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In ihrem Kreislauf pflegen die meistens von Staaten Ordnung zu Unordnung überzugehn, um dann von der Unordnung zur Ordnung zurückzukehren. Denn da die Natur den menschlichen Dingen keinen Stillstand gestattet, so müssen sie notwendig abwärts steigen, nachdem sie den Gipfel der Vollkommenheit erreicht haben, wo sie nicht ferner aufwärts zu steigen vermögen. Sind sie nun herabgestiegen und durch Zerrüttung aufs tiefste gesunken, so müssen sie, da ferneres Sinken unmöglich, notwendig wieder aufwärts steigen. So in stetem Wechsel geht es abwärts zum Bösen, aufwärts zum Guten. Denn Kraft zeugt Ruhe, Ruhe Trägheit, Trägheit Unordnung, Unordnung Zerrüttung, wie hinwieder aus der Zerrüttung Ordnung entsteht, aus der Ordnung Kraft, aus der Kraft Ruhm und Glück. Darum haben verständige Männer beobachtet, daß die Wissenschaften der kriegerischen Tapferkeit folgen, und in Staaten und Städten erst Feldherren auftreten, dann Philosophen. Denn wenn gut und tapfer geführte Waffen Sieg gebracht haben, der Sieg Ruhe, so kann der kriegerische Mut durch keine ehrenvollere Friedenskunst geschwächt werden, als durch die Wissenschaften, noch kann die Entwöhnung vom Kriege mit größerer und gefahrvollerer Täuschung bewirkt werden, als durch diese. Dies sah Cato sehr wohl ein, als die Philosophen Diogenes und Carneades als athenische Abgesandte zum römischen Senat kamen. Da dieser bemerkte, wie die römischen Jünglinge ihnen voll Bewunderung folgten, und er den Nachteil erkannte, der seinem Vaterlande durch die Entwöhnung vom Kriegerleben zugefügt werden würde, so brachte er es dahin, daß in Zukunft kein Philosoph in Rom aufgenommen werden durfte. Auf solche Weise schreiten also die Staaten ihrem Sturze zu, und sind sie gefallen, und ist das Volk klüger geworden durch Unglück, so kehren sie, wie gesagt, zur Ordnung zurück, wenn nicht irgendeine außerordentliche Macht sie völlig erdrückt. So ward, erst durch die alten Etrusker, dann durch die Römer, Italien bald glücklich, bald elend, und wenn auch auf den Trümmern Roms nichts aufgebaut worden ist, das Ersatz gegeben hätte für das Verlorene, das imstande gewesen wäre, Glorreiches zu wirken unter einer geregelten Herrschaft: so erblühte doch so großer Hochsinn in einigen der neuen Städte und Reiche, die sich auf jenen Ruinen erhoben, daß, wenn auch nicht eine Macht die andern überwog, dennoch Ordnung und Eintracht genug bestand, um Italien von den Barbaren zu befreien und zu schützen. War unter diesen Staaten der florentinische einer der kleineren in Hinsicht auf den Umfang, so war er es nicht in Hinsicht auf Ansehen und Macht. Denn da dieser Staat recht in Italiens Mitte lag, reich war und Angriffe nicht duldete: so focht er die gegen ihn begonnenen Kriege glücklich durch, oder verlieh als Bundesgenosse den Sieg. Sahen nun diese neuen Staaten keine durch langen Frieden gesegneten Zeiten entstehen, so waren sie doch auch nicht gefährlich durch grausame Kriege. Denn wenn man nicht behaupten kann, da sei Friede, wo Nachbarstaaten einander oft mit den Waffen angreifen, so kann man ebensowenig das Krieg nennen, wo die Leute einander nicht töten, wo die Städte nicht geplündert, die Reiche nicht zerstört werden. Ihre Kriege waren nur Scheinkriege, die man ohne Furcht begann, ohne Gefahr durchkämpfte, ohne Nachteil beendete. So wurde jene kriegerische Tugend, welche anderwärts durch langen Frieden unterzugehn pflegt, in Italien durch die Lauheit des Kriegführens unterdrückt, wovon die Geschichte unseres Landes vom Jahre 1434 zum Jahre 1494 den Beweis liefern wird. Da wird man sehen, wie am Ende dem Ausländer von neuem der Weg gebahnt ward, von neuem Italien in seine Macht gegeben ward. Und werden auch die Taten unserer Fürsten, außen wie zu Hause, nicht, gleich jenen der Alten, ihrer Größe und Hochherzigkeit wegen mit Bewunderung gelesen werden, so werden sie vielleicht nicht geringern Stoff zur Betrachtung bieten, wenn man sieht, wie so edle Völkerschaften durch schwache und schlecht geführte Waffen im Zaum gehalten wurden. Findet man endlich bei der Beschreibung der Ereignisse in dieser verderbten Welt nicht kriegerische Tapferkeit, nicht Feldherrntalent, noch Vaterlandsliebe des Bürgers zu berichten: so wird man erfahren, mit welchem Trug, mit welchen Listen und Künsten Fürsten, Krieger, Lenker von Freistaaten umgingen, um jenen Ruf zu bewahren, den sie ohne ihr Verdienst erworben hatten. Vielleicht ist die Kenntnis dieser Verhältnisse nicht minder fruchtbringend als die der alten Geschichte. Denn wenn die eine zur Nachahmung auffordert, so dient die andere zur Warnung.
Durch seine Beherrscher war Italien zu dem Zustande gelangt, daß, wenn die Eintracht der Fürsten einen Frieden vermittelte, dieser bald durch diejenigen, welche die Waffen in Händen hatten, gestört ward. So brachte der Krieg keinen Ruhm, der Friede keine Ruhe. Als auf solche Weise im Jahre 1433 zwischen dem Herzoge von Mailand und dem Bunde Friede geschlossen worden war, so wandten sich die Soldtruppen, die nach Krieg verlangten, wider den Kirchenstaat. Es gab damals in Italien unter diesen Soldtruppen zwei Parteien, die Braccesken und die Sforzesken. Diese hatten den Grafen Francesco, Sforzas Sohn, zu ihrem Haupte, jene den Niccolò Piccinino und Niccolò Fortebraccio. Beinahe alle übrigen italienischen Haufen hielten sich zu der einen oder andern dieser Parteien. Die Sforzasche stand aber in größerm Ansehn, sowohl wegen des Kriegsruhms ihres Führers, als auch weil der Herzog von Mailand diesem seine natürliche Tochter, Madonna Bianca, zur Ehe versprochen hatte. Die Aussicht auf diese Verbindung mehrte sehr das Ansehn des Sforza. Nach dem lombardischen Frieden griffen also, aus verschiedenen Gründen, diese Parteien Papst Eugenius an. Den Niccolò Fortebraccio trieb Braccios da Montone alte Feindschaft gegen die Kirche, Ehrgeiz den Grafen Francesco. Während nun Niccolò Rom angriff, bemächtigte sich Sforza der Mark (1433). Die Römer, die keinen Krieg wollten, vertrieben den Papst, der unter Gefahren und Beschwerden nach Florenz flüchtete und dort, gedrängt, verlassen von den Fürsten, die keine Lust hatten, um seinetwillen wieder zu den Waffen zu greifen, die sie eben müde niedergelegt, mit Francesco sich vertrug und seine Herrscher über die Mark anerkannte, obgleich der Graf, bei der Besetzung, zum Schaden Spott gefügt, indem er bei Bezeichnung des Ortes, von wo er seinen Beamten schrieb, der Sitte gemäß in lateinischer Sprache hinzufügte: Ex Girofalco nostro Firmiano, invito Petro et Paulo. Da er mit der Belassung des Landes sich nicht begnügte und zum Bannerführer der Kirche ernannt werden wollte, ward ihm auch dies zugestanden. So viel stärker war in Papst Eugen die Besorgnis vor der Gefahr eines Krieges als vor der Schmach des Friedens. Nachdem er solcherweise den Grafen gewonnen, zog dieser gegen den Fortebraccio, und sie kämpften mehrere Monate lang miteinander auf dem Gebiet der Kirche. Dieser Kampf aber brachte dem Papst und dessen Untertanen größern Schaden als den Kriegführenden. Endlich wurde durch Vermittlung des Herzogs von Mailand ein Vergleich und Waffenstillstand geschlossen, infolgedessen beide im Kirchenstaate als Gewalthaber blieben.
Kaum war dort der Streit beigelegt, so gab Batista da Canneto Anlaß zu dessen Wiederausbruch in der Romagna. Dieser ermordete in Bologna einige aus der Familie Grifoni und vertrieb den päpstlichen Governatore mit andern seiner Gegner. Um sich nun mit Gewalt zu behaupten, wandte er sich an den Herzog von Mailand: der Papst aber, die Unbill zu rächen, bat die Venezianer um Hilfe. Von beiden Seiten ward der verlangte Beistand gewährt, so daß auf einmal zwei große Heere in der Romagna standen (1434). Niccolò Piccinino war der Feldhauptmann des Visconti; die Venezianer und Florentiner hatten den Gattamelata und Niccolò da TolentinoErasmo Gattamelata von Narni, Sohn eines Bäckers aus dem Gebiete von Todi in Umbrien, gestorben zu Padua 1443. Neben der Kirche S. Antonio steht seine Reiterbildsäule von Donatello. Niccolo Marrucci von Tolentino gestorben 1434. Im Dom zu Florenz ist sein Bildnis, zu Pferde, von Andrea dal Castagno gemalt. zu Führern.
Bei Imola kam es zur Schlacht,29. August. in welcher letztere den kürzern zogen und Niccolo da Tolentino als Gefangener zum Herzog gesandt ward, wo er, entweder durch dessen Veranstaltung oder aus Schmerz über den Verlust, binnen wenigen Tagen starb. Der Herzog, sei es, daß frühere Kriege ihn geschwächt, oder weil er glaubte, die Verbündeten würden nach der Niederlage den Kampf nicht weiterführen, verfolgte seinen Vorteil nicht, und ließ diesen und dem Papst Zeit, sich von neuem zu sammeln. Sie wählten nun den Grafen Francesco Sforza zu ihrem Feldhauptmann und beschlossen den Fortebraccio aus dem Kirchenstaate zu vertreiben, um zu sehen, ob sie dem zugunsten des Papstes begonnenen Kriege ein Ende machen könnten. Als die Römer sahen, daß der Papst in Macht dastand, suchten sie sich mit ihm zu vertragen, und da sie ihn willig fanden, nahmen sie einen Statthalter von ihm an. Niccolò Fortebraccio hielt neben andern Orten Tivoli, Montefiascone, Città di Castello und Assisi besetzt. Da er das Feld nicht zu behaupten vermochte, hatte er sich in letztgenannte Stadt zurückgezogen und wurde hier von Sforza belagert. Da nun die Entschließung sich in die Länge zog, weil Niccolò sich männlich verteidigte, so schien es dem Herzog von Mailand nötig, entweder den Verbündeten diesen Erfolg streitig zu machen, oder nach demselben auf seine eigne Verteidigung bedacht zu sein. Um also den Grafen zur Aufhebung der Belagerung zu nötigen, befahl er dem Niccolò Piccinino, durch die Romagna in Toscana einzurücken. Die Verbündeten, denen es nötiger schien, Toscana zu verteidigen, als Assisi zu nehmen, erteilten hierauf dem Sforza den Befehl, Niccolò den Paß zu verlegen. Schon stand dieser mit seinem Heere bei Forli. Der Graf andrerseits rückte bis Cesena vor, indem er seinem Bruder Lione die Verteidigung der Mark und seiner andern Staaten übertrug. Während aber Piccinino den Durchzug versuchte, der Graf ihn daran hinderte, griff Fortebraccio den Lione an, nahm ihn gefangen, zerstreute seine Truppen und verfolgte mit gleichem Eifer und Ruhm den Sieg, indem er mehrere Orte der Mark besetzte. Dies betrübte den Grafen sehr, indem er alle seine Besitzungen verloren zu haben wähnte. Deshalb ließ er einen Teil seines Heeres dem Piccinino gegenüberstehn, zog mit dem andern wider Fortebraccio, griff ihn an und schlug ihn. Fortebraccio fiel verwundet in des Sforza Gewalt und starb an der Wunde. Dieser Sieg gab dem Papst seine Städte wieder, die jener besetzt, und nötigte den Herzog von Mailand, Frieden zu suchen, der auch durch die Vermittlung des Markgrafen von Ferrara, Niccolò da Este, geschlossen ward. Die vom Herzog in der Romagna eingenommenen Orte wurden der Kirche zurückgegeben, und die Kriegsvölker desselben kehrten heim. Als diese nun abgezogen, vermochte Batista da Canneto, wie es mit solchen zu geschehen pflegt, die sich bloß durch fremde Macht in einem Staate behaupten, sich durch eigene Kraft nicht in Bologna zu halten. Er floh, und Messer Antonio Bentivogli kehrte zurück, das Haupt der ihm feindlichen Partei. Alles dies ereignete sich während Cosimos Verbannung.Die Angabe ist nicht ganz genau, indem die letzteren Ereignisse schon in das Jahr 1436 fallen. Nach seiner Rückkehr beschlossen seine Anhänger und viele andere durch die früheren Gewalthaber gekränkte Bürger, ohne fernere Schonung ihre Stellung zu sichern. Die Signorie, welche im November und Dezember folgte, begnügte sich deshalb nicht mit den durch ihre Vorgänger zugunsten der Partei getroffenen Maßregeln, sondern verlängerte vielen die Zeit der Verbannung, änderte die Orte des Exils, verbannte viele andere. Nicht sowohl Parteigeist ward dabei in Betracht gezogen, als Reichtümer, Verwandtschaften, Freundschaften. Wäre diese Proskription von Blutszenen begleitet gewesen, so würde sie mit jenen des Octavian oder Sulla sich haben vergleichen lassen. Ohne Blut ging es doch nicht ab. Denn Antonio Guadagni, Bernardos Sohn, wurde enthauptet, und da vier Bürger, unter ihnen Zanobi de'Belfratelli und Cosimo Barbadori, ihren Verbannungsort verlassen und sich nach Venedig begeben hatten, sandten die Venezianer, mehr auf Cosimos Freundschaft gebend als ihrer Ehre achtend, sie gefangen nach Florenz, wo man sie schimpflich zum Tode verurteilte. Dadurch mehrte sich das Ansehn der Partei, der Schrecken der Gegner. Indem man aber in Betracht zog, daß eine so mächtige Republik ihre Freiheit den Florentinern verkauft hatte, glaubte man, sie habe dies nicht sowohl getan, um Cosimo einen Dienst zu erzeigen, als um die Parteiwut in Florenz immer mehr anzufachen und durch Blutvergießen die Spaltung noch gefährlicher zu machen. Denn die Venezianer sahen kein größeres Hindernis auf ihrem Wege zur Macht, als die Einigkeit der Florentiner.
Nachdem nun die Stadt von Gegnern oder Verdächtigen gesäubert war, begannen sie Neuemporgekommene zu begünstigen, um ihre Partei zu verstärken. Die Familie der Alberti und früher Landesverwiesene wurden zurückgerufen. Alle Großen, mit geringen Ausnahmen, wurden wieder unter die Popolanen aufgenommen. Die Güter der Rebellen verteilten sie untereinander um niedern Preis. Hierauf festigten sie sich mittels neuer Gesetze und Anordnungen, und veränderten die Wahlbeutel, indem sie die Namen der Gegner herausnahmen und die der Befreundeten hineinlegten. Gewarnt aber durch den Sturz ihrer Gegner, und in dem Glauben, daß die neuen Füllungen der Wahlbeutel nicht hinreichen würden, ihre Macht zu sichern, wollten sie, daß jene Magistrate, welchen der Blutbann zusteht, aus den Häuptern ihrer Partei zusammengesetzt sein sollten, und bestimmten also, daß die Accoppiatoren,Accoppiatori, die durch die Balia ernannten Wahlmänner, welche die Namen der zum Priorat und den übrigen höheren Magistraturen zulässigen Bürger aufschrieben. welche die neue Füllung der Wahlbeutel zu besorgen hatten, die Befugnis haben sollten, in Gemeinschaft mit der abtretenden Signorie die neue zu ernennen. Dem Magistrat der Acht der Wache erteilten sie peinliche Gerichtsbarkeit und verordneten, daß die auf eine gewisse Zeit Verbannten, deren Exil zu Ende, nicht heimkehren dürften, wenn nicht von den Signoren und Kollegien, welche siebenunddreißig an der Zahl sind, vierunddreißig zur Erteilung der betreffenden Erlaubnis sich vereinten. Der Briefwechsel mit den Verbannten wurde untersagt; jedes Wort, jeder Wink, jede Vorkehrung, die den Herrschenden irgendwie mißfällig, wurde hart bestraft. Blieb in Florenz irgendein Verdächtiger, dem man auf diese Weise nicht beizukommen vermochte, so wurde er durch die von neuem auferlegten Abgaben zugrunde gerichtet. So war binnen kurzem die ganze feindliche Partei vertrieben oder verarmt und die Herrschaft in der Gewalt der Mediceischen Faktion. Um nun äußerer Hilfe nicht zu entbehren und sie den Übelwollenden abzuschneiden, verbündeten sie sich mit dem Papste, mit Venedig und dem Herzog von Mailand zu gegenseitiger Verteidigung ihrer Staaten.
