Niccolo Machiavelli
Geschichte von Florenz
Niccolo Machiavelli

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Viertes Buch

Von der steigenden Macht des Hauses Medici bis zur Rückkehr Cosimos des Alten und dem Sturze der Albizzi.

Zachrias im Tempel

Mit Tornabuoni-Porträts. Fresko von Domenico Ghirlandaio (1449-94). Florenz, Santa Maria Novella

Die unter dem Namen von Republiken sich selbst beherrschenden Städte, solche besonders, deren Verfassung nicht gut geregelt ist, verändern oft Regierung und Verhältnisse, nicht, wie viele wähnen, durch Freiheit oder Knechtschaft, wohl aber durch Knechtschaft oder Zügellosigkeit. Denn nur der Freiheit Namen feiern die Diener der Zügellosigkeit, die von der Volkspartei; wie die Diener der Knechtschaft, der Adel: beide wollen weder den Gesetzen Untertan sein, noch den Menschen. Wenn es einmal geschieht, was freilich ein seltener Fall ist, daß zum Glück einer solchen Stadt ein weiser, guter, einflußreicher Bürger aufsteht und Gesetze erläßt, die solchen Unfrieden zwischen Adel und Volk beilegen oder so lenken, daß kein Übel von ihnen kommen mag: dann wahrlich kann eine Stadt frei genannt, eine Verfassung für wohlbegründet erachtet werden. Denn wenn sie auf gute Gesetze sich stützt und auf weise Ordnung, bedarf sie nicht gleich andern der Kraft und Tugend eines einzelnen, sich aufrecht zu halten. Solche Gesetze und Ordnung hatten mehrere alte Freistaaten, die eines langen Daseins sich erfreut haben. Solcher Ordnung und Gesetze entbehrten und entbehren aber diejenigen, deren Regierungsform bald von der tyrannischen zur anarchischen umspringt, bald umgekehrt. Denn da jeder dieser Formen machtvolle Feinde entgegenstehn, können sie keinen Bestand haben: die eine mißfällt den klugen Leuten, die andere den guten; die eine kann leicht Nachteile, die andere schwerlich Nutzen bringen; in der einen ist den Übermächtigen zu viel Gewalt eingeräumt, in der andern den Einfältigen; eine und die andere müssen aufrecht gehalten werden durch Glück oder Macht eines Mannes, den der Tod hinwegraffen, den die Umstände bedeutungslos machen können.

Niccolô da Uzzano.

Farbige Tonbüste, 1432, von Donatello (1386 – 1466). Florenz, Bargello

So wurde das Regiment, welches mit der Hinrichtung des Messer Giorgio Scali im Jahre 1381 seinen Anfang nahm, anfangs durch Messer Maso degli Albizzi, dann durch Niccolò da UzzanoNiccolò da Uzzano, aus einer angesehenen und reichen Familie, welcher das Kastell Uzzano im Nievole-Tal gehörte und welche im 17. Jahrhundert ausstarb, wurde 1350 geboren und trug durch seine Klugheit und Mäßigung wesentlich dazu bei, den Konflikt zwischen Albizzi und Medici so lange als möglich hinauszuschieben. Durch ihn wurde das Gebäude der Sapienza bei San Marco begonnen, welches eine große Lehranstalt werden sollte und statt dessen erst zum Löwenzwinger, jetzt zum Marstall dient. gehalten. Von 1414 bis 1422 lebte die Stadt in Ruhe, da König Ladislaus tot und die Lombardei in mehrere Staaten geteilt war, so daß weder innen noch von außen zu Befürchtungen Anlaß sich fand. Zunächst dem Uzzano waren die angesehensten Bürger Bartolommeo Valori, Nerone di Nigi, Messer Rinaldo degli Albizzi, Neri di Gino und Lapo Niccolini.Der Name der Valori wird in der florentinischen Geschichte sehr häufig mit Ehre wie mit Schmach genannt. Taldo V. war im 14. Jahrhundert einer der reichsten und angesehensten Bürger. In der (außerhalb unsers Bereiches liegenden) Geschichte Savonarolas wie in jener des Untergangs der Republik spielten sie wichtige Rollen. Ihre Wohnungen waren im Borgo degli Albizzi. Die Neroni und Capponi sind, jene namentlich im 15. Jahrhundert, diese vom 14. bis zum 16. unzählige Male genannt. Die Neroni stammten aus dem Mugello, der hinter den Fiesolaner Hügeln sich erstreckenden anmutigen Talgegend. Ihr Name verschwindet vor dem Ende des 15. Jahrhunderts. Die Capponi werden mit Recht die Scipionen von Florenz geheißen. Kein Geschlecht hat sich um die Heimat verdienter gemacht und steht reiner da und ehrenvoller. Die Namen Ginos, des Eroberers von Pisa, Neris (durch welchen die Parteien unter Cosimo de' Medici Il Vecchio im Gleichgewicht gehalten wurden), Pieros des mutigen Widerredners Carls VIII., Niccolòs des wohlmeinenden, wenn auch nicht hinlänglich kräftigen Staatsoberhauptes zu Anfang der letzten Revolution (1527), brauchen nur erwähnt zu werden. Der Ahnherr der Niccolini soll bei Benevent gegen König Manfred gekämpft haben. Der bedeutendste Mann der Familie lebte unter dem ersten Großherzog (Agnolo, Kardinal und Gouverneur von Siena). Die durch die Feindschaft der Albizzi und Ricci entstandenen, durch Messer Salvestro de' Medici zu solcher Glut wieder angefachten Parteiungen waren nie ganz unterdrückt worden. Und obgleich die volkstümlichste derselben nur drei Jahre herrschte und schon 1381 unterlag, blieb sie doch am Leben, weil der größere Teil des Volkes ihre Gesinnung teilte. Freilich wurde sie durch die vielen Parlamente und die unablässige Verfolgung ihrer Häupter bis zum Jahre 1400 beinahe auf nichts heruntergebracht. Die vornehmsten Familien, welche diese Verfolgung traf, die Alberti, Ricci und Medici, wurden mehrmals ihrer Mitglieder und ihrer Reichtümer beraubt, und was ihnen in der Stadt blieb, war von den Ehrenämtern ausgeschlossen. Durch so gehäuftes Unglück hatte diese Partei Kraft und Mut verloren. Bei vielen aber blieb die Erinnerung an erduldete Schmach und das Verlangen, sich zu rächen: es blieb im innern Herzen verborgen, weil es außen keinen Anhaltspunkt fand. Die vornehmen Popolanen, welche die Stadt friedfertig regierten, begingen zwei Fehler, die ihren eignen Ruin herbeiführten: der lange Besitz der Herrschaft machte sie übermütig, und eben dieser Besitz und der Neid des einen gegen den andern waren Schuld, daß sie auf die, welche ihnen schaden konnten, nicht genug ein wachsames Auge hielten. Indem diese nun durch ihr hochfahrendes Benehmen täglich den Haß der Menge verstärkten, auf das Schädliche nicht achteten, weil sie es nicht fürchteten, oder durch gegenseitige Mißgunst es nährten: gewann das Haus der Medici neues Ansehen. Der erste in demselben, der wieder zu Autorität gelangte, war Giovanni di Bicci. Da dieser sehr reich geworden und von Natur freundlich und gütig war, wurde er mit Bewilligung der Machthaber zum obersten Magistrat zugelassen (1421). Darüber zeigte die ganze Stadt eine solcher Freude, da es der Menge schien, sie habe in ihm einen Verteidiger gewonnen, daß die Verständigeren der herrschenden Partei mit Recht Verdacht schöpften, indem sie das Wiederaufleben der alten Zwistigkeiten voraussahen. Niccolò da Uzzano verfehlte nicht die andern Bürger zu warnen, indem er ihnen zeigte, wie gefährlich es sei, einen zu fördern, der beim Volke in solcher Gunst stehe; wie man Übeln leicht im Anfange entgegenwirken könne, es aber schwer sei, sie zu heilen, nachdem man sie habe um sich greifen lassen; wie es ihm klar sei, daß Giovanni in mancher Hinsicht weit über Messer Salvestro stehe. Jene aber hörten nicht auf Niccolò, weil sie sein Ansehn beneideten und sich nach Genossen umsahen, dieses zu schwächen.

