissen nach genossener Freude. ›Diese Nonnen geben sich dir hin wie Judith dem Holofernes. Sie sind zuerst nur Lämmer auf der Schlachtbank, endlich aber rasend vor Glut, weil das Feuer der Verdammnis heranrückt, dafür möchten sie dich töten. So liegt ein Fluch und Unheil auf der Ketzerei‹ -- fühlte der Protestant, trug aber nach wie vor eine Locke um das Ohr geschlungen in der Weise von Seinesgleichen. Sein Marschall Biron scherzte über seinen »Religionswechsel«: diesen Namen gab er der Abwechslung, die Henri bei mehreren geistlichen Frauen suchte. Der König ließ den Alten zu sich rufen und sprach zum erstenmal hier aus, daß er seine Religion abschwören und zu den anderen übertreten wollte.

Die Reue entrang es ihm, die Verzweiflung über die Taten, die er nicht eigentlich beging, sondern er war in sie versetzt. Aber das versteht kein alter Kriegsmann bis zuletzt -- obwohl gerade Biron belehrt war über einige Dunkelheiten und Tiefen seines leichten Kampfhahns und Königs. Ihre eigenen Kämpfe, bevor diese beiden einander gefunden hatten und in den Armen gelegen, waren besonders und von der Art strenger gegenseitiger Prüfung gewesen: Biron vergaß es nicht. Hager aufgerichtet, leicht schwankend von dem Wein, den er jederzeit trank, ohne jemals seine Klarheit zu verlieren, ein Totenkopf mit hängendem Schnurrbart -- stand Marschall Biron, überlegte, erwog und brachte hervor, niemand hätte vermutet, wie zart und voll Zweifel: »Sire! Soll ich's weiterreden?«

Henri nickte, weil die Stimme ihm ausblieb. Dann flüsterte er: »Reden Sie -- aber tun Sie, als ob Sie lügen.«

Biron bestätigte es ihm. »Man wird die Wahrheit umsonst zu erraten suchen. Weiß ich sie doch selbst nicht. Denn Eure Majestät haben als Hugenott Ihren Glauben und Anspruch auf den Thron verteidigt länger als zwanzig Jahre: auch gegen mich, der ich Ihr Feind war und der Feind des Admirals Coligny, den wir Papisten ganz schrecklich töteten. Ich hab nichts aus all der Zeit vergessen. Sire! Und Sie?«

Der König hörte die zarte, aber mächtige Ansprache eines Katholiken, der ihn warnte. ›Soll ich wirklich die Religion der Königin, meiner Mutter, abschwören?‹ erkannte Henri. Er blickte in eine niederschmetternde Helligkeit, woraus man ihn ansah und im Auge behielt -- wer, das sagte ihm nur sein Schuldgefühl. Er war geblendet, die Helligkeit war das innere Licht des Gewissens. ›Mutter‹, dachte er. ›Herr Admiral‹, dachte er.

Obwohl sehr bleich und mit einem Gefühl großer Schwäche, versteifte er sich, befestigte die Stimme und wiederholte seinen Befehl. Von der Tür, im letzten Augenblick rief er den Marschall noch zurück. »Aber nicht meinen Protestanten sagen Sie es! Nicht meinen Protestanten!«

Er wußte, daß sie es natürlich erfahren würden. Auch das Verhalten jedes einzelnen der alten Freunde konnte er voraussehen. Froh war er nur, daß er Mornay oder die Tugend nach England geschickt hatte. Bis dorthin das Gerücht dringt, ist es eine matte Fabel, und der Königin Elisabeth, die dennoch Verdacht schöpfen könnte, wird Mornay ihn ausreden. Statt des einen Abwesenden zeigten genug andere ihm ihre strengen oder traurigen Gesichter: mehrere hätte er für leichter gehalten. Roquelaure, der gerne glänzt, ehrgeiziger Turenne, ihr habt die Kraft, wahr zu sein, und einen König, der lügen will, zu mißbilligen! Sein Agrippa stellte sich wohl nichtsahnend, gedachte aber in Wahrheit, seinen König zu überrumpeln. »Sire!« begann er. »Ich bin in Gewissensnöten.«

»Du, Agrippa?«

»Ich. Wer denn sonst. Mir hat ein Freund aus Paris die Namen von Verschwörern verraten, schickt mir sogar ihre eigenen Briefe, daraus zu ersehen, was sie vorhaben gegen das Leben Eurer Majestät.«

»Gib sie mir!«

»Gerade Ihnen? Sire! Der spanische Gesandte wird mir mehr zahlen als Sie, wenn ich ihn in Kenntnis setze, daß dieses Unternehmen entdeckt ist. Aber obwohl ich auf Geld immer sehr bedacht bin, wie Sie wissen, erwerbe ich es doch niemals durch Verhandlungen mit den Feinden der Religion und meines Königs.«

»Wartest lieber, bis die Mörder mich haben? Oder welchen Preis machst du mir?«

Strafend wie jetzt hatte Agrippa noch niemals ausgesehen. In Minuten schien er um drei Zoll gewachsen.

»Keinen. Es ist dafür gesorgt, daß Sie diese Leute, wenn sie Ihnen unter die Augen treten, nicht einmal erkennen.«

»So werde ich dir nicht glauben, daß ich in Gefahr gewesen bin.«

»Sire! Wie Sie befehlen«, schloß Agrippa kühn und auch wieder humorvoll nach seiner Art. Nun geschah es gleich darauf, daß mehrere spanische Herren im Auftrag Don Philipps dem König von Frankreich, der seine Hauptstadt belagerte, eine Infantin zur Ehe anbieten wollten. Henri in seiner Begierde nach Frieden mit seinen Untertanen, beeilte sich, die Unterhändler zu empfangen. Nur der erste von ihnen wurde zu ihm gebracht, und man hielt ihn bei den Händen, links ein anderer, aber rechts Agrippa, der sich stellte, als wäre dies eine unverfängliche Höflichkeit -- hielt indessen dem Manne das Handgelenk fest. Henri begriff. Er fertigte den falschen Beauftragten schnell ab, fragte auch nicht, was mit ihm und den übrigen nachher geschah. Seinem Agrippa d'Aubigné bot er keine Belohnung für die Lebensrettung an, und noch weniger dankte er ihm die erhaltene Belehrung, wie man uneigennützig, gerade und der eigenen Sache beharrlich treu ist.