Während die florentinischen Angelegenheiten diese Wendung nahmen, starb Johanna, Königin von Neapel (1435), und setzte durch ihren letzten Willen René von Anjou zum Erben des Thrones ein.René war der Sohn und Enkel zweier Ludwige von Anjou, deren erster Sohn König Johann des Guten von Frankreich und Bruder Carls V. wie des Herzogs Philipp (le hardi) von Burgund, mit welchem die Macht des burgundischen Zweiges der Valois begann, der mit seinem Urenkel Carl dem Kühnen ausstarb. Damals befand sich in Sizilien Alfons, König von Aragon, welcher, da er zu vielen Baronen des Reiches in vertrautem Verhältnisse stand, diese Krone sich zu eigen zu machen trachtete. Die Neapolitaner und viele Barone begünstigten René: der Papst seinerseits wollte weder von René noch von Alfons hören, sondern das Reich durch einen Statthalter verwalten lassen. Alfons begab sich unterdes aufs Festland und wurde von dem Herzoge von Sessa empfangen. Er nahm einige Fürsten in seinen Sold, in der Absicht, da er schon Capua besaß, welches der Fürst von Tarent in seinem Namen hielt, die Neapolitaner zu zwingen, sich seinem Willen zu fügen. Darauf sandte er sein Heer gen Gaeta, welches für die Neapolitaner war. Letztere wandten sich daher an den Herzog von Mailand mit der Bitte um Beistand. Dieser bewog die Genuesen, ihnen beizustehn, und nicht nur um dem Herzoge, ihrem Oberherrn, gefällig zu sein, sondern auch um ihre Waren in Neapel und Gaeta zu retten, rüsteten sie eine mächtige Flotte. Als Alfons dies vernahm, verstärkte er seine Seemacht und zog selbst den Genuesen entgegen. Bei den Ponza-Inseln kam es zum Kampfe:5. August 1435. die aragonische Flotte unterlag, Alfons ward mit vielen der vornehmsten Führer gefangen und von den Genuesen dem Visconti überliefert.
Dieser Sieg setzte alle diejenigen in Bestürzung, welche in Italien Filippo Marias Übergewicht fürchteten. Denn sie urteilten, es sei ihm jetzt eine gute Gelegenheit geboten, des Ganzen sich zu bemächtigen. Er aber, so verschieden sind der Menschen Ansichten, faßte ganz entgegengesetzten Beschluß. Alfons war ein kluger Mann, und sobald er mit dem Visconti eine Unterredung haben konnte, zeigte er ihm, wie sehr unrecht er daran tue, dem Anjou günstig, ihm aber entgegen zu sein. Denn werde René König von Neapel, so werde er auch alles aufwenden, dem Könige von Frankreich die Herrschaft über Mailand zu verschaffen, um Hilfe nahe zu haben und in schwierigen Umständen nicht erst um offne Straße für Zuziehende nachsuchen zu müssen. Dessen könne er sich nur vergewissern, indem er den Visconti stürze und Mailand französisch werden lasse. Das Gegenteil werde geschehen, siege er, Alfons, ob. Denn da er keinen andern Feind fürchte als Frankreich, so sei er genötigt, den, welcher diesem Feinde die Tore öffnen könne, zu lieben und ihm gefällig, ja gehorsam zu sein. So werde der Titel von jenem Königreiche Alfons gehören, Macht und Ansehn aber Filippo. Deshalb müsse letzterer am reiflichsten die Gefährlichkeit des einen Plans, den Vorteil des andern überlegen, wenn er nicht vielmehr einer Laune folgen, als sich der Macht vergewissern wolle. Denn in dem einen Falle werde er Fürst sein und unabhängig, in dem andern werde er, mitten innestehend zwischen zwei mächtigen Herrschern, entweder sein Land verlieren oder immer in Besorgnis leben und jenen sich fügen müssen. Diese Vorstellungen vermochten so viel über den Herzog, daß er seine Pläne änderte, Alfons freigab und ihn ehrenvoll nach Genua und von dort nach dem Königreich sandte, worauf dieser nach Gaeta sich begab, welches von einigen seiner Anhänger besetzt worden war, sobald man von seiner Befreiung Kunde erhielt.
Als die Genuesen sahen, daß der Herzog, ohne auf sie Rücksicht zu nehmen, Alfons befreit und ihre Gefahr und Auslagen sich zunutze gemacht, während ihm der Ruhm der Freilassung geblieben, ihnen der Vorwurf der zugefügten Niederlage, wurden sie alle gegen ihn sehr erbittert. Wenn die Stadt Genua ihre Unabhängigkeit genießt, so wählt sie durch freie Stimmen einen Herrscher, welcher Doge genannt wird, nicht als unumschränkter Fürst, oder um allein zu beschließen, sondern damit er als Oberhaupt vorschlage, was Magistrate und Ratsversammlungen in Untersuchung ziehn sollen. Es gibt in dieser Stadt viele edle Familien, die so mächtig sind, daß sie ungern nur den Magistraten gehorchen. Die angesehensten sind die Fregosi und die Adorni. Daher kommen die Zwistigkeiten in Genua und die Umwälzungen der bürgerlichen Ordnung. Denn da sie nicht durch Redekünste, sondern oft mit den Waffen um die Herrschaft streiten, so folgt daraus, daß immer eine Partei am Boden liegt, wenn die andere herrscht. Es geschieht auch wohl, daß jene, welche ihre Würde verloren, fremde Hilfe ansprechen, und das Vaterland, das sie selber nicht beherrschen können, der Willkür eines Ausländers überliefern. Daher kam es und kommt es, daß die Gewalthaber in der Lombardei oft auch in Genua regieren, wie es gerade der Fall war, als Alfons von Aragon gefangen genommen wurde. Unter den vornehmen Genuesen, welche Veranlassung gewesen, daß ihre Stadt sich dem Visconti unterworfen hatte, war Francesco Spinola, welcher, wie es nicht selten vorkommt, nicht lange nachdem er sein Vaterland in Knechtschaft gebracht, dem Herzoge verdächtig wurde. Darüber zürnend, wählte er gleichsam ein freiwilliges Exil in Gaeta. Da er sich hier befand, als die Seeschlacht mit König Alfons vorfiel, und er sich dabei tapfer hielt, glaubte er auf solche Weise, dem Herzog gegenüber wenigstens so viel Verdienst erworben zu haben, daß ihm ein ruhiger Aufenthalt zu Genua gestattet werden würde. Als er aber sah, daß der Verdacht des Visconti währte, weil dieser nicht glaubte, daß der ihn lieben könnte, welcher die Freiheit seiner Heimat nicht geliebt: beschloß er von neuem das Glück zu versuchen und mit einem Male dem Vaterlande die Unabhängigkeit wieder zu erringen, für sich aber Ruhm und Sicherheit. Denn es schien ihm, daß es nur einen Weg gebe, bei seinen Mitbürgern wieder zu Ehren zu gelangen: es so zu machen, daß, woher die Wunde gekommen, auch Heilung und Gesundheit kämen. Als er nun die allgemeine Erbitterung gegen den Herzog wegen der Freilassung des Königs gewahrte, hielt er die Zeit für geeignet, seine Pläne ins Werk zu setzen, und besprach sich darüber mit einigen, die er als gleichgesinnt kannte und die er zur Teilnahme aufforderte.
Das berühmte Fest Sankt Johannes des Täufers war gekommen, an welchem Arismino, des Herzogs neuer Statthalter, in Genua einzog. Da er von Opicino, dem abgehenden Statthalter, und von vielen Genuesen begleitet, den Einzug schon bewerkstelligt hatte, schien es dem Spinola, daß er keine Zeit verlieren dürfe. So verließ er denn bewaffnet seine Wohnung, mit denen, welche um seine Pläne wußten, und als er auf dem vor seinem Hause liegenden Platze sich befand, rief er die Freiheit aus. Es war wunderbar zu sehn, wie das Volk und die Bürger bei diesem Rufe zusammenliefen, so daß keiner, mochte er eignen Vorteils wegen oder aus andern Gründen dem Herzog geneigt sein, Zeit hatte, zu den Waffen zu greifen, ja kaum soviel, um die Flucht ergreifen zu können. Arismino flüchtete mit einigen Genuesen, die bei ihm waren, in das Kastell, das in des Herzogs Namen besetzt gehalten wurde. Opicino, welcher glaubte, wenn er den Palast erreichte, wo zweitausend Bewaffnete standen, sich retten oder den Seinigen Mut zur Gegenwehr einflößen zu können, eilte dahin, wurde aber, bevor er den Platz erreichte, niedergestoßen, in Stücke gehauen und so durch Genua geschleppt. Nachdem nun die Bürger einheimische Magistrate gewählt, nahmen sie binnen wenigen Tagen das Kastell und die übrigen von den Herzoglichen besetzten festen Plätze und waren bald ganz befreit vom Joche Filippo Viscontis.
Den Fürsten Italiens, welche anfangs voll Unruhe gewesen waren und die Besorgnis genährt hatten, der Herzog möchte zu mächtig werden, flößte der Ausgang dieser Angelegenheit die Hoffnung ein, daß es ihnen gelingen würde, ihn im Zaum zu halten. Ungeachtet des kürzlich erst geschlossenen Bündnisses vertrugen sich nun Florentiner und Venezianer mit Genua. Als Messer Rinaldo degli Albizzi und die übrigen Häupter der florentiner Ausgewanderten gewahrten, daß Mißverständnisse im Anzug waren und die Dinge in der Welt ihr Aussehn änderten, faßten sie Hoffnung, den Herzog zu offnem Kriege gegen Florenz bewegen zu können. Sie begaben sich deshalb nach Mailand, wo Messer Rinaldo den Visconti in folgender Weise anredete: »Wenn wir, die wir einst deine Gegner waren, jetzt vertrauensvoll als Bittende dir nahen, um durch deinen Beistand in unser Vaterland zurückzukehren, so mußt du nicht, so muß niemand, der den Zeitlauf menschlicher Angelegenheiten und die Glückswechsel betrachtet, Verwunderung darüber äußern. Denn für unser voriges und gegenwärtiges Tun haben wir offen darliegende und verständige Gründe und Rechtfertigung, die gegenüber für das Vergangene, gegenüber unserm Vaterlande für das Gegenwärtige. Kein redlicher Mann wird einen schmähen, weil er sein Vaterland verteidigt, auf welche Weise auch immer solches geschehen möge. Unser Zweck war niemals, dich zu kränken und dir Schaden zuzufügen, sondern die Heimat vor Schaden zu bewahren. Beweis davon ist, daß im Laufe der glänzendsten Siege unseres Bundes, sobald wir erkannten, du wärest zu wahrem Frieden geneigt, wir diesen Frieden sehnlicher wünschten als du selber. So glauben wir nichts getan zu haben, was uns unfähig machen dürfte, irgendeine Gnade von dir zu erlangen. Unser Vaterland kann sich ebensowenig darüber beschweren, daß wir dich jetzt ermuntern, gegen dasselbe jene Waffen zu gebrauchen, vor denen wir es mit solcher Beharrlichkeit schützten. Denn das Vaterland verdient von allen Bürgern geliebt zu werden, welches alle seine Bürger gleichmäßig liebt: nicht jenes, welches einige wenige werthält indem es alle übrigen zurücksetzt. Keiner darf die gegen das Vaterland gewandten Waffen ohne Unterschied verdammen. Denn die Städte, wenngleich Körper gemischter Natur, haben mit einfachen Körpern Ähnlichkeit. Wie in letzteren häufig Krankheiten sich erzeugen, welche ohne Eisen und Feuer sich nicht heilen lassen: so entsteht in jenen oft so viel Verderbnis, daß, wäre selbst das Eisen nötig, ein redlicher und guter Bürger ärger fehlen würde, wendete er es aus Furcht vor gewaltsamen Mitteln nicht an, als wenn er damit die Heilung vornähme. An welchem größern Übel aber kann der Leib eines Freistaates kranken als an der Knechtschaft? Welche Arznei ist nötiger als jene, durch deren Anwendung er genesen kann? Nur notwendige Kriege sind gerecht; nur jene Waffen sind fromme Waffen, deren Anwendung die einzige Aussicht bietet. Ich weiß nicht, welche Notwendigkeit größer ist als die, welche uns antreibt; welche Liebe feuriger ist als die, welche die Ketten des Vaterlandes bricht. Unsere Sache ist also die Sache der Gerechtigkeit und Liebe: dies muß von uns wie von dir in Erwägung gezogen werden. Auf deiner Seite fehlt die Gerechtigkeit nicht: denn nach einem feierlich geschlossenen Frieden haben die Florentiner sich nicht gescheut, mit den Genuesen sich zu verbünden, welche gegen dich sich empört haben. Bewegt also unsere Sache dich nicht, so sollte deine Entrüstung dich bewegen, um so mehr, als das Unternehmen leicht ist. Vorgänge früherer Zeiten, bei denen du die Macht des florentinischen Volks und seine Beharrlichkeit im Widerstande kennengelernt hast, dürfen dich nicht schrecken. Auch jetzt müßten diese dir Besorgnis einflößen, wenn sie von derselben Stärke wären wie vormals. Aber jetzt wirst du das Gegenteil finden. Denn welche Macht soll in einer Stadt sein, welche neuerlich den größern Teil ihres Reichtums und ihrer Tätigkeit ausgewiesen hat? Welche Beharrlichkeit soll ein Volk zeigen, das durch so vielfache und neue Feindschaften zerrissen ist? Diese Zwietracht ist Ursache, daß auch, was geblieben von Reichtum, nicht so wie damals verwendet werden kann. Denn gerne geben die Menschen das ihrige hin, wenn sie sehen, daß es für eignen Ruhm, eigne Ehre und Größe geschieht. Dann hoffen sie, im Frieden das Gut wiederzugewinnen, das sie im Kriege einbüßen. Anders aber ist es, wenn sie in Frieden und Kriege sich gleichmäßig unterdrückt sehen, wenn sie im Kriege der Feinde Härte, im Frieden der einheimischen Gebieter Übermut zu ertragen haben. Den Völkern aber schadet weit mehr der Bürger Habsucht, als der Feinde Raubsucht: denn von dieser ist das Ende abzusehn, nicht aber das Ende von jener. Du hast in früheren Kriegen die Waffen gegen eine ganze Stadt erhoben: ein kleiner Teil nur ist's, gegen den du jetzt sie erhebst. Du kamst, vielen und guten Bürgern ihre Stellung und Macht zu nehmen: jetzt kommst du gegen wenige nur und schlechte. Du zogest aus, einer Stadt ihre Freiheit zu rauben: jetzt ziehst du, ihr sie wiederzugeben. Es läßt sich nicht denken, daß so verschiedene Ursachen gleiche Wirkung haben sollten. Du darfst auf sicheren Sieg hoffen: wie große Sicherheit aber dieser Sieg deiner Stellung verleihen wird, siehst du selbst am besten ein. Denn Toscana wird dir befreundet sein und dankbar für so große Verpflichtung und wird dir bei deinen Unternehmungen nützlicher sein als Mailand. Und während ehemals diese Zunahme deiner Macht für ein Werk des Ehrgeizes und der Gewalttätigkeit gegolten haben würde, wird sie jetzt gerecht und menschenfreundlich genannt werden. Laß also diese Gelegenheit nicht vorübergehn und bedenke, daß, wenn deine früheren Unternehmungen gegen Florenz dir mit Not Kosten und Unehre brachten, die gegenwärtige dir mit Leichtigkeit großen Vorteil und Ehre bringen wird.«
Vieler Worte bedurfte es nicht, Filippo Maria Visconti zum Kriege gegen Florenz zu bewegen. Denn ihn feuerten dazu an erblicher Haß wie blinder Ehrgeiz, um so mehr, als die neue Beleidigung hinzutrat, der Vertrag der Republik mit den Genuesen. Dennoch erfüllten ihn die früheren Kosten, die überstandenen Gefahren, die Erinnerung an neuerliche Verluste und die eiteln Hoffnungen der Ausgewanderten mit Besorgnis. Sobald der Herzog den Aufstand Genuas erfahren, hatte er den Niccolo Priccinio mit all seiner Reiterei und solchem Fußvolk, als er in der Eile auftreiben konnte, gegen jene Stadt gesandt, um zu versuchen, sich ihrer wieder zu bemächtigen, bevor die Bürger zu festen Beschlüssen gekommen sein und die Regierung geordnet haben würden. Denn er setzte seine Hoffnung auf das Kastell, welches seine Leute besetzt hielten. Obschon nun aber Niccolo die Genuesen von den Hügeln vertrieb und ihnen das Tal von Ponzeveri nahm, wo sie sich gelagert hatten, sie auch bis zur Stadtmauer verfolgte: so stellte ihm doch die Standhaftigkeit der Bürger solche Schwierigkeiten entgegen, daß er unverrichteter Dinge sich zurückziehn mußte. Nun befahl ihm der Herzog, auf Antreiben der verbannten Florentiner, die Riviera di Levante anzugreifen und, dem Pisanischen nahe, auf genuesischem Gebiete den Krieg mit aller Macht zu führen. Denn er dachte, daß dieser Feldzug ihm mit der Zeit an die Hand geben werde, welcher Entschluß der ratsamste sei. Darauf berannte Niccolo Sarzana und nahm den Ort. Nachdem er viele Verheerungen angerichtet, zog er, um die Florentiner noch besorgter zu machen, nach Lucca, indem er vorgab, er wolle nach dem Königreich Neapel, um dem Könige von Aragon Beistand zu leisten (1436). Darüber verließ Papst Eugen Florenz und begab sich nach Bologna, wo er neue Unterhandlungen zwischen dem Herzog und den Verbündeten anknüpfte, indem er dem erstern andeutete, wenn er keinen Vergleich eingehn wolle, so werde er sich genötigt sehn, den Grafen Francesco, welcher damals als sein Verbündeter und in seinem Solde focht, dem Bunde zu überlassen. Die Bemühungen des Papstes scheiterten aber: denn ohne Genua wollte der Visconti sich nicht vergleichen; der Bund aber verlangte, Genua sollte unabhängig bleiben. So traute keiner dem Frieden und jeder bereitete sich zum Kampfe.