Während diese Streitigkeiten wieder zu beginnen drohten, war Filippo Visconti, Gian Galeazzos zweiter Sohn, durch seines Bruders Tod Gebieter der gesamten Lombardei geworden, und wünschte sehnlich Herr von Genua zu werden, welches damals unter dem Dogen Tommaso da Campo-Fregoso selbständig war. Aber er erwartete weder in diesem noch in irgendeinem andern Unternehmen Glück, wenn er nicht vorher einen neuen Vertrag mit den Florentinern schlösse, von dessen Bekanntmachung er das Gelingen seiner Pläne hoffte. Deshalb sandte er Abgeordnete nach Florenz, einen solchen Vertrag zustande zu bringen. Viele Bürger waren dagegen, rieten indes, man sollte, ohne neuen Vertrag, in dem mehrere Jahre bestandenen guten Einvernehmen beharren: denn sie erkannten, daß dem Herzog ein Gefallen geschah, während die Republik wenig Nutzen davon hatte. Viele aber waren der Meinung, man sollte einen Bund mit ihm schließen und ihm dadurch Schranken setzen, durch deren künftige Übertretung seine böse Gesinnung sich kundgeben würde, auf daß man bei einem Friedensbruche einen um so gerechtern Krieg gegen ihn führen könnte. Nachdem so die Sache vielfach hin und her beraten worden, schloß man eine Übereinkunft, in welcher der Herzog versprach, mit den Angelegenheiten der diesseit der Magra und des PanaroDie Magra ist der Grenzfluß »der mit kurzem – Lauf vom Toscaner trennt den Genuesen« (Dante, Paradies IX, 89). Der Panaro, welcher oberhalb Ferraras in den Po fließt, trennt das modenesische Gebiet vom bolognesischen. gelegenen Länder sich nicht befassen zu wollen.

Nachdem dieser Vertrag geschlossen worden, besetzte Filippo Brescia und bald darauf Genua (1422), der Meinung derer zuwider, welche in Florenz zum Abkommen mit ihm geraten und geglaubt hatten, Brescia werde von den Venezianern geschützt werden, Genua durch eigne Kraft. Und da der Herzog im Vertrage mit dem Dogen ihm Sarzana gelassen und andere Orte diesseit der Magra, unter der Bedingung, daß, wolle er sie verkaufen, dies nur an Genua geschehen könne, so waren die Bedingungen des Bundes mit Florenz schon verletzt. Überdies hatte er mit dem Legaten von Bologna ein Abkommen getroffen. Diese Dinge beunruhigten unsere Bürger und veranlaßten sie, auf neue Mittel gegen neue Übel zu sinnen. Als der Herzog von diesen Besorgnissen hörte, schickte er, entweder sich zu rechtfertigen, oder um die Gesinnung der Florentiner zu prüfen, oder aber um sie einzuschläfern, Abgesandte, indem er sich stellte, als wundere er sich über ihren Verdacht, wobei er Verzichtleistung auf alles, was dazu Veranlassung gegeben, anbieten ließ. Die einzige Folge davon war eine Entzweiung unter den Bürgern: denn eine Partei, und zwar die angesehensten, waren der Meinung, es sei gut, sich zu rüsten und sich vorzubereiten, des Gegners Pläne zu kreuzen: wären die Vorkehrungen getroffen und bliebe Filippo ruhig, so wäre ja kein Krieg entstanden, der Friede aber befestigt. Viele andere, sei es aus Neid gegen die Gewalthaber, sei es aus Furcht vor Krieg, waren der Meinung, man dürfe so geringfügiger Ursachen wegen auf einen Verbündeten keinen Verdacht werfen: sein Benehmen rechtfertige so starke Besorgnisse nicht; die Zehn des Krieges ernennen und Truppen werben, heiße wohl Krieg, und wenn man mit einem so mächtigen Fürsten sich einlasse, führe man die Stadt an einen Abgrund, ohne irgendeinen Gewinn erwarten zu können. Etwaige Erwerbungen an Land könnten uns nichts nützen, indem wir sie der dazwischenliegenden Romagna wegen zu behaupten nicht imstande sein würden, und die Nachbarschaft des Kirchenstaates uns verbiete, auf die Romagna unser Augenmerk zu richten. Dennoch setzten jene, welche sich für den Fall eines Krieges rüsten wollten, ihre Ansicht durch, und die andern unterlagen, so daß man den Magistrat der Zehn ernannte, Truppen warb und neue Steuern auflegte. Diese Abgaben, die mehr auf den geringeren als den vornehmeren Bürgern lasteten, erregten viel Unzufriedenheit, und jeder verdammte den Ehrgeiz und die Habsucht der Mächtigen, indem man sie beschuldigte, sie stürzten den Staat in einen unnötigen Krieg, um ihre eignen Zwecke zu verfolgen und das Volk durch Druck zu beherrschen.

