Niccolo Machiavelli
Geschichte von Florenz
Niccolo Machiavelli

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Achtes Buch

Von der Verschwörung der Pazzi bis zum Tode Lorenzos des Erlauchten, 1492.

Denkmal des Francesco Valori.

Florenz, Chiostro di Badia

Da der Anfang des gegenwärtigen Buches zwischen zwei Verschwörungen mitten innesteht, von denen die eine, in Mailand vorgefallene bereits erzählt worden, die andere in Florenz noch an die Reihe kommen wird: so möchte es passend erscheinen, daß wir, unserer Gewohnheit gemäß über die Beschaffenheit der Verschwörungen und deren Wichtigkeit sprächen. Dies würde gerne geschehen, hätte ich nicht schon an anderem Orte darüber gesprochen, oder ließe der Gegenstand sich in Kürze behandeln. Da er hingegen ausführliche Betrachtung heischt und schon erwähnt worden ist, so wollen wir dabei nicht verweilen, sondern, zu anderen Dingen übergehend, sagen, wie das Regiment der Medici, nachdem es alle offenen Angriffe abgeschlagen, auch die im Geheimen sich bereitenden Feindschaften besiegen mußte, um dies Haus zu alleiniger Herrschaft in Florenz zu führen um ihm eine vor den übrigen sich auszeichnende bürgerliche Stellung zu geben. Denn so lange die Medici mit gleicher Autorität und unter gleichen Verhältnissen mit einigen der andern Geschlechter kämpften, konnten die Bürger, die ihre Macht beneideten, ihnen offen sich widersetzen, ohne zu fürchten, gleich im Beginn ihres Widerstandes unterdrückt zu werden. Nachdem nämlich die Magistrate frei geworden, hatte keine der Parteien Grund zu Befürchtungen, ausgenommen nach einer Niederlage. Seit dem Siege des Jahres sechundsechzig aber vereinte sich die gesamte Gewalt so sehr in den Händen der Medici und diese stiegen zu solcher Autorität, daß die Mißvergnügten entweder in diese Verhältnisse sich ruhig fügen, oder, wollten sie eine Änderung herbeiführen, dies heimlich und mittels Verschwörungen versuchen mußten. Solche Mittel aber, da sie selten von Erfolg begleitet sind, stürzen meist ihre Urheber ins Verderben, während sie die Größe der Bedrohten sichern. Daher kommt es, daß in der Mehrzahl der Fälle ein Fürst, gegen welchen solche Verschwörungen eingeleitet worden, wenn sie ihn nicht das Leben kosten, wie beim Herzog von Mailand der Fall war aber eine Seltenheit ist, zu größerer Macht gelangt und, war er gut, böse wird. Denn Anlässe dieser Art geben ihm Grund zu fürchten, die Furcht bestimmt ihn, sich zu sichern, das Verlangen nach Sicherheit läßt ihn andern zu nahe treten: woher denn Haß entsteht und am Ende oft sein Untergang. So stürzen denn solche Verschwörungen ihren Urheber sogleich, während sie auf alle Weise und mit der Zeit dem schaden, gegen den sie gerichtet sind. Italien war, wie wir oben gezeigt, in zwei große Parteien zerfallen. Einerseits Papst und König, – andererseits Venedig, der Herzog, die Florentiner. Und war auch noch kein Krieg zwischen ihnen ausgebrochen, so wiederholten sich doch täglich die Anlässe dazu. Namentlich suchte der Papst durch jede seiner Unternehmungen den Florentinern zu schaden. Als nun Messer Filippo de'Medici, Erzbischof von Pisa, gestorben, erteilte der Papst das Erzbistum gegen den Willen der Signorie von Florenz dem Francesco Salviati,Die Salviati sollen von den Caponsacchi, einer der alten Konsularfamilien von Florenz, stammen. Sie werden hundertmal genannt in florentinischen Geschichten. Mit den Medici mehrfach verschwägert, standen sie doch nicht selten in den Reihen ihrer Feinde. Die letzte des Hauses heiratete Ende des 18. Jahrhunderts in die Familie der römischen Borghese. den er als Feind des Medizeischen Hauses kannte. Indem aber die Signorie sich seiner Besitznahme widersetzte, entstanden neue Mißverständnisse mit dem Päpste, welcher überdies in Rom der Familie der Pazzi sehr geneigt sich erwies, während er den Medici bei jeder Gelegenheit entgegen war. Damals ragten unter allen florentinischen Familien die Pazzi durch Reichtum und Adel hervor. Ihr Haupt war Jacopo, welchem um jener Ursachen willen das Volk die Ritterwürde erteilte. Er hatte keine Kinder, eine natürliche Tochter ausgenommen; doch hatte er viele Neffen, Söhne seiner Brüder Messer Piero und Antonio, deren erstere Guglielmo, Francesco, Rinato, Giovanni, sodann Andrea, Niccolò und Galeotto. Den Reichtum und die Vornehmheit des Hauses kennend, hatte Cosimo de'Medici seine Enkelin Bianca mit Guglielmo verbunden, in der Hoffnung dieses Band würde die Familien mehr einigen und Haß und Feindschaft tilgen, die meist im Verdacht ihren Ursprung haben. Wie aber menschliche Pläne unsicher und trügerisch sind, so ging die Sache anders: denn Lorenzos Ratgeber stellten ihm vor, es sei gefährlich und für sein Ansehen bedrohlich, wenn Reichtümer und Autorität sich in irgendeiner Familie vereinigten. Dies war die Veranlassung, dem Messer Jacopo und dessen Neffen die Ehrenstellen vorzuenthalten auf welche sie nach dem Vorgang anderer Bürger Anspruch hatten. Dadurch entstand bei den Pazzi der erste Groll, bei den Medici die erste Besorgnis: wie diese stieg, stieg auch jener, weshalb die Pazzi bei jedem Anlaß, wo andere Bürger mit ihnen wetteiferten, von den Magistraten zurückgesetzt wurden. Und da Francesco de'Pazzi zu Rom war, nötigte ihn der Magistrat der Achte, ohne die bei vornehmen Bürgern sonst übliche Rücksicht, wegen einer geringfügigen Ursache nach Florenz zu kommen. Die Pazzi begannen nun überall mit scharfen und ärgerlichen Worten sich zu beschweren, und mehrten dadurch Verdacht und Widerwillen. Giovanni de'Pazzi hatte zur Gattin die Tochter des Giovanni Buonromei, eines sehr reichen Mannes, dessen Güter in Ermangelung anderer Kinder nach seinem Tode an diese Tochter fielen. Sein Neffe Carlo aber bemächtigte sich eines Teils dieser Güter, und als die Sache zum Prozeß kam, wurde ein Gesetz erlassen, welches die Frau Giovannis ihres väterlichen Erbes beraubte und dies dem Carlo zusprach. Die ganze Familie der Pazzi erkannte, daß dieser Streich von den Medici kam. Giuliano de'Medici machte darüber seinem Bruder Lorenzo oft Vorstellungen, indem er sagte, er befürchte, sie würden alles verlieren, weil sie nach zu vielem strebten.

Lorenzo aber, durch Jugend und Macht angespornt, wollte an alles denken und alle seine Autorität fühlen lassen. Da nun die Pazzi, bei ihrem Reichtum und ihrer Vornehmheit, so viele Beleidigungen nicht mehr zu ertragen vermochten, begannen sie auf Rache zu sinnen. Der erste, welcher gegen die Medici sprach, war Francesco. Dieser war entschlossen zugleich und empfindlicher als irgendeiner der andern, so daß er sich vornahm, entweder zu erkämpfen, was ihm fehlte, oder aufs Spiel zu setzen, was er besaß. Und da die Regierenden zu Florenz ihm verhaßt waren, lebte er beinahe anhaltend in Rom, wo er nach der Sitte der florentinischen Handelsleute große Summen in Umlauf hatte. Da er nun mit dem Grafen Girolamo sehr befreundet war, beschwerten sie sich oft gegenseitig über die Medici. Nach vielen Klagen kamen sie endlich zu dem Schlusse: um dem einen den ruhigen Besitz seiner Herrschaften, dem andern ruhiges Leben in seiner Vaterstadt zu sichern, sei es nötig, die Verwaltung in Florenz zu stürzen, was sie ohne den Tod Lorenzos und Giulianos nicht ausführen zu können glaubten. Sie waren der Meinung, der Papst und der König würden ohne Schwierigkeit ihre Zustimmung geben, wenn man dem einen wie dem andern die Ausführbarkeit der Sache zeigte. Nachdem sie nun auf diese Idee gekommen, besprachen sie das Ganze mit Francesco Salviati, Erzbischof von Pisa, der ihnen mit Freuden die Hand bot, sowohl seiner ehrgeizigen Natur wegen, als weil die Medici ihm eben noch so sehr im Wege gestanden. Und indem sie nun miteinander überlegten, was wohl zu tun wäre, beschlossen sie, um sich eines bessern Gelingens zu versichern, den Messer Jacopo de'Pazzi in ihr Geheimnis zu ziehn, ohne welchen sie nichts vollbringen zu können glaubten. Um dieser Sache willen ging also Francesco de'Pazzi nach Florenz, während der Erzbischof und der Graf in Rom blieben, dem Papste die Sache mitzuteilen, sobald sich ein passender Moment dazu ergäbe. Francesco fand den Messer Jacopo bedenklicher und minder geneigt, als er gewünscht hätte, so daß, als er dies nach Rom meldete, man größerer Autorität sich zu bedienen beschloß, um auf seinen Entschluß zu wirken. Der Erzbischof und der Graf zogen also einen der päpstlichen Hauptleute, Giovanni Batista da Montesecco, ins Geheimnis. Dieser galt für einen guten Kriegsmann, und war dem Grafen wie dem Papste verpflichtet. Dessen ungeachtet deutete er auf die Schwierigkeiten und Gefahren des Unternehmens hin: Bedenken, welche der Erzbischof zu entfernen sich bestrebte, indem er die vom Papst und König erwartende Hilfe und den Haß der Bürger gegen die Medici vorschob, wie den Beistand der Verwandten, welche sich zu den Salviati und Pazzi schlagen würden, die Leichtigkeit, die Brüder in der Stadt zu ermorden, weil sie ohne Begleitung und Verdacht umherwanderten, worauf es sodann weniger Mühe kosten würde, die Regierung umzuändern. Dennoch war Giovanni Batista nicht völlig überzeugt, da er von vielen andern Florentiner Bürgern andere Reden vernommen hatte.

Während man so diese Sache überlegte, erkrankte der Herr Carlo von Faenza, so daß man an seinem Aufkommen zweifelte. Dies bot dem Grafen und dem Erzbischof eine Gelegenheit, den Montesecco nach Florenz und von dort nach der Romagna zu senden, unter dem Vorwande, gewisse Ländereien wiederzuerlangen, die der Herr von Faenza besetzt gehalten hatte. Der Graf trug ihm auf, mit Lorenzo zu reden und ihn um Rat zu ersuchen, wie er sich in den romagnolischen Angelegenheiten zu verhalten habe; hierauf sollte er mit Francesco de'Pazzi sprechen, und im Verein mit diesem versuchen, den Messer Jacopo umzustimmen. Um aber an der Autorität des Papstes eine Stütze zu haben, veranstalteten sie, daß er vor seiner Abreise mit Sixtus reden konnte, welcher dem Unternehmen allen möglichen Beistand zusagte. Als nun Giovanni Batista in Florenz angelangt, begab er sich zuerst zu Lorenzo de'Medici, von welchem er aufs freundlichste aufgenommen ward und verständigen und gewogenen Rat erhielt, so daß jener voll Verwunderung war, indem ihm schien, er habe einen ganz andern Mann gefunden als er erwartet, geneigt und bedachtsam und gegen den Grafen gutgesinnt. Nichtsdestoweniger wollte er mit Francesco reden und da er ihn nicht traf, indem dieser sich nach Lucca begeben, wandte er sich an Messer Jacopo, welchen er anfangs dem Vorhaben sehr abgeneigt fand. Die Stimmung des Papstes aber hatte doch einigen Einfluß auf ihn, so daß er dem Montesecco sagte, er möge seine Geschäfte in der Romagna abmachen und dann zurückkehren, wo Francesco in der Stadt sein und sie die Sache reiflich überlegen würden. Giovanni Batista ging und kehrte zurück, unterhielt sich mit Lorenzo, um den Schein zu retten, über die Angelegenheiten des Grafen, und war dann mit den beiden Pazzi. Das Ergebnis war, daß Messer Jacopo seine Zustimmung gab. Dann besprachen sie das Wie. Messer Jacopo hielt die Sache nicht für ausführbar, während beide Brüder in Florenz verweilten: er schlug vor, man sollte warten, bis Lorenzo nach Rom ginge, wovon die Rede war, und dann zur Tat schreiten. Francesco war damit einverstanden, doch meinte er, für den Fall, daß die beabsichtigte Reise nicht stattfinden sollte, könnte man beide Brüder bei einer Hochzeit, oder beim Spiel, oder aber in der Kirche umbringen. Was aber fremde Hilfe betreffe, so könne ja der Papst Mannschaft zusammenziehen, um sie gegen das Kastell Montone ziehen zu lassen, indem er gerechten Grund habe, es dem Grafen Carlo Fortebracci zu nehmen, wegen der von demselben veranlaßten Unruhen in den Gebieten von Perugia und Siena, von denen oben die Rede war. Dennoch kam man zu keinem andern Entschluß, als daß Francesco de'Pazzi und Montesecco nach Rom gehen und dort mit dem Grafen und dem Papste alles anordnen sollten. In Rom also ward die Sache von neuem besprochen, und da das Unternehmen gegen Montone nun wirklich zustande kommen sollte, so wurde beschlossen, daß Giovanni Francesco von Tolentino, päpstlicher Hauptmann, nach der Romagna gehn, Messer Lorenzo von Castello aber in seine Heimat sich begeben und beide ihre Kompanien vollzählig machen und bereit halten sollten, um zu tun, was der Erzbischof Salviati und Francesco de'Pazzi ihnen befehlen würden. Die Genannten sollten inzwischen mit Giovanni Batista da Montesecco nach Florenz gehn und dort alles vorbereiten, was notwendig sein würde zur Ausführung des Unternehmens, dem der König von Neapel mittels seines Gesandten jegliche Unterstützung verhieß. Nachdem nun Francesco und der Erzbischof nach Florenz gekommen, zogen sie an sich heran den Jacopo, Sohn Messer Poggio Bracciolinis,Poggio Bracciolini, geb. zu Terranuova im obern Arnotal 1380, gest. 1459, viele Jahre hindurch päpstlicher Geheimschreiber, dann florentinischer Kanzler, einer der ausgezeichnetsten Gelehrten und verdientesten Beförderer der alten Literatur im 15. Jahrhundert. Sein Sohn Jacopo gab eine italienische Übersetzung der florentinischen Geschichte des Vaters. einen gelehrten jungen Mann, aber ehrgeizig und neuerungssüchtig, sodann zwei Jacopo Salviati, von denen der eine ein Bruder, der andere ein Verwandter des Erzbischofs, überdies den Bernardo Bandini und Napoleone Franzesi,Die Bandini waren ein altes florentinisches Geschlecht. Die Halle des Orcagna (Loggia de'Lanzi) nimmt die Stelle eines Teils ihrer Wohnungen ein. Den Franzesi oder Francesi gehörten vormals mehrere Kastelle des Gebietes. Muciatto Francesi war Botschafter Philipp des Schönen bei Bonifaz VIII. im Jubeljahre 1300 und spielte eine Rolle in dem Überfall zu Anagni (Dante, Fegef. XX. 85.). verwegene junge Leute, welche gegen die Pazzi viele Verpflichtungen hatten. Von Fremden schlugen sich noch zu ihnen Messer Antonio von Volterra und ein Priester namens Stefano, welcher der Tochter Messer Jacopos in der lateinischen Sprache Unterricht erteilte. Rinato de'Pazzi, ein ernster und verständiger Mann, der die aus solchen Unternehmungen hervorgehenden Übel in ihrer ganzen Ausdehnung kannte, ließ sich nicht nur nicht in die Verschwörung ein, sondern verabscheute sie und suchte sie durch alle ihm zu Gebote stehenden ehrbaren Mittel zu verhindern.

Poggio Bracciolini (?).