Als unterdessen Niccolò Piccinino nach Lucca gekommen war, fürchteten die Florentiner neue Anschläge. Sie sandten also Neri Capponi, Ginos Sohn, mit Mannschaft ins Pisanische, erlangten vom Papst, daß Francesco Sforza sich mit Neri Capponi vereinige und hielten mit ihrem Heere bei Santa Gonda.Vormalige Camaldulenser-Abtei im untern Arnothal, halbwegs zwischen Florenz und Pisa. Von Lucca aus ersuchte Piccinino um Erlaubnis zum Durchzug nach Neapel, und als man ihm diesen weigerte, drohte er, ihn zu erzwingen. Die Heere waren sich gleich, gleich die Berühmtheit der Feldherren. Da nun keiner das Glück versuchen wollte, und überdies, da es im Dezember, die Kälte sie hinderte, standen sie viele Tage lang ohne Schwertstreich einander gegenüber. Der erste, der sich in Bewegung setzte, war Piccinino, dem man vorgestellt hatte, er werde Vico Pisano leicht erobern, wenn er einen nächtlichen Angriff unternehme. Er tat's, aber der Ort hielt sich, worauf er das umliegende Land verheerte und den Borgo San Giovanni alla Vena plünderte und in Flammen aufgehn ließ. Obschon dies Unternehmen im wesentlichen mißlang, veranlaßte es doch Niccolo weiterzuziehn, um so mehr als er sah, daß Neri und der Graf sich nicht rührten. So griff er Santa Maria in Castello und Filetto an und nahm sie.Die genannten Kastelle sind florentinisch-lucchesisehe Grenzorte. Auch jetzt noch setzten die Florentiner sich nicht in Bewegung, nicht, weil der Graf Besorgnis hegte, sondern weil der florentinische Magistrat den Krieg noch nicht beschlossen hatte, aus Rücksicht gegen den Papst, welcher den Frieden unterhandelte. Was die Florentiner aus Klugheit taten, gab dem Feinde, der es für Furcht nahm, Mut zu neuen Unternehmungen. So erschien er mit aller Macht vor Barga. Da beschlossen die Florentiner, alle Rücksicht beiseite zu lassen und Barga nicht nur zu Hilfe zu kommen, sondern in das Gebiet von Lucca einzufallen. Der Graf Francesco griff daher den Piccinino an und nötigte ihn, mit bedeutendem Verlust die Belagerung aufzuheben. Unterdessen sandten die Venezianer, auf den Friedensbruch von Seiten des Herzogs sich stützend, ihren Feldhauptmann Giovan Francesco da Gonzaza nach der Ghiaradadda,Die Ghiaradadda, im Lodigianischen, ist die Niederung im Winkel zwischen Adda und Po, ehemals wahrscheinlich See oder Sumpf. Hier wurde am 1. Mai 1509 die berühmte Schlacht geschlagen, in welcher König Ludwig XII. mit Triulzio und Charles d'Amboise die Venezianer besiegte (Schlacht von Vailà oder Angadel) und die ihn bis an die Lagunen führte. wo dieser das feindliche Land so sehr beschädigte, daß Filippo Maria sich genötigt sah, den Piccinino aus Toscana zurückzurufen. Diese Maßregel und der erfochtene Vorteil gaben den Florentinern Mut, den Feldzug gegen Lucca zu wagen, in der Hoffnung, diese Stadt zu erobern. Denn sie sahen den einzigen Gegner, den sie fürchteten, den Herzog, mit den Venezianern beschäftigt, während die Lucchesen, die ihre Feinde aufgenommen und ihnen Vorschub geleistet, nicht darüber klagen durften, daß sie nun selber angegriffen wurden.
Im April des Jahres 1437 brach also der Graf Francesco Sforza mit dem Heere auf. Bevor aber die Florentiner fremdes Gebiet angriffen, wollten sie wieder nehmen, was ihr Eigentum war, und eroberten Santa Maria in Castello und die übrigen vom Piccinino besetzten Orte. Hierauf gingen sie auf lucchesisches Gebiet über und berannten Camajore, dessen Einwohner, obgleich treu gesinnt, sich ergaben, weil die Furcht vor dem nahen Feinde mehr bei ihnen vermochte, als die dem entfernten Freunde gelobte Treue. So nahmen sie auch Massa und Sarzana. Nach diesen Unternehmungen kehrten sie gegen Ende Mai mit dem Lager in die Nähe Luccas zurück, zerstörten alle Frucht und Getreide, steckten die Landhäuser in Brand, fällten die Bäume, trieben das Vieh weg und unterließen nichts, was Feinden Schaden zufügen kann. Die Lucchesen hinwiederum, als sie sich vom Herzoge verlassen sahen und verzweifelten, das Land verteidigen zu können, gaben es auf und befestigten auf alle Weise die Stadt, welche sie halten zu können hofften, da sie voll Bewaffneter war. In dieser Hoffnung bestärkte sie überdies die Erinnerung an frühere Unternehmungen der Florentiner. Nur fürchteten sie den Wankelmut des gemeinen Volks, sowie daß dieses, eine Belagerung mit Widerwillen ertragend, die Gefahr höher als die Freiheit anschlagen und sie zu irgendeinem schädlichen und schmählichen Abkommen nötigen möchte. Um nun das Volk zur Verteidigung zu entflammen, ließen sie es auf dem Platze zusammenkommen, und einer der Älteren und Verständigeren hielt folgende Anrede: »Ihr müsset stets vernommen haben, daß, wenn eine Tat aus Not geschieht, weder Lob noch Tadel ihr folgen darf noch kann. Beschuldigtet ihr also uns, diesen Krieg mit Florenz veranlaßt zu haben, indem wir die herzoglichen Kriegsvölker aufnahmen und ihnen den Angriff gegen die Florentiner gestatteten, so würdet ihr euch sehr irren. Ihr kennt die alte Feindschaft der Florentiner gegen uns, deren Grund nicht Beleidigung eurerseits ist, Furcht ihrerseits, sondern eure Schwäche und ihr Ehrgeiz. Jene gibt ihnen Aussicht, euch zu unterdrücken, dieser treibt sie an, es zu versuchen. Glaubet nicht, daß irgendein Verdienst, das ihr euch um sie erwerben würdet, sie von diesem Vorhaben abbringen, oder Beleidigung von eurer Seite zu größerm Hasse reizen kann. Sie also sinnen darauf, euch die Freiheit zu nehmen: ihr müßt darauf bedacht sein, sie zu schützen. Das, was sie und wir zu diesem Zwecke tun, mag Betrübnis erregen, aber keine Verwunderung. Uns tut es leid, daß sie uns angreifen, daß sie unsere Ortschaften nehmen, unsere Wohnungen anzünden, unser Land verheeren. Wird aber einer von uns so unverständig sein, sich darüber zu wundern? Denn stände es in unserer Macht, wir würden ihnen das nämliche oder Schlimmeres zufügen. Sie haben diesen Krieg wegen des Zuges Niccolò Piccininos begonnen. Wäre aber Niccolò nicht gekommen, so würden sie ihn aus irgendeinem andern Grunde angefangen haben, und durch Verzögerung wäre das Übel vielleicht nur noch größer geworden. Jenem Zuge dürft ihr deshalb nichts zur Last legen, sondern eurem ungünstigen Geschick und ihrer ehrsüchtigen Natur. Denn wir konnten dem Herzog nicht abschlagen, sein Kriegsvolk aufzunehmen, und nachdem er einmal da war, konnten wir ihm nicht wehren, den Krieg zu beginnen. Ihr wißt, daß ohne eines Mächtigen Hilfe wir uns nicht retten können: keine Macht aber gibt's, die uns sicherer und kräftiger schützt als die des Herzogs. Er hat uns die Freiheit wiedergegeben: laßt ihn darum sie schützen. Er ist unserer beständigen Feinde größter Feind gewesen. Hätten wir also, um die Florentiner nicht zu reizen, den Herzog beleidigt, so würden wir den Freund eingebüßt, den Feind mächtiger und mehr noch auf unsern Nachteil versessen gemacht haben. So ist's viel besser, mit des Herzogs Zuneigung diesen Krieg, als mit seiner Abneigung Frieden zu haben. Auch dürfen wir hoffen, daß er uns aus den Gefahren, in die er uns gestürzt, retten werde, so wir uns selber nicht aufgeben. Es ist euch bekannt, mit welchem Ingrimm die Florentiner uns mehrmals angegriffen, und mit welchem Ruhme wir uns gegen sie verteidigt haben. Oft war uns keine andere Hoffnung geblieben, als auf Gott und die Zeit: einer und die andere haben uns geholfen. Verteidigten wir uns damals, weshalb sollten wir jetzt verzagen? Damals ließ ganz Italien uns ihnen zur Beute: jetzt haben wir den Herzog für uns und die Aussicht, daß die Venezianer uns nicht sehr entgegen sein werden, da die sich mehrende Macht von Florenz ihnen ein Dorn im Auge ist. Früher waren die Florentiner freier, hatten größere Hoffnung auf fremden Beistand, waren selbst mächtiger, während wir in jeder Hinsicht schwächer waren. Denn damals verteidigten wir einen Tyrannen, jetzt verteidigen wir uns; damals gehörte andern der Ruhm des Widerstandes, jetzt uns selbst; damals griffen jene uns vereint an, jetzt sind sie uneins, denn ganz Italien ist mit ihren Verbannten gefüllt. Bliebe uns aber auch diese Hoffnung nicht, so müßte die Notwendigkeit allein uns zur äußersten Gegenwehr auffordern. Jeden Feind müsset ihr in einem vernünftigen Maße fürchten, denn jeder will seinen Ruhm und euern Sturz. Mehr denn alle übrigen aber müßt ihr die Florentiner fürchten: denn ihnen würden nicht unser Gehorsam und unser Tribut samt der Herrschaft über diese Stadt genügen, sondern sie würden unsere Personen und unser Gut wollen, um mit unserem Blute ihre Grausamkeit, mit unserer Habe ihre Gier zu sättigen. Darum muß jeder sie fürchten, wer er auch sei. Lasset euch deshalb nicht dadurch bewegen, daß ihr eure Äcker verwüsten, eure Landhäuser verbrennen, eure Ortschaften besetzen seht. Denn, retten wir diese Stadt, so retten wir notwendig auch jene. Verlieren wir sie, so würde die Rettung alles übrigen für uns keine Früchte tragen. Bleiben wir frei, so kann der Feind nicht leicht deren Besitz behaupten: verlieren wir die Freiheit, so nutzt jener Besitz uns nichts. Ergreift also die Waffen und haltet vor Augen, daß der Preis des Sieges nicht nur des Vaterlandes Heil sein wird, sondern das Heil eurer Häuser und eurer Kinder.« – Die letzten Worte dieser Rede erfüllten die Menge mit großem Eifer, und alle versprachen eher zu sterben als zu verzagen oder an einen Vertrag zu denken, der die Freiheit beeinträchtigen würde. Darauf ordneten sie alles, was zur Verteidigung erforderlich ist. Unterdessen verlor das florentinische Heer seine Zeit nicht, nahm, nach vielfacher Beschädigung des Landes, Monte Carlo, das sich auf Bedingungen ergab, und zog hierauf nach Uzano, damit, von allen Seiten eingeschlossen, die Lucchesen auf keinen Beistand hoffen sollten und wegen Mangels an Lebensmitteln sich ergeben müßten. Das genannte Kastell war stark und gut besetzt, so daß dessen Einnahme nicht leicht war wie bei andern. Als die Lucchesen die Gefahr näherrücken sahen, wandten sie sich, wie natürlich, an den Herzog, dem sie sich auf alle Weise empfahlen. In ihren Reden deuteten sie bald auf ihre eignen Verdienste hin, bald auf die durch die Florentiner erduldeten Beleidigungen, und wie er seine übrigen Freunde ermuntern würde, käme er ihnen zu Hilfe, wie sie entmutigen, ließe er sie im Stiche. Und wenn sie samt der Freiheit das Leben verlören, so würde er bei den Freunden die Ehre verlieren wie das Vertrauen bei allen denen, welche je um seinetwillen eine Gefahr zu bestehen haben würden. Diese Worte begleiteten sie mit Tränen, ihn durch Mitleid zu bewegen, wenn das Gefühl der Pflicht es nicht täte. Indem nun bei dem Herzog der alte Haß gegen die Florentiner zu der neuen Verpflichtung kam, die er gegen die Lucchesen hatte, und namentlich der Wunsch, die Macht der Florentiner nicht allzusehr wachsen zu lassen: beschloß er ein starkes Heer nach Toscana zu senden, oder die Venezianer mit solchen Massen anzugreifen, daß die Florentiner sich genötigt sehen würden, ihre eignen Unternehmungen aufzugeben, um den Bundesgenossen beizuspringen.
Kaum hatte der Herzog diesen Entschluß gefaßt, so vernahm man in Florenz, er werde Heerhaufen nach Toscana senden. Dies ließ bei den Florentinern die Hoffnung des Gelingens schwächer werden. Um nun den Herzog in der Lombardei zu beschäftigen, lagen sie den Venezianern an, ihm ihre volle Macht entgegenzusetzen. Aber auch diese waren ängstlich geworden, weil der Markgraf von Mantua sie verlassen hatte und in des Visconti Sold getreten war. Da sie sich nun wie entwaffnet sahen, so erwiderten sie, sie könnten den bisherigen Kriegsstand nicht aufrechthalten, geschweige ihn verstärken, sende man ihnen nicht als Feldherrn den Grafen Francesco, unter der Bedingung jedoch, daß er in eigner Person über den Po gehe. Verpflichte dieser sich nicht, hinüberzugehn, so wollten sie durch die früheren Verträge nicht ferner gebunden sein: denn ohne Feldhauptmann wollten sie keinen Krieg führen; auf andere als den Grafen könnten sie sich nicht verlassen; den Grafen aber könnten sie nicht gebrauchen, wenn er sich nicht verpflichte, allerorten Krieg zu führen. Den Florentinern schien kräftige Kriegführung in der Lombardei nötig: andrerseits aber sahen sie ihr Unternehmen gegen Lucca vereitelt, wenn sie ohne den Grafen blieben. Sie begriffen übrigens sehr wohl, daß dies Begehren der Venezianer nicht in der Notwendigkeit, den Grafen an der Spitze ihres Heeres zu sehen, seinen Grund habe, sondern in dem Wunsche, sie an der Eroberung von Lucca zu hindern. Der Graf seinerseits, ginge er nach der Lombardei, sollte jedem Verlangen der Verbündeten nachkommen: er aber wollte jene Verpflichtung nicht eingehen, weil er auf die durch die Verschwägerung mit dem Herzog ihm eröffnete Aussicht zu verzichten keine Lust hatte.Es drehte sich nämlich alles darum, daß Francesco Sforza wohl die befreundeten Territorien verteidigen, nicht aber die Viscontischen angreifen wollte.
Die Florentiner wußten also nicht, welchen Entschluß sie fassen sollten. Der Wunsch, Lucca zu besitzen und die Furcht vor dem Kriege mit dem Herzog bewegten sie gleichmäßig. Wie gewöhnlich geschieht, siegte die Furcht, und sie waren es zufrieden, daß nach der Einnahme Uzanos der Graf nach der Lombardei ziehn sollte. Noch blieb aber eine Schwierigkeit, welche, da es nicht an den Florentinern lag, sie zu heben, ihnen mehr Unruhe verursachte und mehr Ungewißheit als die erste. Denn der Graf weigerte sich über den Po zu gehen, und die Venezianer wollten ihn nur unter dieser Bedingung annehmen. Da sich nun kein Mittel fand, die beiden zu einem freiwilligen Vergleiche zu bewegen, so beredeten die Florentiner den Grafen, er sollte sich mittels eines an die Signorie von Florenz gerichteten Schreibens zum Übergange über jenen Fluß verpflichten, wobei sie ihm bedeuteten, diese vertraulich gegebene Zusage werde die öffentlichen Verträge nicht ändern, und er könne es später nach seinem Willen halten. Hätten die Venezianer den Krieg einmal begonnen, so müßten sie ihn auch fortsetzen, und auf diesem Wege werde der Wendung, welche die Sachen zu nehmen drohten, entgegengearbeitet. Den Venezianern hielten sie auf der andern Seite vor, dies vertrauliche Schreiben genüge, den Sforza zu verpflichten, und sie möchten sich damit begnügen. Denn wo sie den Grafen decken könnten, der Rücksichten wegen, die er gegen den künftigen Schwiegervater zu beobachten habe, sei es gut, dies zu tun: weder ihm noch ihnen würde es Nutzen bringen, ihn ohne dringende Not bloßzustellen. In solcher Weise wurde des Grafen Abreise nach der Lombardei beschlossen. Nachdem dieser nun Uzano genommen und um Lucca einige Basteien aufgeworfen, um die Lucchesen eingeschlossen zu halten, und nachdem er darauf die Führung des Kriegs den Kommissarien übergeben, ging er über den Apennin und begab sich nach Reggio. Die Venezianer aber, die ihm nicht trauten, verlangten, er sollte vor allem andern über den Po gehen und zu ihren übrigen Truppen stoßen. Der Graf weigerte sich, ihnen Folge zu leisten, und es kam zwischen ihm und dem venezianischen Abgeordneten, Andrea Morosini, zu heftigen Worten, indem sie einander übermäßigen Hochmuts und geringer Zuverlässigkeit beschuldigten. Nachdem sie nun gegenseitig sich verwahrt, daß der eine nicht zum Dienste gehalten sei, der andere nicht zum Zahlen, kehrte der Sforza nach Toscana zurück, der andere nach Venedig. Die Florentiner wiesen dem Grafen im Gebiete von Pisa sein Standquartier an und hofften ihn zur Fortsetzung des Kriegs gegen Lucca bewegen zu können. Aber sie fanden ihn auch dazu nicht geneigt. Denn da der Herzog von Mailand vernommen hatte, der Graf habe aus Rücksicht gegen ihn nicht über den Po gehn wollen, so hoffte er auch durch dessen Dazwischentreten die Lucchesen retten zu können und ersuchte ihn, er möchte sich bemühen, zwischen Florenz und Lucca einen Vergleich zustande zu bringen und, womöglich, auch ihn einzuschließen, indem er ihm Hoffnung gab, daß die Vermählung mit seiner Tochter nun vor sich gehn würde. Diese Heirat aber lag dem Grafen sehr am Herzen, denn da der Herzog keine Söhne hatte, so hoffte er auf diese Weise zum Besitz von Mailand zu gelangen. Darum widersetzte er sich immer den kriegerischen Plänen der Florentiner und versicherte, er werde sich nicht in Bewegung setzen, hielten die Venezianer ihm nicht die Zusage von Sold und Feldhauptmannschaft. Der Sold allein genügte ihm nicht: denn da er seiner Staaten sich vergewissern wollte, so bedurfte er einer andern Stütze noch als der Florentiner. Verließen ihn also die Venezianer, so war er genötigt, an seine Angelegenheiten zu denken, und er war klug genug, durchblicken zu lassen, er werde sich mit dem Herzog verständigen.