Noch war man mit dem Herzog zu keinem offenbaren Bruch gekommen, aber der Verdacht war immer stärker geworden (1423). Denn auf Ersuchen des Legaten von Bologna, welcher sich vor dem als Verbannter in Kastell Bolognese verweilenden Messer Antonio Bentivogli fürchtete, hatte der Herzog nach jener Stadt Truppen gesandt, welche, den Grenzen des florentiner Gebietes so nahe, Besorgnis einflößten. Was aber am meisten Furcht erregte und zum Ausbruch der Feindseligkeiten gewichtigen Anlaß gab, war des Herzogs Unternehmung gegen Forli. Herr dieser Stadt war Giorgio Ordelassi; als dieser starb, ließ er seinen Sohn Tibaldeo unter Filippos Vormundschaft zurück. Und obschon die Mutter, welche dem Vormund nicht traute, ihn zu ihrem Vater Lodovico Alidosi, dem Herrn von Imola, sandte, so wurde sie doch vom Volke von Forli genötigt, das Testament zu befolgen und ihn in die Hände des Herzogs zu geben. Um nun den Verdacht zu schwächen und seine Absicht besser zu verbergen, verordnete der Herzog, daß der Markgraf von Ferrara den Guido Torello als seinen Bevollmächtigten sandte, die Regierung von Forli in seine Hand zu nehmen. So gelangte diese Stadt in Filippos Gewalt. Als man diese Nachricht zugleich mit jener von der Ankunft der mailändischen Söldner in Florenz erhielt, bewirkte sie einen rascheren Entschluß zum Kriege, obgleich viele dagegen waren und Giovanni de'Medici öffentlich abriet, indem er zeigte, wie sehr man auch von der feindseligen Gesinnung des Herzogs überzeugt sein möchte, so sei es doch besser, seinen Angriff abzuwarten, als ihm mit gewaffneter Hand entgegenzutreten. Denn im letzteren Falle würde, angesichts der Fürsten Italiens, der Krieg auf Seiten des Herzogs ebenso gerechtfertigt erscheinen wie auf der unsern. Man könnte nicht einmal offen jenen Beistand in Anspruch nehmen, welchen man begehren dürfte, nachdem sein Ehrgeiz sich kundgegeben: mit anderm Mut und andern Kräften würden endlich die eignen Interessen verteidigt werden, als fremde. Die andern hielten entgegen, es sei besser den Feind in seinem Hause aufzusuchen, als im eignen ihn zu erwarten; das Glück sei beim Angriff günstiger als bei der Verteidigung; wenn auch nicht mit geringeren Kosten, doch mit geringerem Schaden führe man auf fremdem Gebiete Krieg, als auf dem eignen. Kurz, die letztere Ansicht trug den Sieg davon, und man beschloß, der Magistrat der Zehn sollte alle möglichen Mittel anwenden, dem Herzog die Stadt Forli zu entreißen.

Als Filippo sah, daß die Florentiner seinen Plänen auf die Romagna sich in den Weg stellen wollten, ließ er alle Rücksicht fallen und sandte Agnolo della Pergola mit einem starken Haufen nach Imola, damit der Herr dieser Stadt, auf die Verteidigung seines eignen Besitztums hingewiesen, mit der Vormundschaft seines Enkels sich nicht befassen möchte (1424). Da nun Agnolo in der Nähe von Imola angelangt war, während die florentinischen Truppen noch in ModiglianaKastell in der toskanischen Romagna, im Apennin, gegen 9 Millien von Faenza entlegen, einst eine Grafschaft der Guidi. standen, nahm er nachts, da der großen Kälte wegen die Gräben gefroren waren, durch Überraschung die Stadt und sandte Lodovico Alidosi gefangen nach Mailand. Als die Florentiner Imola verloren und den Krieg begonnen sahen, sandten sie Truppen gegen Forli; die Stadt wurde von allen Seiten eingeschlossen und berannt. Damit nun die herzoglichen Kriegsvölker nicht vereint zum Entsatz heranrücken könnten, hatten jene den Grafen Alberigo in Sold genommen, welcher von seinem Orte ZagonaraKastell bei Lugo in der Romagna, Eigentum der Familie, die sich nach dem benachbarten Barbiano nannte. Alberigo da Barbiano war der ursprüngliche Stifter des italienischen Kriegswesens, wie es das 15. Jahrhundert hindurch bestanden hat. – In der Nähe liegt Cotignola, von wo die Sforzas stammen. aus täglich bis zu den Toren Imolas streifte. Als Agnolo della Pergola sah, daß er der starken Stellung wegen, die unsere Truppen eingenommen, Forli nicht mit Gewißheit zu Hilfe kommen konnte, beschloß er, Zagonara wegzunehmen, indem er urteilte, die Florentiner würden diesen Ort nicht verlieren wollen: wollten sie ihn aber verteidigen, so müßten sie ihre Stellung vor Forli aufgeben und den Kampf unter ungünstigen Umständen beginnen. So nötigte er die Truppen Alberigos zu kapitulieren, und sie versprachen das Kastell zu übergeben, wenn sie innerhalb vierzehn Tage keinen Beistand von den Florentinern erhielten. Als man im florentinischen Lager und in der Stadt Nachricht davon erhielt und keiner dem Feinde diesen Sieg gönnen wollte, verschafften sie ihm einen viel wichtigeren. Denn da die Belagerungsarmee vor Forli aufbrach, um Zagonara Hilfe zu leisten, wurden unsere Truppen, als sie auf den Feind stießen, nicht sowohl durch dessen Tapferkeit geschlagen, sondern durch die Ungunst des Wetters. Nachdem die unsern nämlich mehrere Stunden lang in tiefem Kote und unter Regen dahingezogen waren, fanden sie frische Gegner, von denen sie mit Leichtigkeit überwunden wurden. Bei dieser durch ganz Italien berühmt gewordenen Niederlage kam nichtsdestoweniger keiner um, als Lodovico degli Obizi und zwei der Seinen, welche, vom Pferde stürzend, im Moraste erstickten.

