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Geheimer Agent oder öffentliche Erscheinung, jedenfalls weiß er sich meistens unwillkommen. Sind es, wie hier im Wagen, zwei Personen, die er anspricht, wird eine der anderen mißtrauen – was ihn einstmals belustigen konnte, jetzt nicht mehr. Auch diese beiden möchte er gefügig machen mit seiner militärischen Bestimmtheit, der ein berechnetes Wohlwollen anhaftet. Es könnte einmal ursprünglich gewesen sein.
»Glückwunsch, Madame, Sie haben die Bank gesprengt.« Am offenen Fenster hielt er ihr die Zeitung mit ihrem Bild entgegen und ließ sie lesen: »Mme la Comtesse de T., dite Kobalt, qui vient de faire sauter la banque.«
»Pas un mot de vrai.« Hiermit hoffte sie die Begegnung abzubrechen. »À bientôt, Monsieur.« Sie gab dem Chauffeur ein Zeichen, das er übersah, weil er mußte. Léon Jammes machte deutlich, daß er nicht fertig sei. »Auch ich habe es nicht ohne weiteres geglaubt. Madame ist reich, sagte jemand am Telephon. Ich habe versucht, Sie und Ihren Begleiter schon bei der Ankunft zu begrüßen.« Der Begleiter zuckte auf.
»Besonders mich. Aber dachten Sie auch Madame verhaften zu können?« fragte er. Seine mimisch verstärkte Ironie hätte manchen entmutigt. Dieser Gegner warf hin: »Krapotnikoff, warten Sie Ihre Zeit ab!« Die Antwort war: »Oder Sie Ihre, Jammes!« Ein Wort voll interessanter Hintergründe, wenn es nicht ganz leer war, aber der Urheber fand keine Beachtung, seine Patronne hatte gleichzeitig gesprochen. »Kein Gedanke, daß ich die Bank sprengte, wenn ich mehrmals gewann.« – »Dreiundzwanzig Sätze«, erinnerte Léon Jammes, im Ton einer Huldigung.
»Das kommt vor«, erläuterte der Herr mit dem neuen Namen. »In diesem Fall wird einfach die Kasse aufgefüllt. Sie wissen noch, Madame, wie das Geld herbeigeschafft wurde, als man Sie auszahlte.« – »Ganz recht, Mr. Leslie Simmons«, bestätigte Léon Jammes. »Die Zeitungen haben dafür die Benennung: die Bank sprengen. Das ist eine Empfehlung; anzunehmen, daß sie honoriert wird. Aber die Sache stimmt, ich komme von der Redaktion.«
»Wie Sie sich in der Zwischenzeit bemüht haben, Monsieur«, sagte Madame. »Ob meinetwegen oder vielmehr zu Ehren von Mr. Leslie Simmons Krapotnikoff, jedenfalls danke ich Ihnen.« – »Ganz meinerseits, für ein Interview mit zwei namhaften Personen.« – »Sie nehmen es mir ohne meine Zustimmung ab.« – »Ich habe das Vergnügen.« Kein höfliches Zwiegespräch, denkt der dritte und weiß nicht einmal, daß vor wenig Stunden die beiden beinahe als Freunde geschieden waren. In den folgenden Antworten griff ihre schlechte Laune sogar auf das Benehmen über. Léon Jammes gab vor, er rede zu dem Mann, den er mit mehreren Namen bedacht hatte.
»Ist es Ihr Einfall, daß Sie zwischen zwölf und eins Madame bei einem Bankdirektor abliefern?« – »Mein Einfall«, wiederholte der andere. Aber sie berichtigte: »Ich bin es, die befiehlt. Wo kann ich sicherer unterbringen, was ich mitführe?« Er, ohne Zeitverlust: »Bei mir. Alles, Ihr Geld sowohl als auch Ihren Freund. Ich bin erschrocken, Madame, daß Sie die nächtliche Fahrt zwischen Casino und Stadt ohne amtliche Bedeckung machen konnten. Sie sehen mich bereit, sie zu übernehmen.«
»Genug, Sie waren nicht da. Jetzt sind Sie entbehrlich.« Pünktlicher Gegenschlag: »Nicht an dem Ort, den Sie unfehlbar aufsuchen werden. Ich selbst war auf dem Wege.« – »Der Ort existiert nicht. Ihr Scherz ist schwach erfunden.« Sie verwendete eine hochmütige Nachlässigkeit, fühlte aber bange Ungeduld. Ihr Begleiter vertraute ihr leise an: »Der Ort ist die Präfektur; wir sollen wieder einmal verhört werden. Mut! Ich habe das Mittel, ein Verhör schnell zu beenden.« Fraglich, was er sich dabei dachte.