Diese Ausflüchte und Unredlichkeit mißfielen den Florentinern höchlich, denn nicht nur sahen sie die Unternehmung gegen Lucca scheitern, sondern fürchteten selbst für eignen Besitz, wenn der Herzog und der Graf sich vertrügen. Um nun die Venezianer zu bewegen, den Grafen in ihrem Dienste zu behalten, begab sich (1438) Cosimo de'Medici nach Venedig, im Glauben, er werde durch sein Ansehn die Republik dazu bestimmen. Da besprach er nun im Senate ausführlich diese Sache, indem er zeigte, in welchen Verhältnissen Italien sich befinde: wie groß die Macht des Herzogs sei und wo das Übergewicht der Waffen liege; er schloß seine Rede: wenn der Graf sich mit dem Herzog verbände, so müßten die Venezianer aufs Meer zurückkehren, die Florentiner für eigne Unabhängigkeit kämpfen.
Die Venezianer antworteten darauf: sie kennten ihre Streitkräfte und die der Italiener und glaubten sich auf alle Fälle verteidigen zu können; sie wären nicht gewohnt, Kämpfer zu bezahlen, die andern dienten; die Florentiner möchten daran denken, den Grafen zu entlohnen, da sie sich seiner bedienten. Es sei aber, um ihre Staaten in Ruhe zu bewahren, nötiger, den Stolz des Grafen zu demütigen, als ihn zu bezahlen: denn der Menschen Ehrgeiz kenne keine Grenzen, und wenn er jetzt Sold erhalte, ohne Dienst zu tun, so werde er bald Herabwürdigenderes und Gefährlicheres verlangen. Es scheine ihnen unerläßlich, seinem Trotz irgendeinen Zügel anzulegen und ihn nicht so wachsen zu lassen, bis er unverbesserlich würde. Wollten sie aber, aus Furcht oder aus andern Beweggründen, ihn zum Freunde halten, so möchten sie ihn immer bezahlen. So kehrte Cosimo unverrichteter Dinge heim.
Nichtsdestoweniger lagen die Florentiner dem Grafen an, er sollte sich nicht vom Bunde lossagen. Er tat dies auch gegen seinen Willen: aber der Wunsch, jene Ehe zu schließen, hielt ihn anhaltend in Spannung, so daß auch der unbedeutendste Zufall eine Sinnesänderung bewirkte. Er hatte zur Bewachung seiner Besitzungen in der Mark den Furlano, einen seiner vornehmsten Hauptleute, zurückgelassen. Diesem wurde vom Herzoge so zugesetzt, daß er des Grafen Dienst verließ und sich ihm anschloß. Da ließ der Sforza alle Rücksicht fallen und vertrug sich in seiner Besorgnis mit dem Herzog, und es war in den Bedingungen ausgesprochen, daß er sich um die Angelegenheiten in der Romagna und in Toscana nicht kümmern sollte. Nach diesem Vertrage drang er in die Florentiner, sie sollten sich mit den Lucchesen verständigen. Er drang so sehr, daß die Republik, anderer Mittel beraubt, mit jenen im Monat April des Jahres 1438 einen Vergleich schloß, durch welchen Lucca die Freiheit bewahrte, die Florentiner Monte Carlo und einige andere Kastelle erhielten. Hierauf erfüllten sie ganz Italien mit Klageschreiben: wie sie mit Lucca Frieden geschlossen, weil Gott und die Menschen nicht gewollt, daß die Lucchesen unter ihre Herrschaft gelangen sollten. Es geschieht selten, daß einer über den Verlust eignen Besitzes so viel Mißvergnügen an den Tag legt wie damals die Florentiner über das Mißlingen ihrer Pläne, fremden Gutes sich zu bemächtigen.
Während nun die Florentiner mit diesem Unternehmen beschäftigt waren, unterließen sie doch nicht, an ihre Nachbarn zu denken und ihre Stadt auszuschmücken. Wie gesagt war Niccolò Fortebraccio gestorben,23. August 1435. der eine Tochter des Grafen von Poppi zur Frau hatte. Letzterer hatte bei dessen Tode Borgo S. Sepolcro zusamt der Burg in Händen und herrschte dort zu Lebzeiten des Schwiegersohns in seinem Namen. Nach Niccolòs Tode nun behauptete er den Ort als Witthum der Tochter und wollte ihn dem Papste nicht herausgeben, der ihn, als der Kirche entzogenes Besitztum, zurückforderte. Endlich sandte Papst Eugen den Patriarchen (Vitelleschi) mit Mannschaft den Borgo zu nehmen. Als der Graf sah, daß er den Ort gegen diese Macht nicht schützen konnte, bot er ihn den Florentinern an: diese aber schlugen ihn aus. Nachdem aber der Papst in ihre Stadt zurückgekehrt war (1439), boten sie sich als Vermittler zwischen ihm und dem Grafen an. Da indes Schwierigkeiten sich fanden, fiel der Patriarch in das Casentino ein, nahm Pratovecchio und Romena und bot sie den Florentinern an, die sie aber gleichmäßig ausschlugen, ausgenommen, wenn der Papst ihnen gestatte, sie dem Grafen von Poppi zurückzugeben. Nach manchem Hin- und Herreden gestand der Papst dies zu, unter der Bedingung jedoch, daß sie jenen veranlassen sollten, den Borgo zu räumen. Als der Papst diesen Entschluß gefaßt, schien es den Florentinern passend, ihn zu bitten, selbst ihre Domkirche Santa Reparata zu weihen, deren Bau lange vorher begonnen und jetzt so weit gediehen war, daß der Gottesdienst in ihr stattfinden konnte. Papst Eugen sagte ihnen dies gerne zu,Ungenaue Chronologie. Papst Eugen weihte den Dom (Santa Maria del Fiore) vor seiner ersten Abreise aus Florenz, 25. März 1436. Am 18. April ging er dann nach Bologna, kehrte am 22. Januar 1439 nach Florenz zurück, wo er das von Basel nach Ferrara, von Ferrara nach der genannten Stadt verlegte Konzil eröffnete, und begab sich am 7. Januar 1443 nach Siena, nachdem er am Tage zuvor die Kirchen San Marco und Santa Croce geweiht hatte. und zu größerer Zierde der Stadt und Ehre für den Papst errichtete man von Santa Maria Novella, wo dieser wohnte, bis zu der Kirche, welche geweiht werden sollte, ein Gerüst, vier Ellen breit, zwei Ellen hoch, oben und allseits mit reichen Zeugen bedeckt, auf welchem der Papst mit seinem Hofe daherzog, samt jenen Magistratspersonen der Stadt und den Bürgern, die zu seiner Begleitung bestellt worden waren. Alle übrige Bürgerschaft und Volk füllte die Straße, die Häuser und die Kirche, den Zug zu sehen. Nachdem nun die bei solchen Einweihungen üblichen Zeremonien beendigt waren, beehrte der Papst, dem Vorgange noch größere Feierlichkeit zu geben, den damaligen Justiz-Gonfaloniere Giuliano Davanzati, einen allzeit geachteten Bürger, mit der Ritterwürde. Um nun nicht minder wohlgeneigt zu erscheinen denn der Papst, verlieh die Signorie diesem auf ein Jahr das Capitanat von Pisa.
Es gab in jener Zeit einen Zwiespalt zwischen der römischen und der griechischen Kirche, so daß sie im Gottesdienste nicht in allen Stücken stimmten. Nachdem im Baseler Konzil durch die Prälaten der abendländischen Kirche viel darüber verhandelt worden, beschloß man alles aufzuwenden, damit der griechische Kaiser und die Prälaten der morgenländischen Kirche in genannter Stadt zusammenkämen, um zu versuchen, ob sie mit der römischen sich einigen könnten. Obgleich nun ein solcher Plan der Majestät des griechischen Reiches widerstritt, wie dem Stolz seiner Prälaten die Unterwerfung unter den Papst unangenehm war: so beschlossen sie, von den Türken bedrängt und ohne Hilfe durch eigene Kraft, dennoch sich zu fügen, um dann zuverlässiger auf andrer Beistand rechnen zu dürfen. So verfügten sich denn der Kaiser und der Patriarch, zugleich mit vielen Prälaten und Baronen, nach Venedig, um dem Beschluß des Baseler Konzils zu folgen: aber durch die Pest in Furcht gesetzt, beschlossen sie, in Florenz die Einigung stattfinden zu lassen. Nachdem hier die römischen und griechischen Prälaten mehrere Tage nacheinander in der Domkirche zusammengekommen, wichen die Griechen nach vielen Besprechungen und verständigten sich mit der römischen Kirche und dem Papste.6. Juli 1439.
Nachdem zwischen Lucca und Florenz, zwischen dem Herzog und dem Grafen Friede geschlossen worden, glaubte man, die Waffen würden endlich ruhen, jene namentlich, welche die Lombardei und Toscana bedrängten. Denn der Kampf im Königreich Neapel zwischen René von Anjou und Alfons von Aragon konnte nur mit dem Untergange eines der Streitenden endigen. Und obgleich der Papst unbefriedigt war, weil er mehrere seiner Städte verloren, und obschon man wußte, wie groß der Ehrgeiz des Visconti und der Venezianer war: so dachte man doch, der Papst würde aus Not ruhig bleiben, die andern aus Ermattung. Aber es kam anders. Denn weder der Herzog noch die Venezianer hielten Ruhe, so daß man von neuem zu den Waffen griff und die Lombardei und Toscana noch einmal mit Kriegsgetümmel erfüllt wurden. Der Hochmut des Visconti duldete es nicht, daß die Venezianer Bergamo und Brescia besaßen, um so weniger, als er sie in Waffen und täglich durch sein Land ziehn und es beunruhigen sah. Er dachte sie nicht nur im Zaum zu halten, sondern seine Städte wiederzunehmen, wenn der Papst, Florenz und der Graf sie im Stiche ließen. Deshalb beschloß er, dem Papste die Romagna zu nehmen, im Glauben, daß nach einem solchen Verlust der Papst ihm nicht schaden könnte und die Florentiner, wenn sie den Brand so in ihrer Nähe erblickten, entweder aus Furcht sich nicht bewegen, oder, ständen sie auf, ihn nicht mit Vorteil angreifen würden. Der Herzog wußte überdies, wie die Florentiner, der lucchesischen Angelegenheit wegen, auf die Venezianer zürnten, und glaubte deshalb, sie würden minder bereit sein, die Waffen für sie zu ergreifen. Was den Grafen Sforza betraf, so glaubte er, die neugeschlossene Freundschaft und die Aussicht auf die Heirat würden hinreichen, ihn in Ruhe zu halten. Um sich nun Vorwürfen zu entziehn und einem jeden weniger Veranlassung zu geben, sich zu erheben, namentlich aber weil er, in Gemäßheit des mit dem Grafen geschlossenen Vertrages, die Romagna nicht angreifen durfte, richtete er es so ein, daß Niccolò Piccinino den Feldzug beginnen sollte, gleichsam als täte er's auf eigene Hand.
Als jener Vertrag zwischen dem Visconti und dem Sforza stattfand, stand Niccolò in der Romagna, und im Einverständnis mit dem erstem stellte er sich, als zürne er, wegen der zwischen jenem und dem Grafen, seinem Erbfeinde, geschlossenen Freundschaft. Drauf zog er mit seiner Mannschaft nach Camurata, einem Ort zwischen Forli und Ravenna, und befestigte ihn, als wollte er dort lange bleiben, bis er andern Dienst gefunden. Während nun die Sage von seinem Groll überall verbreitet war, ließ Niccolò den Papst wissen, wie groß seine Verdienste um den Herzog und dessen Undank seien, und wie dieser sich wohl vernehmen lasse, er denke noch ganz Italien sich zu unterwerfen, da er die beiden ersten Feldherren in seinem Sold habe. Wolle aber der Papst, so könne er's dahin bringen, daß von diesen beiden Feldherren der eine sein Gegner, der andere ihm unnütz werden würde. Denn, versehe er ihn mit Geld und setze er ihn in den Stand, seine Scharen beisammenzuhalten, so werde er die Staaten des Sforza angreifen, welche dieser der Kirche genommen. Der Graf würde dann an sich selber zu denken haben und dem Ehrgeiz des Herzogs nicht Vorschub leisten können. Der Papst glaubte diesen Vorspiegelungen, sandte dem Niccolò fünftausend Dukaten und machte ihm eine Menge Versprechungen, indem er ihm für sich und seine Söhne Besitztümer zusagte. Und obgleich man den Papst vor Trug warnte, wollte er doch nichts davon hören. Die Stadt Ravenna wurde von Ostasio da Polenta für den römischen Stuhl verwaltet. Da es nun dem Niccolò Zeit schien, den Angriff nicht aufzuschieben, weil sein Sohn Francesco zu des Papstes Schaden Spoleto gebrandschatzt hatte, so beschloß er gen Ravenna zu ziehn, entweder weil dies Unternehmen ihm leichter vorkam oder weil er mit Ostasio im Einverständnisse war. Wenige Tage nachdem er vor der Stadt angelangt, nahm er sie auch durch Vertrag. Hierauf besetzte er Bologna, Imola und Forli. Das Wunderbarste aber war, daß von zwanzig Burgen, welche päpstliche Truppen in jener Provinz besetzt hielten, nicht eine einzige dem Piccinino entging. Es genügte ihm nicht, dem Papste diesen Schimpf anzutun: wie durch die Tat, wollte er ihn auch mit Worten schmähen, und schrieb ihm, es geschehe ihm ganz recht, daß er ihm die Ortschaften weggenommen, da er sich nicht gescheut, die Freundschaft zwischen ihm und dem Herzog stören zu wollen und durch ganz Italien Briefe gesandt habe, des Inhalts, daß er den Herzog verlassen, um den Venezianern sich zu nähern.Alles dies ereignete sich im Jahre 1438. Niccolò ließ seinen Sohn Francesco zur Bewachung der eroberten Romagna zurück und zog mit dem größern Teil seiner Mannschaft nach der Lombardei. Nachdem er sich hier mit den übrigen herzoglichen Kriegsvölkern vereinigt, fiel er ins Gebiet vor Brescia ein und nahm es bald ganz. Hierauf begann er die Belagerung der Stadt. Der Herzog, welcher wünschte, man möchte ihm die Venezianer zur Beute lassen, entschuldigte sich bei dem Papste, bei den Florentinern, bei Sforza: Niccolos Verfahren in der Romagna sei zwar dem Abkommen zuwider, aber ebensosehr gegen seinen eignen Willen gewesen. Durch geheime Boten ließ er sie sodann wissen: er werde diesen Ungehorsam strafen, sobald Zeit und Umstände es gestatteten. Die Florentiner und der Graf glaubten ihm nicht, sondern sie urteilten, wie auch wirklich der Fall war, daß diese Unternehmung nur den Zweck gehabt habe, sie aufzuhalten, damit er die Venezianer demütigen könnte, welche, voll Stolz im Glauben, sie könnten mit eigner Macht der Macht des Visconti widerstehn, um Beistand nachzusuchen verschmähten, sondern unter Anführung ihres Feldhauptmanns, des Gattamelata, den Krieg begannen. Der Graf Francesco wünschte mit florentinischer Hilfe ins Königreich Neapel zum Beistand des Königs René zu ziehn, wenn die Vorfälle in der Romagna und Lombardei ihn nicht zurückgehalten hätten, und die Florentiner hätten dies Unternehmen gerne begünstigt, der alten Freundschaft wegen, die zwischen ihnen und dem französischen Königshause bestand. Der Herzog dagegen wäre dem König Alfons beigestanden, wegen der Freundschaft, die er nach seiner Gefangennehmung mit ihm geschlossen. Jetzt waren aber die einen wie die andern mit Kriegen in ihrer Nachbarschaft so beschäftigt, daß sie den Gedanken an ferne Kämpfe aufgeben mußten. Als nun die Florentiner die Romagna von den herzoglichen Kriegsvölkern besetzt und die Venezianer im Nachteil sahen, und sie zu fürchten begannen, der Sturz anderer würde ihren eignen Sturz herbeiführen: so baten sie den Grafen, nach Toscana zu kommen, wo man untersuchen würde, was zu tun, um sich der Macht des Herzogs zu widersetzen, die nun größer war, als sie je gewesen. Denn sie versicherten, daß, wenn man jetzt seiner Gier nicht auf irgendeine Weise Schranken setzen könnte, jeder, der in Italien Besitzungen habe, darunter leiden würde. Zwar erkannte der Graf, wie wohlbegründet die Furcht der Florentiner war, dennoch hielt die vom Herzog ihm immer noch vorgehaltene Aussicht ihn schwankend, während der Visconti, seines Wunsches kundig, ihm die größte Hoffnung machte, falls er die Waffen nicht gegen ihn erheben würde. Da des Herzogs TochterBianca Maria Visconti. Ihre Mutter hieß Agnese del Maino. Filippo Maria hatte von seinen beiden rechtmäßigen Frauen, Beatrice Lascaris von Ventimiglia, Gräfin von Tenda (1418 zu Binasco enthauptet), und Maria von Savoyen, Tochter des Herzogs Amadeus (letzter Gegenpapst als Felix V.), die ihn überlebte, keine Kinder. – Francesco Sforza war früher schon vermählt gewesen, mit Polissena Ruffo von Calabrien. Er war bei seiner Verheiratung mit Bianca (1441) vierzig Jahre alt. schon erwachsen war, so gediehen zu verschiedenen Malen die Sachen so weit, daß alles zur Hochzeit vorbereitet ward: dann wurden allerlei Ausflüchte hervorgesucht, um es noch anstehn zu lassen. Um aber den Grafen noch fester zu halten, bekräftigte der Herzog seine Worte durch Taten und sandte ihm dreißigtausend Gulden, die er ihm dem Vertrag zufolge zu geben hatte.