Ganz Florenz war über die Nachricht von diesem Unglück traurig, am meisten aber die vornehmen Bürger, welche zum Kriege geraten. Denn sie sahen den Feind kräftig, sich selbst entwaffnet und freundlos, und das Volk aufgebracht. Die Menge beschuldigte sie auf öffentlicher Straße, klagte über die ihr auferlegten Lasten, über den ohne Grund begonnenen Krieg. »Haben sie nun«, hieß es, »den Magistrat der Zehn ernannt, um den Feinden Furcht einzujagen? Haben sie Forli geholfen und es dem Herzog entrissen? Seht, wie ihre Ratschläge zutage liegen und das Ziel, nach dem sie strebten – nicht die Freiheit zu verteidigen, der sie gram sind, sondern die eigne Macht zu verstärken, welche Gott gerechterweise geschwächt hat. Nicht durch diese Unternehmung allein, sondern durch manche andere haben sie der Stadt Lasten aufgebürdet, denn ähnlicher Art war der Krieg gegen König Ladislaus. An wen werden sie um Beistand sich wenden? An Papst Martin, den sie um Braccios da MontoneNach dem Kastell Montone im Peruginischen nannte sich die peruginische Familie der Fortebracci, die durch Braccio, Oddo, Carlo und die durch sie begründete Condottierenschule, welcher die Piccinini angehörten, berühmt geworden ist. willen beleidigt? An die Königin Johanna, die von ihnen im Stich gelassen, genötigt war, sich dem König von Aragon in die Arme zu werfen?« Überdies brachte das Volk noch alles andere vor, was einer erzürnten Menge einzufallen pflegt. Die Signoren hielten es darum für passend, eine Zahl Bürger zu versammeln, welche die böse Stimmung durch gute Worte beschwichtigen sollten. Messer Rinaldo degli Albizzi, der älteste Sohn Messer Masos, welcher durch eignes Talent und durch den vom Vater ererbten Namen den vornehmsten Rang in der Stadt zu erlangen hoffte, sprach dabei lange, indem er zeigte, es sei unklug, die Dinge nach den Wirkungen zu beurteilen, da gutberatene Unternehmungen häufig unglücklichen Ausgang haben, schlecht beratene dagegen oft glücklich enden. Lobe man schlimmen Rat um des guten Erfolges willen, so bestärke man dadurch die Menschen nur im Irrtum, zum großen Nachteil des Gemeinwesens, indem schlimmer Rat nicht immer glücklich sei. Gleicherweise tue man Unrecht indem man einen weisen Entschluß tadle, weil er keinen guten Erfolg habe: denn dadurch schrecke man die Bürger davon ab, der Stadt mit Rat beizustehn und zu sagen, was sie denken. Hierauf erläuterte er, wie notwendig dieser Krieg gewesen sei: wäre er nicht in der Romagna begonnen worden, so würde er in Toscana ausgebrochen sein. Da Gott nun einmal zugelassen, daß ihre Truppen geschlagen worden, so würde der Verlust um so größer sein, je mehr man sich dadurch in Furcht setzen lasse: zeige man aber dem Geschick die Stirn und treffe man die erforderlichen Vorkehrungen, so würden weder sie den Verlust empfinden, noch der Herzog des Sieges sich erfreuen. Die Kosten und künftigen Auflagen dürften sie nicht schrecken: denn diese zu ändern sei verständig, während erstere im Vergleich mit früher sich sehr verringern würden. Geringerer Vorkehrungen bedürfe nämlich der, welcher sich verteidigen wolle, als der Angreifende. Endlich ermahnte er sie, ihrer Väter Beispiel nachzuahmen, welche immer gegen jeglichen Fürsten sich verteidigt, indem sie nie im Unglück den Mut sinken ließen. Durch sein Zureden wieder ermutigt, warben die Bürger nun den Grafen Oddo, Braccios da Montone Sohn, und gaben ihm den Niccolò Piccinino bei, Braccios Schüler und den berühmtesten von allen, die unter dessen Fahnen gefochten. Diesen fügten sie noch andere Condottieri hinzu, und machten einige derjenigen, die ihre Pferde verloren, von neuem beritten. Hierauf ernannten sie zur Bestimmung der neuen Steuern zwanzig Bürger, die dadurch ermutigt, daß sie die mächtigen Bürger durch die erlittene Niederlage entmutigt sahen, sie ohne irgendeine Rücksicht gleich allen andern besteuerten.

Damit waren die Vornehmen sehr unzufrieden (1426). Um des äußern Anstandes willen beschwerten sie sich anfangs nicht über die von ihnen eingeforderten Abgaben, sondern tadelten diese im allgemeinen als unrecht und rieten, sie herabzusetzen. Da dies vielen bekannt ward, hinderte man sie in den Ratsversammlungen, ihren Willen durchzusetzen. Um nun die Härte der Maßregel durch die Ausführung empfinden zu machen und den Haß der Menge dawider zu erregen, bewirkten sie, daß die Steuereinnehmer beim Sammeln mit großer Strenge verfuhren, indem sie ihnen über das Leben jedes Widerspenstigen Macht erteilten. Daraus entstand viel Unheil durch Tod und Körperverletzung. So hatte es den Anschein, als würden die Parteien zu offnem Kampfe kommen, und jeder Verständige war eines herannahenden Unglücks gewärtig, indem die Vornehmen, an Achtung gewohnt, nicht ertrugen, daß Hand an sie gelegt ward, und die andern gleichmäßige Verteilung der Lasten verlangten. Viele der ersteren aber berieten miteinander und kamen zu dem Beschlusse, daß es nötig sei, die Regierung wieder in ihre Hand zu nehmen, weil ihre geringe Achtsamkeit das Volk ermutigt habe, mit den öffentlichen Angelegenheiten sich zu befassen und die ehemaligen Häupter der Menge wieder kühner geworden seien. Nachdem sie diese Dinge nun zu verschiedenen Malen beredet, beschlossen sie, einmal sämtlich zusammenzukommen. In der Kirche Santo Stefano fanden sich mehr denn siebzig Bürger ein, mit Erlaubnis von Messer Lorenzo Ridolfi und Francesco Gianfigliazzi, die unter den Signoren saßen. Giovanni de'Medici aber war nicht unter ihnen, sei es, daß sie ihn nicht geladen, oder daß er nicht kommen wollte, weil er anderer Meinung war.

Die Familie Tornabuoni

Ausschnitt aus Ghirlandaios Fresko »Zacharias im Tempel«

Messer Rinaldo degli Albizzi sprach zu allen. Er stellte ihnen den Zustand der Stadt dar, und wie durch ihre Unachtsamkeit die Macht des gemeinen Volkes sich wieder gehoben, nachdem im Jahre 1381 ihre Väter diese Macht gebrochen. Er erinnerte an die Gesetzlosigkeit, die von 1378 bis 1381 geherrscht, wie alle jetzt Gegenwärtigen damals einer den Vater, der andere den Großvater verloren, und wie jetzt dieselben Gefahren drohten und die Stadt derselben Verwirrung entgegengehe. Schon habe die Menge nach ihrem Gutdünken eine Steuer aufgelegt: würde sie nicht durch überwiegende Gewalt zurückgehalten oder durch bessere Ordnung, so würde sie bald auch nach ihrem Willen die Magistrate ernennen. Träfe dies ein, so würde sie die Stelle der bessern Bürger einnehmen und die Regierung stürzen, welche zweiundvierzig Jahre lang zum großen Ruhme der Stadt gewährt: Florenz würde dann ohne Prinzip entweder nach dem Gutdünken der Menge regiert werden, wo auf der einen Seite Willkür herrsche, Gefahr auf der andern; oder durch die überragende Macht eines einzelnen, der sich zum Fürsten aufwerfen würde. Unterdessen müsse jeder, dem das Vaterland und die eigne Ehre lieb seien, in sich gehen und der Tugend Bardo Mancinis gedenken, welcher durch den Sturz der Alberti das Vaterland der Gefahr entriß, von der es damals bedroht war. Der Grund der Frechheit der Menge liege in der zu großen Ausdehnung der Wahlen zu den Ämtern: daher komme es, daß der Palast mit Leuten von gestern und von niederm Stande gefüllt sei. Er schloß damit, das einzige ihm bekannte Mittel, dem Übel abzuhelfen, bestehe darin, daß man den Großen die Gewalt wiedergebe und den kleinen Zünften ihre Macht nehme, indem man ihre Zahl von vierzehn auf sieben herabsetze. Das gemeine Volk würde solcherweise in den Ratsversammlungen geringeren Einfluß haben, sowohl durch Verminderung seiner Zahl als auch durch Zunahme der Autorität der Großen, die der alten Feindschaft wegen ihm entgegen sein würden. Er deutete zugleich darauf hin, wie die Klugheit es verlange, sich der Menschen den Zeitläuften entsprechend zu bedienen. Wenn ihre Väter das niedere Volk gebrauchten, um den Übermut des alten Adels zu brechen, so müsse jetzt, wo der Adel demütig, das Volk frech geworden, des letzteren Übermut mit jenes Hilfe unterdrückt werden. Diesen Zweck zu erreichen, könne man List oder Gewalt brauchen: dies sei leicht, da einige von ihnen zum Magistrat der Zehn gehörten und heimlich Bewaffnete in die Stadt lassen könnten.