Hinein sprach der Polizist; vollständig begriff sie weder dies noch das. »Wetten wir, daß wir genau dasselbe meinen! Einen Augenblick, ich verständige nur Ihren Chauffeur.« Wirklich begab er sich zu dem herrschaftlichen Diener, der wohlerzogen außer Hörweite wartete, erteilte ihm eine Weisung, die verständnisvoll empfangen wurde, worauf der Chauffeur hinter der Glasscheibe seinen Sitz einnahm.
Für sich selbst bat Léon Jammes, auf einmal höflich, um den Platz rechts von Madame. Links durfte ihr bisheriger Begleiter sitzenbleiben, der neue verfügte. Der Wagen sprang an, da sprach er, Lydia in den Nacken: »Sie bezeichnen den Weg. Man wird sehen, ob wir denselben Gedanken haben. Madame? Vos ordres, s'il vous plaît.« – »Lassen Sie Ihren Chauffeur« – Ihren war betont – »die Avenue hinauffahren.« – »Nach dem Bahnhof, meinen Sie.« Er lächelte wie sie, freundlich ohne Nebensinn. Jeder hatte sich erinnert, wer jeder ihm heute schon gewesen war.
Ihr anderer Begleiter muß hier, ungeachtet seines bekannten Zynismus, von Eifersucht befallen sein. »Vous êtes folle. Niemals läßt er Sie abreisen. Mir war es unmöglich mitzukommen. Haben nicht auch Sie gewisse Verabredungen? Besides, at this hour you don't have any trains.«
»You have«, sagte Léon Jammes. »Mr. Leslie makes a mistake. But I am sure you will change your mind.« – »Dites-nous plutôt où est Chopard«, halb vom Sitz erhoben, ließ Mr. Leslie S. Krapotnikoff sich vernehmen. Nach ihm drehte niemand den Kopf. »Wer ist Chopard?« fragte Madame. – »Der Polizist, der meinen Wagen fährt«, sagte Léon Jammes. »Unseren fährt auch einer«, schrie Leslie unbeherrscht. Sein Gegner erklärte ruhig: »Chopard ist hinter uns. Unter Umständen brauche ich meine zwei Wagen.« – »Ich sehe, warum ich für diesen nichts anzahlen mußte. Ces gens-là se croient tout permis, dans l'exercice de leurs fonctions – de leurs sales fonctions«, murrte Mr. Leslie, der nicht mehr schrie.
Er war auf den Sitz zurückgefallen; diesmal wurde sichtbar, daß er sich schwach fühlte. Seine Patronne entschied, bei ihm komme das Herz in Frage. Wie bei dem anderen die Leber. »Léon Jammes, au teint brouillé, aux yeux battus, a le foie décidément atteint.« Aber in demselben Wagen mit dieser Leber, jenem Herzen, fuhr auch eine gewisse Lunge mit – ihre eigene, zu schweigen von ihrem Kopf, der vergehen will. »Leber, Lunge, Herz, avec en surplus, une tête qui va chavirer. On est sûr de s'amuser.«
»Beruhigen Sie sich doch, Leslie«, sagte sie. »Unser Chopard – so heißt er? – fährt den eigenen Wagen des Herrn vom Deuxième Bureau. C'est pourtant si simple, mais on n'y pense pas. Wir indessen fahren ohne weiteres, wohin wir wollen.« Wohin, war ihr klargeworden bei ihrem eigenen Wort, »on va s'amuser«.