Unterdessen hatte der Krieg in der Lombardei seinen Fortgang. Die Venezianer verloren täglich mehr Land, und alle Heere, welche sie nach den lombardischen Stromlinien sandten, wurden von den herzoglichen besiegt. Das offne Land um Verona und Brescia war ganz besetzt, und die beiden Städte so enge eingeschlossen, daß sie, der allgemeinen Ansicht nach, nur kurze Zeit noch sich halten konnten. Der Markgraf von Mantua, viele Jahre hindurch Feldhauptmann der Republik, hatte sie, aller Erwartung zuwider, verlassen und sich dem Herzog angeschlossen, so daß im Verlauf des Feldzugs Furcht sie nötigte, das zu tun, wozu anfangs sich zu bequemen Hochmut ihnen nicht erlaubt hatte. Denn da sie erkannten, wie ihr einzig Heil in der Freundschaft der Florentiner und des Grafen Francesco bestehe, begannen sie um diese nachzusuchen, obgleich voll Scham und Mißtrauen. Denn sie fürchteten, von den Florentinern die Antwort zu erhalten, welche sie diesen in der lucchesischen Angelegenheit und in der Sache des Grafen gegeben. Doch fanden sie die Florentiner bereitwilliger, als sie erwarteten und als sie durch ihr Verhalten verdient. Soviel mehr vermochte über die Florentiner der Haß gegen den alten Feind, als der Groll auf den vieljährigen, gewohnten Freund. Und da sie längere Zeit schon vorhergesehn, daß die Venezianer in Not kommen würden, so hatten sie dem Grafen vorgestellt, wie der Untergang Venedigs sein Ruin sein würde, und er sich sehr im Lichte stehe, wenn er glaube, der Herzog Filippo werde mehr Rücksicht auf ihn nehmen, wenn er im Unglück, als wenn er im Glücke sei. Auch machten sie ihm bemerklich, er habe ihm seine Tochter nur darum versprochen, weil er ihn fürchte. Da nun die Not veranlasse, ein Versprechen zu halten, das die Not abgedrungen habe: so sei es erforderlich, den Herzog in solcher Not zu erhalten, was nicht geschehen könne, außer wenn die Venezianer mächtig blieben. Er möchte deshalb bedenken, daß, wenn Venedig seine Festlandbesitzungen aufgeben müsse, nicht nur der Vorteil ihm entgehe, den er von dieser Republik, sondern auch der, welchen er durch ihr Ansehn erlangen könnte. Gehe er die italienischen Staaten der Reihe nach durch, so werde er sehen, daß der eine ohnmächtig sei, ihm feindlich gesinnt der andere. Die Florentiner allein seien nicht mächtig genug ihn zu halten, so daß es für ihn von größtem Belange sei, die Landmacht der Venezianer kräftig zu unterstützen. Diese Gründe, vereint mit dem Hasse, den der Sforza auf den Herzog geworfen, weil es ihm endlich vorkam, daß dieser seiner nur spotte mit der vorgespiegelten Heirat, veranlaßten ihn, endlich in den Vergleich zu willigen, obwohl er sich auch damals wieder ausbedang, den Po nicht überschreiten zu müssen. Im Februar 1438 ward dieser Vergleich geschlossen, wobei die Venezianer sich zum Tragen von zwei Dritteln, die Florentiner zu einem Drittel der Kosten verpflichteten, während beide noch übernahmen, die Besitzungen des Grafen in der Mark auf eigne Kosten zu verteidigen. Die Verbündeten begnügten sich aber nicht mit diesen Streitkräften, sondern zogen noch an sich den Herrn von Faenza, die Söhne des Messer Pandolfo Malatesta von Rimini und Pietro Gian Paolo Orsini. Den Markgrafen von Mantua aber konnten sie ungeachtet großer Verheißungen dem mailändischen Bündnisse nicht abwendig machen. Der Herr von Faenza seinerseits, nachdem er sich schon mit den Verbündeten vertragen, wandte sich zum Visconti, als dieser ihm vorteilhaftere Bedingungen stellte, und raubte so jenen die Hoffnung, mit den Angelegenheiten der Romagna rasch fertig zu werden.
Die Lombardei war damals in großer Aufregung, weil die herzoglichen Kriegsvölker Brescia so enge eingeschlossen hielten, daß man von einem Tage zum andern glaubte, die Stadt würde durch Hunger zur Übergabe genötigt werden. In nicht günstigerer Lage befand sich Verona. Der Verlust aber einer dieser Städte würde alle übrigen Rüstungen und alle bisherigen Auslagen zuschanden gemacht haben. Das sicherste Mittel, einen solchen Verlust abzuwenden, schien des Sforza Einrücken in die Lombardei. Drei Hindernisse aber stellten sich in den Weg: zuerst des Grafen Entschluß, den Po nicht zu überschreiten; sodann die Befürchtung der Florentiner, daß sie der Willkür des Visconti ausgesetzt bleiben würden, wenn der Graf sie verließe, indem der Herzog leicht in seine festen Plätze sich zurückziehn, dem Angriff des Grafen entgehn und in Toscana einfallen könnte, unterstützt von den florentinischen Ausgewanderten, die den damals Regierenden die größte Besorgnis einflößten; endlich die Ungewißheit, welchen Weg der Graf mit seinen Scharen ziehn sollte, um sicher das paduanische Gebiet zu erreichen, wo die andern venezianischen Kriegsvölker standen. Das zweite dieser Bedenken, welches die Florentiner betraf, wog am schwersten: nichtsdestoweniger aber beschlossen letztere, die Gefahr erkennend und gedrängt durch die Venezianer, welche täglich mit der Erklärung, sie wären ohne ihn verloren, um den Grafen anhielten, eigene Besorgnis fremder Not hintanzusetzen. Es blieb nur die Schwierigkeit des Weges, den die Venezianer zu sichern verhießen. Da zur Unterhandlung mit dem Sforza Neri Capponi gebraucht worden war, so hielt die Signorie für gut, ihn auch nach Venedig zu senden, um der Republik das Zugeständnis werter zu machen und sichern Durchzug anzuordnen.
Neri verließ also Cesena und gelangte zu Schiffe nach Venedig. Nie wurde ein Fürst von jener Signorie ehrenvoller empfangen als er: denn sie waren der Ansicht, daß die Rettung ihres Staates von seiner Ankunft und den mit ihm zu beratenden Maßregeln abhinge. Nachdem nun Neri vor den Senat gekommen, sprach er folgendermaßen: »Meine Signorie, erlauchter Fürst, ist immer der Ansicht gewesen, die Größe des Herzogs sei der Ruin dieses wie ihres Staates. Sie glaubt aber auch, nur durch beider Blüte könne das Heil des einen wie des andern gesichert werden. Wäre diese Ansicht in gleichem Maße die eurige gewesen, so würden unsere Umstände jetzt besser sein und ihr wäret geborgen vor den Gefahren, die euch gegenwärtig bedrohen. Da aber ihr zur Zeit, wo es euch obgelegen hätte, uns nicht Glauben noch Hilfe gewährtet: so haben wir uns nicht beeilen können, euern Übeln abzuhelfen. Ihr eurerseits konntet euch nur spät entschließen, uns aufzufordern, da ihr in Glück und Unglück uns verkannt habet, und nicht wisset, daß wir so gemacht sind, daß wir immer lieben, was wir einmal lieben, was wir einmal hassen, immer hassen. Die Liebe, die wir zu dieser erlauchten Signorie getragen, kennt ihr selber: denn um euretwillen habt ihr die Lombardei oft mit unserm Gelde und unserm Kriegsvolke erfüllt gesehn. Den Haß, der uns gegen Filippo erfüllt, und gegen sein Haus stets erfüllen wird, kennt die ganze Welt. Nun ist es nicht leicht, daß alte Liebe und alter Haß durch neue Dienste oder Unbilden ausgelöscht werden. Wir waren überzeugt und sind es noch, daß wir in diesem Kampfe, zur großen Freude des Herzogs und mit geringer Gefahr, Zuschauer bleiben konnten. Hätte er sich auch auf den Trümmern eurer Macht zum Herrn der Lombardei erhoben, so blieb doch in Italien so viel noch aufrecht, daß wir an unserm Heil nicht zu verzweifeln brauchten. Denn mit der Zunahme von Macht und Besitztum mehren sich ebenfalls Feinde und Neid, worin Krieg und Verluste ihren Ursprung haben. Wir wußten auch, wieviel wir sparten, wenn wir uns fernehielten vom gegenwärtigen Kriege; welchen drohenden Gefahren wir entgingen, und wie der Kampf, der jetzt die Lombardei durchtobt, leicht die Grenzen Toscanas überschreiten kann, wenn wir uns dreinmischen. Alle diese Besorgnisse aber haben unsrer alten Liebe zu Venedig nachstehn müssen, und wir haben beschlossen, euch mit derselben Schnelligkeit zu Hilfe zu kommen, mit der wir uns selbst beim Angriff verteidigen würden. Da nun die Signoren eingesehn, wie es vor allem nötig ist, Brescia und Verona Beistand zu leisten, und sie der Meinung sind, dies könne nicht geschehn ohne den Grafen: so haben sie mich zuerst abgesandt, diesen zum Einrücken in die Lombardei und zum Kriegführen, ohne Unterschied des Ortes, zu bewegen, da ihr wisset, daß er nicht verpflichtet ist, über den Po zu gehn. Ich bewog ihn dazu durch jene Gründe, die uns selbst bewegen. Und wie er sich durch Waffen unüberwindlich dünkt, so will er sich auch an Edelmut nicht besiegen lassen. Unsere Wohlgeneigtheit gegen euch will er noch überbieten: denn obgleich er weiß, daß durch seinen Abzug Toscana bloßgestellt wird, so hat er doch, da er uns eigene Gefahr eurem Heil hintanstellen sieht, auch seine Rücksichten diesem nicht vorangehn lassen wollen. Ich komme also, euch den Grafen anzubieten mit siebentausend Reitern und zweitausend Soldaten zu Fuß, bereit, den Feind, wo es auch sei, aufzusuchen. Ich bitte euch, in meinem wie in meiner Signoren Namen, daß, wie seine Mannschaft beträchtlicher als die, zu deren Führung er verpflichtet ist, eure Freigebigkeit ihn auch dafür belohne, auf daß er nicht bereue, in euern Dienst getreten zu sein, wir nicht bereuen, ihn dazu veranlaßt zu haben.« Neris Worte wurden vom Senate mit einer Aufmerksamkeit vernommen, als wären es Orakelsprüche, und die Zuhörer wurden durch seine Rede in solche Bewegung versetzt, daß sie nicht abwarteten, bis, der Gewohnheit gemäß, der Fürst ihm geantwortet. Sondern aufspringend, die Hände emporgehoben, viele mit Tränen in den Augen, dankten sie den Florentinern für ihren Liebesdienst, ihm selbst für dessen rasche und sorgsame Ausführung. Sie versprachen, nie sollte dies aus der Erinnerung ihrer Nachkommen, geschweige aus der ihrigen, schwinden, und ihr Vaterland sollte ein gemeinsames sein für sie wie für die Florentiner.
Nachdem dieser Drang vorüber, sprach man über den Weg, welchen der Graf einschlagen sollte, damit man ihn durch Brücken, durch das Ebnen böser Stellen, wie auf andere Weise sichern könnte.Francesco Sforza stand in der Romagna. Der Straßen waren vier. Der eine Weg ging über Ravenna längs der See: er wurde nicht gewählt, weil er großenteils beengt war durch Strand und Sümpfe. Ein anderer war die gerade Straße: diesen sperrte ein von herzoglicher Mannschaft besetzter Turm, l'Uccellino, den man einnehmen mußte, wollte man dieses Weges ziehen. Dies war aber schwierig wegen der Kürze der Zeit, und weil der Marsch des Hilfsheeres, der mit Schnelligkeit ausgeführt werden mußte, dadurch verzögert worden wäre. Die dritte Straße führte durch den Wald des Sees, war aber unzugänglich, weil der Po ausgetreten war. Der vierte Weg blieb offen, jener durch das Bolognesische, der über Ponte Puledrano, Cento und La Pieve, zwischen Finale und Bondeno nach Ferrara führte, von wo man zu Wasser wie zu Lande ins Paduanische gelangen und mit den venezianischen Kriegsvölkern sich vereinigen konnte. Diese Straße, obgleich sie manche Schwierigkeiten darbot und an verschiedenen Punkten feindlichem Angriffe bloßgestellt war, wurde doch als die wenigst gefährliche gewählt. Nachdem dies dem Grafen Sforza angezeigt worden, brach er schnell auf und zog am 20. Juni ins Gebiet von Padua ein. Das Einrücken dieses Feldherrn in die Lombardei erfüllte Venedig und die untergebenen Provinzen mit froher Hoffnung, und während die Venezianer bis dahin am eignen Heil gezweifelt, fingen sie nun an, selbst neuen Zuwachs ihrer Macht zu hoffen.
Das erste, was der Graf vornahm, war, daß er Verona zu Hilfe zog. Um dies zu hindern, rückte Niccolò Piccinino mit seinen Haufen nach Soave, einem zwischen vicentinischem und veronesischem Gebiete gelegenen Kastell, und verschanzte sich dort, indem er von Soave bis zu den Sümpfen der Etsch einen Graben zog. Als der Sforza sah, daß der Weg durch die Ebene ihm verlegt war, beschloß er durchs Gebirge zu ziehn und sich von dieser Seite Verona zu nähern, indem er dachte, daß Niccolò entweder nicht glauben würde, daß er diese Straße einschlage, welche steil und beschwerlich war, oder daß, wenn er's glaubte, es nicht mehr an der Zeit sein würde, ihn zu hindern. Nachdem er sich nun auf acht Tage mit Lebensmitteln versehen, unternahm er mit seinem Heere den Zug und langte unterhalb Soave in der Ebene an. Und obgleich der Piccinino einige Basteien aufgeworfen, dem Grafen auch diesen Weg abzuschneiden, so reichten sie doch nicht hin ihn aufzuhalten. Als Niccolò den Feind gegen alle Erwartung in seiner Nähe angelangt sah, zog er sich, um nicht zu einem unvorteilhaften Treffen genötigt zu werden, über die Etsch zurück, worauf der Graf ungehindert in Verona einrückte.
Nachdem nun der Sforza seine erste Aufgabe, den Entsatz Veronas, glücklich gelöst, blieb ihm die zweite, die Befreiung Brescias. Diese Stadt liegt dem Gardasee so nahe, daß, wenn auch auf der Landseite eingeschlossen, sie dennoch von der Wasserseite mit Lebensmitteln versorgt werden kann. Dies zu hindern, hatte der Herzog mit seinen Völkern am See feste Stellungen eingenommen und gleich zu Anfang seines Kriegsglücks alle Ortschaften besetzt, welche den Brescianern zu Wasser Beistand leisten konnten. Auch die Venezianer hatten Galeeren auf dem See, aber sie waren zu schwach im Verhältnis zur herzoglichen Streitmacht. Der Graf hielt es daher für nötig, der venezianischen Seemacht mit dem Landheere zu Hilfe zu kommen, indem er hoffte, daß es gelingen würde, die Ortschaften zu nehmen, welche Brescia aushungerten. Er schlug deshalb bei Bardolino, einem am See gelegenen Kastell, das Lager auf, indem er dachte, daß nach der Einnahme des einen die andern sich ergeben würden. Hier war ihm aber das Glück nicht hold, denn ein großer Teil seiner Mannschaft erkrankte, so daß er die Sache aufgab und sich nach Zevio, einem veronesischen Kastell, zurückzog. Die Feste lag in einer gesunden Gegend und war reichlich mit Lebensmitteln versehen. Als Niccolò diesen Rückzug sah, beschloß er, die Gelegenheit, des Sees sich zu bemächtigen, nicht zu verlieren. Er verließ deshalb sein Lager bei Vergasio, zog mit gewählten Scharen nach dem See, griff die venezianische Flottille mit großer Heftigkeit an und nahm sie beinahe ganz. Infolge dieses Sieges ergaben sich beinahe sämtliche Kastelle dem Piccinino.