Ölgemälde von Francesco Salviati (1510 – 1563). Rom, Galerie Colonna

Der Papst hatte den Raffaello di Riario,Raffaello Sansoni, genannt de'Riari, Neffe mütterlicherseits des Kardinals Pierto Riari, geb. zu Savona 1459, Kardinal-Vizekanzler, als welcher er durch Bramante den weltberühmten Palast der Cancellaria bauen ließ, unter Leo X. in die Verschwörung des Kardinals Petrucci verwickelt, gest. 1520. Neffen des Grafen Girolamo, nach der Universität zu Pisa gesandt, um sich dort im Abfassen päpstlicher Schreiben zu üben. Während der Jüngling noch dort verweilte, erteilte er ihm die Kardinalswürde. Nun kamen die Verschwornen auf den Gedanken, diesen Kardinal nach Florenz zu führen, um auf solche Weise ihre Anschläge zu verheimlichen, indem die Leute, deren sie zur Ausführung bedurften, im Gefolge des Riario auftreten konnten. Als dieser also angelangt, ward er von Jacopo de'Pazzi in seinem Landhause zu MontughiMontughi, Mons Hugonis, die erste Hügelreihe, welche sich nordwestlich von der Stadt links von der Bologneser Straße dahinzieht, reich an anmutigen Villen, mit einem Kapuzinerkloster, welches ursprünglich dem werktätigen, um die florentinische Industrie verdienten Humiliaten-Orden gehörte. dicht bei der Stadt empfangen. Die Verschwornen wünschten mittels seiner den Lorenzo und Giuliano vereint zu treffen und sie so zu ermorden. Sie veranstalteten es daher, daß diese den Kardinal auf ihre Villa bei Fiesole luden, wo indes Giuliano, sei es Zufall oder Absicht, nicht erschien. Da dies nun fehlgeschlagen, dachten sie, daß bei einem in Florenz anzustellenden Gastmahl beide zu erscheinen sich nicht würden enthalten können. So luden sie denn für den Sonntag des 26. April 1478 zu diesem Feste ein. Im Glauben, daß es ihnen nun gelingen würde, sie bei demselben zu ermorden, versammelten sie sich in der Nacht vom Sonnabend, und besprachen alles, wie es am folgenden Tage geschehen sollte. Als aber der Tag gekommen, wurde dem Francesco gemeldet, Giuliano sei verhindert teilzunehmen. Die Häupter der Verschwornen berieten sich nun von neuem und kamen überein, man dürfe keine Zeit verlieren, die Sache ins Werk zu setzen, indem bei so vielen Mitwissenden längere Verheimlichung unmöglich sei. So wurden sie denn eins, die beiden Brüder in der Kirche Santa Reparata zu töten, wo sie zugleich mit dem Kardinal ihrer Gewohnheit gemäß sich einfinden würden. Sie wollten, Montesecco sollte es übernehmen Lorenzo zu töten, Francesco de'Pazzi und Bernardo Bandini den Giuliano. Giovan Batista aber weigerte sich, sei es, daß der vielfache Umgang mit Lorenzo ihn milder gestimmt, oder daß andere Gründe bei ihm obwalteten. Er erklärte, er könne sich nie entschließen, eine solche Tat in der Kirche zu begehen und Verrat mit Tempelschändung zu verbinden. Dies legte den Grund zum Mißlingen des ganzen Unternehmens. Denn da die Zeit drängte, waren sie genötigt, dies Geschäft dem Messer Antonio von Volterra und dem Priester Stefano zu übertragen, die beide von Natur, wie wegen ihres Mangels an Übung in Führung der Waffen, dazu völlig untauglich waren. Denn wenn zu irgendeiner Tat Seelenstärke und Entschlossenheit, Erfahrung und Todesverachtung erfordert werden, so ist es bei einer solchen der Fall, wobei man oft waffenkundige und an Blut gewohnte Männer den Mut verlieren gesehen hat. Nun bestimmten sie noch, das Signal zur Ausführung sollte die Kommunion des Messelesenden Priesters sein; der Erzbischof Salviati mit den Seinen und Jacopo, der Sohn Messer Poggios, sollten unterdes den Palast besetzen, damit die Signorie, freiwillig oder unfreiwillig, ihnen beistimmen müßte nach der Ermordung der beiden Medici.

Nachdem sie alles dies angeordnet, begaben sie sich nach der Kirche, wo der Kardinal bereits mit Lorenzo eingetroffen war. Die Kirche war mit Menschen gefüllt und schon hatte der Gottesdienst seinen Anfang genommen, als Giuliano noch fehlte. Da begaben sich Francesco de'Pazzi und Bandini, die ihn zu morden bestimmt waren, nach dessen Wohnung und führten ihn unter Bitten und gleisnerischen Worten nach der Kirche. Es ist wahrhaft bemerkenswert, daß Francesco und Bernardo so heftigen Haß und so verruchte Absicht unter so vieler Freundlichkeit und Zureden zu verbergen vermochten: denn während sie mit ihm gingen, unterhielten sie ihn durch Scherze und heitere Reden. Und Francesco, unter dem Scheine, ihn zu liebkosen, berührte ihn mit der Hand und dem Arme, um sich zu vergewissern, ob er einen Panzer oder eine sonstige Schutzwaffe trüge. Giuliano und Lorenzo kannten wohl die Abgeneigtheit der Pazzi und ihren Wunsch, ihnen die Regierung zu entreißen: aber sie waren nicht für ihr Leben besorgt, indem sie glaubten, daß jene einen Versuch, zur Herrschaft zu gelangen, ohne Gewalttätigkeit durch die seither üblichen Mittel machen würden. Deshalb stellten auch sie sich, als wären sie ihre Freunde, ohne auf eigne Sicherheit zu achten. So waren denn die Mörder bereit, neben Lorenzo die einen, wo sie wegen der Volksmenge ohne Verdacht stehn konnten, die andern um Giuliano herum. Da kam der verabredete Moment: Bernardo Bandini durchbohrte mit einer kurzen Waffe die Brust Giulianos, der nach wenigen Schritten niedersank, worauf Francesco de' Pazzi sich über ihn hinwarf und mit solcher Wut auf ihn losstach, daß er sich selbst eine schwere Schenkelwunde beibrachte. Auf der andern Seite griffen Messer Antonio und Stefano den Lorenzo an: von ihren Streichen aber verwundete nur einer ihn unbedeutend am Halse, denn, sei es, daß sie ungeschickt waren, oder daß Lorenzo mutig mit seiner Waffe sich verteidigte, oder daß Hilfe von den Umstehenden ihm ward: alle ihre Bemühungen scheiterten. In ihrer Angst flohen sie und verbargen sich, wurden aber entdeckt, schmachvoll erschlagen und durch die ganze Stadt geschleppt. Unterdes eilte Lorenzo mit den Freunden, die sich rasch um ihn sammelten, nach der Sakristei, in die er sich einschloß. Als Bernardo Bandini sein Opfer daliegen sah, ermordete er noch den Francesco Nori, einen vertrauten Freund der Medici, entweder aus altem Haß oder weil dieser dem Giuliano zu helfen sich bemühte. Und noch nicht zufrieden mit diesem zwiefachen Mord, eilte er Lorenzo nach, um durch seine Entschlossenheit und Raschheit wieder gut zu machen, was die andern durch Langsamkeit und Schwäche verdorben: aber er vermochte nichts auszurichten, da er die Sakristei verschlossen fand. Inmitten dieser grauenvollen Auftritte, die so entsetzlich waren, daß die Kirche darüber einzustürzen schien, hatte der Kardinal sich an den Altar gedrängt, wo er mit genauer Not von den Priestern beschützt ward, bis nach dem Aufhören des Tumults die Signorie ihn nach ihrem Palast geleiten konnte, wo er unter starkem Verdacht bis zu seiner Freilassung wohnen blieb.

In jener Zeit verweilten in Florenz einige Bürger aus Perugia, welche durch Faktionen aus der Heimat vertrieben worden waren. Diese waren durch das Versprechen der Heimkehr in ihre Vaterstadt von den Pazzi in ihr Interesse gezogen worden. So hatte denn der Erzbischof Salviati, der mit Jacopo Bracciolin und seinen Verwandten und Freunden ausgezogen war, den Palast zu besetzen, sie mit sich geführt. Am Palast angelangt, ließ er einen Teil der Seinen unten, mit dem Befehl, sobald sie Lärm hörten, die Pforte zu besetzen, während er mit dem größern Teil der Peruginer hinaufging. Da er fand, daß die Signorie bei der Tafel saß, indem es schon spät war, wurde er bald darauf zum Gonfaloniere Cesare Petrucci gelassen. Mit einigen wenigen eintretend, ließ er die übrigen draußen, von denen die meisten sich selber in der Kanzlei einschlossen, deren Türe so eingerichtet war, daß sie, zugeschlagen, nur mittels der Schlüssel von innen wie außen geöffnet werden konnte. Der Erzbischof unterdessen, unter dem Vorwand, dem Gonfaloniere einen Auftrag des Papstes ausrichten zu wollen, begann mit unsichern, unzusammenhängenden Worten zu ihm zu reden, so daß die Verwirrung, die er in Miene und Sprache zeigte, Cesares Verdacht in solchem Grade erregte, daß dieser mit lautem Rufe aus dem Zimmer eilte, auf Jacopo Bracciolini stieß, ihn bei den Haaren ergriff und seinen Amtsdienern überlieferte. Und als nun unter den Signoren Lärm entstand und sie zu den Waffen griffen, welche der Zufall ihnen in die Hände gab, wurden alle Begleiter des Erzbischofs, die teils eingesperrt, teils erschrocken waren, entweder sogleich getötet oder noch lebend zu den Fenstern des Palastes hinausgeworfen, der Erzbischof aber, seine beiden Verwandten und Jacopo Bracciolini gehängt. Die Untengebliebenen hatten unterdes die Wache überrumpelt, das Tor besetzt und das ganze Erdgeschoß eingenommen, so daß die Bürger, welche bewaffnet und unbewaffnet bei dem Lärm nach dem Palast eilten, der Signorie weder Beistand noch Rat zu bringen vermochten.

Francesco de'Pazzi aber und Bernardo Bandini, welche Lorenzo gerettet sahen, und von denen der erstere, auf dem die Hoffnung auf Erfolg hauptsächlich beruhte, schwer verwundet war, verloren den Mut. Mit jener Raschheit des Entschlusses, welche er im Handeln gegen die Medici an den Tag gelegt, war Bandini nur auf eigne Rettung bedacht, und da er das Unternehmen gescheitert sah, ergriff er die Flucht. Francesco, nach Hause zurückgekehrt, versuchte, ob er sich zu Pferde halten könnte, da es in der Absicht gelegen, mit Bewaffneten durch die Stadt zu ziehn und das Volk zur Freiheit und zu den Waffen aufzurufen: aber er vermochte es nicht, so tief war die Wunde und so groß der Blutverlust. So warf er sich denn unangekleidet aufs Lager hin und bat Messer Jacopo das zu tun, was er nicht tun konnte. Obschon letzterer bejahrt war und in solchen Dingen, wo es darauf ankam eine tumultierende Menge zu leiten, keine Erfahrung hatte, wollte er doch diesen letzten Versuch wagen, das Glück zurückzuführen. So stieg er denn zu Pferde, mit etwa hundert Bewaffneten, die zu diesem Zwecke im voraus bereitgehalten waren, und eilte nach dem Platz vor dem Palaste, Volk und Freiheit zu seinem Beistande anrufend. Da aber das eine durch das Glück und die Freigebigkeit der Medici taub geworden, die andere in Florenz nicht mehr bekannt war, so ward ihm von keiner Seite Antwort. Nur die Signoren, welche im obern Teil des Palastes schalteten, begrüßten ihn mit Steinwürfen und erschreckten ihn durch Drohungen. Als Messer Jacopo nun nicht wußte, woran er war, kam ihm sein Schwager Giovanni Serristori entgegen, der ihm erst wegen der durch sie veranlaßten Verwirrung Vorwürfe machte, dann ihn veranlaßte, nach Hause zurückzukehren, indem er ihn versicherte, Volk und Freiheit lägen den übrigen Bürgern ebensosehr am Herzen wie ihm. Als nun Messer Jacopo jede Hoffnung aufgeben mußte, da er die Signorie feindlich, Lorenzo lebend, Francesco verwundet, sich selber aber von keinem gefolgt sah, und nicht wußte, was zu beginnen: beschloß er, womöglich durch die Flucht sein Leben zu retten, und verließ mit seinem bewaffneten Haufen die Stadt, um sich nach der Romagna zurückzuziehn.

Unterdessen war ganz Florenz unter Waffen. Von einem wehrhaften Haufen begleitet, war Lorenzo de'Medici nach Hause zurückgekehrt. Das Volk hatte den Palast wiedergenommen und die Eindringlinge erschlagen oder zu Gefangenen gemacht. In der ganzen Stadt rief man den Namen der Medici: die Gliedmaßen der Ermordeten sah man auf den Spitzen der Waffen steckend umhertragen oder durch die Straßen schleppen; überall vernahm man Ausbrüche des Hasses, überall sah man grause Handlungen gegen die Pazzi. Schon hatte das Volk ihre Wohnungen gestürmt, Francesco unbekleidet, wie er war, nach dem Palast geschleppt und dort neben dem Erzbischof gehängt. Soviel Unbilden ihm auch unterwegs und nachher zugefügt wurden, so entlockte man ihm doch keinen Laut: er sah, ohne zu klagen, die Umstehenden starr an und seufzte. Lorenzos Schwager, Guglielmo de' Pazzi, rettete sich in dessen Wohnung durch seine Unschuld,

wie durch die Hilfe seiner Gattin Bianca. Keinen Bürger gab es, der nicht mit oder ohne Waffen nach den Mediceischen Häusern geeilt wäre und in dieser Unordnung sich und seine Habe dargeboten hätte; so groß war die Gunst, in welche die Familie sich durch Klugheit und Liberalität zu setzen gewußt hatte. Rinato de'Pazzi hatte sich, als die Handlung vor sich ging, auf seinen Landsitz begeben, von wo er, als er den Ausgang vernahm, verkleidet entfliehn wollte; indes ward er unterwegs erkannt und nach der Stadt geführt. Auch Messer Jacopo wurde gefangengenommen, als er das Gebirge überschreiten wollte: denn die Bergbewohner hatten schon von dem Vorfall gehört und als sie ihn auf der Flucht sahen, griffen sie ihn und brachten ihn nach Florenz zurück. Er bat sehr, sie möchten gleich seinem Leben ein Ende machen, aber er konnte es nicht erlangen. Vier Tage nach der Tat wurden Messer Jacopo und Rinato gerichtet. Und unter so vielen Mordtaten, die in diesen Tagen verübt worden, so daß die Straßen voll zerrissener Glieder lagen, erregte keine Hinrichtung Mitleid, die des Rinato ausgenommen, den man als verständigen und guten Mann kannte und welchem man nicht den Hochmut schuld gab, den man an den übrigen des Hauses tadelte. Den ganzen Vorfall noch entsetzlicher und zum warnenden Beispiel zu machen, wurde Messer Jacopo, den man erst in der Gruft seiner Altvordern beigesetzt hatte, als ein im Kirchenbann Liegender herausgerissen und außerhalb der Stadtmauer begraben: auch dort aber zog man ihn wieder hervor, schleppte die Leiche, mit dem Strick um den Hals, wie er gestorben, durch die ganze Stadt und warf sie endlich, da sie im Boden keine Ruhestätte gefunden, in den Arno, dessen Gewässer gerade damals sehr angeschwollen waren. Ein bezeichnendes Beispiel für den Unbestand des Geschicks war dieser betäubende und schmachvolle Ausgang eines so reichen und hochstehenden Mannes. Man erzählt unter andern Untugenden von ihm, daß er dem Spiel und Flüchen hingegeben war, wie nur der ausschweifendste Mensch sein konnte. Er suchte dies durch seine vielen Almosen gutzumachen, indem er Arme und Wohltätigkeits-Anstalten reichlich unterstützte. Zu seinem Lobe läßt sich noch anführen, daß am Tage vor dem zum Mord bestimmten Sonntage, um niemand in sein Mißgeschick hineinzuziehn, er alle seine Schulden bezahlte und alle andern gehörenden Waren, die er in seinen Magazinen und im Zollamt hatte, mit größter Ordnung und Geschwindigkeit ihren Besitzern ablieferte. Dem Giovanni Batista da Montesecco ward nach langem Verhör der Kopf abgeschlagen. Napoleone Franzesi entging ähnlichem Schicksal durch die Flucht. Dem Guglielmo de' Pazzi wurde ein Verbannungsort angewiesen; seine Vettern, die mit dem Leben davongekommen, tief unten in der Burg von Volterra eingekerkert. Nachdem aller Tumult zu Ende und die Verschwornen bestraft worden, feierte man, unter Tränen der ganzen Bürgerschaft, Giulianos Bestattung. Die Trauer war so groß, weil in diesem jungen Manne soviel Großmut und Menschenfreundlichkeit vereint gewesen, als man nur immer bei einem inmitten so großer Glücksgüter Geborenen wünschen konnte. Erst einige Monate nach seinem Tode kam ein natürlicher Sohn von ihm zur Welt, welcher Giulio genannt wurde und jene hohe Tugend und das Glück in sich trug, welche gegenwärtig alle Welt kennt und welche von uns ausführlich dargestellt werden sollen, wenn wir, sofern Gott uns Leben verleiht, an die Schilderung der Jetztzeit kommen werden.Es ist die Rede von Papst Clemens VII. Die Truppen, welche im Tibertal und in der Romagna sich gesammelt hatten, waren zur Unterstützung der Pazzi auf dem Wege nach Florenz, kehrten aber um, als das Mißlingen des Unternehmens bekannt ward.