Er glaubte, daß ihm selbst die Untreue leider aufgetragen wäre von Gott, da beschlossen war, daß er sollte das Königreich retten. ›Ich ehre Gott‹, so rechtfertigte Henri seine Untreue, was sogar mit dem Allwissenden nicht leicht ist. ›Ihm gehorch ich gegen das Andenken meiner Mutter und des Admirals, aller unserer Gewissenskämpfer, gegen das Bekenntnis der Pastoren und ungeachtet einer ganzen Million Opfer der Religionskriege.‹ Eine neue, erschreckende Einsamkeit befiel hier seinen Geist. ›Nicht alte Freunde, nicht Partei noch die geschützten Städte, in denen wir beten durften, La Rochelle am Meer, nicht einmal du! Keine einmütige Verbundenheit mit denen meines Glaubens, kein Psalm in der Schlacht: nichts hält stand, da das Königreich ruft. Das Königreich, das ist mehr als Meinung oder Absicht, ist mehr sogar als Ruhm: es sind menschliche Wesen wie ich‹; so beteuerte er und fühlte hier wirklich: er war gerettet. ›Menschliche Wesen -- aber einige von ihnen, über der Mauer, die ich mit Augen sehe, vergehen sich gegen die Natur! Dorthin kommt es mit ihnen, sobald nicht mehr der König sie bei ihrer Menschenpflicht erhalten kann. Das will ich tun, das allein soll mich retten bei Gott und Menschen.‹

»Wollen wir denn die beiden Gottlosen empfangen«, sagte er, meinte aber eine Zusammenkunft mit dem Kardinal von Paris und dem Erzbischof von Lyon. Er nannte sie gottlos, um seinen Glauben an das Königreich zu bekräftigen, während solche Wesen davon nichts halten. Mit mehr als tausend Edelleuten begab er sich an einem Augusttag um zwölf Uhr nach dem Kloster außerhalb der belagerten Hauptstadt, wo ihre Abgesandten ihn aufsuchten. Es waren Herren von Würde und Gewicht, hatten bis jetzt keinen Mangel gelitten, wie auch ihre gesamte Begleitung nicht. Sie verneigten sich vor dem König, aber nicht gerade zu tief: das hatte die belagerte Hauptstadt noch nicht nötig, wenn man ihre Gesandten sah. So gemessen wie diese konnte der König sich nicht benehmen, das Gedränge um ihn war zu dicht. Er sagte ihnen: »Wundern Sie sich nicht, wie ich gedrückt werde. In der Schlacht ist es ärger.«

Nun mochte er sich denken, daß sie hier nichts weiter wollten, als Zeit gewinnen, bis Mayenne die Hilfstruppen aus Flandern bekam und Paris entsetzte. Ihre Verhandlung mit dem König sollte das hungernde Volk von Paris hinhalten, weil es sonst versuchte, sich zu empören. Die beiden Bischöfe waren ihrerseits überzeugt, daß ihm der Hungertod einiger tausend Gemeiner so gleichgültig wäre wie ihnen selbst. Fragte sich nur, ob er dies zugeben durfte um seiner Volkstümlichkeit willen. Das Klügste schien beiderseits, alle Förmlichkeiten genau zu befolgen, weshalb der König von den Abgeordneten ihre schriftliche Vollmacht verlangte, und sie überreichten sie ihm. Darin stand verzeichnet, daß die Herren Kardinal und Erzbischof zu dem »König von Navarra« gehen sollten, um ihn flehentlich zu ersuchen, er möge in eine allgemeine Befriedung des Königreiches willigen; dann aber zum Herzog von Mayenne, damit auch dieser darauf bedacht wäre. Eitle Worte, und eine Mißachtung des königlichen Ranges.

Henri wies sie darauf hin, daß ein »König von Navarra« natürlich nicht berufen wäre, Paris und Frankreich den Frieden zu geben. Indessen wollte er sein Königreich in Ruh und Frieden sehen, und somit keinen Streit um Titel. Er versicherte sogar, er würde einen Finger geben, und legte weiterhin den zweiten dazu. Den einen Finger war eine Schlacht ihm wert, aber zwei versprach er für den allgemeinen Frieden. Die beiden geistlichen Diplomaten fanden ihn stark im Heucheln, und er stieg in ihrer Achtung. »Aber!« rief er zu ihrer vermehrten Überraschung. »Aber Paris würde vergeblich auf den allgemeinen Frieden warten, solange es die Schreckensherrschaft und Hungersnot in seinen Mauern hat. Was wären das für körperlose Friedensworte. Paris darf nicht länger hungern. Ich liebe meine Stadt Paris. Sie ist meine älteste Tochter.« Hiermit entlarvte er ihre Friedensbotschaft; aber nicht jeder, dessen Blöße schon offen ist, merkt es.

»Gefangen hat er gesessen in Paris, das ist alles«, bemerkten für sich die beiden. »Vater dieses Volkes nennt er sich, aber nur an einer Niederlage hängt es, und er sitzt nochmals hinter Gittern, kommt auch lebend nicht mehr frei. Als er sich überdies mit der wahren Mutter bei Salomo verglich, und wollte auf Paris lieber verzichten, als daß er es aus Trümmern und Toten hervorzöge und an sich brächte« -- bewunderten sie ihn nicht ohne Belustigung und streiften einander kurz mit den Blicken. Hierauf unternahmen sie es, ihn in der geschickten Falschheit noch zu überbieten. Sie stellten sich, als bezweifelten sie seine militärische Stärke sowie die Echtheit seiner Siege und rechneten mit einer Wendung. Wenn Paris vor der Herstellung des allgemeinen Friedens sich ihm ergäbe, würden Mayenne und der König von Spanien es wieder nehmen und hart bestrafen. Da aber erlebten sie etwas Neues.

Ein Soldat, dem die Gnade der Majestät zufällt vor ihren Augen. Sie begreifen nicht mehr, wer hier spricht, und von wo herab. Er schwört, unterbricht sich, selbst erschüttert, wiederholt aber den furchtbaren Schwur beim lebendigen Gott. »Wir werden sie schlagen.« Seine tausend Edelleute riefen durcheinander, was einen eingeübten Gleichklang weit übertrifft: »Wir werden sie schlagen! Wahr geschworen! Die Schande nie, solange Gott lebt!« Betroffen erkannten die Abgesandten, daß er eingesetzt war als Feind ihrer Welt; und gegenüber dem verkrüppelten Erdenbeherrscher Philipp, der unmenschlichen Weltmacht Habsburg, erhob ihren Anspruch eine lebendige Majestät. Man muß dies erblicken, damit man es glaubt. Im Leben geschieht fast alles ohne Auftrag -- das ist die tägliche Erfahrung hochgestellter, ungläubiger Herren, die daher jeden Mächtigen für einen Betrüger halten und ihn dafür hinnehmen. Ein Schlag durchlief die Glieder dieser beiden, vor ihren Augen zitterte das irdische Bild, da sie die wirkliche Majestät erfuhren. Majestät -- ein schwaches Wort für eine schlechthin überwältigende Gnade Gottes: -- wie schwach und weitläufig verhält man sich zu Gott und Gnade. Zwei Kirchenfürsten hatten sich so lange nichts dabei gedacht, bis sie dies erlebten: ein Soldat, dem die Gnade der Majestät zufällt vor ihren Augen.