Jeder lobte Messer Rinaldo und hieß seinen Rat gut, und Niccolò da Uzzano unter andern sagte, alles, was Messer Rinaldo vorgebracht, sei wahr und seine Mittel gut und sicher, falls man sie anwenden könne, ohne einen offenbaren Zwiespalt in der Stadt zu veranlassen. Letzteres könnte erreicht werden, wenn man Giovanni de'Medici gewinne. Denn stimme dieser ein, so könne die ihres Hauptes wie ihrer Kräfte beraubte Menge nicht schaden; sei er aber entgegen, so könne man nicht ohne Waffen zum Ziel gelangen. Die Waffen zu gebrauchen sei aber gefährlich: entweder unterliege man, oder man könne den Sieg nicht benutzen. Bescheidentlich rief er ihnen seine früheren Ermahnungen ins Gedächtnis zurück: wie sie dieser Schwierigkeit nicht abhelfen gewollt, zur Zeit als es nur leichte Mühe gekostet haben würde: wie es jetzt aber nicht geschehen könne, ohne Furcht vor größerem Unheil. Das einzige Mittel sei, den Medici zu gewinnen. So wurde denn Messer Rinaldo der Auftrag erteilt, zu diesem zu gehn und zu versuchen, ihn zu ihrer Partei herüberzuziehen.

Anbetung der Könige

Mit Porträts Cosimos de'Medici und seiner Familie. Tafelbild von Sandro Botticelli (1446 – 1510). Florenz, Uffizien

Messer Rinaldo tat, wie ihm aufgetragen worden, und bot alle seine Gründe und die besten Worte auf, ihn zu veranlassen, ihrem Plane seine Zustimmung zu geben, statt, durch Begünstigung der Menge, diese zum Nachteil des Staates und der Stadt aufzuregen. Giovanni antwortete darauf: er halte es für Pflicht eines weisen und guten Bürgers, die bestehende Ordnung in seiner Vaterstadt nicht umzustoßen, da nichts die Gemüter so sehr erbittere als deren Veränderung: denn in solchen Fällen müsse man viele verletzen, und wo es viele Unzufriedene gebe, müsse man täglich schlimme Vorfälle besorgen. Ihr Entschluß scheine ihm zwei sehr gefährliche Seiten zu haben: er verleihe die Ehrenämter denen, die, weil sie nie daran teilgenommen, sie minder schätzen und weniger Grund haben, über deren Vorenthaltung sich zu beschweren; sodann aber nehme er sie solchen, welche, da sie einmal in deren Besitze gewesen, nimmer rasten würden, bis sie dieselben wiedererlangt hätten. So würde der den einen zugefügte Schaden größer sein als der den andern daraus erwachsende Vorteil. Der Urheber würde sich also wenige Freunde erwerben und sehr viele Feinde; letztere würden ihn mit größerem Eifer angreifen, als jene ihn verteidigen. Denn die Menschen wären mehr darauf bedacht, Unbilden zu rächen, als für Wohltaten sich dankbar zu bezeigen, indem sie glauben, durch Dankbarkeit könnten sie verlieren, während Rache ihnen Nutzen und Vergnügen bringe. Hierauf zu Messer Rinaldo im besondern sich wendend, fuhr er fort: Ihr aber, wenn ihr der Vergangenheit gedächtet und wieviel Trug in dieser Stadt geübt wird, würdet einen solchen Entschluß nicht mit so großer Wärme fassen. Denn wer euch dazu rät, würde, nachdem er mit Hilfe eurer Autorität das Volk seiner Macht beraubt, euch diese Macht dann wieder mit Hilfe des um solcher Unbill willen feindlich gestimmten Volkes nehmen. Es würde euch ergehn wie Messer Benedetto Alberti, welcher auf hinterlistige Vorstellungen in den Sturz Giorgio Scalis und Tommaso Strozzis einwilligte, und bald darauf von den nämlichen, die ihn dazu beredet, ins Exil gesandt ward. Endlich ermahnte er ihn, die Sache reiflicher zu überlegen und das Beispiel seines Vaters nachzuahmen, welcher, um das öffentliche Wohlwollen zu gewinnen, den Preis des Salzes verminderte; welcher verordnete, daß, wer unter einem halben Gulden Abgabe zu zahlen habe, nach Gutdünken zahlen könne oder nicht, und wollte, daß am Tage des Zusammentretens der Ratsversammlungen jeder vor seinen Gläubigern sicher wäre. Dann schloß er seine Rede mit der Bemerkung, daß, so viel an ihm liege, er der Meinung sei, man solle die Stadt in ihren gegenwärtigen Verhältnissen lassen.