Da nun die Umwälzung der öffentlichen Verhältnisse in Florenz, wie der Papst und König sie wünschten, nicht erfolgt war, so beschlossen sie das durch Verschwörungen nicht Erreichte durch Krieg zu erzielen. Mit großer Schnelligkeit zogen sie also ihre Truppen zusammen, das Gebiet der Republik anzugreifen, indem sie verkündigten, sie wollten nichts anderes von dieser, als daß sie Lorenzo de'Medici von den Geschäften entferne, der allein unter allen Bürgern ihr Feind sei. Schon waren die königlichen Truppen über den Tronto gegangen, die päpstlichen ins Peruginische eingerückt. Damit aber die Florentiner neben den zeitlichen auch durch geistliche Waffen bedrängt werden möchten, tat der Papst sie in den Bann und verfluchte sie. Als nun die Florentiner so große Macht heranrücken sahen, bereiteten sie sich in höchster Eile zur Gegenwehr. Und Lorenzo de'Medici, da dem Vorgeben zufolge der Krieg seinetwegen geführt ward, wollte im Palast zugleich mit den Signoren alle angesehensten Bürger, mehr denn dreihundert an der Zahl, vereinigen, denen er folgende Rede hielt: »Ich weiß nicht, erhabene Herren, und ihr erlauchte Bürger, ob ich klagen soll über das Vorgefallene, oder mir dazu Glück wünschen. In Wahrheit, wenn ich bedenke, mit welchem Trug, mit welchem Haß ich angefallen, mein Bruder gemordet worden, so kann ich nicht umhin mich zu betrüben und mit ganzem Herzen und ganzer Seele darüber zu trauern. Betrachte ich dann, mit welcher Raschheit, mit welchem Eifer, mit welcher Anhänglichkeit und Einstimmigkeit der ganzen Stadt mein Bruder gerächt und ich beschützt worden, so muß ich nicht nur mich darüber freuen, sondern es mir zur Ehre und zum Ruhme anrechnen. Wenn nun auch sicherlich die Erfahrung mir bewiesen hat, daß ich in dieser Stadt mehr Gegner besaß, als ich dachte, so hat sie andrerseits mir auch dargetan, daß wärmere und treuere Freunde mir lebten, als ich glauben durfte. So bin ich denn genötigt, bei euch über fremde Feindseligkeit mich zu beklagen und über eure Geneigtheit mich zu erfreuen: aber ich bin gezwungen, die Beschwerden über die geschehene Gewalttat vorwalten zu lassen, je seltener dieselbe, je beispielloser, je unverdienter sie war. Bedenkt, o erlauchte Bürger, wohin das Mißgeschick unser Haus geführt, das, umgeben von Verwandten und Freunden, in der Kirche selbst keine Sicherheit mehr fand. Wer mit dem Tode bedroht ist, pflegt an Freunde sich zu wenden, zu den Verwandten zu flüchten: wir fanden sie zu unserm Untergang gerüstet. In der Kirche pflegen alle Sicherheit zu suchen, welche aus öffentlichen oder persönlichen Gründen verfolgt werden. Wo also andere Schutz finden, erwartet uns Tod; wo Räuber und Mörder sicher sind, werden die Medici Meuchlern überliefert. Gott aber, der unser Haus nie verlassen, hat auch uns gerettet, hat unsere gerechte Sache in seinen Schutz genommen. Denn welche Beleidigung haben wir irgendeinem zugefügt, solchen Rachedurst zu wecken? Die sich als unsere erbitterten Feinde gezeigt, haben wir nie als Privatleute beleidigt: denn hätten wir es getan, so würden sie keine Gelegenheit gehabt haben, es uns zu vergelten. Wenn sie uns Schuld geben, ihnen in öffentlichen Verhältnissen Abbruch getan zu haben, wobei ich mich indes verwahre, als sei dies mit meinem Wissen geschehen: so schmähen sie dadurch euch mehr als uns, mehr diesen Palast und die Majestät der Regierung, denn unser Haus, indem sie vorgeben, daß um unsertwillen ihr eure Bürger unverdient verletzt. Dies aber ist aller Wahrheit bar: denn wir würden es nicht getan haben, hätten wir es gekonnt, ihr nicht, hätten wir es gewollt. Wer der Wahrheit ernstlich nachspürt, wird finden, daß unser Haus nur darum so einstimmig von euch gehoben worden ist, weil es sich bestrebt hat, jeden an Menschenfreundlichkeit, Liberalität und durch Wohltaten zu besiegen. Haben wir nun Fremde geehrt, wie sollten wir Verwandten entgegen sein? Hat das Verlangen nach Herrschaft sie getrieben, wie der Angriff auf den Palast, das Zusammenscharen von Bewaffneten auf dem Platze glauben machen können, so findet ein verwerflicher, ehrsüchtiger und verderblicher Grund in sich selber seine Strafe. Haben sie es aus Haß und Neid gegen unsere Autorität getan, so handeln sie nicht gegen uns, sondern gegen euch, da ihr uns dieselbe bewilligt habt. Und in Wahrheit verdient den Haß des Volkes jene Art von Autorität, welche einzelne sich anmaßen, nicht aber solche, welche sie durch Großmut, Geneigtheit und Hochsinn erwerben. Ihr aber wisset, daß es die Magistrate selbst und eure Zustimmung waren, welche unser Haus die verschiedenen Stufen der Größe ersteigen ließen. Mein Großvater Cosimo kehrte nicht durch Waffen und mit Gewalttätigkeit aus der Verbannung heim, sondern durch eure Einwilligung und Einigung. Mein Vater, bejahrt und krank, verteidigte nicht selbst den Staat gegen die zahlreichen Feinde, sondern ihr schütztet ihn durch euer Ansehen und Wohlwollen. Nach meines Vaters Tode hätte ich, beinahe noch ein Kind, die Stellung unserer Familie nicht zu behaupten vermocht, wären nicht euer Rat und eure Gunst mir zur Seite gestanden. Mein Haus würde diese Republik weder jetzt noch jemals zu leiten imstande gewesen sein, wenn ihr nicht in Gemeinschaft mit uns sie geleitet hättet und noch leitetet. Ich weiß also nicht, welcher Grund zum Hasse gegen uns, welche gerechte Ursache des Neides jene gegen uns aufbringen kann. Mögen sie doch ihre Vorfahren hassen, die durch Hochmut und Habsucht sich um die Stellung gebracht, welche unsere Ahnen auf entgegengesetztem Wege gewonnen haben. Zugegeben aber auch, wir hätten großes Unrecht gegen sie begangen und sie hätten recht, indem sie unsern Sturz herbeizuführen sich bestrebten: weshalb greifen sie diesen Palast an? weshalb verbünden sie sich mit Papst und König gegen die Freiheit der Republik? weshalb stören sie den viel jährigen Frieden Italiens? Dafür gibt es keine Entschuldigungsgründe. Sie konnten angreifen, wer sie angriff, aber sie durften Privatfeindschaft nicht mit Staatsangelegenheiten zusammenwerfen. Denn nun bleibt das Übel, obgleich wir mit den Personen fertig geworden sind: denn nun suchen Papst und König uns ihretwegen mit den Waffen heim, unter dem Vorgeben, mir gelte der Krieg und meiner Familie. Wollte Gott, es wäre wahr! Denn dann fände sich ein rasches und sicheres Mittel, und ich würde nicht ein so schlechter Bürger sein, daß ich mein Heil höher anschlüge als eure Gefahren. Im Gegenteil würde ich gerne den Brand auf Kosten meines Lebens löschen. Da aber feindselige Handlungen der Gewalthaber stets mit irgendeinem minder unehrbaren Vorwande bemäntelt werden, so haben sie dies Mittel ersonnen, ihren schlimmen Absichten eine andere Färbung zu geben. Seid ihr indes verschiedener Meinung, so bin ich völlig in eurer Hand. Ihr könnt mich halten, ihr könnt mich fallen lassen. Euch werde ich stets gerne als meine Väter, meine Beschützer erkennen, werde stets bereitwillig tun, was ihr mir auftragt, werde, wenn ihr dafür stimmt, nie mich weigern, diesen mit dem Tode meines Bruders begonnenen Kampf mit meinem Tode zu beenden.«

Während Lorenzo sprach, konnten die Bürger ihre Tränen nicht zurückhalten. Der Anteil, mit dem man ihn anhörte, sprach sich in der Antwort aus, welche einer im Auftrag aller ihm erteilte: die Stadt habe von ihm und von den Seinen so große Wohltaten empfangen, daß er getrosten Mutes sein möchte; mit der raschen Entschiedenheit, mit welcher sie seines Bruders Tod gerächt und sein Leben gerettet, würden sie ihm Ansehen und Stellung erhalten: diese werde er nicht verlieren, solange sie selber die Heimat behaupteten. Und, um die Tat durch das Wort zu besiegeln, bestellten sie ihm eine Leibwache von Bewaffneten, um ihn vor häuslichem Überfall zu schützen.

Hierauf sorgte man für den Krieg, indem man Mannschaft und Geld sammelte, so viel man vermochte. Den Bundesverträgen gemäß, gingen sie den Herzog von Mailand und die Venezianer um Beistand an. Und da der Papst sich als Wolf und nicht als Hirten gezeigt, so suchten sie, um nicht als Schuldige verschlungen zu werden, auf alle mögliche Weise ihre Anklage zu rechtfertigen, erfüllten ganz Italien mit der Kunde von dem gegen die Republik gerichteten Verrat, zeigten des Papstes böse und ungerechte Gesinnung und wie er das Pontifikat, zu welchem er auf schlimmem Wege gelangt, übel verwalte, indem er die, welche er zu den ersten geistlichen Würden erhoben, in Gemeinschaft von Verrätern und Mördern aussende, solche Missetaten in den Kirchen zu begehn, mitten im Gottesdienst, bei der Feier des heiligen Sakraments. Nachdem ihm nun nicht gelungen, die Bürger zu morden, die Verfassung umzustoßen, die Stadt auf seine Weise zu plündern: so belege er sie mit dem Interdikt, bedrohe und beeinträchtige sie durch päpstlichen Fluch. Wenn aber Gott gerecht, wenn Gewalttätigkeit ihm mißfällig, so müsse auch die seines Statthalters ihm mißfallen und er es erlauben, daß Verfolgte, welche bei jenem keinen Schutz finden, zu seinem Schutz ihre Zuflucht nehmen. Statt nun das Interdikt ruhig hinzunehmen und ihm sich zu fügen, nötigten die Florentiner die Priester den Gottesdienst zu versehen. Überdies veranstalteten sie in Florenz eine Versammlung aller toskanischen Prälaten, die ihrer Herrschaft gehorchten, und appellierten dabei von des Papstes Feindseligkeit an das künftige Konzil. Dem Papste fehlte es seinerseits nicht an Rechtfertigungsgründen: er erklärte, es stehe einem Papste zu, Tyrannei zu unterdrücken, die Bösen niederzuhalten, die Guten zu erhöhen, Dinge, die er durch alle ihm zu Gebote stehenden Mittel ins Werk setzen müsse; keinem weltlichen Fürsten aber sei es erlaubt, Kardinäle gefangen zu halten, Bischöfe zu hängen, Priester zu töten, zu zerreißen und zu schleifen, Unschuldige wie Schuldige ohne Unterschied zu morden.

Federigo d' Urbino und sein Sohn Guidobaldo

Ölgemälde von Melozzo da Forli (1438 – 94). Rom, Galerie Borghese

Während dieser Klagen und Gegenklagen sandten indes die Florentiner den Kardinal, der sich noch in ihrer Gewalt befand, dem Papste zurück. Nun ließ dieser jede Rücksicht fahren und griff die Republik mit seiner wie des Königs voller Macht an. Nachdem die beiden Heere, unter Alfonso, Herzog von Calabrien, des Königs ältestem Sohne, und unter der Leitung Federigos Grafen von Urbino, durch das den Florentinern feindliche sienesische Gebiet ins Chianti eingerückt, besetzten sie Radda und andere Kastelle und verheerten das Land, worauf sie das Lager vor Castellina verlegten. Als die Florentiner diesen Angriff sahen, waren sie in großer Besorgnis, weil sie noch keine Truppen hatten und Freundeshilfe langsam kam. Denn Mailand sandte wohl Beistand, die Venezianer aber behaupteten, sie wären nicht verpflichtet, die Florentiner in Privatangelegenheiten zu unterstützen: da es ein gegen einzelne geführter Krieg sei, so sei von öffentlicher Verteidigung nicht die Rede. Den Senat günstiger zu stimmen, sandten die Florentiner den Messer Tommaso Soderini an ihn ab und warben unterdes Truppen, die sie unter den Befehl Ercoles, Markgrafen von Ferrara stellten. Während diese Vorbereitungen geschahen, bedrängten die Feinde Castellina so sehr, daß die Bewohner, auf Entsatz nicht mehr hoffend, nach vierzigtägiger Einschließung sich ergaben. Hierauf wandte das Heer sich nach Arezzo und schlug bei Monte San Savino das Lager auf. Nun war das florentinische Heer in Ordnung und hatte drei Millien vom Feinde entfernt eine Stellung genommen, von wo aus es jenen so sehr belästigte, daß Federigo einen mehrtägigen Waffenstillstand verlangte, der ihm zu so offenbarem Nachteil der Florentiner bewilligt ward, daß jener sich darüber wunderte, ihn erlangt zu haben, indem er sonst mit Schande abzuziehen genötigt gewesen wäre. Nachdem der Feind aber diese Tage angewandt, sich wieder zu ordnen, nahm er nach Verlauf der Waffenruhe das genannte Kastell im Angesicht unseres Heeres. Da indes der Winter herangekommen, zog sich das Heer, um gute Quartiere zu finden, auf sienesisches Gebiet zurück. Auch die florentinischen Truppen verließen das offene Feld, und der Markgraf von Ferrara kehrte in seine Staaten zurück, nachdem er sich selber wenig, weniger noch den andern genutzt hatte.

In dieser Zeit entzog sich Genua um folgender Veranlassung willen der mailändischen Herrschaft. Nach Galeazzos Tode entstand bei der Minderjährigkeit seines Sohnes Giovan Galeazzo Uneinigkeit zwischen seinen Oheimen Sforza, Lodovico, Ottaviano und Ascanio, und Madonna Bona seiner Mutter, indem jeder von ihnen die Aufsicht über den jungen Herzog führen wollte.Giovanni Galeazzo Sforza war 1469 geboren. Seine Mutter war Bona von Savoyen. Von seinen Oheimen, den Söhnen des Herzogs Francesco, starb Sforza Maria 1479 zu Varese bei dem Unternehmen gegen Genua, Lodovico (il Moro) ward Haupt des Hauses, Ascan wurde 1484 Kardinal, spielte eine glänzende Rolle unter Alexander VI. und starb nach wechselvollen Schicksalen zu Rom 1505 in seinem 60. Jahre. Aus diesem Streit aber ging die Herzogin Mutter Bona siegreich hervor, und zwar vermöge der Ratschläge Messer Tommaso Soderinis, damaligen florentinischen Gesandten, und des vormaligen Geheimschreibers Galeazzos, Messer Cecco Simonetta. Als nun die Sforzesken Mailand verließen, ertrank Ottaviano beim Übergang über die Adda, und die andern begaben sich nach verschiedenen Orten ins Exil, zugleich mit dem Herrn Roberto da San Severino, welcher in jenen Zwistigkeiten die Partei der Herzogin verlassen und jenen sich angeschlossen hatte. Da unterdessen die Unruhen in Toscana vorfielen, verließen die Fürsten, in der Hoffnung, aus diesen Unordnungen Nutzen zu ziehen, die Orte ihrer Verbannung, und jeder von ihnen versuchte Neuerungen herbeizuführen, um in die früheren Verhältnisse zurückzukehren. Der König von Neapel, welcher sah, daß die Florentiner in ihren Nöten nur von Mailand Hilfe erlangt hatten, verursachte, um ihnen auch diese zu nehmen, der Herzogin in ihrem eignen Staate so viele Sorgen und Geschäfte, daß sie an Unterstützung der Republik nicht denken konnte. Mittels des Herrn Prospero Adorno, des Roberto und der ausgewanderten Sforzas bewirkte er in Genua eine Empörung gegen den Herzog. Nur das Castelletto blieb in dieses letztern Gewalt. Um dies zu erhalten und die Stadt wiederzunehmen, sandte die Herzogin eine nicht unbedeutende Truppenmasse, die aber eine Niederlage erlitt. Da nun Madonna Bona die Gefahr erkannte, welche ihren Sohn bedrohen konnte, wenn der Krieg währte, da Toscana in Verwirrung und die Florentiner, auf die allein sie hoffte, selbst in Nöten: so zog sie es vor, die Stadt Genua zur Freundin zu haben, da sie in derselben keine Untergebene zu bewahren vermochte. So trug sie dem Gegner des Adorno, Batistino Fregoso, das Castelletto und die Herrschaft über Genua an, wenn er Prospero verjagen und die Sforzas nicht begünstigen wollte. Nach getroffener Übereinkunft bemächtigte sich Batistino mittels jenes Anhaltspunktes und seiner Parteigenossen der Stadt und machte sich, der Sitte gemäß, zu ihrem Dogen, worauf die Sforzesken und San Severino, genötigt das Genuesische zu verlassen, mit denen, welche ihnen folgten, nach der Lunigiana zogen. Als Papst und König sahen, daß in der Lombardei nichts zu machen war, benutzten sie jene Ausgetriebenen, um das pisanische Gebiet zu beunruhigen und die Florentiner durch Teilung ihrer Kräfte zu schwächen. So veranlaßten sie denn zu Ende des Winters den Roberto da San Severino mit seiner Mannschaft von der Lunigiana aus in die Landschaft von Pisa einzufallen. Dieser erregte einen gewaltigen Kriegslärm, nahm und plünderte mehrere Kastelle und durchstreifte verheerend das ganze Gebiet bis zu den Mauern der Stadt.