Henri hatte seitdem seine Gegner in der Hand während dieser Verhandlung. Nach dem Augenblick der hohen Berufung machte er von seinem Vorteil vor ihnen reichlichen Gebrauch. Er nahm sie nicht mehr ernst, sondern verlangte die Übergabe von Paris innerhalb acht Tagen, als wär es eine Kleinigkeit. Die Majestät darf niemals lange währen, wir werden sie nicht abnutzen, da die Gnade selten erscheint, und übrigens halten wir die guten Leute lieber zum besten, als daß wir sie durch Größe auf die Knie zwingen.

»Acht Tage habt ihr, meine Guten. Wollt ihr lieber warten mit der Übergabe, bis euch die Lebensmittel ganz ausgehen, dann schön, für euch eine Henkersmahlzeit und nachher der Strick.«

»So unbarmherzig wird kein König von Frankreich mit seiner Hauptstadt verfahren, und kein Christ mit zwei Dienern Gottes.«

»Dann laßt es darauf ankommen.«

»Zu fürchten ist allerdings, daß gerade wir beide wieder zu Ihnen hinausgeschickt werden, diesmal aber mit dem Strick um den Hals.«

»Dann übergebt mir die Stadt sogleich.«

»Wenn die Spanier und die sechzehn das hören, hängen sie uns auf.«

»Dann wartet auf Mayenne und die Hilfstruppen aus Flandern.«

»Eure Majestät könnten sie am Ende besiegen, um so sicherer würden wir aufgehängt.«

»Dann befürwortet die Übergabe.«

»Sire! Sie würden unsere Dienste vergessen und uns der Rache des Volkes ausliefern.«

»Dann laßt es nur ja weiter verhungern.«

»Sire! Sie sind falsch berichtet, noch hungert niemand.«

»Dann mög es euch immer wohl ergehen. Es gibt noch viel mehr auf den Friedhöfen, und genug Kinder sind unbewacht, die Mutter hat einen Anfall von Schwäche.«

Hierauf wagten sie keine Antwort, sondern ließen die Köpfe sinken, so frech bis jetzt ihr Sinn gewesen war. Da sie wahrhaftig den Boden verloren, schien es ihnen, daß sie sich von dem König hatten hinreißen lassen. ›Ja, ein Frag'-und-Antwort-Spiel hat er mit uns getrieben, nach dem Vorbild einer berühmten Szene im Rabelais, der nichts als ein Possenreißer gewesen ist. Das ist auch dieser König, und hält uns zum Narren.‹ Ihre Würde war dahin und ihre Verwirrung unaufhaltsam. Der König erlaubte ihnen nicht, sich zu fassen, im Gegenteil gab er ihnen den Rest. Das letzte sprach er nicht mehr schnell und leicht, sondern mit dem Nachdruck des Richters.

»Herr de Lyon«, sagte er zu dem Erzbischof. »Vor kurzem sind Sie auf der Sankt-Michaels-Brücke in ein Gedränge gekommen. Leute warfen sich vor Ihre Pferde und schrien nach Brot oder Tod. Hat nicht ein alter Mann Sie angesprochen?«

»Ich weiß es nicht«, stammelte Herr de Lyon, und alles in seinem Kopf drehte sich, wie es wahrscheinlich auch am Jüngsten Tage eintritt.

»Er hat Sie angesprochen und hat die Verzweiflungsschreie um Sie her eine letzte Bedenkzeit Gottes genannt.«

Bei dieser geheimen Offenbarung des Königs überkam Herrn de Lyon eine Schwäche, nicht anders als irgendeine niedrige Mutter, die ihr Kind in furchtbarer Absicht forttragen sieht. Seine Leute fingen ihn auf, bleich und verfallen stand der Kardinal daneben. Der König rief nach Wein zu ihrer Stärkung, und während sie ihn bekamen, stieg er schon zu Pferd. Im Fortreiten erklärte er den nächsten seiner Edelleute, wer auf der Brücke der Mensch gewesen war, der den Erzbischof verwarnte. Meister Ambroise Paré, ein Chirurg und fünfundachtzig Jahre alt, hatte auf der Brücke mit seiner letzten Kraft gesprochen, und jetzt lag er im Sterben. »Einstmals stand er dem ermordeten Coligny bei«, sagte König Henri, schloß die Lippen fest und öffnete sie auf dem ganzen Weg nicht mehr.

Seine Begleiter schwiegen, die Hufe klappten dumpf. Henri gedachte alter Hugenotten. Als einer der Ihren unwandelbar, so ritt er hier.

 

Ein Künstler

Im Lager liefen sie ihm entgegen. »Farnese ist im Anmarsch! Farnese steht in Meaux!« Der König lachte geringschätzig, denn Meaux ist zu nahe, davon hätte er früher erfahren; auch seinen Freunden Erzbischof und Kardinal wäre es sicher hinterbracht worden, und sie hätten sich von ihm nicht bis zu Ohnmächten foppen lassen. Er zuckte die Achseln, wollte weiter, da erwarteten ihn zwei am Wege, die stritten. Herr de la Noue zügelte sein Pferd mit seiner eisernen Hand. Herr de Rosny saß auf dem seinen quer, anders erlaubten seine heldenhaften Wunden es ihm nicht, ein Arm lag im Verband.

Der König sagte: »Friedlich, ihr Herren!«

La Noue sagte: »Sire! Farnese.«

Rosny sagte: »Sire! Eine List. Er kann nicht in Meaux stehen.«

»Sire!« rief der Ältere. »Wem glauben Sie, diesem Naseweis, oder mir? Farnese ist so schrecklich listig, daß er zuweilen sogar die Wahrheit verbreiten läßt.«

Rosny, quer im Sattel, am Hut Diamanten, aber das Gesicht vernünftig und kalt -- er ließ den alten einfachen Mann links liegen und stellte sich neben dem König auf. »Geschwätz«, sagte er hochmütig. De la Noue brauste auf:

»Junger Mensch! Reiten Sie doch hin in Ihrem feinen Aufzug. Sie werden dem Herzog so gut gefallen, daß er Sie gefangennimmt!«

»Mein Herr!« entgegnete Rosny. »Ich habe einen Arm, Sie auch einen: wir können uns schlagen.«

»Das muß ich sehen«, sagte der König, schien aber eher abwesend. Fröhlich war nur der Alte. Sein Gesicht hatte sich stark gerötet unter dem weißen Schopf, und dies zornige Gesicht lachte kindlich.