Diese Verhandlungen blieben der Stadt nicht verborgen, mehrten Giovannis Ruf, aber auch den Haß gegen die übrigen Bürger. Um denen, welche diese Volksgunst zum Umsturz des Bestehenden benutzen wollten, den Mut zu benehmen, ließ der Medici in seinen Reden jedem deutlich werden, wie er keine Parteiungen nähren, sondern sie unterdrücken und, so viel an ihm liege, die Einigkeit der Stadt herstellen wolle. Viele seiner Anhänger waren damit unzufrieden, weil sie eine entschiedenere Stellung wünschten. Unter diesen war Alamanno de'Medici, welcher, von Natur heftig, nicht abließ, Giovannis Kälte und Bedächtigkeit zu verdammen und ihn zu reizen, daß er seine Gegner verfolgen, seinen Freunden zu Willen sein möchte. Er sagte, sein Benehmen trage die Schuld, daß seine Feinde ohne Scheu gegen ihn verführen, was einst den Ruin seines Hauses und seiner Freunde herbeiführen würde. Cosimo, Giovannis Sohn, wurde auch von Alamanno im gleichen Sinne bearbeitet: Giovanni aber, was ihm auch immer enthüllt oder vorhergesagt werden mochte, blieb bei seinem Vorsatze. Die ganze Sache war indes einmal offenbar geworden und die Stadt in völligem Zwiespalt. Im Palast waren zum Dienst der Signoren zwei Kanzler, Ser Martino und Ser Paolo. Dieser war der Partei Uzzanos hold, jener der Mediceischen. Da nun Messer Rinaldo sah, daß Giovanni ihnen nicht beipflichten wollte, dachte er den Ser Martino seines Amtes zu entsetzen, um den Palast immer mehr zugunsten seiner Partei zu stimmen. Weil aber die andern dies vorhersahen, wurde nicht nur Ser Martino geschützt, sondern Ser Paolo zum Nachteil und Verdruß seiner Partei entfernt. Dies hätte sogleich schlimme Folgen gehabt, wären nicht gerade damals durch den Krieg, der mit der Niederlage von Zagonara eine schlimme Wendung nahm, die Gemüter beschäftigt gewesen. Denn während alles dies in Florenz vorging, hatte Agnolo della Pergola mit den Truppen des Herzogs alle Besitzungen der Florentiner in der Romagna besetzt, CastrocaroCastrocaro, ein im Mittelalter nicht unbedeutendes Kastell im Tal des Montone nahe an der Grenze bei Forli. Dante nennt die Grafen des Ortes (Fegef. XIV, 116), der seit dem Anfange des 15. Jahrhunderts der Republik Florenz unterworfen blieb. und Modigliana ausgenommen, teils wegen geringer Stärke der Orte, teils wegen Schuld derer, die sie zu verteidigen hatten. Bei der Besetzung jener Ortschaften ereigneten sich zwei Vorfälle, welche zeigten, wie sehr Tapferkeit auch vom Feinde geachtet, Feigheit und Bosheit aber gering geschätzt wird.

Kastellan der Burg von Monte PetrosoMonte Petroso, ein jetzt in Trümmern liegendes Kastell im Tal des Savio in der toskanischen Romagna. war Biagio del Melano. Von den Feinden umringt, ohne Aussicht, die Feste zu retten, warf dieser nach jener Seite, die noch nicht brannte, Stroh und Kleidungsstücke hinab und darauf seine beiden kleinen Söhne, indem er den Feinden zurief: Nehmt die Güter, welche das Glück mir verliehen hat, und welche ihr mir rauben könnt: die geistigen Güter aber, worin mein Ruhm und meine Ehre bestehn, werde ich euch nicht geben, könnt ihr mir nicht nehmen. Die Feinde liefen hinzu, die Kinder zu retten, und boten ihm Stricke und Leitern dar, um sich herabzulassen: er aber verschmähte sie und wollte eher in den Flammen umkommen, als sein Leben durch die Feinde seines Vaterlandes gerettet sehen. Ein Beispiel, des gerühmten Altertums würdig, und seiner Seltenheit wegen zwiefach der Bewunderung wert. Den Kindern wurde alles zugestellt, was man retten konnte: sie wurden mit großer Sorgfalt den Verwandten zugesandt, und die Republik bewies ihnen nicht mindere Gnade, indem sie ihnen solange sie lebten, Unterstützung gewährte. Das Gegenteil davon ereignete sich in Galatea,Ortschaft in der toskanischen Romagna, am Fluß Bidente, dicht an der Grenze in der Richtung auf Cesena. wo Zanobi dal Pino Podestà war, welcher, ohne sich zu verteidigen, die Burg übergab und den Agnolo della Pergola überdies aufforderte, die Berge der Romagna zu verlassen und ins toscanische Hügelland zu ziehn, wo er mit geringerer Gefahr und größerem Gewinn würde Krieg führen können, Agnolo verabscheute dieses Mannes feige und boshafte Gesinnung und überantwortete ihn seinen Knechten, welche, nachdem sie vielerlei Spott mit ihm getrieben, ihm nur Papier, worauf Nattern gemalt, zum Essen anboten, indem sie sagten, sie wollten ihn, den Guelfen, auf solche Weise zum Gibellinen machen. So starb er nach wenigen Tagen vor Hunger.

Unterdessen war der Graf Oddo mit Niccolò Piccinino in das LamonetalLamone entspringt im toskanischen Apennin, fließt an dem in der Kriegsgeschichte des Mittelalters wichtigen Marradi (wo sein Tal den Hauptpaß zwischen Romagna und Toskana bildet) und an Faenza vorüber und fällt bei Ravenna ins Meer. gezogen (1425), um den Herrn von Faenza für Florenz zu gewinnen oder wenigstens Agnolo della Pergola an seinem Umherziehen durch die Romagna zu hindern. Da aber jenes Tal stark befestigt ist und die Einwohner in den Waffen geübt sind, so verlor Graf Oddo das Leben und Niccolò Piccinino wurde als Gefangener nach Faenza gebracht. Das Glück aber wollte, daß die Florentiner, besiegt, das erlangten, was sie als Sieger vielleicht nicht erreicht haben würden: denn Niccolò tat soviel in Faenza, daß der Herr der Stadt und dessen Mutter den Florentinern freund wurden. Durch den dabei abgeschlossenen Vertrag erlangte Niccolò Piccinino seine Freiheit wieder, befolgte aber nicht selber den Rat, den er andern gegeben hatte. Denn als er mit der Stadt über Erneuerung seines Soldverhältnisses unterhandelte, verließ er, sei es, daß die Bedingungen ihm nicht günstig schienen, sei es, daß ihm anderwärts vorteilhaftere geboten wurden, beinahe plötzlich Arezzo, wo er stand, und begab sich nach der Lombardei, wo er bei dem Herzoge Dienste nahm. Durch diesen Vorfall ängstlich geworden und durch die wiederholten Niederlagen geschreckt, fürchteten die Florentiner, sie könnten diesen Krieg nicht allein bestehn und sandten Abgeordnete zu den Venezianern, indem sie diesen vorstellten, sie möchten jetzt, wo es ihnen noch leicht sei, der Größe eines Mannes, welcher, wenn sie ihn gewähren ließen, ihnen gleich gefährlich werden würde wie den Florentinern, einen Damm entgegenstellen. Dazu riet ihnen auch Francesco Carmagnola,Francesco Bussone von Carmagnola, geb. 1390, im Jahre 1432 zu Venedig hingerichtet. einer der berühmtesten Kriegsleute jener Zeit, der früher in Diensten des Herzogs gestanden, dann aber von ihm abgefallen war. Die Venezianer waren ungewiß, da sie nicht wußten, wie weit sie dem Carmagnola trauen durften, dessen Feindschaft gegen den Herzog sie für eine bloße Vorspiegelung hielten. Während sie noch zauderten, geschah es, daß der Herzog dem Carmagnola durch einen Diener Gift geben ließ, welches zwar nicht stark genug war, ihn zu töten, ihn aber dem Tode nahe brachte. Nachdem der Grund des Übels entdeckt worden, ließen die Venezianer ihren Verdacht fahren, und da die Florentiner in ihren Aufforderungen fortfuhren, schlossen sie mit diesen einen Bund, wobei beide Teile sich verpflichteten, auf gemeinsame Kosten Krieg zu führen: die Erwerbungen in der Lombardei sollten Venedig gehören, die in Toscana und der Romagna Florenz. Carmagnola wurde oberster Anführer der Bundestruppen. In Gemäßheit dieser Übereinkunft wurde nun die Lombardei Schauplatz des Krieges, wo Carmagnola sich sehr tapfer hielt, so daß er innerhalb weniger Monate (1426) dem Herzog mehrere Orte zusamt der Stadt Brescia nahm, deren Eroberung in jener Zeit und beim damaligen Stande der Kriegskunst allgemeines Staunen erregte.