Um diese Zeit kamen nach Florenz Abgesandte des Kaisers und der Könige von Frankreich und Ungarn, welche von ihren Gebietern zum Papste geschickt worden waren. Diese redeten den Florentinern zu, sie sollten auch eine Gesandtschaft bei Sixtus bestellen, indem sie ihre Vermittlung versprachen, um dem Kriege ein Ende zu machen. Die Florentiner weigerten sich nicht, diesen Versuch zu machen, um mindestens ihrerseits darzutun, daß sie den Frieden wünschten. Die Gesandtschaft zog also nach Rom, kehrte aber unverrichteter Dinge zurück. Um nun in der Geneigtheit des Königs von Frankreich eine Stütze zu finden, da sie von den Italienern teils befeindet, teils verlassen sich sahen, sandten sie als Botschafter zu ihm den Donato Acciaiuoli, einen großen Kenner griechischer und lateinischer Literatur, dessen Vorfahren stets eine angesehene Stellung in der Stadt behauptet haben. Dieser aber starb unterwegs zu Mailand, worauf die Republik, um sein Andenken zu ehren und seine Angehörigen zu belohnen, ihn auf Staatskosten würdig beerdigen ließ und seinen Töchtern hinreichende Heiratsgaben aussetzte. An seiner Statt ward darauf Guido Antonio VespucciDie Vespucci waren eine angesehene und begüterte Familie unter den vornehmen Popolanen. Bei seinen Wohnungen in Borgo Ognissanti gründete Simon Vespucci das Spital, welches seit Anfang des 17. Jahrhunderts den Hospitalitern von San Giovanni di Dio übergeben ward. Amerigo Vespucci, dessen Name so berühmt geworden, wurde 1451 geboren. Nach seiner ersten, 1497 unternommenen Entdeckungsreise zuerkannte die Republik seinem Hause die Auszeichnung, Laternen (lumiere) zu haben. Sie brannten drei Tage und Nächte lang. Amerigo starb zu Lissabon 1516. gesandt, ein im Staats- und Kirchenrecht sehr bewanderter Mann. Der vom Herrn Roberto in das pisanische Gebiet gemachte Einfall schreckte die Florentiner sehr, wie es mit unerwarteten Dingen der Fall zu sein pflegt: denn da ihnen auf der sienesischen Seite der Krieg auf dem Nacken saß, so waren sie in Verlegenheit, wie die pisanische Grenze zu decken. Doch kamen sie mit ausgehobenen Truppen und sonstigen Vorkehrungen Pisa zu Hilfe. Um hierbei die Lucchesen geneigt zu erhalten und dem Feinde von dieser Seite Geld und Lebensmittel abzuschneiden, sandten sie zu diesen Piero Capponi, den Sohn Ginos, des Sohnes Neris. Dieser aber ward von den Lucchesen mit so großem Verdacht aufgenommen, wegen des durch alte Feindschaft erzeugten, durch beständige Furcht genährten Hasses dieses Volkes gegen die Florentiner, daß er mehrmals in Gefahr war, auf der Straße ermordet zu werden. So war das Ergebnis seiner Sendung vielmehr neuer Unfriede denn Einigung. Die Florentiner entließen den Markgrafen von Ferrara,Ercole da Este war, wie gesagt, schon Herzog. – Markgraf von Mantua wurde 1478 nach dem Tode Lodovicos da Gonzaga (12. Juni) sein Sohn Federigo. nahmen den Markgrafen von Mantua in ihren Sold und erbaten sich dringend von den Venezianern den Grafen Carlo, Braccios von Montone Sohn, und Deifobo den Sohn des Grafen Jacopo, welche ihnen endlich nach vielem Hin- und Herreden überlassen wurden. Denn da die Venezianer mit den Türken Waffenruhe geschlossen und also keinen Vorwand mehr hatten, so schämten sie sich, die Verpflichtungen des Bündnisses nicht zu erfüllen. Carlo und Deifobo zogen ihnen also mit zahlreicher Mannschaft zu, und nachdem sie mit ihnen die Truppen vereinigt, welche sie von dem gegen den Herzog von Calabrien stehenden Heere nehmen konnten, wandten sie sich nach dem Pisanischen, um dem Herrn Roberto zu begegnen, der mit den Seinen nicht weit vom Serchio stand. Und obgleich er Miene machte, die Unsern erwarten zu wollen, so zog er sich doch vor ihrem Eintreffen aus dem Pisanischen nach seiner frühern Stellung in der Lunigiana zurück, worauf der Graf Carlo alle vom Feinde genommenen Kastelle wieder besetzte.

Nachdem so auf dieser Seite die Ruhe hergestellt war (1479), sammelten die Florentiner ihre gesamte Heeresmacht zwischen Colle und San Gemignano.Im Elsatal, gegen die sienesische Grenze. Da aber nach der Ankunft des Grafen Carlo in diesem Heere Sforzasche und Bracciosche Söldner standen, so merkte man gleich die alte Feindschaft, so daß man befürchtete, sie würden aneinandergeraten, wenn man sie lange zusammenließe. Um nun von zweien Übeln das geringere zu wählen, beschloß man sie zu trennen und eine Abteilung unter dem Grafen Carlo nach dem Peruginischen zu senden, die übrigen aber bei Poggibonzi ein festes Lager beziehn zu lassen, um dem Feind das Einrücken in florentinisches Gebiet zu verwehren. Man glaubte, der Graf Carlo werde entweder Perugia nehmen, wo sein Anhang für stark galt, oder der Papst genötigt sein, die Stadt durch eine bedeutende Macht zu schützen. Um die Verlegenheit des Papstes zu mehren, veranstalteten sie noch, daß Messer Niccolò Vitelli, der vor seinem Gegner Messer Lorenzo aus Città di Castello hatte weichen müssen, diesem Orte mit Truppen sich näherte, um zu versuchen, seinen Feind zu verjagen und der päpstlichen Obergewalt dort ein Ende zu machen. Zu Anfang schien das Glück die Florentiner zu begünstigen, denn der Graf Carlo kämpfte mit Glück auf dem peruginischen Gebiete. Messer Niccolò Vitelli konnte zwar Castello selbst nicht nehmen, behielt aber im Felde die Oberhand und verheerte ohne Widerstand die ganze Umgebung. Auch die bei Poggibonzi gelagerten Truppen streiften bis zu den Mauern Sienas. Demungeachtet wurden am Ende alle diese Aussichten zunichte. Zuerst starb der Graf Carlo mitten in der Siegeshoffnung: ein Todesfall, der den Florentinern sehr vorteilhaft hätte werden können, wären sie geschickter gewesen in der Benutzung der Umstände. Denn kaum hatte man in Perugia des Grafen Tod vernommen, so dachten die dort stehenden päpstlichen Kriegsvölker die Florentiner überraschen zu können, zogen aus und lagerten am See, nicht über drei Millien vom Feinde entfernt. Jacopo Guicciardini seinerseits, der Kommissar der Republik beim Heere, beschloß auf den Rat des erlauchten Roberto von Rimini, welcher nun der erste und angesehenste unter den Hauptleuten war, den Feind zu erwarten, nachdem er den Grund von dessen Kühnheit innegeworden. So kamen sie denn aneinander am Ufer des Sees, und an dem Orte, wo einst Hannibal den Römern jene denkwürdige Niederlage beigebracht, wurden die päpstlichen Truppen geschlagen. In Florenz wurde die Nachricht von den Regierenden mit Lob, von allen mit Freude empfangen, und dieser Sieg würde dem Unternehmen großen Vorteil gebracht haben, hätten nicht die im Lager von Poggibonzi ausgebrochenen Unordnungen alles gestört. So ward, was die einen gutgemacht, von den andern wieder verdorben. Denn da jene Truppen im Sienesischen Beute gemacht, entstand bei der Verteilung Streit zwischen dem Markgrafen von Ferrara und dem von Mantua. Sie griffen zu den Waffen und kämpften mit solcher Erbitterung gegeneinander, daß die Florentiner einsahen, sie könnten beide zusammen nicht ferner gebrauchen, und den Markgrafen von Ferrara mit seinen Scharen nach Hause ziehen ließen.

Als nun das Heer so geschwächt blieb, ohne obersten Führer, alles in Verwirrung, faßte der Herzog von Calabrien, der mit den Seinen in der Nähe von Siena stand, den Entschluß, sie anzugreifen. Wie er es gedacht, führte er es aus. Als die Florentiner den Feind nahen sahen, vertrauten sie weder auf ihre Waffen, noch auf ihre überlegene Zahl, noch auf ihre geschützte Stellung, sondern ergriffen die Flucht, ohne nur den Angriff zu erwarten, beim Anblick schon der von ferne nahenden Staubwolke: alle Munition, alles Gepäck, alle Artillerie ließen sie dem Feinde. So feige waren, so unordentlich damals die Truppen, daß Sieg oder Niederlage davon abhing, ob ein Pferd den Kopf oder den Schweif wandte. Dieses Davonrennen der unsrigen erfüllte die Stadt mit Schrecken, während es den Gegnern reiche Beute gab. Nicht nur der Krieg bedrängte die Stadt, sondern auch die Pest, die so wütete, daß die Bürger, um ihr zu entgehen, sich in die Landhäuser geflüchtet hatten. Dadurch ward der durch die Niederlage erzeugte Schrecken noch gemehrt; denn die Bürger, welche im Pesa- und Elsatal ihre Besitzungen hatten und sich dort befanden, flohen nach jenem Kriegsunglück so rasch sie konnten, nicht nur mit Kindern und Habe, sondern auch mit ihren Landarbeitern in die Stadt. So schien es denn, man fürchte jeden Augenblick einen Angriff auf Florenz selbst. Als die, welchen die Leitung des Krieges oblag, diese Verwirrung sahen, befahlen sie den im Peruginischen befindlichen Truppen, sie sollten das dortige Unternehmen aufgeben und ins Ilsatal rücken, um sich dem Feinde zu widersetzen, der nach dem Siege ungehindert das Land durchstrich. Und obgleich jene Perugia so sehr bedrängten, daß man der baldigen Übergabe der Stadt entgegensah, so wollten doch die Florentiner lieber das Ihre verteidigen, als anderer Gut zu nehmen suchen. So wurde denn jenes Heer von seiner Siegesbahn abgezogen und nach dem Kastell San Casciano, acht Mühen von Florenz, verlegt, indem man anderswo sich nicht halten zu können glaubte, solange die Trümmer des zersprengten Heeres sich nicht gesammelt hätten. Die Feinde andererseits, welche durch den Abzug der Florentiner von Perugia wieder freie Hand bekommen hatten, machten täglich große Beute auf dem Gebiet von Arezzo und Cortona, während das Heer des Herzogs von Calabrien nach dem Siege Poggibonzis und Vicos sich bemächtigt und Certaldo geplündert hatte. Nach diesen Erfolgen verlegten sie das Lager vor Colle, welches in jener Zeit für ein starkes Kastell galt und, da seine Bewohner der Republik treu waren, den Feind solange aufhielt, bis die Truppen sich wieder gesammelt hatten. Da letztere nun bei San Casciano standen und der Herzog fortfuhr, Colle zu bedrängen, beschlossen sie sich ihm zu nähern, sowohl um den Belagerten Mut einzuflößen, als um den Feind in Schach zu halten. Sie brachen also von San Casciano auf und schlugen das Lager bei San Gemignano, fünf Millien von jenem Kastell entfernt, von wo sie mit leichter Reiterei und andern Truppen auf täglichen Streifzügen das Lager des Herzogs sehr beunruhigten. Diese Hilfe genügte indes den Belagerten nicht, so daß sie, am Notwendigsten Mangel leidend, am 13. November sich ergaben, zum großen Mißfallen der Florentiner, wie zur Freude der Feinde, namentlich der Sienesen, die neben dem Haß, den sie gegen die Republik nährten, auf dies Kastell besonders erbost waren.

Schon war es tiefer Winter, und die Kriegsführung sehr schwierig, so daß der Papst und der König entweder, weil sie Aussicht auf Frieden geben wollten, oder um sich der gewonnenen Erfolge in Ruhe erfreuen zu können, den Florentinern dreimonatigen Waffenstillstand mit zehntägiger Bedenkzeit anboten, worauf diese sogleich eingingen. Wie es aber oft geschieht, daß man bei abgekühltem Blute die Wunden mehr fühlt als im Augenblick, wo man sie empfängt, so ließ diese kurze Ruhe die Florentiner die erlittenen Verluste mehr ermessen, und die Bürger waren rückhaltlos in ihren Vorwürfen und enthüllten die während des Krieges begangenen Versehen; sie besprachen die verschleuderten Summen, die ungesetzlichen Auflagen, und dies nicht bloß in Privatkreisen, sondern in öffentlichen Versammlungen. Und einer war beherzt genug, zu Lorenzo de'Medici zu sagen: Die Stadt ist müde und will den Krieg nicht mehr, so daß an Frieden gedacht werden muß. Lorenzo, diese Notwendigkeit einsehend, besprach sich mit den Freunden, die er für die anhänglichsten und verständigsten hielt, und ihr erster Beschluß war, mit neuen Freunden neues Glück zu versuchen, da sie die Venezianer lau und unzuverlässig, den Herzog minderjährig und in häusliche Unruhen verwickelt sahen. Aber sie waren zweifelhaft, wem sie sich in die Arme werfen sollten, dem Papst oder dem König. Nach reiflicher Überlegung entschieden sie sich für die Freundschaft des Königs, als beständiger und sicherer. Denn die kurze Regierungszeit der Päpste, der Wechsel in der Nachfolge, die geringe Furcht der Kirche vor den Fürsten, die geringe Rücksicht, die sie bei ihren Beschlüssen zu nehmen pflegt, ist Ursache, daß ein weltlicher Fürst in einen Papst kein vollkommenes Vertrauen setzen, noch sein Geschick mit Sicherheit an das eines Papstes ketten kann. Denn wer in Krieg und Gefahren des Papstes Freund ist, hat beim Sieg einen Nebenmann, während er bei der Niederlage allein steht. Der Papst nämlich wird durch seine geistliche Macht und Stellung gehalten und geschützt. Nachdem sie nun übereingekommen, daß es das Förderndste sei, den König zu gewinnen, urteilten sie, dies könne nicht besser und sicherer geschehen, als durch die Gegenwart Lorenzos: denn je offner und vertrauender sie sich gegen Ferdinand bezeigten, um so mehr hofften sie früherer Feindschaft ein Ziel setzen zu können. Nachdem also Lorenzo sich zu diesem Gange entschlossen, empfahl er Stadt und Regierung dem Messer Tommaso Soderini, welcher damals Justizgonfaloniere war, verließ Florenz zu Anfang Dezember und meldete von Pisa aus der Signorie den Grund seiner Reise. Um ihn nun zu ehren und ihm eine öffentliche Stellung zu geben, die es ihm leichter machen dürfte, Frieden zu schließen, ernannte ihn die Signorie zum Botschafter des florentinischen Volkes, mit der Vollmacht, ein Bündnis einzugehen, wie es ihm für die Republik am vorteilhaftesten schiene.

Papst Alexander Borgia.

Aus dem Fresko »Auferstehung Christi«, von Bernardino Pinturicchio (1454 – 1513). Rom, Vatikan

In dieser Zeit griffen Roberto da San Severino und Lodovico und Ascanio Sforza, deren Bruder Ottaviano unterdessen gestorben war, von neuem den mailändischen Staat an, um dessen Regierung an sich zu reißen. Da sie Tortona eingenommen, und Mailand und das ganze Herzogtum unter Waffen war, so gab man der Herzogin Bona den Rat, die Sforzas wieder aufzunehmen und ihnen Anteil an der Regierung zu gönnen, um diesen bürgerlichen Kriegen ein Ziel zu setzen. Der Urheber dieses Ratschlusses war Antonio Tassino aus Ferrara, ein Mann von geringer Herkunft, der nach Mailand in den Dienst Galeazzos gelangt, von diesem seiner Gemahlin Bona zum Kammerdiener gegeben ward. Nach des Herzogs Tode stieg dieser, entweder weil er schön an Gestalt war oder wegen verborgener guten Eigenschaften, zu solchem Ansehen bei der Herzogin, daß er beinahe den Staat regierte. Dies mißfiel sehr dem Messer Cecco, dessen natürliche Klugheit durch langes Geschäftsleben noch gemehrt worden war, so daß er überall, wo er vermochte, mittels der Herzogin und der andern Regierungsmitglieder Tassinos Autorität zu mindern suchte. Als dieser es inneward, riet er der Herzogin, die Sforzas wieder aufzunehmen, sowohl um sich an seinen Gegnern zu rächen, als um gegen sie eine Stütze zu haben. Ohne die Sache mit Messer Cecco zu beraten, folgte Madonna Bona seinen Eingebungen. Da sagte jener zur Herzogin: Du hast einen Entschluß gefaßt, welcher mir das Leben rauben wird, dir die Regierung. Dies traf bald darauf ein. Denn der Herzog Lodovico ließ den Simonetta töten, und als bald darauf der Ferrarese aus dem Lande gewiesen ward, erbitterte dies die Herzogin so sehr, daß sie Mailand verließ und die Erziehung ihres Sohnes den Händen Lodovicos anvertraute. Lodovico regierte also allein im Herzogtum Mailand und ward, wie später gezeigt werden wird, Veranlassung zum Ruin, der über Italien hereinbrach.

Lorenzo de'Medici war unterwegs nach Neapel, und die Waffenruhe währte, als gegen alle Erwartung Lodovico Fregoso, der in Sarzana Einverständnisse hatte, durch Trug mit Bewaffneten in diesen Ort eindrang, ihn besetzte und den florentinischen Podestà gefangennahm. Dieser Vorfall erregte in Florenz großes Mißfallen, weil man glaubte, der König Ferdinand habe die Hand im Spiele gehabt. Die Regierenden brachten also bei dem auf sienesischem Gebiete stehenden Herzog von Calabrien Beschwerden vor, daß sie während des Waffenstillstandes von neuem angegriffen worden seien. Der Herzog bemühte sich durch Schreiben und Gesandtschaften darzutun, daß dies ohne seines Vaters und sein Vorwissen geschehen sei. Den Florentinern aber kam ihr Zustand gefahrdrohend vor, da ihre Kassen leer, das Haupt der Regierung in der Gewalt des Königs, während sie mit diesem und dem Papste in alter Fehde, in einer neuen mit Genua, und überdies ohne Freunde wären, indem sie auf Venedig nicht bauten, und von mailändischer Seite, wegen des Unbestands der Regierung, eher fürchteten denn hofften. Hoffnung blieb ihnen nur auf das Ergebnis der Unterhandlungen Lorenzos de'Medici mit dem Könige.