Durch diesen Verlust in Schrecken gesetzt, und fürchtend, Brescia werde sich ergeben, bestürmten die Venezianer den Sforza mit Boten und Briefen, er solle der Stadt zu Hilfe ziehn. Da dieser sah, daß von der Wasserseite her keine Hoffnung mehr war, und das offne Land durch Gräben, Basteien und Werke aller Art, welche Niccolò angeordnet, so unzugänglich gemacht war, daß ein Heer, einem feindlichen entgegenziehend, in augenscheinliches Verderben sich stürzte: so beschloß er gleichfalls durchs Gebirge gen Brescia zu rücken, wie er Verona gerettet. Er verließ Zevio, zog durch das Tal von Acri nach dem See von Sant' Andrea und erreichte Torboli und Peneda am Gardasee. Von dort rückte er auf Tenna, wo er das Lager aufschlug, indem der Besitz dieses Kastells notwendig war, wollte er sich Brescia nähern. Als Niccolò von dem Vorhaben des Sforza Kunde erhielt, führte er seine Scharen nach Peschiera.Peschiera, zu Dantes Zeit eine bedeutende Veste am Ausfluß des Mincio aus dem Gardasee (»Peschiera ragt ein schönes, starkes Bollwerk – zu trotzen Bergamasken und Brescianern – da wo des Sees Umufrung niedrer abfällt.« Hölle, XX, 70), auch jetzt ein sehr wichtiger Punkt. Mit dem Markgrafen von Mantua und einigen seiner besten Truppen zog er dann dem Grafen entgegen. Es erfolgte ein Kampf: Niccolò wurde geschlagen, seine Mannschaft zersprengt; ein Teil ward gefangengenommen, einige flohen nach der Flotte, andere zum Heere. Niccolò schloß sich in Tenna ein, da aber die Nacht kam, so bedachte er, daß, wenn er den Tag hier abwartete, er dem Grafen sicher in die Hände fallen würde. Um nun dieser Gefahr zu entgehen, versuchte er noch einmal sein Glück. Von allen seinen Leuten war ein einziger bei ihm, ein Deutscher, kräftig von Körperbau, und ihm stets mit großer Treue anhangend. Diesen bewog der Piccinino, er solle ihn in einen Sack stecken, diesen auf den Rücken nehmen und, als trüge er Geräte seines Herrn, an einen sichern Ort bringen. Tenna war vom feindlichen Lager eingeschlossen: wegen des eben erfochtenen Sieges aber waren keine Wachen ausgestellt, herrschte lauter Unordnung. So ward es dem Deutschen leicht, seinen Gebieter zu retten. Denn er lud ihn auf seinen Rücken und ging, als Sackträger gekleidet, ungehindert durch das ganze Lager, bis er ihn zu seiner übrigen Mannschaft brachte.
Wäre dieser Sieg gehörig benutzt worden, so würde er Brescia größere Erleichterung, den Venezianern größern Vorteil gebracht haben. Die schlechten Maßregeln aber ließen jene Stadt in der nämlichen schwierigen Lage und machten der Freude bald ein Ende. Denn nachdem Niccolò zu den Seinigen zurückgekehrt, sann er darauf, wie er die Scharte ausmerzen und die Venezianer am Entsatz hindern könnte. Er kannte die Lage der Zitadelle von Verona und wußte von Kriegsgefangenen, daß es nicht schwer sein würde, sie zu nehmen. Drum schien es ihm, das Glück biete ihm ein Mittel, seine Ehre wiederzugewinnen und des Feindes Jubel über den neuen Sieg durch neuen Verlust in Leid umzuwandeln. Die Stadt Verona liegt am Ausgange der lombardischen Ebene am Fuß des Gebirges, welches Italien von Deutschland scheidet, in solcher Weise, daß sie teils auf dem Abhänge der Höhen gebaut ist, teils in der Ebene. Der Etschfluß tritt aus dem Trientiner Tale hervor und wirft sich, in Italien angelangt, nicht gleich in die Ebene, sondern folgt links dem Bergzuge, findet die genannte Stadt und teilt sie in zwei ungleiche Hälften. Der größere Teil findet sich auf der Seite des flachen Landes, der kleinere, mit zwei Burgen, auf der Hügelseite. Diese Burgen, San Piero und San Felice, erscheinen stärker vermöge ihrer Lage als durch ihre Werke, und beherrschen von ihrem hohen Standpunkte aus die ganze Stadt. Im ebenen Teile diesseits der Etsch, den Mauern der Stadt angelehnt, sind zwei andere, tausend Schritte voneinander entfernt liegende Festen, die eine die alte, die andere die neue Zitadelle genannt. Auf der innern Seite läuft von der einen zur andern eine Mauer, die gleichsam die Sehne zum Bogen bildet, welchen die zwischen beiden Festen sich erstreckenden Stadtmauern beschreiben. Der ganze, durch diese beiden Mauerlinien eingeschlossene Raum ist mit Menschen gefüllt und heißt Borgo San Zeno. Diese Zitadellen und diesen Borgo beschloß Niccolò Piccinino zu besetzen, in der Meinung, daß es ihm unschwer gelingen würde, teils wegen der nachlässigen Bewachung, teils weil er glaubte, daß des neuerrungenen Vorteils wegen die Sorgfalt noch geringer sein würde, wie auch, weil er wußte, daß im Kriege kein Unternehmen so leicht gelingt wie jenes, welches der Feind für unausführbar hält.
Nachdem er nun einen Teil seiner besten Mannschaft gewählt, zog er mit dem Markgrafen von Mantua gen Verona und erstieg und nahm bei Nacht, ohne gehört zu werden, die neue Zitadelle. Dann führte er seine Leute in die Stadt hinab, erbrach das Tor Sant' Antonio und ließ die ganze Reiterei ein. Die venezianische Besatzung der alten Burg vernahm zuerst den Lärm, als jene der neuen umgebracht wurde, erkannte dann den Feind, als das Tor erbrochen ward, und begann das Volk zu den Waffen zu rufen und zu läuten. Die Bürger sprangen in der Verwirrung auf: die mutigsten griffen zu den Waffen und eilten nach der Piazza de'Rettori. Niccolòs Leute hatten unterdessen den Borgo San Zeno geplündert, und als sie vorrückten und die Bürger sie als herzogliche Truppen erkannten, gaben sie die Hoffnung auf, sich verteidigen zu können, und rieten den venezianischen Beamten nach den Kastellen zu fliehen und ihre Personen wie die Stadt zu retten. Denn sie stellten ihnen vor, daß es besser sei, sich selbst am Leben und diese reiche Stadt günstigerem Geschick zu bewahren, als beim Versuch, das gegenwärtige Mißgeschick zu bessern, das Leben zu verlieren und die Stadt ins Verderben zu stürzen. So flohen denn die Rektoren und alles, was venezianischen Namen trug, nach der Burg San Felice. Hierauf gingen einige der vornehmsten Bürger zu Niccolò und dem Markgrafen von Mantua und baten, sie möchten lieber Verona reich mit Ehren, als verarmt mit Schande besitzen, um so mehr als sie, die Bewohner, weder bei den bisherigen Besitzern durch Verteidigung ein Verdienst erworben, noch bei den jetzt Eingedrungenen Mißfallen erregt hätten. Niccolò und der Markgraf sprachen ihnen Mut zu und schützten sie vor Plünderung, soweit die zuchtlosen Sitten der Truppen es gestatteten. Und da die beiden Heerführer beinahe überzeugt waren, daß der Graf Francesco zur Wiedereinnahme Veronas heranrücken würde, so wandten sie alles auf, um die festen Plätze in ihre Gewalt zu bekommen, und sperrten jene, die zu nehmen ihnen nicht gelang, durch Gräben und Verhaue von der Stadt ab, um dem Feinde den Einzug zu erschweren.
Als dem Grafen Francesco, der mit den Seinigen bei Tenna stand, die erste Kunde von diesem Überfall zukam, hielt er sie für ein leeres Gerücht. Als dann aber zuverlässigere Nachrichten die Wahrheit bestätigten, wollte er die stattgefundene Nachlässigkeit rasch wieder gut machen. Und obgleich seine Unterfeldherren rieten, er sollte Verona und Brescia aufgeben und gen Vicenza ziehn, um nicht vom Feinde eingeschlossen zu werden: so wollte er doch nichts davon hören, sondern die Wiedereroberung jener Stadt versuchen. Und indem er sich in dieser Ungewißheit der Gemüter an die venezianischen Proveditoren und den ihn begleitenden florentinischen Kommissar, Bernardetto de'Medici wandte, verhieß er ihnen, die Stadt werde sicher wieder in seine Hände kommen, wenn nur eine der Burgen sich halte. Darauf ordnete er sein Heer und zog im Eilmarsch nach Verona. Als Niccolò ihn daherziehn sah, wähnte er, daß er den Rat der Seinigen befolgte und sich auf Vicenza zurückzöge: als er aber das Heer sich auf Verona zuwenden und die Richtung der Burg San Felice einschlagen sah, wollte er sich zur Gegenwehr bereiten. Aber es war zu spät. Denn die Absperrung der Burg war nicht beendigt: die Mannschaft war aus Habsucht und beim Beutemachen auseinandergelaufen, und er konnte sie nicht schnell genug vereinigen, um des Sforza Heer zu hindern, der Festung sich zu nähern, durch sie in die Stadt einzuziehn und sie wieder zu erobern, zu Niccolòs Schande und zum großen Nachteil seiner Truppen. Mit dem Markgrafen zog der Piccinino sich erst in die Zitadelle zurück und floh dann durch das offne Land nach Mantua. Dort sammelten sie die Reste der Mannschaft, die sich beim Überfall gerettet, und vereinigten sich mit den andern, welche vor Brescia geblieben waren. So ward Verona innerhalb vier Tagen vom herzoglichen Heere gewonnen und verloren. Nach diesem Siege, da der Winter schon gekommen und Brescia notdürftig mit Lebensmitteln versehen worden, bezog der Graf Quartier in Verona und verordnete den Bau von Galeeren zu Torboli, um beim Frühlingsanfang zu Wasser und zu Lande stark genug zu sein, Brescia ganz zu entsetzen.
Als der Herzog (1440) sah, daß der Krieg der Jahreszeit wegen ruhte, daß die Hoffnung, Verona und Brescia zu nehmen, fehlgeschlagen war, wie auch daß Geld und Rat der Florentiner an allem diesen schuld und letztere weder durch die von seiten Venedigs erfahrene Kränkung in ihrer Freundschaft wankend geworden, noch sich durch seine Verheißungen hatten gewinnen lassen: so beschloß er, um ihnen die Früchte ihrer Saat zu kosten zu geben, in Toscana einzufallen. Sowohl der Piccinino wie die florentinischen Ausgewanderten ermunterten ihn dazu. Jenen bewog das Verlangen, Braccios da Montone vormaliges Besitztum zu erwerben und den Sforza aus der Mark zu verjagen: diese drängte der Wunsch, in ihre Heimat zurückzukehren. Jeder hatte den Herzog durch Gründe bearbeitet, welche zu seinen Plänen stimmten. Niccolò zeigte ihm, wie er ihn nach Toscana senden und doch Brescia belagert halten könne, da er den See beherrsche und die Kastelle in gutem Zustande habe, während ihm andere Feldhauptleute und Truppen blieben, dem Sforza sich zu widersetzen, falls dieser einen andern Zug unternehmen wolle. Es sei aber nicht wahrscheinlich, daß er etwas anderes vornehmen werde, ohne Brescia entsetzt zu haben: dieser Entsatz sei indes unmöglich. So führe er, der Herzog, Krieg in Toscana, und unterbreche den lombardisohen Feldzug nicht. Er erläuterte überdies, wie die Florentiner, sobald sie ihn in Toscana einrücken sähen, genötigt sein würden, den Grafen zurückzurufen, oder aber ihrem Verderben entgegenzugehn. Was auch erfolge, für den Herzog könne es nur Gewinn sein. Die Ausgewanderten versicherten, das Volk, der Bedrückungen und des Übermuts der Vornehmen müde, würde ganz gewiß in Waffen gegen sie aufstehn, wenn Niccolò mit dem Heere sich Florenz näherte. Sie zeigten, letzteres sei leicht, indem sie, durch Vermittlung des mit Rinaldo befreundeten Grafen von Poppi, die Straße durch das Casentino offen erhalten würden. So geschah es denn, daß der Herzog, von selbst schon zu diesem Unternehmen geneigt, durch die Genannten noch mehr darin bestärkt ward. Die Venezianer ihrerseits lagen dem Grafen Sforza an, er sollte ungeachtet der rauhen Jahreszeit Brescia zu Hilfe ziehn. Dieser aber erklärte, es sei im Winter unmöglich: er müsse den Frühling abwarten und unterdessen Heer und Flotte rüsten, um den Entsatz zu Wasser und zu Lande zu versuchen. Damit waren die Venezianer übel zufrieden und bewerkstelligten die Rüstungen langsam, so daß die Reihen ihres Heeres sehr gelichtet waren.
Als die Florentiner sich alles dies vergegenwärtigten, erschraken sie, als sie sahen, wie der Krieg ihnen auf den Leib rückte und in der Lombardei wenig ausgerichtet worden war. Auch wegen der päpstlichen Kriegsvölker gerieten sie in Unruhe, nicht etwa als wäre der Papst ihr Feind gewesen, sondern weil sie sahn, daß die Truppen mehr ihrem entschiedenen Gegner, dem Patriarchen, als dem Papste selbst gehorsamten. Giovanni Vitelleschi von Corneto war anfangs apostolischer Vikar, dann Bischof von Recanati, hierauf Patriarch von Alexandrien, und als er endlich Kardinal ward, pflegte man ihn den Kardinal von Florenz zu nennen.Er war 1436 durch Papst Eugen zum Erzbischof von Florenz ernannt worden. Der erste Erzbischof von Florenz war 1419 Amerigo Corsini. Er war mutig und schlau und wußte sich beim Papste sehr in Gunst zu setzen, so daß dieser ihn zum Anführer des Heeres der Kirche ernannte und ihm alle Unternehmungen in Toscana, in der Romagna, im Königreich Neapel und im Römischen anvertraute. Dadurch stieg sein Ansehn bei den Truppen und beim Papste dermaßen, daß letzterer sich scheute ihm Befehle zu erteilen, und die ersteren ihm und keinem andern Untertan waren. Da nun der Kardinal mit dem Heere in Rom war, als das Gerücht von Niccolò Piccininos beabsichtigtem Zuge sich verbreitete, verdoppelte sich die Besorgnis der Florentiner, weil seit der Verbannung Messer Rinaldos degli Albizzi der Kardinal sich dem Staate stets feindselig gezeigt hatte, da er gesehn, daß der durch seine Vermittlung in Florenz zwischen den Parteien abgeschlossene Vergleich nicht nur nicht gehalten, sondern zu Messer Rinaldos Ruin umgangen worden war, während Messer Rinaldo auf seine Veranlassung die Waffen niedergelegt und so es den Gegnern möglich gemacht hatte, ihn zu vertreiben. Darum schien es den Häuptern der Regierung, die Zeit sei gekommen, wo Messer Rinaldo sich schadlos halten könnte, wenn er bei Niccolòs Einrücken in Toscana mit ihm sich vereinigte. Dies war ihnen um so wahrscheinlicher, da Niccolòs Vorrücken aus der Lombardei, wo er beinahe sichern Vorteil aufgab, um zweifelhaftem nachzugehen, ihnen unzeitig vorkam, und sie glaubten, er tue dies nur infolge irgendeines neuen Verständnisses oder heimlichen Truges. Diesen Verdacht teilten sie dem Papste mit, der schon seinen Irrtum erkannt hatte, andern so große Macht einzuräumen. Während die Florentiner in dieser Ungewißheit sich befanden, zeigte ihnen ein Zufall den Weg, des Patriarchen sich zu versichern. Die Republik hielt allerorten aufmerksame Kundschafter zum Auffangen der Briefträger und zum Entdecken von Komplotten. Nun wurden zu Montepulciano Briefe aufgebracht, die der Patriarch ohne des Papstes Vorwissen an Niccolò Piccinino geschrieben. Diese Briefe wurden dem Papste durch den mit dem Kriegswesen beauftragten Magistrat vorgelegt. Obgleich sie in ungewohnten Charakteren geschrieben und der Sinn derselben auf solche Weise verworren war, daß man ihn nicht deutlich zu machen vermochte: so erzeugte doch diese Dunkelheit zugleich mit den Unterhandlungen mit dem Feinde beim Papste solchen Verdacht, daß er beschloß, sich des Patriarchen zu bemächtigen. Den Auftrag dazu erteilte er dem Antonio Rido aus Padua, welchem die Bewachung des römischen Kastells anvertraut war. Dieser war zum Gehorsam bereit und harrte nur der Gelegenheit. Der Patriarch hatte beschlossen, sich nach Toscana zu begeben, und da er am folgenden Tage abreisen wollte, ließ er den Kastellan wissen, er sollte sich am Morgen auf der zur Burg führenden Brücke einfinden, indem er mit ihm zu reden habe. Antonio hielt die Gelegenheit für günstig und gab den Seinen Verhaltungsbefehle. Zur angesetzten Zeit befand er sich auf der Brücke, welche, da sie dem Kastell so nahe liegt, zu dessen Schutze aufgezogen und niedergelassen werden kann. Als nun der Patriarch zur Stelle gekommen und sich mit ihm unterhielt, gab er den Seinigen ein Zeichen, die Brücke aufzuziehn, so daß jener plötzlich aus einem Feldherrn ein Gefangener ward. Seine Begleiter schlugen anfangs Lärm, beruhigten sich dann aber, als sie des Papstes Willen vernahmen. Als nun der Kastellan den Patriarchen tröstete und ihm Hoffnung und Mut einsprechen wollte, erwiderte dieser ihm: man nehme mächtige Leute nicht gefangen, um sie wieder loszulassen; die nicht verdienten, gefangen zu werden, verdienten auch nicht, daß man sie wieder freigebe. Kurz darauf starb er im Kerker. Der Papst aber verlieh seine Stelle dem Lodovico,Lodovico Scarampi Mezzarota aus Padua, seit 1438 (dritter) Erzbischof von Florenz. Patriarchen von Aquileja, und während er früher in die Kriege zwischen den Verbündeten und dem Herzoge sich nicht hatte mischen wollen, zeigte er sich jetzt bereit, daran teilzunehmen und versprach zur Verteidigung Toscanas viertausend Reiter und zweitausend Fußsoldaten zu stellen.