»Hab ich doch selbst bei den Spaniern gefangengesessen fünf Jahre lang, und es war hart. Sire! Ich schrieb in meinem Kerker über die Religion und die Kriegskunst, nur so verlor ich den Mut nicht. Aber die Kriegskunst, die ich aufzeichnete, war die des Farnese. Er ist ein Künstler, vergessen Sie es niemals, Sire!«

»Unser König ist kein Künstler, sondern ein Soldat, was mehr heißt« -- behauptete Rosny. Sein invalider Zustand wie auch sein Hochmut gaben ihm etwas wie starren Pomp. Um so heftiger bewegte der bretonische Hugenott seine Gliedmaßen, nicht ausgenommen den eisernen Arm.

»Was ich weiß, das ist die Wissenschaft von zwölf Jahren Flandern, an der Spitze protestantischer Heere. Bevor die Spanier mich in ihre Gewalt bekamen, nahm ich ihnen dort alle Städte fort, die ich wollte. Nach der Ankunft des Herzogs von Parma -- keine mehr.

Der König, mit seinen Gedanken abwesend, war im Fortreiten, und der Abend fiel. Des nächsten Tages erfuhr man, daß die Armee der Liga mit Mayenne und die spanischen Hilfstruppen unter Farnese sich bei Meaux vereinigt hatten. In dem Kriegsrat des Königs drang La Noue auf festes Ausharren vor Paris, während Biron, auch ein Alter, den Vormarsch verlangte. Angriff ist das erste. Wir haben noch immer angegriffen!

La Noue sagte: »Sire! Eure Majestät ist unübertrefflich in der Schlacht. Sie fanden indessen noch keinen Gegner, der den Schlachten ausweicht und alles, was er will, durch Kunst erreicht. Ich, Sire, kenne Farnese.«

Rosny wollte schon wieder losziehen gegen den unansehnlichen Feldherrn im Lederkoller; aber der Vizegraf von Turenne, nicht weniger edel und hübsch als Rosny, brachte ihn zum Schweigen. Sein besonderer Ehrgeiz befähigte diesen jungen Herrn vorzeitig, eine Lage und sogar Menschen abzuschätzen. Marschall Biron konnte ungestört darlegen, daß das königliche Heer, um ganz Paris verteilt, notwendig schwache Stellen biete. Der Feind würde sie durchbrechen und Lebensmittel in die Stadt führen. Hierauf La Noue:

»Gerade dabei muß er über einen Fluß oder durch ein Gehölz: das ist für uns der Augenblick.«

»Angreifen!« wiederholte Biron. »Vorwärts und an den Feind, wenn er noch weit ist und nichts dergleichen erwartet, so führt man Krieg.«

»Wie Sie ihn führen, weiß Farnese«, rief La Noue. Langsam und ohne alle Fröhlichkeit schloß er: »Nur Sie wissen nicht, wie Farnese Krieg führt.«

»Das ist ja Aberglaube«, meinte hier sogar der kluge Turenne, während Rosny kalt lächelte und Biron durch die Nüstern schnob. Der König befragte alle anderen, die zugegen waren, und da sie merkten, daß er angreifen wollte, stimmte die Mehrzahl für den Vormarsch.

Nun kam es anfangs derart, daß der berühmte Farnese, Herzog von Parma, alle braven Soldaten, seine Gegner, recht sehr zur Verachtung reizte. Wird man sich mit so großer Heeresmacht hinter einem kleinen Sumpf verschanzen? Die anrückenden Königlichen beachteten nur den Sumpf, weil er ihnen im Wege war. Weiterhin den Hügel sahen sie gar nicht, und gerade er verbarg ihnen ihr kommendes Mißgeschick.

Die Königlichen hielten alle Verbindungen mit Paris, besonders den Fluß La Marne und Lagny, einen Ort, dem Farnese wohl heimlich hätte beikommen wollen. Inzwischen verschanzte er sich hinter seinem Sumpf, als fürchtete er nichts so sehr wie den Angriff der neuen Berühmtheit dort drüben -- ließ aber jedenfalls die neue Berühmtheit auf ihre Schlacht warten, einen Tag, eine Woche. Der König hatte ein schönes Heer von Edelleuten, die sich langweilten und mit ihren Truppen, einer nach dem anderen, davonritten. Die Einnahme der Hauptstadt: hätten sie noch ein Jahr vor der Mauer liegen müssen, endlich sollte die Einnahme wohl glücken und jeden von ihnen reich machen. Von dem unzugänglichen Farnese hinter seinen Gräben, zwischen seinen Wagenburgen, war nichts zu erben: Edelleute, denen es nur um die Beute zu tun war, verzogen sich bis auf weiteres. Leute wie Rosny hielten stand, teils aus Ehrgefühl und auch, weil sie dennoch dachten: ›Wer weiß, es ist spanisches Gepäck, Säcke mit Goldpistolen. Einmal werd ich sie aufschlitzen, und das Gold läuft mir in die Taschen.‹

Henri mußte erkennen, daß sein berühmter Gegner schwierig, aber in rätselhafter Weise schwierig war. Der König schickte ihm einen Trompeter: die Herren Herzöge möchten sich doch aus ihrem Fuchsbau hervortrauen. Der Italiener antwortete kühl, er sei nicht so weit hergekommen, um sich Rat beim Feinde zu holen. Der König wurde ärgerlich, aber seine Schlacht bekam er nicht, bekam nicht einmal das Gesicht Farneses zu sehen. Täglich verließ Henri den Ort Lagny, den nicht nur sein Heer beschützte, von dem anderen Heer trennte ihn besonders der Fluß -- umging den Sumpf und wartete auf Farnese.

Da hier die Tage verrannen, gelang es ihm zwar nicht, seiner ansichtig zu werden. Aber beschämender -- seine Kundschafter berichteten, daß Farnese gefürchtet wurde, und kein Soldat lief ihm fort. Eisern zogen sie drüben auf Wache. Besonders durch die stille Nacht drangen zu dem Horchenden die Stimmen der Ablösungen in mehreren Sprachen, aber auf den Schlag. Eiserne Zucht trat mit ihnen auf. Die waren in demselben Tritt und Schritt von Flandern herbeimarschiert, nur zwanzig Tage, und hatten jeden Abend ihr Lager verschanzt, wie einst die Legionäre Cäsars. Mit anderen Generalen stellten dieselben Truppen nicht mehr vor als eine vielsprachige Horde, wenig echte Spanier, viel Wallonen und Italiener; verwüsteten sonst das Land trotz einem Wildschwein -- wurden aber nichts Geringeres als ein römisches Heer unter diesem Parma. Wer war er?

Henri schlief nicht, da er wußte: drüben wacht einer und sinnt, wie er meinen Ruhm vernichtet. Das ist sein Auftrag von Don Philipp. ›Ich muß mich hüten.‹ Umsonst versuchte er die Dunkelheit zu durchdringen. ›Kein Licht bei Farnese, aber er schläft nie. Ich glaube, daß er im Dunkeln sieht und mich erkennt. Er soll ein Kranker sein, schon alt, und wer weiß, vielleicht ist er ein Schatten und Dämon eher als ein Lebendiger.‹ In einer feuchten Nacht ohne Mond erschauert man leicht, besonders wenn die Gedanken in Richtung des Unbekannten schwanken. Henri fuhr scharf herum, etwas hatte seine Schulter berührt. Er sah, schneller als der Augenblick, in ein Gesicht. Es hat sich überraschen lassen, und da es fort ist, verspürt die dunkle unbewegte Luft es noch, sie riecht nach Sumpf und Moder.