Rechts fiel ein Ausspruch, den Krapotnikoff hören sollte: »Unserem Freund fehlt noch viel für seine übernommene Aufgabe, angenommen, sie wäre so gefährlich, wie er sich einbildet.« – »Welche Aufgabe?« dachte Lydia. »Es ist die gleiche für beide, mich aus der Affäre zu ziehen und einander im Weg zu sein. Das verspricht Unterhaltung.« – »Sie, Jammes, fürchten mich«, behauptete der dritte Kranke, er hatte seine Kraft des Ausdrucks zurück. Vollends aggressiv wurde er im weiteren: »Blagueur, va! Der Fahrer ist einer Ihrer Leute. Sie setzten ihn in das Café von Monte Carlo, aus dem ihn aufzufischen ich dumm genug war. Auch den Wagen hat die Polizei mir geliefert. Ein gestohlener, sie hatte ihn soeben eingefangen, meine Zahlung wurde zurückgewiesen.« – »Das alles entging Ihnen?« fragte sein Gegner. »Dann seien Sie still, Madame wünscht mir die Richtung anzugeben.«
»Rue d'Angleterre.« Seit kurzem war sie sicher, daß sie es sagen werde. Seine eigene Gewißheit, dies werde sie sagen, war älter. Vor dieser Fahrt, schon als er sie von ihrer Triumphreise zurückerwartete, hatte er erraten, wohin ihr erster Weg eine Kundin wie diese führen werde. Der Ort war vorbestimmt, in einer ihrer früheren Existenzen, deren er keine beaufsichtigt hatte. Aktenmäßig bekannt waren ihm die von gestern und heute. Sie dachte, während des Weges, über den beide sich klar waren: »Was ist das. Der Mann weiß, nicht zum ersten Mal, mehr als ihm beruflich zusteht. Natürlich hat er mich in seinen Aufzeichnungen; wie denn nicht, eine Fremde meiner Art: einstmals interessant gewesen, noch immer nicht ohne Belang. Als er hier so gut wie neu war, versuchte einmal auch er mir unter den Hut zu sehen. Ich habe es nicht vergessen, wegen eines Wortes, das er gebrauchte. Damals entschuldigte er sich, in der bloßen Absicht, meine Stimme zu hören. Ich antwortete, und er sagte: ›Soyez prudente, Madame.‹ Warum er das gesagt hat? Bei unserer ersten Begegnung rät er mir Vorsicht?«
Er saß vorgebeugt, durch die geöffnete Scheibe sprach er zu dem Fahrer. Sie betrachtete seinen geraden militärischen Rücken, sie dachte: »Auch er ein Geheimnis, mir ist es nicht genug aufgefallen. Er war die bekannte Figur im Hintergrund von Bars, den Rücken nach außen, aber vor sich den Spiegel, worin er die Straße beaufsichtigte und meinen Blick traf. Ich ließ es geschehen. Wenn ich sonst den Schein wahrte, als bemerkte ich gar nichts – oft war es Tatsache –, mit ihm habe ich Ausnahmen gemacht. Warum? Ich konnte doch nicht ahnen, daß meine Schwester ihn benutzt. Oder ist er es, der Marie-Lou umgestimmt hat? Warum? Immer stoße ich bei ihm auf ein Warum.«
»Sie hatten dergleichen längst aufgegeben«, wurde neben ihr gesprochen, und sie verstand, was gemeint war: der Ort, wohin sie fuhren. Sie erwiderte: »Dort hoffe ich in Sicherheit zu sein, vor Ihnen, vor Monsieur Laplace, vor der Fürstin, meiner Schwester. Ich fahre dorthin aus Vorsicht. Nicht sehr lang her, daß jemand mir geraten hat ›Soyez prudente, Madame‹. Bald stellte sich heraus, wovor ich mich hüten sollte: ausgewiesen zu werden.«
»Sie arbeiteten in der Fabrik. Es kam von selbst, daß Ihr Umgang Sie verdächtig machte.« – »Von den sozialen Schichten ist mir keine einzige fremd. Diese soll mir verboten sein?« – »Sagen wir, daß Ihr Lebenskreis und Ihre Herkunft eine die andere verdächtig machten. Die Polizei ist formalistisch.« Er unterließ niemals, das Gesicht herzuwenden, wenn er sie anredete. Unverkennbar hatte er die Farbe gewechselt, die Flecken seiner Haut waren schärfer. Der starke dunkle Schnurrbart verhinderte allein, daß sein Gesicht den Verfall verrate.
Er sagte ihr Mißgeschick her, als spräche er ihr nach. Sie hörte ihn so leise, daß es ihr schien, sie selbst denke die Worte nur. »über Sie kamen Haussuchungen, Vorladungen, Verhöre ohne Ende.« – »Politische Verhöre, die mich in Wirklichkeit nichts angingen.« – »Ich weiß. Aber den politischen Vorwand verlangte die Fürstin von uns, wenn wir Sie auswiesen. Heute will sie nichts anderes als Sie wiedersehen, Sie am Leben und in Sicherheit wissen.« – »Wer hat meiner Schwester gesagt, daß ich krank genug bin für eine Versöhnung? Der Mann, der mir Vorsicht anriet?« – »Er meinte allerdings Ihren politischen Ruf. Jetzt ist es dahin gekommen, daß Ihr Verhältnis zu Ihrer Familie für mehr zählt. Sie sind außer Verfolgung, sogar bei Monsieur Laplace de Revers, wenn es feststeht, daß die Ihren auf Sie Anspruch erheben.« Sie sieht ihn an.