Bartolommeo Colleonis Reiterstandbild.

Von Verrocchio (1436 – 88), Venedig, vor der Kirche Santi Giovanni e Paolo

Dieser Krieg hatte von 1422 bis 1427 gewährt. Der bisherigen Abgaben müde, kamen die Florentiner überein, eine neue Anordnung zu treffen. In der Absicht, die Abgaben in richtiges Verhältnis zu den Vermögensumständen zu bringen, wurde verordnet, daß der Besitz damit belastet werden, und wer für hundert Gulden Eigentum habe, einen halben Gulden zahlen sollte. Da nun die Verteilung Sache des Gesetzes, nicht der Menschen war, so kam auf die Schultern der mächtigen Bürger eine schwere Last. Auch waren sie dem Gesetze schon abhold, ehe es beraten wurde. Nur Giovanni de'Medici pries es offen, so daß es durchgesetzt ward. Und weil bei der Verteilung die Güter eines jeden summiert wurden, was die Florentiner accatastare nennen, so hieß man diese Vermögenssteuer Catasto. Dies Verfahren legte zum Teil dem tyrannischen Walten der Mächtigen Zügel an, weil sie nicht wie früher die Geringeren bedrücken und dann durch ihre Drohungen in den Ratsversammlungen zum Schweigen bringen konnten. So war diese Auflage nach dem Sinn der Menge, während die Mächtigen sich ihr sehr ungerne fügten. Wie es aber geschieht, daß die Menschen nimmer zufriedenzustellen sind, und, sobald sie eine Sache erlangt, eine andere begehren: so verlangte das Volk, nicht sich begnügend mit der durch das Gesetz bewirkten Gleichheit der Steuer, man solle die früheren Jahre durchgehn um zu sehn, was die Vornehmen, nach dem Verhältnis des Katasters, damals weniger gezahlt; es verlangte sodann, daß diese nach dem Maßstabe solcher zahlen sollten, welche, mit ungesetzlich hoher Steuer belastet, ihre Besitzungen zu veräußern sich genötigt gesehn hatten. Mehr noch als der Kataster setzte dies Begehren die Vornehmen in Angst: um sich also dagegen zu schützen, hörten sie nicht auf gegen den Kataster selbst zu reden, indem sie behaupteten, er sei durchaus ungerecht, weil dabei auch die beweglichen Güter in Betracht gezogen seien, die man heute besitze, morgen verliere. Überdies gebe es viele Leute, die verborgen Geld besitzen, welches beim Veranschlagen nicht aufgefunden werden könne. Noch fügten sie hinzu: solche, welche der Leitung der öffentlichen Angelegenheiten wegen ihre eignen Interessen aus den Augen lassen, müßten eine geringere Last tragen, indem ihre persönlichen Leistungen hinreichten; es sei nicht gerecht, daß die Stadt von ihrem Eigentume und ihrer Arbeit zugleich Nutzen ziehe, während die andern nur Geld zu zahlen brauchten. Die, welche dem Kataster günstig waren, erwiderten darauf: Wenn die beweglichen Güter sich veränderten, so könne auch die Steuer sich nach ihnen richten, und durch häufiges Wechseln könne man einem solchen Übelstande abhelfen. Auf die, welche Geld verborgen halten, brauche man nicht zu achten: denn vom Gelde, das keinen Ertrag gebe, könne man billigerweise keine Abgaben einziehn; sollte aber das Geld Ertrag leisten, so müsse es auch zum Vorschein kommen. Sei es ihnen nicht genehm, ihre Zeit dem Staate zu widmen, so möchten sie's bleibenlassen und sich nicht bemühen: es würden sich jederzeit wohlgesinnte Bürger finden, denen es nicht schwer fiele, der Heimat mit Geld und Rat Hilfe zu leisten. Die Ehre und Vorteile, welche die Verwaltung verleihe, seien überdies so groß, daß sie damit sich begnügen müßten, statt ihren Anteil am Tragen der öffentlichen Lasten zu verweigern. Das Gebrechen aber liege da, wo sie's nicht bekennen wollten: es mißfalle ihnen, daß sie nicht ferner ohne persönlichen Nachteil Krieg führen könnten, da sie gleich den andern für die Kosten zu stehen hätten: wäre dies Mittel früher bekannt gewesen, so würde der Krieg gegen König Ladislaus, wie der gegen den Herzog von Mailand unterblieben sein, beide zum Vorteil einzelner, nicht aus Bedürfnis unternommen. Giovanni de'Medici beschwichtigte diese Aufregung, indem er zeigte, daß es nichts fromme, der Vergangenheit nachzuspüren, und man wohltue, sein Augenmerk auf die Zukunft zu richten; wären die Auflagen in früheren Jahren ungerecht verteilt gewesen, so müsse man Gott dafür danken, daß man ein Mittel gefunden, diesem abzuhelfen. Dies müsse die Stadt zur Eintracht bewegen, nicht aber sie in Zwietracht stürzen, wie die Untersuchung der ehemaligen Steuern und ihre Gleichstellung mit den jetzigen tun würde. Wer mit einem halben Siege sich begnüge, sei immer der Klügste: wer den Sieg zu weit verfolgen wolle, verliere oft. Mit solchen Worten beruhigte er die erregten Gemüter, und von Gleichstellung war ferner nicht die Rede.