Laut lachend verließ Henri den Platz. Der Widerhall seines Gelächters versuchte wohl, ihn zu verhöhnen, er aber erinnerte sich rechtzeitig, daß der berühmte Stratege mit den Holländern nicht fertig geworden war, wie man nachgerade erfuhr. Hatte beträchtliches Unglück gehabt in Holland. Andererseits hielt er selbst von seinem Feldzug in Frankreich nichts: er war nur hier auf Befehl seines Herrn Don Philipp. Kann man auch ein Feldherr auf Befehl sein und ein Sieger für andere? Dieser ist doch selbst ein regierender Fürst, vergißt aber sein Herzogtum über den Dienst des Königs von Spanien -- dem seine eigenen Beine zu nichts dienen, denn er sitzt nur. Sitzt allein, schickt Aufträge, die er geträumt hat, zur Eroberung fremder Königreiche an diesen anderen Kranken, der in der Fremde ist. Was wird daraus?

Gleich am Morgen nach dieser Nacht der Fragen begann Parma sie zu beantworten, denn er stellte sein Heer zur Schlacht auf. Eigentlich war es nur das Heer der Liga, er ließ die Hüte und die Feldzeichen vertauschen. Septembertag, der Kampf wurde heiß, die Franzosen des Königs meinten, sie stießen endlich auf die sagenhaften Spanier, vor ihnen zittert die Welt, und nur wir nicht! Im Nahkampf erwies sich erst, daß alle, hier und drüben, französisch sprachen. Einmal im Zuge, hieb man um so leidenschaftlicher auf eingebildete Spanier ein, mochten sie sogar altbekannte Gesichter tragen. Farnese inzwischen zog unbemerkt sein Zentrum aus der Schlacht. Nicht einmal dem dicken Mayenne, der sich vorn umherschlug, hatte er etwas anvertraut. Hinter dem Hügel, gedeckt durch die unbeachtete Erhebung, die ihm von Anfang an wichtiger gewesen war als Sumpf und Schanzen, ließ er seine Truppen auf einer Schiffsbrücke über die Marne gehen -- still und heimlich, in eiserner Zucht. Überdies verbot der hohe Mut der Schlacht, daß die Kämpfenden etwas bemerkten. Von den beiden, Mayenne und Henri, ging diesem noch früher ein Licht auf. Schon war Lagny von drüben her genommen oder doch fast, und da diesseits des Flusses auch Mayenne, endlich aufgeklärt, mit Kanonen nach dem Ort schoß, wichen die Königlichen und hatten verloren.

Paris bekam daher Lebensmittel auf dem Wasser zugefahren, während der König hier und dort Handstreiche versuchte, vergeblich wollte er die Wälle seiner Hauptstadt erklettern. Farnese äußerte über ihn: »Ich erwartete einen König zu finden. Das ist ja ein Husar.« Noch lächerlicher hatte er den Herzog von Mayenne aus dem großen Haus Guise gemacht, als er ihn so tapfer und unwissend kämpfen ließ zum bloßen Schein, indessen er selbst durch einen Kunstgriff die Schlacht zunichte machte. Trotz Zorn mußte Mayenne froh sein, daß Farnese ihm drei Regimenter da ließ. Ihr Kunststück vollbracht, begab diese Berühmtheit sich auf ihren Rückmarsch nach Flandern. Der König schloß Paris alsbald wieder ein: das war dem Strategen einerlei.

Von dem König dachte er gewiß: ›Eine überschätzte Mittelmäßigkeit. Braucht nur richtiggestellt zu werden. Jetzt ist das höchstens noch für Mayenne ein Gegner. Vale et me ama.‹

 

Wir wollen leben

Henri war danach zwei volle Tage wahrhaftig der Geschlagene. Verhängnisvoller als in frühen Abschnitten des Lebens ist das jetzt, nach langen geduldigen Kämpfen, mehreren glänzenden Siegen und bei schon begonnenem Aufsehen der Welt. Die Einnahme der Hauptstadt auf lange verschoben, aber gerade ihretwegen die Provinzen von Truppen entblößt. Geld hat man ohnedies nicht, die zwei Tage wird kein Brot gebacken, und sogar die Hemden des Königs reißen aus. Dazu eine persönliche Umgebung -- reden wir nicht davon! Totus mundus exercet histrionem, Komödianten sind wir alle, und wem es schiefgeht, der findet auch gleich, woher bläst es sie nur herbei, die rechten Freunde, lauter Ausschuß. Ein vertriebener deutscher Erzbischof, im Übermut war er Protestant geworden: an wen erinnert das? Auch wir haben im Sinn, unsere Religion zu verraten. Der Gauner d'O ist anrüchig, aber reich, er soll uns einladen und unsere Kuppler bezahlen.

Seit am Abend der Schlacht bei Ivry der Schatzmeister ein gewisses Wort gesprochen hatte -- schlecht das Wort, unwürdig und unvergeßlich: Henri hat es nicht vergessen, und seinem Urheber ist er ausgewichen. Er hat nicht einmal darauf geachtet, ihn zu vermeiden; das tritt von selbst ein, wenn unser Inneres sich zur Wehr setzt, nicht nur gegen einen Fremden, eigentlich gegen uns selbst. Was ist ein Wort. Schlimm ist nur, es wiederzuerkennen, als hätte ich's schon gekannt und nur verschwiegen.

Jetzt wird der Schatzmeister in Gnaden wieder aufgenommen. Wer Geld ausgibt, ist unser Freund, sollte er, wie ein gewisser Gascogner Hauptmann, unser Landsmann, übrigens keine Nase mehr haben durch Unglück in der Liebe. Der König verkehrt mit Abenteurern, vor denen es manchem grausen würde.

Ja. Und er läßt sie um sich sein, damit er sich an ihnen prüft, seine Gesundheit, seine Kraft, zu widerstehen. Hört, was in Paris geschieht, wo sie die eigene Art schauerlich auf die Spitze treiben. Zuletzt trägt jeden sein Wahn und rechtfertigt sein Leben. Aber man kann sich, je besser man geboren ist, unmöglich jeden Augenblick auf der Höhe des Wahnes halten, das wäre schrecklich. Erkennen wir uns bei den Abenteurern bis zu dem Punkt, daß wir selbst einer scheinen! Noch heute kann eine Kugel treffen, und dieser kleine König in abgetragenen Kleidern wird verscharrt, hat nie dieses Land durchpflügt mit den Hufen seiner Pferde, sein Königreich war es nie. In Paris hängen sie soeben den Präsidenten des hohen Gerichtes auf, weil er für seinen König und gegen Spanien soll verschworen sein.