»Sie kennen die Prätendenten nicht. Beichten ihres Machthungers, ich habe auch das gehört. Ihre Menschenkenntnis endet bei der Korruption. Seine Opfer wählt keiner. Er tötet, blind vor Gier und Angst.« – »Wie hellsichtig! Wie erfahren!« sagte er achtungsvoll; sie aber: »Es sieht so aus. Ich fühle vorher, daß Sie, gerade Sie es mit Monsieur Laplace entscheidend zu tun haben werden. Sie haben mir helfen wollen. Ich warne Sie.« – »Ich werde an Sie denken. Nehmen Sie mein Versprechen.« Dies von beiden Seiten gewichtiger als alles vorige. Dem Mann mit den zwei Namen fiel es auf, so leise sie blieben. Ihre Vertraulichkeit schien ihn zu erbittern, er weigerte sich noch weiter zu hören. Er warf sich gegen den Wagenschlag um und verstopfte die Ohren. Er handelte knabenhaft in seiner ohnmächtigen Wut. Léon Jammes bat sie leise, sich dies anzusehen. »Mit einem gefährlichen Kindskopf haben Sie den Tag verbracht.« – »Sie selbst hatten mich beauftragt ihn zu – studieren, Sie über ihn – zu unterhalten.« – »Inzwischen weiß ich mehr als Sie«, erklärte er schroff. – »Wer er ist?« – »Was er heute noch vorhat.« – »Sie erschrecken mich.« – Sie denkt: »Soll ich wirklich glauben, daß meine beiden Kavaliere aufeinander eifersüchtig sind? Das wäre alles, was ich zu suchen habe hinter den Rätseln?«
Sie lacht, erstaunt und sanft. Die Frau, die heute aus ihr wird, macht sie staunen. Was dieser Frau zustößt, kann ihr, dem Ebenbild, schwerlich noch bestimmt sein, daher empfängt sie es heiter und sanft. Sie sprach leicht, auch der dritte durfte es hören. »Cher Monsieur, heute morgen bei unserem Freund in der Bank, nous n'avions pas l'air de nous connaître.« – »Sie verleugneten mich, chère Madame. Im Lauf des Tages haben Sie sich gebessert.« – »Auch Sie, Jammes. Am Abend sind Sie soweit, mir den Hof zu machen, autant dire.« – »Inzwischen sind Sie reich geworden. Reich und immer reicher; wie sollte man sein Benehmen nicht ändern.« Er zwinkerte, um ihr zu zeigen, wer gemeint sei, drüben ihr anderer Begleiter – der die Ohren verstopft hat.
Indessen war er unruhig geworden, seit der Wagen durch die rue d'Angleterre fuhr. Plötzlich öffnete er die gläserne Klappe, um dem Chauffeur zu sagen: »Langsam.« An Léon Jammes gewendet: »Wir drei können nicht gemeinsam ankommen, ist es Ihnen klar? Nous sommes mal assortis.« – »Vielleicht«, bestätigte der Mann, der ihn noch immer nicht verhaften wollte. Der andere fürchtete es auch nicht. Durchaus unbefangen verließ er den Wagen, der anhielt. Er verschwand um eine Ecke. Wer ihm folgte, war der Chauffeur, sobald der Sekretär mit den Mappen außer Sicht war.