Indem die Florentiner so dieser Besorgnis ledig waren, blieb ihnen die Furcht vor Niccolò und der die lombardischen Angelegenheiten bedrohenden Verwirrung, da zwischen Venedig und dem Grafen Mißhelligkeiten bestanden. Um über diese besser urteilen zu können, sandten sie nach Venedig den Neri Capponi und Messer Giuliano Davanzati, mit dem Auftrage, die Weise der Kriegsführung für das nächste Jahr festzustellen. Dem Neri befahlen sie, nachdem er die Meinung der Venezianer vernommen, zum Sforza zu gehn, um auch dessen Ansicht zu hören und ihn zu dem zu veranlassen, was zum Heil der Bundesangelegenheiten nötig schien. Die Botschafter waren noch nicht in Ferrara angelangt, als sie vernahmen, Niccolò Piccinino sei mit sechstausend Reitern über den Po gegangen. Diese Nachricht veranlaßte sie ihre Reise zu beschleunigen. Als sie nun in Venedig anlangten, fanden sie, daß die Signorie mit aller Entschiedenheit darauf drang, Brescia sollte ohne Zeitverlust entsetzt werden, indem die Stadt nicht auf Hilfe in besserer Jahreszeit, noch auf den Bau der Flotte warten könne, sondern, wenn sie keinen Beistand sähe, sich ergeben müsse, was den Sieg des Herzogs sichern und ihre Landmacht zugrunde richten würde. Neri ging darauf nach Verona zum Grafen Sforza, dessen Gegengründe zu hören. Dieser stellte ihm vor, der Zug nach Brescia fruchte in diesem Moment nichts, schade für die Zukunft: denn in Betracht der Jahreszeit und der Lage könne man Brescia nicht helfen, während man die Truppen ermüden und in Unordnung bringen und gerade dann, wenn die zu einem neuen Unternehmen geeignete Zeit herangenaht, sich genötigt sehn würde, nach Verona zurückzukehren, um sich mit dem zu versehen, was der Winter verbraucht und was für den Sommer unerläßlich sei. So würde die gute Jahreszeit über Hin- und Herziehn verstreichen. Als Unterhändler befanden sich beim Grafen in Verona Messer Orsatto Justiniani und Messer Giovanni Pisani. Nach vielen Reden und Gegenreden wurde mit diesen abgemacht, daß die Republik dem Grafen für das neue Jahr achtzigtausend Dukaten, jedem von ihren übrigen Kriegsvölkern vierzig Dukaten für die LanciaDie Lancia bestand aus dem vollständig schwergerüsteten Reiter mit Troßbuben und Pferden. geben, er dagegen sich beeilen sollte, mit seinem gesamten Heere ins Feld zu rücken und den Herzog anzugreifen, um den Niccolò zum Rückzug aus Toscana zu veranlassen. Damit kehrten sie nach Venedig zurück, wo aber, der bedeutenden Geldsummen wegen, alles lässig betrieben wurde.
Niccolò Piccinino setzte unterdessen seinen Zug fort. Schon war er in der Romagna angelangt und hatte die Söhne Messer Pandolfo Malatestas veranlaßt, von den Venezianern abzufallen und dem Herzog sich anzuschließen. Dies mißfiel jenen, mehr noch aber den Florentinern, welche den Niccolò in der Romagna aufhalten zu können geglaubt hatten. Als sie aber den Abfall der Malatesti vernahmen, wurden sie besorgt, ihr Feldhauptmann Pietro Giampaolo Orsini, welcher auf deren Gebiet stand, würde überrumpelt werden und sie ohne Heer bleiben. Auch den Grafen Sforza setzte dies in Schrecken, weil er die Mark zu verlieren fürchtete, wenn Niccolò in das Florentinische einrückte. Entschlossen, seine eignen Besitzungen zu schützen, ging er nach Venedig und zeigte, wie es für den Bund vorteilhaft sein würde, wenn er nach Toscana zöge: der Krieg müsse da geführt werden, wo des Feindes Feldhauptmann und Heer, nicht wo sein Land und seine Städte lägen. Denn mit der Vernichtung des Heeres sei der Krieg geendet: seien aber die Städte genommen, das Heer unversehrt, so werde der Kampf oft nur um so heftiger. Die Mark und Toscana seien verloren, leiste man dem Niccolò nicht kräftigen Widerstand; wären sie verloren, so gebe es auch für die Lombardei keine Hilfe mehr. Wie aber auch die Sache sein möge, so wolle er doch seine Untertanen und Freunde nicht im Stich lassen: er sei als Landesherr nach der Lombardei gekommen und wolle sie nicht als bloßer Feldhauptmann verlassen. Der Doge antwortete ihm darauf, es liege auf der Hand, daß, wenn er nicht bloß die Lombardei verlasse, sondern das Heer über den Po zurückführe, alle ihre Festlandbesitzungen verloren sein würden und sie nichts mehr aufwenden könnten, diese zu schützen. Denn der sei nicht klug, der eine nicht zu verteidigende Sache verteidigen wolle, und es sei weniger Schmach und Nachteil, seine Staaten zu verlieren als Staat und Geld zugleich. Träfe aber die Venezianer ein solcher Verlust, so würde man sehn, inwieweit Venedigs Ansehn Toscana und der Romagna noch zu helfen vermöchte. Darum sei ihre Ansicht von der seinigen ganz verschieden. Da durch Niccolòs Abzug die herzogliche Macht sehr geschwächt sei, so werde der Sieg leicht sein: man könne dem Herzog so zusetzen, daß er genötigt sein werde, entweder den Piccinino zurückzurufen, oder auf andere Hilfsmittel zu sinnen. Wer die Dinge genau betrachte, müsse einsehn, daß der Herzog den Niccolò bloß darum nach Toscana gesandt, um den Grafen von dem begonnenen Unternehmen abzuziehn und den Krieg, der ihn jetzt im eignen Hause bedränge, auf fremdes Gebiet zu verpflanzen. Zöge also der Graf ihm nach, ohne daß äußerste Not ihn drängte, so sähe der Visconti seinen Plan gelungen. Wenn man aber die Kriegsmacht in der Lombardei im Stande halte und den Florentinern andern Schutz zukommen lasse, so werde der Herzog bald seinen Irrtum gewahren, wenn er in der Lombardei verliere, in Toscana nicht gewinne. Nachdem nun jeder seine Ansicht erläutert, beschloß man einige Tage zu warten, um den Erfolg des Vertrags des Niccolò mit den Malatesti kennenzulernen, wie auch, ob den Florentinern der Orsini genüge und ob der Papst aufrichtig zum Bunde hielte, wie er es zugesagt. Nach einigen Tagen erfuhren sie, daß die Malatesti mehr durch Furcht als durch schlimme Absicht zu diesem Schritte verleitet worden, daß Pietro Giampaolo mit seinen Völkern nach Toscana sich gewandt und der Papst mehr denn je entschlossen sei, dem Bunde beizustehn. Diese Nachrichten bestimmten den Sforza zu bleiben, während Neri Capponi mit tausend seiner Reiter und fünfhundert andern auf Florenz zog. Nähmen aber die toscanischen Angelegenheiten eine solche Wendung, daß des Grafen Hilfe dort durchaus erfordert werde, so sollte man schreiben und er würde ohne Zögern zuziehn. Mit dieser Heermacht nun traf im April der Capponi in Florenz ein, an demselben Tage, als Pietro Giampaolo mit seinen Haufen anlangte.
Niccolo Piccinino, nachdem er die romagnotischen Angelegenheiten geordnet, beschloß in Toscana einzurücken. Als er den Paß über den Apennin von San Benedetto und durch das Montonetal versuchen wollte, fand er ihn durch die guten Anstalten des Niccolo von Pisa so besetzt, daß er erkannte, wie auf dieser Seite jede Anstrengung vergeblich sein würde. Da bei diesem unerwarteten Angriffe die Florentiner mit Truppen wie mit Hauptleuten schlecht versehen waren, so hatten sie verschiedene ihrer Bürger mit in der Eile zusammengerafftem Fußvolk zur Bewachung der Bergpässe gesandt, unter andern den Ritter Messer Bartolommeo Orlandini, welchem die Bewachung des Kastells von Marradi und des dortigen Passes anvertraut ward. Nachdem nun Niccolo Piccinino den Paß von San Benedetto wegen der guten Vorkehrungen seiner Verteidiger hatte aufgeben müssen, dachte er den von Marradi durch Feigheit des Wachehaltenden zu gewinnen. Marradi ist ein Kastell am Fuße des Gebirges, welches Toscana von der Romagna scheidet, auf der romagnolischen Seite am Eingange des Lamone-Tals gelegen. Es ist zwar nicht befestigt, aber Fluß, Berge und Bewohner machen es stark: denn letztere sind waffengeübt und treu gesinnt, und der Fluß hat das Erdreich so weggefressen und strömt zwischen so steilen Ufern, daß es unmöglich ist, dem Tal entgegenziehend den Ort zu gewinnen, wenn eine kleine Brücke verteidigt wird, während auf der Gebirgsseite der Boden so abschüssig ist, daß die Lage trefflich geschützt wird. Messer Bartolommeos Feigheit nahm aber den Leuten den Mut, dem Ort seine Stärke. Denn kaum vernahm er das Getöse des heranziehenden Heeres, so floh er, alles aufgebend, mit den Seinigen und machte erst zu Borgo San LorenzoBedeutendster Ort des Mugello (im Lieve-Tal), 15 Millien von Florenz, an der damaligen Hauptstraße nach der Romagna, die auf Imola führt. halt. Niccolo zog in die verlassenen Ortschaften ein, ebenso verwundert darüber, daß sie nicht verteidigt worden, wie voll Freude, daß ihm der Durchzug gelungen war. Er rückte nun im Mugello vor, wo er einige Kastelle nahm, und blieb bei Puliciano stehn, von wo er bis zu den Fiesolanerhügeln das ganze Land durchstreifte und so mutig wurde, daß er über den Arno ging und bis zu einer Entfernung von drei Millien von Florenz seine plündernden Scharen sandte.
Die Florentiner ihrerseits verloren den Mut nicht und suchten vor allem die bestehende Regierung zu sichern, welche übrigens nicht gefährdet war, da Cosimo beim Volke beliebt und die vornehmsten Stellen der Verwaltung in den Händen weniger Mächtigen waren, die durch ihre Strenge Ordnung hielten, hätte es selbst Unzufriedene oder Neuerungssüchtige gegeben. Sie wußten überdies, mit welcher bedeutenden Macht, infolge der lombardischen Verträge, Neri zurückkehrte, und harrten der Völker des Papstes. Als nun Neri anlangte und die Stadt in mancherlei Besorgnis und Aufregung fand, beschloß er auszuziehn, um den Piccinino zu zügeln und an der Verheerung des Landes zu hindern. Nachdem er also soviel Volk er vermochte unter die Fußsoldaten gesteckt, zog er mit diesen und seiner Reiterschar aus, nahm Remole, welches der Feind besetzt, und lagerte dort, indem er die Herzoglichen in ihren Streifzügen störte und den Bürgern Hoffnung gab, daß das Land bald vom Feinde geräumt wäre. Da Niccolo gesehn, daß in der Stadt, als sie von Truppen entblößt, kein Aufstand ausgebrochen war, und er vernahm, daß die Regierung mit Zuversicht erfüllt sei, so dünkte es ihn, er verliere seine Zeit. Er beschloß deshalb eine andere Unternehmung zu versuchen, um die Florentiner zu veranlassen, ihm ihre Truppen nachzusenden. Hätte er Gelegenheit, mit diesen zur Feldschlacht zu kommen und sie zu schlagen, so hoffte er, daß ihm all seine Pläne gelingen würden.
Beim Heere des Piccinino befand sich der Graf von Poppi, der beim Einrücken des Feindes in das Mugello von den ihm verbündeten Florentinern abgefallen war. Obgleich die Florentiner ihm nicht trauten, so hatten sie doch, um ihn durch Wohltaten zu gewinnen, den Sold, den sie ihm zahlten, erhöht und ihn zum Kommissar über alle ihre Ortschaften gemacht, die an seine Besitzungen stießen. Soviel aber vermag Parteisucht über die Menschen, daß weder Begünstigung noch Furcht ihn die Freundschaft, die ihn mit Messer Rinaldo und dessen Anhängern verband, vergessen machen konnten: so daß er, gleich nachdem er die Ankunft Niccolos vernommen, zu ihm ging und ihn mit aller Macht der Überredung bewog, die Nähe der Stadt zu verlassen und nach dem Casentino sich zu wenden, indem er ihm die günstige Lage der Gegend zeigte, von welcher aus er dem Feinde ungefährdet die Spitze bieten könnte. Der Piccinino befolgte seinen Rat, zog nach dem Casentino, nahm Romena und Bibbiena, und lagerte beim Kastell San Niccolo. Dieses Kastell ist am Fuße des Bergrückens gebaut, der das Casentino vom Arnotal scheidet, und da es eine ziemlich hohe Lage hat und hinlängliche Besatzung hielt, so war dessen Eroberung nicht leicht, obgleich Niccolo es anhaltend aus kleinem Feldgeschütz beschoß. Diese Belagerung währte zwanzig Tage, während deren die Florentiner ihre Truppen sammelten und bei Figline schon dreitausend Reiter musterten, von mehreren Hauptleuten geführt unter dem Oberbefehl des Orsini und der Kommissarien Neri Capponi und Bernardetto de'Medici. Zu diesen kamen vier aus dem belagerten Kastell mit der Bitte um Beistand. Nachdem die Kommissarien die Ortsverhältnisse untersucht, sahen sie, daß sie ihnen nicht anders Hilfe leisten konnten, als von der Seite des Arnotales her, wo indes die Höhen vom Feinde eher besetzt werden konnten als von ihnen, weil jene kürzeren Weg hatten, und weil ihr Zug sich nicht verheimlichen ließ, so daß, wenn man ein gewagtes Unternehmen versuchte, das Heer in Gefahr geraten konnte. Die Kommissarien lobten also die Treue der Bewohner und rieten ihnen, sich zu ergeben, wenn sie sich nicht mehr halten könnten. So nahm der Piccinino das Kastell nach zweiunddreißigtägiger Einschließung. Ein so großer Zeitverlust um so kleinen Gewinnes willen war eine der Hauptursachen des Mißlingens seines ganzen Feldzugs. Denn blieb er in der Nähe der Hauptstadt stehn, so veranlaßte er, daß die Regierenden mit mehr Schwierigkeit Geld von den Bürgern erlangten, daß das Sammeln der Truppen größeren Hindernissen unterlag und alle übrigen Veranstaltungen durch die Nähe des Feindes erschwert wurden, während manche Mut gefaßt haben möchten, dafür zu stimmen, daß man mit Niccolò ein Abkommen schließen sollte, da der Krieg sich in die Länge zu ziehen drohte. Aber der Wunsch des Grafen von Poppi, an den Kastellanen sich zu rächen, die lange Zeit seine Gegner gewesen, verleitete ihn zu dem erwähnten Rat, welchen er befolgte, um jenem genugzutun. Es war zu beider Verderben. Überhaupt geschieht es selten, daß nicht die Leidenschaften einzelner dem Gemeinwohl schaden. Piccinino, seinen Vorteil verfolgend, nahm Rassina und Chiusi.Ortschaften im oberen Casentino. Chiusi, unterhalb des heiligen Berges von Alvernia, ist wohl zu unterscheiden von dem etruskischen Chiusi, Clusium, im Chianatal. Der Graf von Poppi redete ihm zu, er sollte dort stehenbleiben, indem er ihm zeigte, wie er seine Truppen zwischen Chiusi, Caprese und La Pieve aufstellen,Steinige Hochebene bei Alvernia. das Gebirge beherrschen, nach seinem Gutdünken in das Casentino, das Arno- und das Chiana-Tal hinabsteigen und bei jeder Bewegung des Feindes bereit sein könnte. Niccolo aber, die rauhe Gegend vor Augen, sagte ihm, seine Pferde nährten sich nicht von Steinen, und zog nach dem Borgo S. Sepolcro, wo er gut aufgenommen ward. Von dort aus machte er einen Versuch bei den Bewohnern von Città di Castello, die aber als Freunde der Florentiner ihm kein Gehör gaben. Da er nun die Peruginer zu seinem Willen zu haben wünschte, begab er sich mit vierzig Reitern nach Perugia, wo man ihn als einen Mitbürger freundlich empfing. Nach wenigen Tagen aber erregte er Verdacht und versuchte beim Legaten und dem Volke manches ohne Glück, worauf er, nachdem er achttausend Dukaten empfangen, zum Heere zurückkehrte. Vom Lager aus knüpfte er ein Einverständnis in Cortona an, den Florentinern diese Stadt zu nehmen: aber unzeitige Entdeckung machte seinen Plan scheitern. Zu den ersten dortigen Bürgern gehörte Bartolommeo di Senso. Als dieser eines Abends, dem Befehl des Capitano zufolge, die Torwache bezog, ließ ihn ein ihm befreundeter Mann aus der Gegend wissen: er möge nicht gehn, wenn ihm sein Leben lieb sei. Bartolommeo wollte die Sache ergründen und kam auf das vom Piccinino geschmiedete Komplott, welches er dem Capitano anzeigte. Dieser versicherte sich der Häupter der Verschwörung, verdoppelte die Torwachen und erwartete den Niccolo, welcher, der Verabredung gemäß, zur Nachtzeit kam, sich aber zurückzog, als er sich entdeckt sah.