Es ist aber eine entscheidende Handlung und trennt eine Stadt vom Königreich sicherer ab als die stärksten Mauern, wenn sie den tötet, der noch das Recht behauptet. Daher hatten die Feinde des Präsidenten Brisson mit vielen Schlichen sich vorgesehen, Unterschriften gesammelt für den Tod eines Unbekannten und erst nachher den Namen des höchsten Richters eingesetzt. Hatten Rückhalt bei den spanischen Befehlshabern gesucht, Entlastung erbeten von der geistlichen Hochschule Sorbonne und das Volk im voraus bearbeiten lassen durch Redner wie Boucher. Bei grauendem Morgen war Brisson auf die Straße gelockt, war hinterrücks in das Gefängnis gestoßen mit zweien seiner Räte, ihre Feinde erhängten die drei an einem Balken und leuchteten sie mit der Laterne ab, bis die drei Körper ihnen lang genug ausgestreckt schienen und die Gesichter aussahen nach Wunsch. Dann brachten sie ihre drei Pflegebefohlenen, hergerichtet wie es sich gebührt, nach dem Grèveplatz und banden sie an den ordentlichen Galgen.

Der Rechtsgelehrte hatte nicht damit gerechnet, daß die Gesetzlosigkeit noch einmal ein solches Ausmaß annähme: es gab ein Gesetzbuch, das erste des Landes, er selbst war sein Verfasser. Aber geistige Taten entzweien uns nicht nur mit der schlechten Wirklichkeit: sie verdrängen diese auch, es wird schwer, an sie zu glauben. Anders steht es für das Volk. Es wird gewiß festlich erhoben sein, da in außerordentlicher Art der schimpflichste Tod den höchsten Richter trifft. Die Kraftprobe, die den Geist der Menschen in Bann zu schlagen pflegt, ist die Vergewaltigung des Rechtes. Da es Morgen wurde, füllte sich der Platz, und der Feind des Toten, der unter den Füßen des Erhängten stand, begann sogleich zu schreien, was für ein Verräter Brisson gewesen, und hätte Paris ausliefern wollen an den König, der die Stadt bestraft haben würde, und alle, alle wären sie in dem Fall hin und verloren gewesen. Volk! Du bist gerettet, da hängt Brisson. Allerdings, da hängt einer am Galgen, hat nur das Hemd an und ein schwarz unterlaufenes Gesicht. Das, der Präsident des königlichen Parlamentes, das, in unserm armen Lande eines der berühmten Kleinode, die noch übrig waren?

Sie regen sich nicht, die Menge ist erstarrt von dem Anblick, jeder Hinzugekommene wird sofort gelähmt. Aus den Ecken des Platzes rufen die aufgestellten Mordgesellen, daß die Verschwörer reich sind und daß ihre Häuser mit allem, was darin ist, von Rechts wegen dem Volk zufallen. Niemand regt sich. Geplündert wird nicht alle Tage, man sollte die Gelegenheit wahrnehmen, dennoch schleicht dies Volk nach Hause. Erst in einiger Entfernung vom Richtplatz sprach es lauter. Da hörte einer der Sechzehn es sagen, daß an diesem Morgen der König von Frankreich seine Sache gewonnen habe, und nur noch seine falsche Religion müsse er abschwören. Dem Mitglied der Sechzehn, einem Schneider, gab dies zu denken, so daß er wütend verkündete, er würde allen Sechzehn weniger einen die Kehle abschneiden.

Der König bei seinen Abenteurern vernahm aus Paris jedes Wort, tat aber nichts dergleichen, sondern ließ die Abenteurer reden -- nicht aus Neugier. Er wußte ohnedies, wie solche Leute gesinnt sind und was sie ihm raten konnten. Abschwören, sofort, und die Hauptstadt öffnet ihre Tore! Solche Leute sind erfüllt von ihren eigenen Erfahrungen, Versäumnissen und begangenen Fehlern. Davon erzählten sie mehr als jemals dem Hof und Feldlager; und da sie zwei Tage lang die Freunde des Königs gewesen waren, fanden ihre Warnungen einige Beachtung. Henri hatte ein feines Gehör. Im Getümmel eines großen Saales und scheinbar seinem Leichtsinn ergeben, unterschied er die entfernten Gespräche, mehrere auf einmal. Eine Gruppe junger Leute, dem König verdeckt, aber zu erkennen an den frischen Stimmen, ließen sich von geprüften Lebenskennern belehren und stimmten zu. Der Dieb d'O verwarf die Armut, der man unbedingt entrinnen sollte. »So arm wie der König darf man nicht sein«, bestätigte Rosny: Henri, der gerade lachte, erfaßte jedes Wort. Nach seinem Rosny vernahm er auch seinen klugen Turenne, wie er dem Hauptmann Alexis recht gab. »Vor dem Unglück muß man sich hüten«, behauptete diese Erscheinung, die keine Nase mehr hatte.

Leise berieten der alte Biron und der alte La Noue. Sie waren nicht wieder laut, weil sie jetzt einer Meinung waren. Dem König blieb nach seiner Demütigung durch Farnese nur übrig, ein Ende zu machen. Das Ende, das Paris selbst zu dieser Stunde ihm anbot: ein anderes konnten sie nicht meinen, obwohl die Scham den beiden Feldherren verbot, die Sache bei ihrem Namen zu nennen; und hätte jemand das Wort vor ihnen ausgesprochen, sie wären hochgegangen aus Zorn, Biron so gut wie der Protestant La Noue. Als Soldaten sahen sie keinen Frieden gern, da der Krieg sie nährte. Am wenigsten gefiel es ihnen, nach einem Mißerfolg die Waffen niederzulegen. Dennoch sprachen sie von dem Gebot der gegebenen Lage, nannten es nicht beim Namen; aber Henri lauschte und verstand.