Lorenzo war (1480) zur See in Neapel angelangt, wo er vom Könige nicht bloß, sondern von der ganzen Stadt ehrenvoll und mit großen Erwartungen empfangen ward. Denn da der Krieg lediglich entstanden war, um diesen Mann zu unterdrücken, so hatte die Größe seiner Feinde ihn selbst groß gemacht. Nachdem er vor den König gekommen, sprach er in solcher Weise über die Verhältnisse Italiens, über die Stimmung der Fürsten und Völker des Landes, über das, was man vom Frieden hoffen dürfe, vom Kriege befürchten müsse, daß Ferdinand, nachdem er ihn vernommen, über das Großartige seiner Ansichten, die Gewandtheit seines Geistes und die Richtigkeit seines Urteils in noch höherm Maße erstaunt war, als er früher darüber sich gewundert hatte, daß er allein solchen Angriffen Widerstand geleistet. Darum verdoppelte er die Ehrenbezeigungen und begann zu sinnen, wie er ihn vielmehr zum Freunde zu machen, denn als Feind zu lassen habe. Nichtsdestoweniger hielt er ihn unter mannigfachen Vorwänden vom Dezember zum März, um ihn sowohl wie die Stadt reiflicher zu prüfen. Denn es fehlten in Florenz nicht Feinde Lorenzos, welche wünschten, der König möchte ihn halten und mit ihm verfahren wie mit Jacopo Piccinino, und die unter dem Schein, darüber zu klagen, in der ganzen Stadt davon sprachen, und bei öffentlichen Beratungen dem entgegen waren, was zu Lorenzos Gunsten geschah. Auf solche Weise hatten sie das Gerücht verbreitet, es werde in Florenz eine Regierungsänderung eintreten, wenn der König jenen noch lange in Neapel hielte. Ferdinand ließ nun mit Absicht die Zeit verstreichen, um zu sehen, ob in Florenz Unruhen ausbrechen würden. Als er aber sah, daß alles in Ruhe herging, entließ er ihn am 6. März 1479, nachdem er ihn zuvor durch alle erdenklichen Beweise von Geneigtheit und Aufmerksamkeit gewonnen und immerwährende Einigung zur Erhaltung ihrer Staaten zwischen ihnen stattgefunden. War nun Lorenzo von Florenz als angesehener Mann abgereist, so kehrte er als der größte zurück, und ward von der Stadt mit der Freude empfangen, auf welche seine trefflichen Eigenschaften und seine neuerworbenen Verdienste ihm Anspruch gaben, indem er sein eigenes Leben aufs Spiel gesetzt, um seiner Heimat den Frieden wiederzuschenken. Denn zwei Tage nach seiner Rückkehr ward das Abkommen zwischen der Republik und dem König verkündigt, durch welches beide sich zur Erhaltung der gegenseitigen Staaten verpflichteten, während es dem König freistand, die den Florentinern genommenen Ortschaften herauszugeben, diese dagegen die im Turm zu Volterra gefangenen Pazzi befreien und auf eine gewisse Zeit dem Herzog von Calabrien eine bestimmte Summe Geldes zahlen sollten.

Dieser Friede beleidigte den Papst und die Venezianer aufs äußerste. Denn dem Papste schien es, daß der König ihn mit Geringschätzung behandelt habe, die Venezianer warfen dasselbe den Florentinern vor. Da sie im Kriege einander beigestanden, beschwerten sie sich, am Frieden keinen Teil zu haben. Als man in Florenz von diesem Groll Nachricht erhielt und daran glaubte, besorgte man, der Friede möchte größern Krieges Veranlassung sein. Deshalb beschlossen die Regierenden, die Zahl der an den Staatsgeschäften Teilnehmenden zu vermindern, und bestellten einen Rat von siebzig Bürgern mit größtmöglicher Autorität in den wichtigsten Angelegenheiten. Diese neue Maßregel legte den Neuerungssüchtigen einen Zügel an. Um sich aber das nötige Ansehen zu geben, nahmen sie vorerst den von Lorenzo mit dem Könige geschlossenen Frieden an und bestellten dann eine Gesandtschaft an den Papst, zu welchem sie Messer Antonio Ricasoli und Piero Nasi beorderten. Des Friedens ungeachtet, verließ der Herzog von Calabrien mit seinem Heere Siena nicht, indem er vorgab, er werde durch die Zwietracht unter den Bürgern dort festgehalten, die zu solchem Punkte stieg, daß sie ihn, der außerhalb der Stadt im Quartiere lag, nötigten in die Stadt zu ziehen, indem sie ihn zum Schiedsrichter in ihren Angelegenheiten machten. Der Herzog benutzte die Gelegenheit, legte vielen Bürgern Geldstrafen auf, verurteilte viele zu Gefängnis und Verbannung, einige sogar zum Tode, so daß die Sienesen nicht bloß, sondern die Florentiner auch zu argwöhnen begannen, er wolle sich zum Herrn der Stadt machen. Man wußte dagegen kein Mittel, da Florenz eben erst Freundschaft mit dem König geschlossen und dem Papst und Venedig feind war. Der Verdacht brach sich Bahn nicht bloß beim gesamten Florentiner Volke, das den Kern der Dinge rasch zu erkennen pflegt, sondern auch bei den Regierenden, und jeder versicherte, unsere Stadt sei nie in so großer Gefahr gewesen, ihre Freiheit zu verlieren. Gott aber, der sie stets in ihren Nöten in seinen besondern Schutz genommen hat, ließ ein unerwartetes Ereignis vor sich gehen, welches dem Könige, dem Papst und den Venezianern mehr zu denken gab als die toskanischen Wirren.

Der türkische Sultan Mohammed war mit gewaltiger Macht vor Rhodos gezogen und hatte die Insel mehrere Monate lang belagert. Obgleich aber sein Heer sehr zahlreich und seine Hartnäckigkeit im Angriff groß war, so fand er doch noch größere bei den Belagerten, welche sich mit solcher Tapferkeit gegen ihn verteidigten,Unter dem Ordens-Großmeister Pierre d'Aubusson. daß Mohammed sich genötigt sah, das Unternehmen schmählich aufzugeben. Nachdem er nun Rhodos verlassen, wandte sich ein Teil seiner Flotte unter Achmet Pascha gen Valona, und, sei es daß die Leichtigkeit des Unternehmens ihn reizte, oder daß die Befehle des Herrschers ihn dazu vermochten, beim Vorüberfahren an der italienischen Küste setzte dieser plötzlich viertausend Mann ans Land, welche die Stadt Otranto überfielen, im Nu nahmen, plünderten, und die Einwohner erschlugen.August 1480. Hierauf verstärkten sich die Türken, so gut die Umstände es erlaubten, in der Stadt und im Hafen, ließen tüchtige Reiterei kommen, durchstreiften und verheerten das ganze Land. Als der König diesen Angriff erfuhr und die Größe des Gegners ermaß, sandte er überall Boten, die Kunde davon zu verbreiten und gegen den gemeinsamen Feind Hilfe einzufordern, und rief den Herzog von Calabrien und seine Truppen augenblicklich aus Siena zurück.

So sehr dieser Überfall den Herzog und das übrige Italien verstörte, ebensosehr erfreute er Florenz und Siena, indem es letzterer Stadt schien, sie habe ihre Freiheit wiedergewonnen, ersterer, sie sei aus der Gefahr gerettet, welche sie mit deren Verlust bedrohte. Diese Ansicht mehrte des Herzogs Bedauern, als er Siena verließ, indem er das Schicksal anklagte, ihm durch einen unvernünftigen Zufall die Herrschaft über Toscana entrissen zu haben. Das nämliche Ereignis änderte die Entschlüsse des Papstes, und während er früher den florentinischen Gesandten Gehör verweigert hatte, ward er nun milder, da er jeden von allgemeinem Frieden reden hörte. So versicherte man denn die Florentiner, daß sie beim Papste Verzeihung finden würden, wenn sie geneigt wären, ihn darum zu bitten. Sie wollten die Gelegenheit nicht verlieren und sandten zwölf Abgeordnete, welche der Papst nach ihrem Eintreffen in Rom auf verschiedene Weise hinhielt, bevor er ihnen Audienz gab. Endlich aber verständigten sich die Parteien, wie man künftig gegeneinander sich verhalten, wieviel jeder im Kriege, wieviel im Frieden beisteuern sollte. Dann wurden die Botschafter zu den Füßen des Papstes geführt, welcher, von den Kardinälen umgeben, sie mit ungewöhnlichem Pomp empfing. Jene entschuldigten das Vorgefallene, indem sie es teils auf die Not, teils auf anderer Bosheit, teils auf die Wut und gerechte Erbitterung des Volkes schoben und herausstellten, wie unglücklich die sind, denen keine Wahl bleibt, als Kampf oder Tod. Und wie man alles dulden müsse, um dem Tode zu entgehen, so sei von ihnen Krieg, Interdikt und sämtliches Ungemach erduldet worden, welches die in Rede stehenden Ereignisse über sie hereingeführt, um der Knechtschaft zu entgehen, welche der freien Staaten Tod zu sein pflegt. Wenn sie aber, obgleich unfreiwillig, einen Fehler begangen, so wären sie bereit, ihn abzubüßen, und vertrauten seiner Milde, die nach dem Vorgang des Erlösers bereit sein würde, sie in die erbarmungsvollen Arme aufzunehmen. Auf diese Entschuldigungen erwiderte der Papst mit hochfahrenden und zornigen Worten, indem er ihnen alles vorwarf, was sie gegen die Kirche begangen: um Gottes Geboten treu zu bleiben, sei er indes bereit, ihnen die Verzeihung zu gewähren, welche sie nachsuchten, mit der Warnung jedoch, daß sie zu gehorchen hätten, oder, falls sie den Gehorsam brächen, jene Freiheit, die zu verlieren sie auf dem Punkte gestanden, verlieren würden und mit Recht. Denn jene verdienten die Freiheit, die in guten Werken sich üben, nicht in schlimmen, indem übelangewandte Freiheit sich und andern Nachteil bringe. Gott wenig achten, weniger noch die Kirche, sei nicht die Sache des freien Mannes, sondern des ausschweifenden und mehr zum Übel als zum Guten geneigten, dessen Bestrafung nicht den Fürsten bloß, sondern jedem Christen zustehe. So sollten sie denn des Vergangenen sich selber anklagen, die sie durch schlimmes Handeln den Krieg veranlaßt, durch schlimmeres noch ihn genährt, so daß er vielmehr durch anderer Dazwischentreten, als durch ihr Verdienst sein Ende erreicht habe. Hierauf wurde die Formel des Vertrags und der Wiedersegnung verlesen, worauf der Papst, außer den in der vorhergehenden Besprechung festgesetzten Punkten, hinzufügte, daß, wenn die Florentiner die Früchte des Segens genießen wollten, sie während der ganzen Dauer des türkischen Krieges gegen das Königreich auf ihre Kosten fünfzehn Galeeren gerüstet halten müßten. Die Botschafter beschwerten sich sehr über diese dem Vertrage hinzugefügte Last, konnten sie aber auf keine Weise weder durch Gunst noch durch Klage von sich ablehnen. Nachdem sie aber (1481) nach Hause gekehrt, sandte die Signorie Messer Guid' Antonio Vespucci, der eben von seiner Botschaft nach Frankreich zurück war, zu Papst Sixtus, um den Frieden zu schließen. Dieser erlangte durch seine Klugheit erträgliche Bedingungen und erhielt vom Papste viele Gnadenbezeigungen, was den Anfang besseren Einverständnisses bildete.

Nachdem nun die Florentiner sich mit dem Papste vertragen, Siena gleich ihnen durch den Abzug des Herzogs von Calabrien von der Furcht vor dem Könige befreit war, während der Krieg gegen die Türken seinen Fortgang hatte, lagen sie dem Könige an, er sollte ihnen die Kastelle wiedergeben, welche der Herzog im Besitz von Siena gelassen hatte. Ferdinand besorgte, die Florentiner würden in seiner Not von ihm sich trennen und durch einen Krieg gegen Siena ihn der Hilfe berauben, die er vom Papst und den andern Italienern erwartete. Deshalb befahl er ihnen die Kastelle zu übergeben und verband sich so die Florentiner durch neue Begünstigung. So halten Gewalt und Notwendigkeit, nicht Verschreibungen und Verpflichtungen, die Fürsten an, ihrem Wort nachzukommen. Nachdem die Ortschaften wiedererlangt, die neuen Bündnisse geschlossen waren, sah sich Lorenzo de'Medici wieder im Besitz jenes Ansehens, welches erst durch den Krieg, dann im Frieden, als man dem Könige mißtraute, wankend geworden war. Es fehlte in jener Zeit nicht an solchen, die ihn öffentlich verleumdeten und sagten, um sich zu retten, habe er die Vaterstadt verkauft; im Kriege habe man die Ortschaften verloren, im Frieden werde die Freiheit denselben Weg gehen. Als man aber die Kastelle geschlossen und die Stadt ihr früheres Ansehen wiedergewonnen hatte, da nahm, in einer so redesüchtigen, die Dinge nach dem Ausgange, nicht nach der Absicht beurteilenden Stadt wie Florenz, das Gespräch eine andere Wendung. Man pries Lorenzo bis zum Himmel; man sagte, seine Klugheit habe im Frieden gewonnen, was Glückes Ungunst im Kriege verloren, und sein Rat und Urteil habe mehr vermocht, als der Feinde Macht und Waffen.

Der türkische Angriff hatte den Krieg verzögert, welcher infolge des Grolls des Papstes und der Venezianer über den geschlossenen Frieden auszubrechen drohte. Wie aber der Anfang dieses Angriffs unverhofft war und viel Gutes veranlaßte, so war der Ausgang unerwartet und Ursache großen Übels. Denn Sultan Mohammed starb plötzlich, und da unter seinen Söhnen Uneinigkeit ausbrach, so übergaben die in Apulien gebliebenen, von ihrem Heere verlassenen Truppen Otranto durch Kapitulation dem König. Nachdem dieser Grund zu Besorgnis weggeräumt worden, welcher den Papst und Venedig in Spannung gehalten, fürchtete jedermann neue Verwirrung. Einerseits standen der Papst und die Venezianer, mit ihnen im Bunde Genua, Siena und kleinere Staaten. Die Florentiner aber waren vereint mit dem Könige und dem Herzog von Mailand; überdies schlossen sich ihnen die Bologneser an und viele andere Herren. Die Venezianer wünschten sich Ferraras zu bemächtigen und glaubten zu diesem Unternehmen vernünftigen Grund und sichere Aussicht auf Erfolg zu haben. Der Grund war, weil der Markgraf sich weigerte, fernerhin den Visdomine von ihnen zu empfangen und das Salz bei ihnen zu kaufen, da ein Vertrag festgesetzt hatte, daß nach siebzig Jahren diese Verpflichtungen aufhören sollten. Andererseits entgegneten die Venezianer, solange er das Polesine besetzt halte, müsse er zu beidem sich bequemen. Da nun der Markgraf nicht darauf eingehen wollte, glaubten jene gerechte Veranlassung zu haben, zu den Waffen zu greifen, während der Zeitpunkt ihnen geeignet schien, da sie den Papst heftig zürnend sahen auf Florenz und den König. Um diesen noch mehr zu gewinnen, empfingen sie den Grafen Girolamo, als er (1482) ihre Stadt besuchte, aufs ehrendste und verliehen ihm ihr Bürger- und Adelsrecht, für jeden, wer es auch sein möge, eine große Auszeichnung. Um zum Kriege bereit zu sein, hatten sie neue Zölle ausgeschrieben und zu ihrem Feldhauptmann den Herrn Roberto da San Severino gemacht, welcher, erzürnt auf Lodovico Sforza, den Regierer im Herzogtum Mailand, nach Tortano geflohen und von dort, nachdem einige Unruhen stattgefunden, nach Genua gegangen war, von wo die Venezianer ihn als obersten Feldherrn beriefen.

Lodovico Sforza.

Tafelbild von Giovanni Antonio Boltraffio (Schüler Lionardos da Vinci, 1467 – 1516). Hannover, Provinzialmuseum

Als der andere Bund diese Vorbereitungen inneward, bereitete auch er sich zum Kriege. Der Herzog ernannte zum Feldhauptmann den Herrn Federigo von Urbino, die Florentiner den Herrn CostanzoSforza, Neffe des ersten Herzogs von Mailand. Galeotto Malatesta, Herr von Rimini, hatte Constanzo's Vater, Alessandro, Pesaro abgetreten. von Pesaro. Um die Gesinnung des Papstes zu erproben und sich zu vergewissern, ob der Angriff der Venezianer auf Ferrara mit seiner Einwilligung stattfände, sandte König Ferdinand den Herzog von Calabrien mit seinem Heere über den Tronto und verlangte den Durchzug, um dem Markgrafen zu Hilfe zu ziehen, was der Papst rund abschlug. Da auf solche Weise der König und Florenz seine Gesinnung sicher erkannt zu haben glaubten, beschlossen sie ihn zu drängen, um ihn entweder zu nötigen, sich auf ihre Seite zu schlagen, oder wenigstens ihn so zu beschäftigen, daß er den Venezianern keinen Beistand leisten könnte. Denn schon waren diese im Felde, hatten des Markgrafen Land verheert und dann Figarolo zu berennen begonnen, ein nicht unbedeutendes Kastell. Nachdem also der König und die Florentiner den Angriff auf den Papst beschlossen, zog Herzog Alfonso in die Nähe Roms und fügte mit Hilfe der Colonnesen, die mit ihm sich verbündet, weil die Orsini auf des Papstes Seite getreten waren, dem Lande großen Schaden zu. Zu gleicher Zeit griffen die florentinischen Truppen unter Messer Niccolò Vitelli Città di Castello an, nahmen die Stadt, aus welcher sie den mit dem Papste haltenden Messer Lorenzo vertrieben, und machten jenen gleichsam zum Fürsten.