Während so die Angelegenheiten in Toscana zu geringem Vorteil für des Herzogs Truppen sich verwickelten, war in der Lombardei keine Ruhe. Hier war der Visconti in offenbarem Verlust. Denn sobald die Jahreszeit gestattete, rückte der Graf Francesco mit seinem Heere ins Feld. Da die Venezianer ihre Flotte wieder instand gesetzt, wollte der Graf vorerst des Sees sich versichern und den Herzog von diesem vertreiben, indem er der Ansicht war, daß, wenn dies gelungen, das übrige leicht sein würde. Darum griff er die herzogliche Flotte an und besiegte sie, worauf er mit der Landmacht die Kastelle dem Feinde nahm, so daß die Truppen, welche Brescia zu Lande einschlossen, genötigt waren, nach dreijähriger Einschließung die Belagerung aufzuheben. Der Graf zog hierauf gegen den Feind, der bei Soncino am Oglio haltgemacht, und nötigte ihn sich bis Cremona zurückzuziehn, wo der Herzog Widerstand leistete, um von dieser Seite her seine Staaten zu verteidigen. Da aber der Graf ihn von Tag zu Tag mehr bedrängte und er, wenn nicht das ganze, wenigstens einen Teil seiner Staaten zu verlieren besorgte, sah er ein, wie sehr er Unrecht gehabt, Niccolò nach Toscana zu senden. Den Irrtum zu verbessern, meldete er diesem, in welcher Bedrängnis er sich befinde und wie seine Pläne mißlungen, indem er ihn aufforderte, so rasch als möglich aus Toscana nach der Lombardei zurückzukehren.
Unterdessen hatten die Florentiner unter ihren Kommissarien ihre Mannschaft mit der des Papstes vereinigt und bei Anghiari haltgemacht, einem Kastell am Fuß der Berge, welche das Tibertal vom Chianatal trennen, vier Millien vom Borgo San Sepolcro. Das Land ist dort eben, die Felder zu einem Reitergefecht geeignet. Von den glücklichen Fortschritten des Sforza und der Rückberufung Niccolos in Kenntnis gesetzt, dachten sie, der Sieg sei ohne Schwertstreich und Staub gewonnen, und meldeten daher ihren Kommissarien, sie sollten sich der Feldschlacht enthalten, da der Piccinino doch nur noch wenige Tage in Toscana aushalten könnte. Niccolò erhielt Kunde von diesem Befehl, und die Notwendigkeit des Abzugs erkennend, beschloß er, um nichts unversucht zu lassen, den Kampf zu wagen, indem er dachte, er würde die Feinde unvorbereitet und keiner Schlacht gewärtig finden. Es bestärkten ihn darin Messer Rinaldo, der Graf von Poppi und die übrigen ausgewanderten Florentiner, die in Piccininos Abzug ihren offenbaren Ruin sahen, in einer Schlacht aber zu siegen oder ehrenvoll zu fallen hofften. Auf diesen Entschluß setzte sich das Heer in Bewegung und zog aus der Gegend von Città di Castello nach dem Borgo, ohne daß die Feinde es gewahrten, worauf es sich daselbst durch zweitausend Mann verstärkte, welche, der Geschicklichkeit des Feldherrn und seinen Verheißungen trauend und auf Plünderung erpicht, ihm folgten.
Indem nun Niccolò Piccinino in Schlachtordnung auf Anghiari zuzog, war er keine zwei Millien mehr vom Orte entfernt, als Micheletto Attendolo, einer der florentinischen Hauptleute, große Staubwolken aufsteigen sah. Sobald er merkte, es sei der Feind, rief er zu den Waffen. Groß war der Tumult im Lager der Florentiner, denn, wie diese Heere überhaupt unordentlich lagerten, war hier noch doppelte Nachlässigkeit, weil sie den Feind ferne und eher auf Flucht als auf Angriff sinnend wähnten. So waren denn alle ungerüstet, von ihren Quartieren entfernt, der eine hier, der andere dort, wohin der Wunsch, der großen Hitze sich zu entziehen, oder andere Umstände sie gerufen hatten. Dennoch war der Eifer der Kommissarien und des Feldhauptmanns so groß, daß sie vor dem Anlangen des Feindes zu Pferde und imstande waren, seinem Angriffe Widerstand zu leisten. Und wie Micheletto der erste, den Feind zu bemerken, so war er auch der erste, der ihm entgegenzog und mit den Seinen nach der Brücke eilte, über welche nicht fern von Anghiari die Straße geht. Da vor dem Anmarsch des Feindes Piero Giampaolo Orsini die Gräben zu seiten der Straße zwischen der Brücke und Anghiari hatte ausfüllen lassen, so stellte sich Micheletto der Brücke gegenüber, Simoncino, der päpstliche Feldhauptmann, mit dem Legaten zur Rechten, zur Linken die florentinischen Kommissarien mit dem Orsini, während sie die Fußsoldaten überall auf dem Flußufer verteilten. Der einzige Weg, der so dem Feinde offen blieb, die Florentiner anzugreifen, war der auf die Brücke zuführende, und nur hier hatten die Florentiner zu kämpfen, ausgenommen daß sie ihrem Fußvolke den Befehl erteilt, falls die feindlichen Fußsoldaten die Linien verließen, um sich auf den Flanken ihrer Reiterei auszubreiten, mit den Armbrüsten gegen sie zu wirken, damit sie beim Kampf an der Brücke ihren Reitern nicht in die Flanke fielen. Die ersten Anrückenden wurden nun vom Micheletto nach mannhaftem Widerstände zurückgeworfen. Astorre und Francesco Piccinino aber, gewählte Mannschaft führend, warfen sich auf Micheletto mit solcher Heftigkeit, daß sie ihn von der Brücke und bis zum Fuß der Anhöhe zurückdrängten, welche nach Anghiari hinansteigt. Dann aber war es ihr Los, von denen, welche ihnen in die Flanke fielen, geworfen und wieder über die Brücke gejagt zu werden. Dieser Kampf währte zwei Stunden, während deren bald die Florentiner, bald die Feinde Herren der Brücke waren. Und obgleich bei diesem Kampfe die beiden Truppenmassen einander das Gleichgewicht hielten, so ward doch diesseits und jenseits der Brücke zum großen Nachteil Niccolòs gestritten. Denn kamen seine Leute über die Brücke, so fanden sie den Feind in bedeutender Zahl: er konnte sich dort auf dem geebneten Boden halten und die ermüdeten durch frische Truppen ersetzen. Gewannen aber die Florentiner die Brücke, so konnte Niccolò seine Streitkräfte nicht gehörig entwickeln noch benutzen, weil jenseits die Gräben und Dämme an der Straße ihn hinderten. Obgleich nun die Herzoglichen mehrmals den Übergang erkämpft, wurden sie doch von den frischen Kriegsvölkern des Feindes stets zurückgeworfen. Als aber die Florentiner der Brücke einmal so sich versichert, daß ihre Mannschaft auf der jenseitigen Straße vorrücken konnte, so blieb dem Piccinino bei dem heftigen Angriff und der ungünstigen Örtlichkeit keine Zeit mehr, frische Scharen vorrücken zu lassen, so daß die vorderen sich mit den hinteren Linien vermengten, der eine den andern drängte, das ganze Heer umkehrte und alle, ohne weitere Rücksicht, nach dem Borgo flohen.
Die florentinischen Soldaten begaben sich nun ans Beutemachen und gewannen viel an Gefangenen, Rüstungen und Pferden. Denn nicht über tausend Reiter kamen mit dem Piccinino davon. Die Leute aus Borgo, die dem Niccolò gefolgt waren, um Beute zu machen, wurden nun selber Beute: sie wurden alle gefangen und mußten Lösegeld zahlen; Fahnen und Wagen wurden genommen. Der Sieg brachte Toscana noch mehr Nutzen als dem Herzog Schaden. Denn, verloren die Florentiner den Tag, so war Toscana in der Gewalt des Visconti. Jetzt, da er der Verlierende, büßte er nur die Waffen und Pferde seines Heeres ein, die ohne übermäßige Kosten wieder zu ersetzen waren. Nie gab es Zeiten, in welchen der Krieg, den man in fremdem Lande führte, minder gefährlich gewesen wäre, als in diesen. Bei einer so entschiedenen Niederlage, in einem Kampfe, der von der zwanzigsten bis zur vierundzwanzigsten Stunde währte, starb ein einziger Mann, und dieser nicht an einer Wunde, sondern durch einen Sturz, wobei er unter die Pferdehufe kam. So sicher kämpfte man damals. Denn da alle beritten, mit Rüstung bedeckt und vor dem Tode sicher waren, wenn sie sich ergaben: so war überhaupt kein Grund vorhanden, weshalb sie sterben sollten. Beim Kämpfen schützte sie die Rüstung; konnten sie nicht mehr kämpfen, so ergaben sie sich.Das Treffen von Anghiari (29. Juni 1440) bot dem Lionardo da Vinci Stoff zu der berühmten, zur Ausschmückung des großen Saals im Palaste der Signora bestimmten Komposition. Lionardo arbeitete an diesem Gemälde von 1503-1506, ohne es zu vollenden; er hatte ein maltechnisches Experiment versucht, enkaustische Manier nach antikem Rezept, die sich als nicht haltbar erwies. Das Gemälde ist verloren. Verschiedene Skizzen zur Anghiarischlacht sind erhalten geblieben. (Siehe A.E. Popp, Zeichnungen v. Leonardo da Vinci, München 1928, Abb. 41-58.) Außerdem eine Kopie von Rubens und danach ein Stich von Edelinck. (Siehe die Phaidon-Ausgabe von Herman Grimms »Leben Michelangelos«, Abbildungen Seite 218.)
Dies Treffen ist, sowohl in Betracht des während desselben als später Vorgefallenen, ein schlagender Beweis der damaligen unseligen Kriegsführung. Denn, nachdem der Feind unterlegen und Piccinino sich nach dem Borgo geflüchtet, wollten die Kommissarien ihm folgen und ihn belagern, um den Sieg zu einem vollständigen zu machen. Aber die Mehrzahl der Führer und Soldaten wollte ihnen nicht gehorchen: sie sagten, sie wollten die Beute in Sicherheit bringen und für die Verwundeten Sorge tragen. Das Merkwürdigste war, daß sie am folgenden Tage, ohne von einem Kommissar oder Hauptmann Urlaub zu haben oder auch nur danach zu fragen, nach Arezzo zogen, dort die Beute ließen und nach Anghiara zurückkehrten. Ein Verfahren, welches jeder löblichen Kriegsordnung und Disziplin dermaßen widerstrebte, daß jeder, auch der geringste Rest eines geordneten Heeres ihnen den Sieg, welchen sie unverdient errungen, leicht und verdienterweise wieder hätte entreißen können. Noch mehr: obgleich die Kommissarien wollten, daß sie die gefangenen Reiter nicht freilassen sollten, um dadurch dem Feinde die Gelegenheit zu nehmen, sich sogleich wieder zu verstärken, befreiten sie dieselben doch. Man kann nicht umhin, sich darüber zu wundern, wie ein Heer dieser Art Tapferkeit genug bewahrte, den Sieg davonzutragen, und wie dagegen so groß die Feigheit des Feindes, daß er sich von so regellosen Haufen schlagen ließ.
Während so die florentinischen Truppen auf der Aretiner Straße hin- und herzogen, hatte Niccolò Piccinino Zeit, mit dem Reste seines Heeres Borgo zu verlassen und sich nach der Romagna zurückzuziehen. Ihn begleiteten die ausgewanderten Florentiner, welche, da sie jede Hoffnung, in ihre Heimat zurückzukehren, geschwunden sahen, nach eignem Gutdünken der eine hierhin, der andere dorthin gingen. Messer Rinaldo degli Albizzi ließ sich zu Ancona nieder, und um das himmlische Vaterland zu erwerben, nachdem er das irdische verloren, ging er das Grab des Heilands besuchen. Von dort zurückgekehrt, starb er plötzlich bei der Tafel, während er die Hochzeit einer seiner Töchter feierte. Darin lag eine Gunst des Schicksals, daß der mindest unglückliche Tag seines Exils auch der letzte war. Ein ehrenwerter Mann in jedem Glücksverhältnis, der es aber mehr noch gewesen sein würde, hätte das Geschick ihn in einer einträchtigen Stadt geboren werden lassen: denn in einer uneinigen Stadt schadeten ihm viele seiner Eigenschaften, die ihm sonst Lob und Ruhm erworben haben würden.
Nachdem nun das Kriegsvolk aus Arezzo zurückgekommen und Niccolò abgezogen war, erschienen die Kommissarien vor dem Borgo. Die Bewohner des Ortes wollten sich den Florentinern unterwerfen, diese aber weigerten sich, die Unterwerfung anzunehmen.Der Borgo San Sepolcro gehörte nämlich noch zum Kirchenstaate. Während dies verhandelt ward, faßte der päpstliche Legat Argwohn gegen die Kommissarien, als wollten sie der Kirche den Ort nehmen. Man kam darüber zu heftigen Worten, und es würden Unordnungen stattgefunden haben zwischen den florentinischen und päpstlichen Truppen, hätte die Unterhandlung sich in die Länge gezogen. Da sie aber das Ende nahm, welches der Legat wünschte, so wurde alles bald wieder ruhig.
Während dieser Verhandlung hieß es, Niccolò Piccinino sei gen Rom gezogen. Andere sagten, er habe die Richtung nach der Mark eingeschlagen. Darum schien es dem Legaten und den Reiterscharen Sforzas geraten, nach Perugia zu ziehen, um von dort aus entweder der Mark oder Rom zu Hilfe zu kommen, wohin immer Niccolò sich gewandt haben mochte. Bernardo 'Medici sollte sie begleiten, Neri Capponi aber mit den florentinischen Truppen das Casentino besetzen. Nachdem dies beschlossen worden, lagerte Neri vor Rassina, nahm den Ort, erstürmte dann mit derselben Schnelligkeit Bibbiena, Pratovecchio und Romena, und schlug das Lager vor Poppi auf, das er von zwei Seiten einschloß, in der Ebene von Certomondo und von dem Hügelrücken, der nach Fronzole sich erstreckt. Der Graf Francesco von Poppi, von Gott und von den Menschen sich verlassen sehend, hatte sich in seiner Hauptstadt eingeschlossen, nicht weil er auf irgendeine Hilfe hoffte, sondern um von dort aus einen weniger nachteiligen Vergleich zu schließen. Als der Capponi ihm aber nahe rückte, verlangte er sich zu vertragen, und es wurden ihm Bedingungen gestellt, wie er sie unter diesen Verhältnissen erwarten konnte: er und seine Kinder und die bewegliche Habe sollten sicher sein, Ort und Land den Florentinern gehören. Als sie nun die Kapitulation abschlossen, kam er herab auf die Brücke, die über den am Fuße des Hügels von Poppi strömenden Arno führt, und sagte zu Neri in tiefer Betrübnis: »Hätte ich mein Geschick und eure Macht wohl ermessen, so käme ich jetzt als Freund mich eures Sieges mit euch zu freuen, nicht als Gegner euch zu bitten, meinem Unglück etwas von seiner Bitterkeit zu nehmen. Mein gegenwärtiges Los ist für mich traurig und elend, wie für euch vorteilhaft und glücklich. Ich hatte Pferde, Waffen, Untertanen, Land und Reichtümer: welch Wunder, wenn ich ungern sie aufgebe? Wollet und könnet ihr aber über ganz Toscana gebieten, so müssen wir andern gehorchen: hätte ich nicht geirrt, so wäre weder mein Geschick bekannt geworden, noch würde eure Großmut sich zeigen können. Wollt ihr mir meine Besitzungen lassen, so würdet ihr der Welt ein ewiges Beispiel eures milden Sinnes geben. Lasset darum euer Mitleid größer sein als mein Vergehen: lasset dies eine Haus dem Abkömmling jener, von welchen eure Väter unzählige Gunst empfangen haben!«
Neri antwortete darauf: die blinde Zuversicht auf die ohnmächtige Macht anderer habe ihn zu solcher Versündigung gegen die Republik verleitet, daß es unter den gegenwärtigen Zeitumständen unerläßlich sei, das Seinige aufzugeben und als Feind der Florentiner die Orte zu verlassen, die er als ihr Freund nicht habe besitzen wollen. Denn er habe ein solches Beispiel gegeben, daß er nicht gehegt werden dürfe, wo bei jedem Glückswechsel die Republik durch ihn gefährdet werden könnte: nicht vor ihm, sondern vor seinen Besitzungen hege man Besorgnis. Könnte er in Deutschland Fürst werden, so würde die Republik es ihm wünschen und ihn begünstigen in der Erinnerung an seine Vorfahren. Hierauf gab der Graf ganz erzürnt zur Antwort: aus je größerer Ferne er die Florentiner sehe, um so lieber werde es ihm sein. Und so ward jede freundliche Unterredung abgebrochen.
Der Graf, da er kein anderes Mittel sah, trat den Ort und seine sämtlichen Ansprüche den Florentinern ab und zog fort in Tränen, mit seiner Gattin und seinen Kindern, seine tragbare Habe mit sich nehmend. Er konnte sich nicht darüber trösten, einen Staat verloren zu haben, welchen seine Vorfahren vier Jahrhunderte hindurch besessen.Im Jahre 1191 bestätigte Kaiser Heinrich VI. dem Grafen Guido als Grafen von ganz Toscana alle seine Feudalrechte, in Betracht der von ihm und seinen Vorfahren dem Reiche geleisteten Dienste. Den Vater dieses Grafen Guido (– Guerra) nennt Otto von Freisingen den mächtigsten Herrn in ganz Tuscien. – Der Graf Francesco II. Guidi ließ sich zu Bologna nieder (s. das VI. Buch). Als diese Siege in Florenz bekannt wurden, erfüllten sie die Häupter der Regierung und das ganze Volk mit unbeschreiblicher Freude. Und da Bernardetto de'Medici fand, die Kunde von dem Zuge des Piccinino gen Rom oder die Mark sei falsch, so vereinigte er seine Völker wieder mit denen des Capponi, und bei ihrem gemeinschaftlichen Eintreffen in Florenz wurden ihnen die größten Ehrenbezeigungen zuteil, welche die Stadt ihren Gesetzen zufolge den siegreichen Bürgern gewähren kann, und sie wurden von der Signorie, von den Capitanen guelfischer Partei und sodann von der gesamten Bürgerschaft als Triumphierende empfangen.