»Auf das Geld wird geachtet«, sagte Léon Jammes. Sie stellte fest: »Er hatte noch niemals die Absicht, die Mappen zu entführen. Dies wäre übrigens der verfehlteste Augenblick.« – Sie bekam die Antwort: »Wer weiß. Bei aller seiner Treue für Sie, Madame, er hat keinen Revolver mehr; Ihr Chauffeur, der mein Agent ist, hat ihn unbemerkt entwaffnet. Der Typ, mit dem er sich trifft, hat einen.« – »Der Typ, mit dem er …?« – »Erraten Sie ihn«, verlangte er, aus guter Laune, nicht daß er den Namen von ihr erwartete. Sie sagte aber: »Comte X. Sie bewundern meine Eingebung, aber es ist keine. Natürlich habe ich längst überlegt, wer meinem wertvollen Gepäck am gefährlichsten wäre. Als ich Monsieur Lehideux zuletzt sah, ihn vielmehr nicht zu Gesicht bekam, stak er in einem Kleiderschrank.«
»Aus Furcht vor Laplace? Sie schließen mit Recht, daß er Geld braucht. Nur mit Geld ist er vor seinen Freunden noch sicher. Daher habe ich unseren Mann unter den Schutz eines Agenten gestellt.« – »Aber es wird gefährlich werden.« – »Noch nicht«, entschied er. »Vorher geht ein angeregter Abend, Sie haben ihn sich gewünscht.« – »Das wäre mein letzter Wunsch gewesen?« wollte sie fragen, nur der Laut blieb aus. Eine Strecke hinter ihnen lief ein zweiter Wagen an; er hielt auf derselben Seite, im tiefen Schatten wie der ihre. Weiter hinauf fiel Licht in die Straße, ein glänzender, aber begrenzter Kreis.
Sie erkannte das Auto, das ihnen hierher gefolgt war. »Das ist Ihr Chopard. Wen wird er nach dem Kommissariat bringen?« – »Wahrscheinlich einen, der sich hineinsetzt.« – »Wo bleibt …?« fragte sie, unbedacht genug, daß fast nichts fehlte, ein Name wäre gefallen. »Wer?« fragte Léon Jammes, überflüssigerweise, kaum war es ein Versuch, die Wahrheit zu erfahren. Aber als er es gar nicht erwartete, sagte sie ihm die Wahrheit.
»Sie sollen glücklich sein wie ein politischer Agent. Er hieß Fernand, und war mein Freund. Jetzt machen Sie mit ihm, was Sie wollen. Er hat getötet, in früheren Zeiten. Sie können es nicht nachweisen, alle Spuren seiner Existenz fehlen. Hier, ich bin die Spur, die Sie brauchen. Legen Sie ihm Handschellen an.« – »Nicht heute abend, und niemand sagt mir, ob je.« – Sie, ohne Pause: »Übrigens würde ich zurücknehmen, was ich jetzt gestehe. Ich weiß nicht jeden Augenblick, vielleicht auch werde ich nie wieder bestätigen, daß dieser Mensch derselbe ist.« – »Das brauche ich nicht mehr« – wie er es sprach, war es keine Zurechtweisung. Gleich darauf erklärte er sich. Ihr gab er recht; er versuchte unbefangen zu bleiben, das Bittere trug er. »Nichts zu machen. Beweis seiner Identität: Sie lieben ihn.« – »Falsch«, warf sie ein. »Heute morgen habe ich den Letzten, man würde sagen, geliebt. Es ist aus, das Stelldichein, wie Sie sehen, überschlag ich. In der Wohnung über der Bank, bei Frédéric und Estelle, bin ich ausgeblieben. Hier soll es heiterer sein – ich weiß nicht, für wen.« Armes Lächeln. Er, mit Aufwallung: »Sie sind nicht tot und begraben. Ihr Jugendfreund trifft sich mit dem gefährlichen Herrn, im Arm die verführerischen Mappen. Er zeigt Ihnen seinen Mut.« – »Oder seinen Leichtsinn. Daran würde ich ihn eher erkennen. Sie selbst erkenne ich nicht wieder. Sie handeln wie – mein Jugendfreund. Welch ein Anfall jugendlichen Überschwanges, Sie übernehmen meine Bedeckung. Wer es dem Prätendenten Laplace erzählt, hätte Aussicht de rentrer en grâce auprès du maître.«
»Mein eigenes Schicksal aber verdichtet sich, wie Sie meinen. Eine finstere Wolke steht zu meinen Häupten, mir ergeht es wie Ihrem kleinen Krapotnikoff.« – »Still«, sagte sie. »Ihr seid zwei, wehrt euch, beschützt mich, darin seid ihr einig. Ich darf wohl stolz sein? Still. Wie viele Atemzüge bleiben denn für dies alles.« Da fühlte Léon Jammes, wie seine Hand gestreichelt wurde. Es geschah unerwartet, es war eine Geste lieblich und dunkel; er erfuhr, in einem höheren Grade als heute nachmittag, von der Freundlichkeit und Güte, die zuletzt kommt. Gern hätte er dies seltene Gesicht wieder erblickt, er beugte sich, um unter ihren Hut zu sehen – fand die Wange und eine Träne, die darüber rann.