Seinen Hugenotten Agrippa hörte er die Stimme erheben. Agrippa d'Aubigné stritt mit dem deutschen Erzbischof, den der Übertritt zum Protestantismus seinen Thron gekostet hatte, und seither hielt er nur die Messe für die sichere Bürgschaft der Throne; weshalb er gerade hier sehr dringend zu der Messe riet. Henri löste sich aus seinem Kreis, drängte zu dem Hugenotten Agrippa hin und öffnete den Mund, um ihm ein Wort zu sagen, gerade ins Auge. Das Wort »Ich tu's nicht« wäre es gewesen; Agrippa sah auch genau, was kommen sollte. Da berührte ein Edelmann namens Chicot den Arm des Königs. Chicot durfte äußern, was jeder andere für sich behielt: deshalb hieß er der Narr des Königs, und aus ironischer Vernünftigkeit machte er sich daraus ein Amt. Auch der König tat, als hätte er es ihm wirklich verliehen, und ließ den so gekennzeichneten Edelmann zuweilen Wahrheiten verbreiten, die er selbst noch nicht eingestehen mochte. Neue Wahrheiten sind zuerst dem Narren erlaubt. Chicot stieß den König an, schnitt ihm das Wort ab und äußerte vernehmlich:

»Freund! Du siehst nicht gut aus. Nimm ein Weihwasser-Klistier.«

Über einen Mann, der nun einmal ein Narr sein soll, wird doch gelacht? Die Nächsten verstummten aber, und das Schweigen setzte sich durch den Saal fort, bis es drückend wurde. Die dicht gedrängte Gesellschaft bemerkte plötzlich, daß ihre Luft nicht länger zu atmen war; Fenster wurden aufgerissen in den Abend -- und da alles hindrängte, fanden Henri und sein alter Freund Agrippa sich inmitten allein. Beide waren erbleicht, sie sahen es im Schein der hereingetragenen Lichter. Sie schwiegen, jeden beschäftigte hier nur das Gefühl, das letzte Wort wäre gesprochen.

Agrippa hatte sonst bittere Verse gemacht, wenn nach seiner Meinung der König ihn mit Undank belohnte. Er war hochgemut, wortreich und noch niemals verlegen gewesen um harte Wahrheiten für seinen König. Eine Verstimmung wagt man, erträgt sogar eine Ungnade. Anders diesmal; zu sichtbar war, daß der König litt. Agrippa senkte den Blick, um zu sagen: »Sie haben sich lange und tapfer gewehrt.«

»Es ist nicht aus«, erwiderte Henri schnell.

Als einzige Antwort schlug Agrippa den Blick auf.

»Agrippa!« befahl Henri. »Komm, wir wollen den Herrn, unseren Gott, anrufen.«

»Sie rufe ich an, Sire, und bitte Sie: Gib mir den Abschied, den mein Herz vermißt.«

»Dafür ist Du Bartas dann auch gestorben«, sagte Henri von der Seite. »Ich und du -- kennen uns doch. Wir wollen leben.« Womit sie schon abgingen.

Sie stiegen zu Pferd, und draußen auf freiem Feld fanden sie Wachfeuer, Zelte, ein Heerlager: niemand in der Umgebung des Königs hatte davon etwas geahnt, auch der wachsame d'Aubigné nicht. ›So hast du, Henri, für eine neue Armee gesorgt anstatt der auseinandergelaufenen; hast heimlich eine große Zahl Briefe geschrieben, Boten entsandt, hast aus der Ferne deine Edelleute neu belebt und begeistert mit Sätzen, die nicht Agrippa, einem Dichter, gegeben wären. Das tatest du, Henri, in der Stille, während du augenscheinlich mit den Abenteurern umgingst und Vorkehrungen trafest, deine Religion abzuschwören.‹ -- »Sire!« sagte Agrippa laut. »Ich will den Abschied nicht, mein Herz vermißt ihn keineswegs.«

Der König ließ nicht merken, daß er ihn hörte: er gab Befehle, alle bezogen sich auf den nahen Aufbruch nach Rouen. War Paris für diesmal nicht einzunehmen, dann sollte die Hauptstadt der Normandie alsbald der Liga entrissen, und Mayenne wie auch Farnese sollten nach Norden abgezogen werden auf die Schlachtfelder, die der eine schon kannte. Agrippa d'Aubigné, auf dem Ritt um das Lager, den er hinter seinem erstaunlichen König machen durfte, begriff die Absicht und freute sich seiner Klugheit. Gerade hier wurde er nochmals überrascht. Der König rief einen seiner Pastoren an. »Herr Damours! Beten Sie mit dem Heer.«

Derselbe Pastor hatte bei Arques den Psalm angestimmt auf Befehl des Königs, und das war schon der verlorene Sieg über das gewaltige Heer der Liga gewesen, es war die Rettung eines Heeres von Freiheitskämpfern, Gewissenskämpfern. Dieselben sind auch diesmal zur Stelle. Aus den Zelten, von den Wachfeuern springen Hugenotten in den Kreis, nach vorn die ältesten; tragen im Gesicht gleiche Falten wie ihr König, Narben am Leib wie er, und das zu wissen, ist ihnen genug. Wir haben für ihn gekämpft, wir werden für ihn kämpfen und beten jetzt mit ihm.

Agrippa d'Aubigné, von rauhen, gläubigen Stimmen umgeben, versucht mitzusprechen, aber seine eigene innere Stimme fällt ihm in das Wort. Er denkt: ›Ein frommer Betrug. Sire! Sie täuschen Ihre alten Freiheits- und Gewissenskämpfer. Was Sie aber wirklich tun werden, ist fertig und beschlossen. Sie werden nichts ändern, da Gott es anders nicht will. Herr! Dein Wille geschehe. Soll mein König den Glauben und die Treue verraten, halt ich doch beides, Gott und ihm.‹ In diesem Geiste betete endlich auch Agrippa mit und ließ sich nicht wieder stören.

 

Unser Teil

Der König belagerte die Stadt Rouen, ihre Einnahme drohte Paris die Lebensmittel abzuschneiden. Endlich zog Mayenne ihr zu Hilfe. Dieser Führer der Liga hatte indessen Paris vermittels Hängens und Schießens halbwegs zur Vernunft gebracht, knapp bevor es vollends spanisch wurde im blinden Eifer. Hierauf mußte er im Gegenteil den spanischen Feldherrn aus Flandern zurückrufen; ohne Farnese hoffte er nicht mehr, den König zu vernichten. Sein gefährlicher Verbündeter hätte sich ebensogern der Stadt Rouen bemächtigt wie der König selbst: weshalb Mayenne sich anstrengen mußte, um ihn mit Ausreden von Rouen fernzuhalten. Der König, nach seiner Art auf eine Schlacht versessen, sollte ihnen gewiß entgegenkommen auf ein Gelände, das sie günstig fänden. Nun fing der König den Strategen Farnese zu kennen an, und anstatt einer offenen Feldschlacht gedachte er ihm Künste mehr nach seinem Geschmack zu zeigen. Daher näherte er sich nur mit leichter Reiterei, neunhundert Pferde im ganzen, wie denn? Niemand versteht, was er sich dabei denkt.

Unterwegs wurde gemeldet, daß die Spanier mit Trommeln und Trompeten anrücken, ein mächtiges Heer von achtzehntausend Mann Fußvolk, siebentausend Reitern, es bewegte sich in gedrängter Ordnung, die Kavallerie in der Mitte, seitwärts die Gepäckwagen, und die leichtesten Schwadronen flogen außen auf und ab wie Flügelschlagen. Es war ein reizvoller Anblick für Kenner, dieser Anmarsch Farneses auf dem gewellten Hügelland. Dem König kam das Bild zu Gesicht, als ihn und seine Reiter die Mauern von Aumale schützten; er wollte aber mehr sehen und verließ allein die Deckung.