Nun befand sich der Papst in größter Verlegenheit, denn die Stadt war von Parteien zerrissen, das Land durch den Feind verheert. Aber als beherzter Mann, der siegen und nicht dem Gegner weichen wollte, ernannte er zu seinem Feldhauptmann den erlauchten Roberto von Rimini und beschied ihn nach Rom, wo er ihm die gesammelten Streitkräfte zeigte und ihm die Ehre andeutete, welche er sich erwerben würde, wenn er, einem Könige gegenüber, die Kirche aus den Nöten rettete, in denen sie sich befand; wie nicht nur er, sondern alle seine Nachfolger, ihm verpflichtet sein würden und nicht Menschen, sondern Gott allein ihm vollen Lohn gewähren könnte. Der Herr Roberto, nachdem er die päpstliche Mannschaft und allen Kriegsbedarf sich besehen, riet, so viel Fußvolk zu werben als nur immer möglich, was in größter Eile und mit gleichem Eifer geschah. Der Herzog von Calabrien stand so nahe bei der Stadt, daß er täglich bis zu den Toren streifte und plünderte, was den Zorn des Volkes so erregte, daß viele sich anboten, unter dem Herrn Roberto zu dienen, und von ihm mit Dank angenommen wurden. Als der Herzog von diesen Rüstungen vernahm, zog er sich etwas von der Stadt zurück, indem er glaubte, der Herr Roberto würde nicht den Mut haben, ihn dann anzugreifen; zum Teil aber auch, weil er seinen Bruder Federigo erwartete, welchen ihm der König mit frischer Mannschaft sandte. Als der päpstliche Feldherr seine Reiterei der des Herzogs an Zahl beinahe gleich, sein Fußvolk aber jenem überlegen sah, verließ er Rom in Kampfordnung und schlug zwei Millien vom Feinde das Lager. Der Herzog, der gegen seine Erwartung die Feinde heranrücken sah, erkannte, daß er nun eine Schlacht liefern oder, wie ein Flüchtiger, den Rücken wenden müsse. Um nun nichts zu tun, was einem Königssohn Schande bringen könnte, beschloß er zu kämpfen: er zeigte dem Feinde die Stirn, beide stellten ihre Truppen in der damals gebräuchlichen Ordnung auf und der Kampf begann, der bis Mittag währte. Diese SchlachtAuf den Feldern von Campomorto in der Campagna, gegen 30 Millien von Rom, links vom Wege, der von Albano nach Porto d'Anzo und Nettuno führt. Die Niederlage des Herzogs von Calabrien (21. August 1482) gab der Gegend, welche in mittelalterlichen Urkunden S. Petrus in Formis heißt, ihren gegenwärtigen Namen. Alfons floh nach Nettuno, von wo er zu Wasser nach Terracina gelangte. ward mit größerer Tapferkeit durchgefochten, als irgendeine in Italien seit fünfzig Jahren. Denn die beiden Heere zusammen verloren über tausend Tote. Das Ende aber war glorreich für die Kirche, denn die päpstlichen Fußvölker setzten der königlichen Reiterei so sehr zu, daß diese genötigt war, das Feld zu räumen. Der Herzog selbst würde in Gefangenschaft geraten sein, wäre er nicht durch die Türken gerettet worden, welche in seinem Heere kämpften, Überbleibsel derer, welche Otranto besetzt gehalten hatten. Nachdem der Herr Roberto diesen Sieg errungen, zog er wie ein Triumphator nach Rom zurück. Aber er genoß seinen Ruhm nicht lange. Denn da er in der Hitze und dem Gewühl des Tages viel Wasser getrunken, zog er sich eine Krankheit zu, die ihn in wenigen Tagen wegraffte. Der Papst ehrte seine Leichenfeier auf alle Weise. Nach diesem Siege sandte der Papst sogleich den Grafen Girolamo nach Città di Castello, um zu versuchen, diese Stadt für Messer Lorenzo Vitelli wiederzugewinnen. Auch trug er ihm auf, zu sehen, ob er sich Riminis bemächtigen könnte. Denn, da der erlauchte Herr Roberto nur einen kleinen Sohn hinterlassen, welcher der Obhut der Mutter anvertraut war, so schien es leicht, die Stadt zu nehmen. Es würde auch gelungen sein, hätten nicht die Florentiner die Witwe unterstützt. Diese trafen ihre Maßregeln so gut, daß des Papstes Anschläge auf Città di Castello wie auf Rimini mißlangen.

Während dies im Römischen und in der Romagna sich ereignete, hatten die Venezianer Figarolo eingenommen und den Po überschritten. Das Lager des Herzogs und des Markgrafen war in Unordnung, denn Federigo von Urbino hatte sich, schwer erkrankt, nach Bologna bringen lassen, wo er starb. So stand es mit der Sache des Markgrafen schlecht, und mit jedem Tage stieg die Hoffnung der Venezianer, Ferrara zu nehmen. Der König und die Florentiner taten ihrerseits das Mögliche, den Papst umzustimmen, und da es ihnen nicht gelungen, ihn durch Waffen zu nötigen, so bedrohten sie ihn mit dem Konzil, welches der Kaiser schon für Basel angesetzt hatte. Die kaiserlichen Gesandten in Rom und die angesehensten Kardinäle, welche sich nach Frieden sehnten, brachten es endlich dahin, daß der Papst an Versöhnung und an die Einigkeit Italiens dachte. Halb aus Besorgnis, halb aus Eifersucht auf die Venezianer, deren steigende Macht die Kirche und Italien mit dem Untergang bedrohte, wollte der Papst sich dem Bunde anschließen und ließ Gesandte nach Neapel abgehen. Dort wurde das Bündnis zwischen dem Papst, dem König, dem Herzog von Mailand und Florenz auf fünf Jahre geschlossen, indem den Venezianern der Beitritt anheimgestellt ward.Auf Veranlassung dieses Friedens baute Papst Sixtus die Kirche Santa Maria della pace in Rom. Nachdem dies geschehen, ließ Sixtus letztere wissen, sie hätten sich ferneren Krieges gegen Ferrara zu enthalten. Statt sich dieser Weisung zu fügen, verstärkten jene ihre Macht. Nachdem sie die herzoglichen und markgräflichen Truppen bei Argenta geschlagen, hatten sie sich Ferrara so genähert, daß ihre Zelte im Park des Markgrafen aufgestellt waren.

Die Verbündeten beschlossen nun (1483) nicht länger zu zögern, dem Bedrohten kräftige Hilfe zugehen zu lassen, und der Herzog von Calabrien rückte mit königlicher und päpstlicher Mannschaft nach Ferrara. Auch die Florentiner sandten alle ihre Leute hin und, um die Leitung des Krieges besser zu ordnen, ward eine Zusammenkunft zu Cremona gehalten, wo der Legat des Papstes, der Graf Girolamo, der Herzog von Calabrien, der Herr Lodovico Sforza, Lorenzo de'Medici und andere italienische Fürsten sich einfanden. Hier wurden alle Angelegenheiten besprochen und festgestellt. Und da man der Ansicht war, daß Ferrara nicht besser Hilfe zu leisten sei, als, indem man dem Feind eine starke Diversion mache, so wollten sie Lodovigo Sforza bewegen, für den mailändischen Staat mit den Venezianern Krieg zu beginnen. Dieser aber lehnte es ab, indem er sich scheute, ein Unwetter sich auf den Hals zu laden, das er nicht bald los werden würde. Deshalb beschlossen sie mit sämtlichen Truppen bei Ferrara haltzumachen, und nachdem sie viertausend Reiter und achttausend Mann zu Fuß zusammengebracht, beschlossen sie, die Venezianer anzugreifen, welche zweitausendzweihundert Reiter mit sechstausend Fußsoldaten musterten. Zuerst warfen sie sich auf die venezianische Flotte, die im Po lag und die sie bei Bondeno so schlugen, daß mehr denn zweihundert Schiffe verlorengingen und der Proveditore Messer Antonio Giustiniani gefangen ward. Als die Venezianer ganz Italien gegen sich unter Waffen sahen, nahmen sie, um ihr Ansehen zu erhöhen, den Herzog von Lothringen mit zweihundert Reitern in ihren Sold. Nachdem sie nun jenen Verlust erlitten, sandten sie diesen mit einem Teil des Heeres, den Feind in Schach zu halten; ihre übrigen Kriegsvölker aber ließen sie unter Roberto da San Severino über die Adda gehen, Mailand sich nähern und den Namen des Herzogs und seiner Mutter, Madonna Bona, ausrufen. Auf solche Weise glaubten sie in Mailand Unruhe zu stiften, in der Meinung, daß Lodovico Sforza und seine Herrschaft dort verhaßt wären. Dieser Zug veranlaßte anfangs Schrecken genug und brachte die Stadt unter Waffen; am Ende aber hatte er eine Wirkung, die den Wünschen der Venezianer schnurstracks entgegenlief. Denn der Herr Lodovico wurde durch diesen Schimpf dazu gebracht, das zu tun, was er vorher zu tun sich geweigert hatte. Indem man nun dem Markgrafen von Ferrara die Verteidigung seines Staates überließ, mit viertausend Reitern und zweitausend Fußknechten, fiel der Herzog von Calabrien mit zwölftausend Reitern und fünftausend Fußsoldaten ins Bergamaskische, dann ins Brescianische, endlich ins Veronesische ein und besetzte das ganze Land, ohne daß die Venezianer irgendwie zu helfen vermochten. Denn Roberto da San Severino rettete mit genauer Not die drei Städte. Der Markgraf hatte seinerseits bedeutende Fortschritte gemacht, denn der Herzog von Lothringen, der ihm gegenüberstand, war ihm mit seinem zusammengeschmolzenen Heere nicht gewachsen. So waren im Jahre 1483 die Kriegsereignisse glücklich für die Verbündeten.

Als der Frühling des folgenden Jahres (1484) gekommen, nachdem man den Winter hindurch gefeiert hatte, rückten die Heere ins Feld. Um die Venezianer rascher bezwingen zu können, hatten die Verbündeten ihre sämtlichen Truppen vereint, und wäre es mit dem Kriege gegangen wie im vorigen Jahre, so wäre es um die lombardischen Besitzungen der Republik geschehen gewesen. Denn sie musterte nicht mehr als sechstausend Reiter und fünftausend Fußsoldaten, und hatte gegen sich dreizehntausend und sechstausend. Der Herzog von Lothringen war überdies, da das Jahr seines Solddienstes vorüber, nach Hause gezogen. Es geschieht aber oft, daß dort, wo mehrere von gleicher Autorität nebeneinander stehen, die Uneinigkeit dem Gegner den Sieg verleiht. Denn nachdem Federigo Gonzaga, Markgraf von Mantua, gestorben war,Ihm folgte Gian Francesco II. Gonzaga, der in der berühmten Schlacht am Taro (bei Fornuovo) gegen Carl VIII. befehligte. der durch sein Ansehen den Herzog von Calabrien und Lodovico Sforza einträchtig hielt, begannen unter diesen verschiedene Meinungen, aus verschiedenen Meinungen Eifersucht sich zu erzeugen. Giovan Galeazzo, Herzog von Mailand, war nämlich schon in den Jahren, die ihn zur Übernahme der Regierung befähigten, und da er die Tochter des Herzogs von Calabrien zur Gemahlin hatte, verlangte dieser, daß nicht Lodovico, sondern sein Schwiegersohn regieren sollte. Da Lodovico des Herzogs Wünsche kannte, beschloß er ihn außer Stand zu setzen, deren Erfüllung zu fördern. Die Venezianer, welche um Lodovicos Argwohn wußten, benutzten diesen Umstand und hofften, wie sie es stets getan, durch den Frieden zu siegen, nachdem sie im Kriege verloren. So schlossen sie denn mit dem Herrn Lodovico heimlich einen Vertrag, der im August 1484 bekanntgemacht ward.Friede von Bagnolo, 7. Aug. 1484. Als die übrigen Verbündeten Kunde davon erhielten, waren sie sehr ungehalten. Denn den Venezianern war die Rückgabe der ihnen genommenen Länderstriche zugesichert, während sie Rovigo und das Polesine, welches sie dem Markgrafen von Ferrara genommen, und alle jene Vorrechte behalten sollten, die sie von alters her vor andern Städten gehabt hatten. Alle waren der Meinung, daß sie einen Krieg geführt, in welchem sie viel ausgegeben, in dessen Verlauf sie Ehre, bei dessen Ausgang sie Schande erworben, indem sie das Gewonnene herausgeben mußten, das Verlorene nicht wiedererhielten. Dennoch waren sie zur Annahme genötigt, indem sie die Kosten nicht mehr tragen konnten und das Glück nicht mehr den Irrungen und der Ehrsucht andrer anvertrauen wollten.

Währenddessen ließ der Papst durch Messer Lorenzo Vitelli Città di Castello belagern, um Niccolò zu vertreiben, welchen die Verbündeten im Stiche gelassen hatten, um Sixtus auf ihre Seite zu ziehen. Niccolòs Parteigenossen aber machten einen Ausfall und schlugen die Feinde in die Flucht. Darauf berief der Papst den Grafen Girolamo aus der Lombardei zurück nach Rom, um sich zu verstärken und das genannte Unternehmen durchzusetzen. Da es ihm aber besser schien, mit Messer Niccolò ein Abkommen zu treffen, statt ihn von neuem anzugreifen, so verständigte er sich mit ihm und versöhnte ihn dann so gut es ging mit Messer Lorenzo. Dazu bewog ihn mehr die Besorgnis vor neuen Unruhen, als die Liebe zum Frieden, denn er sah zwischen den Colonna und den Orsini neue Zwietracht entstehen. Der König von Neapel hatte im Kriege mit dem Papste den letzteren ihre Grafschaft Tagliacozzo genommen und sie den Colonna verliehn, die auf seiner Seite kämpften. Nachdem aber Friede geschlossen worden, verlangten die Orsinen sie zurück, wie die Einigung es bestimmt hatte. Zu verschiedenen Malen forderte der Papst die Colonna auf, sie sollten das Lehen herausgeben, diese aber waren weder durch der andern Bitten, noch durch des Papstes Drohungen dazu zu vermögen, sondern beleidigten im Gegenteil die Orsini von neuem durch Streifzüge und ähnliche Feindseligkeiten. Da nun der Papst dies nicht dulden wollte, ließ er seine Truppen mit den Orsinischen vereint gegen sie ziehn, plünderte ihre Wohnungen in Rom, ließ die, welche sie verteidigen wollten, gefangen nehmen und töten und nahm ihnen ihre meisten Burgen. So hörte der Tumult nicht durch Frieden auf, sondern durch Unterdrückung einer der Parteien.

Auch in Genua und in Toscana war es nicht ganz ruhig. Denn die Florentiner hielten den Grafen Antonio von Marciano mit Mannschaft an der Grenze bei Sarzana und belästigten die Sarzanesen durch Streifzüge und kleine Gefechte, während der lombardische Krieg währte. In Genua wurde der Doge Batistino Fregoso, der auf den Erzbischof Paolo Fregoso sein Vertrauen setzte, mit Frau und Kindern von diesem gefangengenommen, worauf Paolo sich selber zum Dogen machte. Überdies hatte die venezianische Flotte die neapolitanische Küste von neuem angegriffen, Gallipoli besetzt und verheerte die umliegende Gegend. Nach dem Friedensschluß in der Lombardei legten sich indes alle diese Tumulte, ausgenommen in Toscana und Rom. Denn fünf Tage nach der Bekanntmachung desselben starb der Papst, sei es, weil das Ziel seiner Tage gekommen, oder weil der Schmerz über den Frieden ihn, den Feind des Friedens, tötete. So ließ er denn doch das Land in Ruhe, welches er lebend in immerwährender Unruhe gehalten. Kaum war er tot, so war Rom unter Waffen. Der Graf Girolamo zog sich mit seiner Mannschaft in das Kastell zurück; die Orsini besorgten, die Colonna möchten die frischen Beleidigungen rächen wollen. Die Colonna verlangten Häuser und Burgen zurück, so daß in wenigen Tagen die Stadt mit Raub, Mord und Brand gefüllt war. Nachdem aber die Kardinäle den Grafen veranlaßt, das Kastell in ihre Gewalt zu geben, nach seinen Staaten sich zu verfügen und die Stadt von seinen Truppen zu befreien: gehorchte dieser, welcher sich den künftigen Papst geneigt zu machen wünschte, überlieferte die Burg und zog nach Imola. Als nun das Kastell diese Besorgnis los, die Barone dieser Stütze beraubt waren, schritt man zur Wahl des neuen Papstes. Nach einigen Schwankungen wählte man Giovanni Batista Cybò aus Genua, Kardinal von Molfetta, welcher vermöge seines menschenfreundlichen und friedlichen Charakters die Niederlegung der Waffen erlangte und für den Augenblick Rom beruhigte.

Die Florentiner aber konnten die Schmach nicht verschmerzen, daß ein einzelner Edelmann ihnen Sarzana genommen. Und da im Friedensvertrag stand, man dürfe nicht bloß das Verlorene zurückverlangen, sondern auch im Falle des Widerspruchs Krieg beginnen, so bereiteten sie sich sogleich mit Geld und Mannschaft zu diesem Unternehmen. Agostino Fregoso aber, welcher Sarzana besetzt hielt und mit seinen geringen Mitteln einen solchen Angriff nicht aushalten zu können vermeinte, gab den Ort der Bank von San Giorgio. Da ich San Giorgios und Genuas so oft erwähnt, scheint es mir nicht am unrechten Ort, die Verfassung dieser Stadt zu beschreiben, welche eine der vornehmsten in Italien ist. Nachdem die Genuesen mit Venedig Frieden geschlossen, nach jenem entscheidenden Kampfe, der lange Jahre zuvor zwischen ihnen stattgefunden hatte, sah sich die Republik außerstande, jene Bürger zu befriedigen, welche große Geldsummen vorgestreckt hatten, und verlieh ihnen daher die Einkünfte des Zollamts, mit der Bestimmung, daß jeder nach Maßgabe seiner ursprünglichen Forderung an diesen Einkünften teilnehmen sollte, bis die Schuld abgetragen sein würde. Als Versammlungsort räumten sie ihnen die große, über dem Zollamt gelegene Halle ein. Diese Gläubiger ordneten nun eine regelmäßige Verwaltung an, indem sie einen Rat von hundert ihrer Mitglieder zur Besprechung der öffentlichen Angelegenheiten und einen ausübenden obern Magistrat von acht Bürgern ernannten, die Forderungen in Lose teilten, die den Namen Luoghi erhielten und die ganze Anstalt unter den Schutz des hl. Georg stellten. Nachdem die Sachen in dieser Weise geordnet waren, bedurfte die Gemeinde neuer Geldmittel und sprach San Giorgio wiederum an. Reich und gut verwaltet, konnte die Anstalt ihre Wünsche erfüllen. Die Gemeinde dagegen, wie sie zuerst die Zölle jenen überlassen, verpfändete ihnen jetzt Ländereien, und so ist es bei dem Geldbedarf der Stadt und den Diensten der Gesellschaft von San Giorgio dahingekommen, daß letztere den größern Teil der unter Genuesischer Herrschaft stehenden Orte und Städte unter ihrer Verwaltung hat, so daß sie dieselben regiert und schützt und jährlich nach öffentlicher Abstimmung ihre Beamten hinsendet, ohne daß die Gemeinde eine Mühewaltung dabei hat. Daher kommt es, daß die Anhänglichkeit der Bürger von der Gemeinde auf San Giorgio übergegangen ist, indem man dort Willkür, hier geregelte Verwaltung gefunden. Daher die leichten Staatsumwälzungen, bald die Herrschaft eines Bürgers, bald eines Fremden, indem nicht San Giorgio, sondern die Gemeinde das Regiment wechselt. In den Kämpfen zwischen Fregosen und Adornen, wo es sich um die Herrschaft über die Gemeinde handelt, hält die größere Zahl der Bürger sich zurück und läßt diese dem Sieger zur Beute. Die Bank von San Giorgio tut nichts anders dabei als den, welcher das Ruder ergriffen hat, die Befolgung ihrer Gesetze schwören zu lassen, die bis heute nicht verändert worden sind. Denn da die Bank Geld und Waffen und Staat hat, so könnte eine solche Umänderung nicht ohne die Gefahr eines ohne Zweifel gefahrvollen Aufstandes unternommen werden. Es ist gewiß ein seltenes Beispiel, wie es keinem Philosophen in ihren vielen geträumten und dagewesenen Republiken vorgekommen, dies Nebeneinanderstehen, in demselben Kreise, in derselben Stadt, von Freiheit und Tyrannei, von gesetzlichem und gesetzlosem Leben, von Gerechtigkeit und Lizenz. Denn jene Anstalt allein bewahrt in Genua die alten, ehrenvollen Sitten. Geschähe es aber, was mit der Zeit unausbleiblich ist, daß die ganze Stadt San Giorgio anheimfiele, so würde eine solche Republik noch merkwürdiger sein als die venezianische.

Dieser Bank von San Giorgio also wurde Sarzana von Agostino Fregoso übertragen. Sie übernahm den Ort gerne, sorgte für dessen Verteidigung, ließ sogleich eine Flotte auslaufen und sandte Mannschaft nach Pietrasanta, um dem in der Nähe befindlichen florentinischen Lager den Zuzug abzuschneiden. Die Florentiner hingegen wünschten, Pietrasanta zu nehmen, da der Besitz von Sarzana ohne dieses zwischen dem genannten Ort und Pisa gelegene Kastell ihnen wenig nutzte. Sie hatten aber keinen triftigen Grund Pietrasanta anzugreifen, wenn sie nicht etwa von den Bewohnern an der Eroberung Sarzanas gehindert wurden. Um diese nun dazu zu verleiten, sandten sie von Pisa aus eine große Ladung Munition und Lebensmittel nach dem Lager, unter schwacher Bedeckung, damit die geringe Mannschaft die Pietrasantiner nicht schrecken, die reiche Beute sie verlocken möchte, sie anzugreifen. Wie sie es geplant, geschah es. Die von Pietrasanta, so leichten Gewinn erblickend, nahmen den Zug weg. Nun hatten die Florentiner eine rechtmäßige Veranlassung zum Angriff und, Sarzana beiseite lassend, lagerten sie vor Pietrasanta, welches von zahlreicher Mannschaft tapfer verteidigt ward. Außerdem, daß die Artillerie in der Ebene aufgestellt ward, warfen die Belagerer auch auf einem nahen Hügel eine Schanze auf, um von dort dem Kastell zuzusetzen. Kommissar des Heeres war Jacopo Guicciardini. Während man bei Pietrasanta kämpfte, nahm und verbrannte die genuesische Flotte die Burg von Vada und setzte dort Truppen ans Land, die alles umher verwüsteten. Gegen diese sandte man mit Reitern und Fußvolk Messer Bongianni Gianfigliazzi, welcher die Frechheit dieser Leute zügelte, so daß ihre Streifzüge einigermaßen gehemmt wurden. Die Flotte aber legte sich vor Livorno und griff mit fliegenden Brücken und andern Kriegsmaschinen den neuen Turm an, den sie mehrere Tage lang beschoß. Als sie aber sah, daß es zu nichts half, entschloß sie sich zu schmählichem Abzug.

Bernardo del Nero (?).

Tafelbild von Ridolfo Ghirlandaio (1484 – 1561). London, Nationalgalerie

Bei Pietrasanta wurde träge gekämpft, so daß die Feinde ermutigt die Schanze angriffen und nahmen. Dies brachte ihnen so großen Ruhm und setzte das florentinische Heer dermaßen in Furcht, daß es drauf und dran war, auseinanderzulaufen. Es zog sich vier Millien vom Ort zurück, und da bereits der Oktober gekommen, urteilten die Anführer, es sei gut, die Winterquartiere zu beziehen und die Belagerung auf das folgende Jahr aufzusparen. Als man in Florenz diese schlechten Erfolge vernahm, waren die Regierenden mit Zorn erfüllt, und um Ordnung und Kraft zurückzuführen, ernannten sie zu neuen Kommissarien Antonio Pucci und Bernardo del Nero, welche mit bedeutenden Geldmitteln ins Lager sich begaben und die Hauptleute mit dem Unwillen der Signorie, der Gewalthaber und der ganzen Stadt bedrohten, wenn man nicht mit dem Heer zu den Mauern zurückkehrte. Sie stellten ihnen vor, welche Schmach es für sie sein würde, wenn so viele Hauptleute und eine so beträchtliche Mannschaft einen so schwachen und von geringer Besatzung verteidigten Ort nicht zu nehmen imstande wären. Sie deuteten auf die augenblicklichen und künftigen Vorteile hin und sprachen so gut, daß sie die Gemüter entflammten und die Truppen zur Wiederaufnahme der Belagerung, vorerst aber zur Wiedereroberung der Schanze vermochten. Hier erkannte man, wieviel Freundlichkeit und Güte und geneigte Worte bei den Truppen vermögen: denn indem Antonio Pucci den einen Soldaten ermunterte, dem andern Versprechungen machte, dem dritten die Hand reichte, den vierten umarmte, brachte er es dahin, daß sie den Angriff mit solchem Feuer unternahmen, daß die Schanze in einem Nu erobert war. Es ging indes nicht ohne Verlust ab, denn der Graf Antonio von Marciano wurde durch einen Schuß getötet. Dieser Sieg schreckte die Belagerten so, daß sie von Kapitulation zu sprechen begannen. Um der Sache größere Bedeutung zu geben, verfügte sich Lorenzo de'Medici nach dem Lager und binnen wenigen Tagen erfolgte die Übergabe. Nun war der Winter da, so daß die Hauptleute beschlossen, dem Feldzuge für jetzt ein Ende zu machen und bessere Jahreszeit abzuwarten, um so mehr als die schlechte Luft viele Krankheiten im Heere erzeugt hatte und mehrere der Anführer gefährlich darniederlagen, unter ihnen Antonio Pucci und Bongianni Giafigliazzi, welche bald darauf starben, zu großen Leidwesen aller, da Antonio durch sein Verhalten bei jenen Vorfällen sich allgemein beliebt gemacht hatte. Nachdem die Florentiner Pietrasanta erobert, sandten die Lucchesen Abgeordnete zu ihnen, um den Ort zurückzufordern, welcher ehemals ihrer Republik gehört, indem sie angaben, daß es zu den Vertragsbedingungen gehöre, daß man alle Ortschaften, die einer dem andern abnehme, dem ursprünglichen Herrn wiedergeben müsse. Die Florentiner stellten dieses Übereinkommen nicht in Abrede, erwiderten aber, sie wüßten nicht, ob sie nicht in den mit Genua schwebenden Friedensunterhandlungen Pietrasanta wieder herauszugeben haben würden, weshalb sie auch bis dahin keinen Beschluß darüber fassen könnten. Müßten sie den Ort aber ihnen ausliefern, so wären die Lucchesen gleichmäßig verpflichtet, ihnen die Kosten, wie den durch so vieler Bürger Tod veranlaßten Schaden zu ersetzen. Täten sie dies, so dürften sie hoffen wieder in den Besitz zu gelangen.Der Ort blieb der Republik bis 1494, wo bei Gelegenheit des Zuges Carls VIII. Pietrasanta nebst Pisa u. a. Vesten ihm übergeben ward. Die Franzosen verkauften 1496 den Ort den Lucchesen und erst 1513 gelangten durch Vermittlung Leos X. die Florentiner wieder in den Besitz, der ihnen seitdem blieb. So verging der ganze Winter in Friedensunterhandlungen zwischen Florenz und Genua, woran der Papst teilnahm. Da man sich indes nicht einigte, so würden die Florentiner beim Frühlingsanfang Sarzana angegriffen haben, wären sie nicht durch die Krankheit Lorenzos de'Medici und einen neuen Krieg zwischen dem Könige von Neapel und der Kirche daran gehindert worden. Denn Lorenzo ward nicht nur von dem Erbübel seines Vaters, der Gicht, sondern auch von heftigem Magenkrampf dermaßen angefallen, daß er sich genötigt sah, in einem Bade Heilung zu suchen.

Von größerem Belange noch war der Krieg (1485), der folgenden Ursprung hatte. Die Stadt Aquila stand zu dem Königreich in einem Verhältnisse, welches ihr beinahe völlige Freiheit ließ. Der Graf von Montorio genoß dort großes Ansehen. Nahe am Tronto stand mit seinen Truppen der Herzog von Calabrien, unter dem Vorwande, einigen Unruhen ein Ende machen zu wollen, welche unter dem Landvolk entstanden waren, in Wahrheit aber, um den Versuch zu machen, Aquila dem Könige völlig zu unterwerfen. Darum ließ er den Grafen zu sich entbieten, als bedürfte er seiner in der fraglichen Angelegenheit. Dieser ging ohne Verdacht zu hegen, ward aber vom Herzoge sogleich gefangengenommen und nach Neapel gesandt. Als die Sache in Aquila bekannt wurde, geriet die gesamte Stadt in Aufregung: das Volk ergriff die Waffen, Antonio Concinello, der königliche Kommissar, wurde ermordet, mit ihm mehrere Bürger, die man im königlichen Interesse glaubte. Um nun einen Beschützer zu haben, pflanzten die Aquilaner das Banner der Kirche auf und sandten Abgeordnete zum Papst, sich und die Stadt ihm zu übergeben, mit der Bitte, sie, als ihm gehörend, gegen die Tyrannei zu schützen. Der Papst, welcher König Ferdinand aus öffentlichen und persönlichen Gründen haßte, nahm sich ihrer mutig an, und da der Herr Roberto da San Severino mit Mailand zerfallen und ohne Kriegsdienst war, so nahm er diesen in seinen Sold und ließ ihn in größter Eile nach Rom kommen. Überdies ermunterte er die Verwandten und Freunde des Grafen von Montorio gegen den König aufzustehn, so daß die Fürsten von Altemura, von Salerno und von Bisignano die Waffen ergriffen. Als der König diesen plötzlichen Aufstand sah, ersuchte er die Florentiner und den Herzog von Mailand um Beistand. Erstere waren ungewiß, was zu tun: es ward ihnen schwer, ihre eignen Unternehmungen aufzugeben, um die der andern zu unterstützen, und es schien gefährlich, von neuem als Feinde der Kirche dazustehn. Dennoch galt ihnen die treue Beobachtung des geschlossenen Bündnisses höher als eigne Gefahr und Verluste: sie nahmen die Orsini in ihren Sold und sandten viel Mannschaft unter dem Grafen von PitiglianoNicolò Orsini. Ein Zweig der Orsini besaß die Grafschaft Pitigliano, an der Grenze des Sienser Landes und des Kirchenstaats, als Erben einer Aldobrandinischen Linie seit dem Anfang des 14. Jahrhunderts bis 1608, worauf das Ländchen mit dem Großherzogtum Toscana vereinigt ward. dem König zu Hilfe gen Rom. Ferrando teilte nun seine Truppen in zwei Heere: das eine zog unter dem Herzog von Calabrien auf Rom, um im Verein mit den Florentinern dem Papst entgegenzuwirken; mit dem andern führte er selber den Krieg gegen die Barone. Das Kriegsglück schwankte hin und her, am Ende aber blieb dem Könige auf beiden Seiten der Sieg und im August 1486 ward durch Vermittlung der Gesandten des Königs von Spanien der Friede geschlossen, zu welchem der Papst sich bequemen mußte, da er vom Glück im Stiche gelassen worden und es nicht mehr versuchen wollte. Alle italienischen Mächte traten nun bei, mit Ausnahme der Genuesen, die als Empörer gegen Mailand und weil sie florentinisches Besitztum nicht herausgeben wollten, ausgeschlossen wurden. Signor Roberto da San Severino, welcher im Kriege dem Papst ein nicht sehr treuer Freund, den andern ein nicht furchtbarer Gegner gewesen, verließ nach dem Friedensschluß Rom, von wo man ihn gewissermaßen auswies. Als er auf seinem Rückzug von den florentinischen und mailändischen Truppen sich verfolgt und bei Cesena beinahe erreicht sah, ergriff er die Flucht und rettete sich mit weniger als hundert Reitern nach Ravenna, während seine übrigen Leute teils vom Herzog in Sold genommen, teils vom Landvolk zersprengt wurden. Nachdem der König mit den Baronen sich ausgesöhnt, ließ er den Jacopo Coppola und Antonello d'Aversa mit ihren Söhnen hinrichten, weil sie während des Krieges dem Papste seine Geheimnisse verraten hatten.

Der Papst hatte Gelegenheit gehabt, zu erkennen, mit welcher Gewissenhaftigkeit und welchem Eifer die Florentiner ihre Freundespflichten erfüllten. Wenn er also vorher, seiner Anhänglichkeit an Genua wegen und weil sie dem Könige geholfen, sie haßte, so begann er jetzt sie zu lieben und ihren Gesandten mehr denn zuvor seine Gunst zuzuwenden. Lorenzo de'Medici erkannte diese Neigung und förderte sie auf alle Weise, indem er der Ansicht war, daß es sein Ansehen sehr erhöhen würde, wenn er zu der Freundschaft des Königs auch die des Papstes gewinnen könnte. Der Papst hatte einen Sohn, namens Francesco,Franceschetto Cybô, Graf von Anguillara, 1487 vermählt mit Maddalena de'Medici, Lorenzos Tochter. Sein Sohn Lorenzo heiratete Ricciarda Malaspina, die Erbin von Massa und Carrara, welche Staaten so an das Haus Cybô-Malaspina kamen und durch dieses an die Este. und da er diesem Besitztum und Freunde zu verschaffen wünschte, um ihm nach seinem Tode eine Stellung zu hinterlassen, so fand er in Italien keinen, mit welchem er dessen Schicksal sicherer verknüpfen könnte als Lorenzo. Deshalb richtete er es so ein, daß dieser ihm eine seiner Töchter vermählte. Nachdem diese Verschwägerung zustande gekommen, bemühte sich der Papst die Genuesen zu veranlassen, den Florentinern Sarzana vertragsweise abzutreten, indem er ihnen zeigte, daß sie nicht behaupten könnten, was Agostino Fregoso verkauft, und Agostino ebensowenig der Bank von San Giorgio schenken, was ihm nicht gehörte. Seine Bemühungen aber schlugen fehl. Während in Rom unterhandelt wurde, rüsteten die Genuesen eine Menge Schiffe, setzten, ohne daß in Florenz etwas davon bekannt ward, dreitausend Fußsoldaten ans Land, berannten die oberhalb Sarzana gelegene, den Florentinern gehörende Burg Sarzanello, plünderten und verbrannten die an die Burg stoßende Ortschaft und beschossen die Mauern mit ihrer Artillerie. Dieser Angriff kam den Florentinern unerwartet. Sie sammelten sogleich Truppen zu Pisa unter Virginio Orsini und beschwerten sich beim Papste, daß die Genuesen sie überfallen, während man den Frieden verhandelte. Nach Lucca schickten sie Piero Corsini,Im 12. Jahrhundert kommen die Corsini als Herren von Poggibonzi vor. Pier Corsini war Cardinal und Bischof von Florenz und Legat bei König Carl IV. Andrea Corsini Carmeliter und Bischof von Fiesole, gest. 1374, wurde kanonisiert. Aus dieser Familie, welche stets angesehen und reich war und welche jetzt die erste in Florenz ist, stammte Papst Clemens XII. um sich diese Stadt geneigt zu erhalten, nach Venedig Paolo Antonio Soderini, um die Stimmung der Republik zu prüfen. Den König, wie den Herrn Lodovico Sforza ersuchten sie um Hilfe: aber weder der eine noch der andere sandten Beistand, indem Ferdinand sich mit der türkischen Flotte entschuldigte, Lodovico andern Vorwand hatte. So stehn die Florentiner in ihren Kriegen beinahe immer allein und finden keinen, der sich ihrer mit dem Eifer annimmt, den sie bei der Verteidigung anderer an den Tag legen. Sie verloren indes den Mut nicht, da sie sich von den Bundesgenossen im Stich gelassen sahen, was für sie nichts neues war, sammelten ein beträchtliches Heer und sandten es gegen den Feind unter Jacopo Guicciardini und Piero Vettori,Die Vettori haben denselben Stamm mit den Capponi. Pier Vettoris Söhne Paolo und Francesco spielten eine bedeutende Rolle in den ersten Dezennien des 16. Jahrhunderts. welche am Ufer der Magra lagerten. Sarzanello ward unterdessen von den Genuesen hart und auf alle Weise bedrängt. Die Kommissarien beschlossen also den Feind anzugreifen und dieser stellte sich. Aber er zog den kürzern und Luigi dal Fiesco mit vielen Hauptleuten des Heeres gerieten in Gefangenschaft. Die von Sarzana ließen sich indes durch diese Niederlage nicht schrecken, sondern bereiteten sich ebenso eifrig zur Verteidigung, wie die florentinischen Kommissarien zum Angriff. Als nun der Kampf auf beiden Seiten mutvoll fortgesetzt ward und die Belagerung sich in die Länge zog, hielt Lorenzo de'Medici es für geraten, nach dem Lager sich zu begeben. Seine Ankunft erhöhte den Mut der unsern, während die Gegner zu verzagen begannen. Als sie sahen, wie hartnäckig die Florentiner ihnen zusetzten und wie lau die Genuesen sich ihrer annahmen, übergaben sie frei und ohne Bedingungen22. Juni Lorenzo den Ort. Mit Ausnahme der Häupter des Abfalls, wurden sie auf eine menschliche Weise behandelt. Unterdessen waren mailändische Truppen bis Pontremoli vorgerückt, mit dem Anschein, als wollten sie uns zu Hilfe ziehn. Da aber Lodovico Sforza in Genua Einverständnisse unterhielt, empörte sich die der herrschenden feindliche Partei und übergab die Stadt unter Beistand der genannten Truppen dem Herzog von Mailand.