Die schöne Armee hatte auf der Stelle angehalten, gebannt von einem Geist. Und Henri erblickte ihn am hellen Tag, er hätte es nicht gehofft. Der Geist zeigte ein altes, verwelktes Knabengesicht, bartlos, eigensinnig und müde. Gebeugt, wie Schmerzen einen Menschen kleiner machen, saß er in dem Karren dort vorn, an der Spitze der schönen Armee -- und hatte die Füße in Pantoffeln. Derart rollte der Geist auf zwei Rädern vor der Front umher und regelte alles. Ein Wink von ihm, und ob zunächst vor seinen Augen oder am entferntesten Ende, jedes Manöver wurde ausgeführt, als wäre es zwischen Kulissen und Bühnenmaschinen versähen die höhere Ordnung des Vorganges, so daß Götter aus feurigen Wolken ihn zu lenken schienen; und gerade dies verhalf der menschlichen Kunst zur edelsten Wirkung. Es war ein vorzügliches Schauspiel; den Betrachter, der sich immer weiter auf das freie Feld hinauswagte, ließ es nicht los, ja, hätte ihn ganz befriedigt. Da war nur --

Da war das welke Knabengesicht, und da waren die Pantoffeln. Im Wind, der ihn hertrug, meinte Henri einen Krankendunst zu riechen. Er fragte sich, ob die Soldaten ihn nicht auch empfänden. Gesunde Leute müssen wohl Unheimliches ahnen an einem Feldherrn, der sich tragen oder fahren läßt, und keine Waffe führt er. Werden dem da keine Mörder geschickt? Nein. Genug, daß keiner es versucht hat. Er ist gebrechlich, aber unantastbar. Sänften und Karren tragen ihn vorsichtig durch Europa, damit er Siege für den Weltbeherrscher vollbringt. Er aber siegt, kalt und ohne Freude. Wie einen Verzicht übt er seine große Kunst aus und läßt sich weitertragen, während er den Gemeinen, als Erholung von der harten Zucht, das Mordbrennen erlaubt. Auf das Trompetenzeichen müssen sie es abbrechen und werden sonst aufgehängt. Ein Geist ist unberechenbar; man fürchtet ihn mitsamt seiner körperlichen Schwäche, seiner Freudlosigkeit. Die vielsprachigen unterworfenen Völker des Weltreiches erkennen sich in ihm.

Der König von Frankreich, Henri, ungedeckt auf offenem Feld, mit wenigen Begleitern hinter sich, die leise beraten, wie sie ihn warnen können: er aber, kein Gedanke, daß er sich losreißt. Er steht hingeneigt, er hält den Atem an. Das wird er nie wiedersehn, will auch Sorge tragen, daß es nie wiederkehrt. Alexander Farnese, Herzog von Parma, meidet sein blühendes Land, sein Juwel von einer Stadt, die Marmorbilder und Gemälde, verläßt und meidet alles eines Feldzuges wegen, der ihn nichts angeht, den er für sinnlos und vermessen hält: ihn drängt es, seine Kunst zu üben. Geht über den Fluß bei Lagny, Paris bekommt Zufuhr wie durch Zauber: ein Kunstwerk. Hier, mit seiner großen Theatermaschine probiert er wieder eines, noch eine zauberhafte Überraschung, noch ein Kunstwerk der Strategie.

Die klare, vernünftige Stimme des Barons Rosny unterbrach den König und erinnerte ihn an die wirkliche Lage. »Sire! Die Herren hier lieben Sie mehr als ihr Leben. Sie dürfen das Ihre nicht länger aussetzen.«

»Ach was, ihr fürchtet euch wohl?« fragte der König, womit er seine Herren erstaunte und etwas kränkte. Übrigens erinnerte Rosny ihn in ihrem Namen, daß er mit neunhundert Mann eine große, kunstreich aufgestellte Armee unmöglich angreifen könnte. Er hatte nicht daran gedacht, es zu tun; aber in einer merkwürdigen Parteilichkeit für den anderen drüben warf er ihnen vor, der sei der erste, den sie fürchteten. Sie schwuren ihm, daß nur sein eigenes Leben ihnen wert sei. Er ließ sich begütigen, da waren schon die Reiter Parmas über ihm. Er und seine neunhundert mußten sich eines unverhofften Todes erwehren, viele erfuhren ihn dennoch. Der König wurde leicht verwundet, er entkam nur, weil sein berühmter Gegner nicht glauben wollte, er war es und wäre so sehr Husar, so wenig König.

Diesen König sollte Farnese indessen noch kennenlernen, bevor er dann in die Ferne zog, um bald zu sterben. Es kam derart, daß Henri ihn mit Zügen und Gegenzügen auf eine Halbinsel zwischen dem Fluß La Seine und dem Meer drängte, was von vornherein seine Absicht gewesen war, und das Gefecht von Aumale diente nur, sie zu umnebeln. Auf einmal war es geschehen: der reisende Künstler und die Armee, sein schönes Werkzeug, alles gefangen. Keine Lebensmittel auf der Halbinsel, aber eine holländische Flotte segelt dem König zu Hilfe. Farnese, schon verwundet, schien verloren. Was tat er? Nichts anderes als bei Lagny. Hier ist die Seine breit wie ein Meer, er überschritt sie dennoch auf einer Schiffsbrücke, eines Nachts, in lautloser Stille. Als die Königlichen erwachten und nichts mehr da war von ihrem gefangenen Feind, schrie man vor Zorn. Henri lachte, gab übrigens die vorzügliche Mache zu. Sein entkommener Gegner hinterließ ein Wort, darin sich zeigte, daß er den König von Frankreich zuletzt doch anders verstand; und außerdem verriet es den Tod.

»Dieser König verbraucht mehr Stiefel als Pantoffeln.«

Später hörte man, daß Farnese in Paris eingetroffen war; er ließ aber dort seinen guten Freunden ebensowenig Zeit wie sonst seinen Feinden. »Ich bin hier fertig«, sollte er nur gesagt haben, als Unterbrechung eines leeren Schweigens. In der Tat hatte er mehreres ganz Erstaunliche vollbracht, unbeirrt vom wechselnden Kriegsglück. Ein Künstler, dem sein Werk noch einmal geraten, ließ er zurück, was er nicht brauchen konnte, dies Land, dies Volk, und führte, unter Trommel- und Trompetenschall, seinen gealterten Ruhm ins Weite.

Henri, wir sind mitnichten »hier fertig«. Eher müßten wir unsterblich sein: so endlos haben wir zu kämpfen um unseren Teil. Unser Teil sind die Menschen.


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