In dieser Zeit hatten die Deutschen einen Krieg gegen Venedig begonnen und Boccolino von Osimo in der Mark diese Stadt gegen den Papst aufgehetzt und sich zu ihrem Herrn aufgeworfen. Aber Lorenzo de'Medici vermochte ihn nach manchen Wechselfällen sich dem Papst wieder zu unterwerfen und nach Florenz zu kommen, wo er unter Lorenzos Schutz längere Zeit sehr geehrt lebte. Als er aber später nach Mailand ging, fand er nicht gleiche Treue und wurde durch den Herrn Lodovico aus dem Wege geräumt. Die Venezianer wurden bei Trient von den Deutschen geschlagen und verloren dabei ihren Feldhauptmann Roberto da San Severino. Nach dieser Niederlage schlössen sie, wie gewöhnlich, mit den Deutschen einen Vertrag, nicht wie Verlierende, sondern wie Sieger, so ehrenvoll war er für ihre Republik.

In der Romagna kam es zu gefährlichen Bewegungen (1488). Francesco d'Orso von Forli war in dieser Stadt ein sehr angesehener Mann. Der Graf Girolamo schöpfte Verdacht gegen ihn und bedrohte ihn mehrmals, so daß Francesco in großer Besorgnis lebte. Da drangen seine Freunde in ihn, er sollte dem Grafen zuvorkommen, denjenigen umbringen, von welchem er umgebracht zu werden fürchtete, und so zugleich mit dem Tode andern Gefahren entfliehn. Nachdem nun der Plan reif geworden, wählten die Verschwornen einen Markttag von Forli, denn da an einem solchen Tage viele ihrer Freunde vom Lande in die Stadt kamen, dachten sie diese zu benutzen, ohne sie rufen zu müssen. Es war im Mai, eine Jahreszeit, wo die meisten Italiener noch bei Tageslicht die letzte Mahlzeit zu sich zu nehmen pflegen. Jene glaubten nun, sie würden am besten tun, den Grafen nach seinem Abendessen zu morden, wo er beinahe allein in seinem Gemach sein würde, während seine Leute noch speisten. Nachdem dies verabredet worden, begab sich um die angegebene Stunde Francesco nach der Wohnung des Herrschers, ließ seine Begleiter in den Vorzimmern und ersuchte einen Diener, ihn zum Grafen zu führen, den er zu sprechen wünschte. Er wurde eingelassen, fand Girolamo allein und ermordete ihn, nachdem er einige Worte mit ihm gewechselt, worauf er seine Freunde rief, welche auch den Diener umbrachten. Zufällig kam der die Stadt befehligende Hauptmann, um mit seinem Gebieter zu reden, und da er mit wenigen seiner Leute in den Saal trat, wurde er gleichfalls gemordet. Dann entstand ein großes Getöse: des Grafen Leiche ward zum Fenster hinausgeworfen, Kirche und Freiheit ausgerufen und das Volk bewaffnet. Dieses, welches den Riario seiner Habsucht und Grausamkeit wegen haßte, plünderte den Palast und nahm die Gräfin Caterina mit ihren Kindern gefangen. Nur die Burg mußte noch genommen werden, um dem Unternehmen glücklichen Ausgang zu sichern. Da der Kastellan aber sich weigerte, sie einzulassen, so baten sie die Gräfin, ihn zu bestimmen, sich ihrem Wunsch zu fügen. Sie verhieß es, falls sie ihr erlaubten, hineinzugehn: zum Pfande ließ sie ihnen die Söhne. Die Verschwornen glaubten ihrem Wort und gestatteten ihr, was sie verlangte: kaum aber war sie im Kastell, so bedrohte sie die Getäuschten mit dem Tode und mit jeglicher Art Strafe für den Mord des Gatten. Und als diese ihrerseits drohten, ihre Söhne zu töten, gab sie zur Antwort, sie habe Mittel, neue zu machen. Die Verschwornen, überrascht, ohne Beistand von seiten des Papstes, packten auf die Nachricht, daß der Oheim der Gräfin, der Herr Lodovico Sforza, Mannschaft ihr zu Hilfe sende, alle Habe zusammen, die sie wegzuschaffen vermochten, und begaben sich nach Città di Castello. Die Gräfin dagegen bemächtigte sich der Regierung und rächte den Mord auf die grausamste Weise. Als die Florentiner Girolamos Tod vernahmen, benutzten sie die Gelegenheit, die Burg von Piancaldoli wieder zu besetzen, welche jener ihnen vorzeiten weggenommen hatte. Sie verloren aber bei der Einnahme den Cecca, ihren besten Kriegsbaumeister.

In der nämlichen Provinz Romagna ereignete sich ein anderer, nicht geringerer Tumult. Galeotto, der Herr von Faenza, hatte zur Frau eine Tochter des Messer Giovanni Bentivogli, der in Bologna herrschte. Diese, sei es, daß Eifersucht, oder schlechte Behandlung, oder böse Leidenschaft sie stachelte, haßte ihren Gatten, und der Haß stieg zu solchem Punkte, daß sie ihm Regierung und Leben zu nehmen beschloß. Sie stellte sich also krank und legte sich zu Bette, nachdem sie einigen ihrer Vertrauten den Befehl erteilt, Galeotto umzubringen, wenn er sie besuchen käme. Von diesem Plane hatte sie ihren Vater in Kenntnis gesetzt, welcher nach dem Tode seines Schwiegersohns sich zum Herrn von Faenza zu machen hoffte. Als die zur Tat anberaumte Zeit gekommen, trat Galeotto, seiner Gewohnheit gemäß, in das Schlafgemach seiner Frau und, nachdem sie eine Zeitlang im Gespräche zugebracht, sprangen aus dem Hinterhalt die Mörder hervor, die ihn umbrachten, ohne daß er sich hätte verteidigen können. Nach diesem Mord entstand ein gewaltiger Lärm: die Witwe flüchtete sich mit ihrem kleinen Sohn Astorre in das Kastell; das Volk griff zu den Waffen. Messer Giovanni Bentivogli zog mit einem Menschen namens Bergamino, einem Hauptmann des Herzogs von Mailand, mit geworbener Mannschaft in Faenza ein, wo auch der florentinische Kommissar Antonio Boscoli sich befand, und da versammelten sie sich, um über die Lage der Dinge Rat zu pflegen. Das Landvolk aber aus Val di Lamona, welches bei dem Tumult haufenweise herzugeströmt war, griff den Bentivogli und Bergamino an, erschlug diesen, nahm jenen gefangen und rief die Namen Astorres und der Florentiner aus, indem es dem florentinischen Kommissar die Stadt empfahl. Als dieser Vorfall in Florenz bekannt ward, erregte er allgemeines Mißvergnügen: denn noch verordnete die Signorie die Freilassung Messer Giovannis und seiner Tochter, und übernahm mit Zustimmung des gesamten Volkes die Aufsicht über den jungen Astorre und die Verwaltung der Stadt. Während die Kriege zwischen den großen Fürsten ruhten, gab es noch mehrere derartige Unordnungen in der Romagna, in der Mark, zu Siena, die ich indes als unwichtig übergehe. Nur muß ich hinzufügen, daß in Siena nach dem Abzug des Herzogs von Calabrien häufige Tumulte vorfielen, wobei bald das Volk, bald der Adel siegten. Am Ende aber blieb dem Adel die Macht, und zu höchstem Ansehen gelangten, der eine durch Klugheit, durch Mut der andere, Pandolfo und Jacopo Petrucci, welche sozusagen Beherrscher Sienas wurden.

Nach Beendigung des Krieges gegen Sarzana lebten die Florentiner bis zum Jahre 1492, in welchem Lorenzo de'Medici starb, in größtem Glück. Denn seitdem die Waffen ruhten, wozu Lorenzo durch Staatsklugheit und Autorität es gebracht hatte, richtete er seine Gedanken darauf, sich und die Stadt groß zu machen. Mit seinem erstgeborenen Sohne Piero verband er Alfonsina aus dem Hause Orsini,Tochter Robertos, Grafen von Tagliacozzo und Alba. Die Hochzeit fand 1487 zu Neapel statt. Giovanni de'Medici wurde Kardinal 9. Januar 1492. Giuliano war der nachmalige Herzog von Nemours. Von Lorenzos drei Töchtern stammten die drei Kardinäle Salviati, Cybô und Ridolfi, welche in den toscanischen und andern Angelegenheiten unter Papst Clemens VII. und Paul III. vielfach genannt werden. seinen zweiten Sohn Giovanni sah er zur Kardinalswürde erheben. Dies war um so bemerkenswerter, da derselbe noch nicht vierzehn Jahre zählte, als er mit dieser hohen Würde bekleidet ward. Es war die Leiter, auf welcher er sein Geschlecht zum Himmel emporsteigen machte, wie in der Folgezeit geschah. Dem dritten Sohne, Giuliano, konnte er wegen dessen jugendlichen Alters und wegen der kurzen Lebensdauer, die ihm selbst noch beschieden war, keinen ähnlichen Glücksstand bereiten. Von den Töchtern vermählte er die eine mit Jacopo Salviati, die zweite mit Francesco Cybò, die dritte mit Piero Ridolfi; die vierte, welche er, um seine Familie einig zu erhalten, dem Giovanni de'Medici gegeben hatte, starb. In seinen eigenen Angelegenheiten war er in Handelssachen sehr unglücklich. Denn infolge der Unachtsamkeit seiner Geschäftsleute, die nicht wie Private, sondern gleich Fürsten verwalteten, ging an vielen Orten sein bewegliches Vermögen in Rauch auf, so daß der Staat genötigt war, ihn mit bedeutenden Geldsummen zu unterstützen. Um nun nicht alles aufs Spiel zu setzen, ließ er die Handelsunternehmungen beiseite und legte sein Vermögen im Landbesitz an, der ihm minder gefährdeten Reichtum verhieß. In den Umgebungen von Prato und Pisa und in Val di Pesa kaufte er Güter, die in Betracht ihres Umfangs und ihrer Einkünfte, wie der Pracht der Gebäude eher für einen König als für einen Privatmann paßten. Sodann war er darauf bedacht, die Stadt zu verschönern und zu erweitern, und da es in derselben mehrere von Häusern entblößte Flächen gab, so ließ er neue Straßen anlegen, um diese auszufüllen. Um das Gebiet mehr zu sichern und die Feinde abzuhalten oder in der Ferne zu bekämpfen, befestigte er gen Bologna mitten im Gebirge das Kastell Firenzuola. Auf der Seite von Siena begann er, den Poggio imperiale in eine feste Burg umzuschaffen. Auf der Seite von Genua versperrte er durch die Eroberung von Pietrasanta und Sarzana feindlichem Angriffe den Weg. In Perugia unterstützte er die ihm befreundeten Baglionen, in Città di Castello die Vitelli durch Pensionen und Jahrgehalte, in Faenza hingen die Verwaltungsangelegenheiten von ihm ab. So hatte er Florenz gleichsam mit festen Bollwerken umgeben. Während der Tage des Friedens unterhielt er die Stadt anhaltend durch Feste, indem er oft Turniere und Darstellungen von alten Triumphen und Heldentaten veranstaltete. Sein Zweck war, die Stadt im Überfluß, das Volk einig, den Adel geehrt zu erhalten. Ausgezeichnete Künstler fanden in ihm einen eifrigen Beschützer, die Gelehrten einen großen Gönner, wovon Messer Agnolo von Montepulciano, Messer Cristofano Landino und der Grieche Messer Demetrio gültiges Zeugnis ablegen können.

Cristoforo Landino

Aus dem Fresko »Zacharias im Tempel« von Domenico Ghirlandaio (1449 – 94) Florenz, Santa Maria Novella

Deshalb verließ der Graf Giovanni della Mirandola, ein sozusagen göttlicher Geist, nachdem er viel umhergewandert, jeden andern Wohnsitz und wählte, von Lorenzos Vortrefflichkeit angezogen, Florenz zum Aufenthaltsort. In der Architektur, der Musik und Poesie hatte er große Kenntnisse. Es gibt viele Dichtungen, die er nicht nur verfaßt, sondern auch erläutert hat. Um der florentinischen Jugend Gelegenheit zu geben, in den Wissenschaften sich zu unterrichten, eröffnete er zu Pisa eine hohe Schule, wohin er die damals lebenden berühmtesten Gelehrten Italiens berief. Dem Frate Mariano da Ghinazzano vom Augustinerorden, einem ausgezeichneten Prediger, erbaute er ein Kloster in der Nähe von Florenz.Das berühmte Kloster San Gallo, dicht vor dem Tor gleichen Namens, mit Pilgerspital, bei der Belagerung 1529 zerstört. Antonio Giamberti, der Architekt, erhielt von diesem Bau den Namen da San Gallo. Vom Glück und von Gott ward er sehr geliebt: denn alle seine Unternehmungen nahmen ein gutes Ende, alle seine Gegner ein schlimmes. Außer den Pazzi, wollten ihn noch in der Carmeliterkirche Batista Frescobaldi, auf seiner Villa Baldinotto von Pistoja umbringen, welche beide samt den Mitwissenden ihrer Geheimnisse und ihrer verruchten Anschläge gerechte Strafe erduldeten. Diese seine Stellung, diese seine Klugheit und sein Glück wurden nicht nur von den italienischen Fürsten, sondern von den Fremden auch mit Bewunderung anerkannt und geschätzt. König Matthias von Ungarn gab ihm viele Beweise seiner Zuneigung. Der Sultan von Ägypten sandte ihm Botschafter und Geschenke. Der Großtürke lieferte ihm den Bernardo Bandini aus, den Mörder seines Bruders. Alles dies steigerte seinen Ruhm in Italien aufs Höchste. Seine Weisheit machte, daß sein Ansehen sich täglich mehrte: denn in der Besprechung der Angelegenheiten war er beredt und scharf, im Entschließen verständig, im Ausführen rasch und mutig. Man kann nicht sagen, daß Laster seine Tugenden verdunkelt hätten, obgleich er in Liebesintrigen über die Maßen verwickelt war und an lustigen und witzigen Leuten, wie an kindischen Spielen größeren Gefallen fand, als für einen solchen Mann schicklich schien. So sah man ihn oft mitten unter seinen Söhnen und Töchtern an deren Vergnügungen teilnehmen. Wenn man so bei ihm die leichte und heitere, wie die ernste Seite des Lebens betrachtet, so gewahrte man in ihm zwei, auf beinahe unmöglich scheinende Weise miteinander verbunden Naturen.

In den letzten Zeiten lebte er in großen Leiden, welche durch seine sehr heftige Krankheit verursacht wurden. Denn es quälte ihn ein unerträglicher Magenkrampf, der so zunahm, daß er im April des Jahres 1492, im vierundvierzigsten Jahre seines Alters, sein Ende herbeiführte. Nie wurde nicht nur in Florenz, sondern in ganz Italien ein Mann zu Grabe getragen, der im Rufe so großer Weisheit gestanden und um welchen sein Vaterland so tief getrauert hätte. Der Himmel aber deutete durch sichtbare Zeichen an, wie sein Tod das größte Unglück herbeiführen sollte. Unter andern ward die Spitze der Kirche Santa Reparata vom Blitz mit solcher Gewalt getroffen, daß ein großer Teil des Bauwerks zu aller Verwunderung und Schrecken herabgeschleudert ward.

So trauerten denn um seinen Tod alle Bürger und alle Fürsten Italiens, und dieses Leidwesen sprach sich öffentlich aus, indem alle ihre Abgeordneten nach Florenz sandten, ihre Gefühle zu bezeugen. Daß sie gegründete Ursache hatten zu trauern, zeigten die bald darauffolgenden Jahre. Denn nachdem Italien der Ratschläge Lorenzos beraubt worden, sahen die ihn Überlebenden sich ohne Mittel, den Ehrgeiz Lodovico Sforzas, der für den Herzog von Mailand die Verwaltung führte, zu befriedigen oder aber ihm Zügel anzulegen. Und so schoß denn alsbald nach dem Tode Lorenzos de'Medici die böse Saat auf, welche, da jener nicht mehr lebte, der sie auszurotten vermocht hatte, Italien verwüstete und noch immer verwüstet.


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