Der Krieg mit dem Herzog währte unterdessen fort. Zwar wurde mit Hilfe eines päpstlichen Legaten zu Ferrara Friede geschlossen, aber gleich zu Anfang hielt der Herzog sich nicht an die Bedingungen, so daß die Verbündeten von neuem zu den Waffen griffen. Bei Maclovio stießen sie mit den mailändischen Truppen zusammen und schlugen sie. Nach dieser Niederlage brachte der Herzog neue Friedensanerbietungen vor, worauf die Venezianer und Florentiner eingingen, letztere, weil sie gegen die erstern Verdacht hegten, indem es ihnen schien, sie gäben ihr Geld aus, um andere mächtig zu machen; jene, weil sie nach dieser Niederlage ihren Feldhauptmann Carmagnola zaudernd zu Werke gehen sahn, so daß sie ihm nicht mehr trauen zu können glaubten. So wurde denn im Jahre 1428 der Friede geschlossen, durch welchen die Florentiner die verlornen Orte in der Romagna wiedererlangten, den Venezianern Brescia blieb, wozu der Herzog ihnen noch Bergamo und das dazugehörige Gebiet abtreten mußte. Dieser Krieg kostete Florenz drei Millionen fünfzigtausend Dukaten: Venedig gewann dabei Land und Macht, Florenz erwarb nur Armut und Zwietracht. Nachdem äußerer Friede erlangt war, entbrannte von neuem häusliche Fehde. Da die Vornehmen die Vermögenssteuer nicht ertragen konnten und doch kein Mittel sahn, sich ihr zu entziehn: so suchten sie derselben immer mehr Feinde zu machen, um bei ihren Angriffen mehr Genossen zu haben. Darum machten sie die mit der Ausführung des Gesetzes beauftragten Beamten darauf aufmerksam, daß auch die Güter im Gebiet der Republik geschätzt werden müßten, um zu sehn, ob Besitzungen von Florentinern sich darunter befänden. Infolgedessen wurden sämtliche Untertanen aufgefordert, innerhalb einer bestimmten Zeit die Verzeichnisse ihres Eigentums einzureichen. Darüber beschwerten die Volterraner sich bei der Signorie, so daß die erzürnten Beamten achtzehn von ihnen einsperren ließen. Dies erregte heftigen Unwillen bei den Volterranern, indes blieben sie ruhig aus Rücksicht für ihre gefangenen Mitbürger.

In dieser Zeit erkrankte Giovanni de'Medici, und da er die tödliche Natur seines Übels erkannte, berief er seine Söhne Cosimo und Lorenzo und sagte zu ihnen: »Ich glaube, die Zeit, welche Gott mir bei meiner Geburt bestimmte, ist abgelaufen. Ich sterbe zufrieden, denn ich lasse euch reich, gesund und angesehn, so daß ihr, wenn ihr in meine Fußtapfen tretet, in Florenz geehrt und von jedem gerne gesehen leben könnt. Denn nichts beruhigt mich so sehr bei meinem Tode, als der Gedanke, daß ich nie irgend jemand beleidigt, im Gegenteil, so viel an mir lag, jedem Wohltaten erzeigt habe. Euch ermahne ich, ein gleiches zu tun. Wollt ihr in Sicherheit leben, so nehmet an der Regierung so vielen Anteil, als Gesetze und Menschen euch zugestehen: auf solche Weise werdet ihr dem Neide wie den Gefahren entgehn. Denn was der Mensch sich nimmt, erregt Haß, nicht was ihm gegeben wird: immer werdet ihr solche sehn, welche das ihrige einbüßen, weil sie nach fremdem Gut begehren, und die, bevor sie verlieren, in anhaltender Beängstigung leben. Durch solche Kunst habe ich unter so vielen Gegnern, inmitten solcher Mißhelligkeiten mein Ansehn in dieser Stadt nicht bloß bewahrt, sondern gemehrt. So werdet ihr tun, folgt ihr meinem Beispiele: handelt ihr anders, so bedenkt, daß der Erfolg nicht glücklicher sein wird, als er bei denen war, die zu meiner Zeit sich selbst zugrunde gerichtet haben und ihre Familien.«

Bald darauf starb er (1429), zu großem Leidwesen der Stadt, wie er durch seine vortrefflichen Eigenschaften es verdiente. Giovanni de'Medici war mildtätig: nicht denen nur gab er Almosen, die ihn darum angingen, sondern oft half er ungefragt der Not der Armen ab. Er liebte jeden, pries die Guten, bedauerte die Schlechten. Nie strebte er nach Ehren und erlangte sie alle. Nie betrat er den Palast, wenn er nicht gerufen ward. Er liebte den Frieden und scheute sich vor dem Kriege. Beim Unglück anderer unterstützte er, beim Glücke half er mit. Bereicherung auf öffentliche Kosten haßte er, während er zum allgemeinen Besten beitrug. In seinen Ämtern zeigte er sich wohlwollend: er war nicht beredt, aber von vollendeter Klugheit. Sein Aussehn ließ auf trübe Gemütsart schließen, in der Unterredung aber war er heiter und spaßhaft. Bei seinem Tode war er reich an Gut, reicher aber noch an gutem Ruf und Liebe der Menschen. Seine Erbschaft, die der Glücksgüter nicht bloß, sondern auch die der Geistesgaben, wurde von seinem Sohne Cosimo nicht nur in gutem Stand erhalten, sondern gemehrt.

Die Volterraner waren ihrer Gefangenschaft müde, und um ihre Freiheit wiederzuerlangen, versprachen sie, den ihnen gewordenen Befehlen sich zu fügen. Als sie nun in Freiheit gesetzt und nach Volterra zurückgekehrt waren, kam die Zeit, wo ihre neuen Prioren das Amt antraten. Unter ihnen befand sich einer namens Giusto, ein Mann von niederer Herkunft, der aber beim gemeinen Volke in Ansehn stand und einer derer war, die in Florenz eingekerkert gewesen waren. Dieser, der öffentlichen Schmach, wie der ihm persönlich zugefügten wegen gegen die Florentiner erzürnt, wurde noch von Giovanni di (Contugi) aufgehetzt, einem vornehmen Manne, der mit ihm im Magistrate saß und ihn ermunterte, mittels des Ansehns der Prioren und der Gunst, die er genoß, das Volk aufzuwiegeln, den Florentinern die Obergewalt zu entreißen und sich selber zum Herrn aufzuwerfen. Auf diesen Rat griff Giusto zu den Waffen, zog durch die Stadt, nahm den durch die Florentiner bestellten Capitan gefangen und stellte sich mit des Volkes Zustimmung an die Spitze der Verwaltung. Diese in Volterra vorgefallene Neuerung mißfiel den Florentinern sehr, da sie aber mit dem Herzoge Frieden geschlossen und die Verträge eben eingegangen waren, dachten sie Zeit zu haben, die Stadt wieder zu nehmen. Um die Gelegenheit nicht ungenutzt zu lassen, sandten sie sogleich Messer Rinaldo degli Albizzi und Messer Palla Strozzi als Commissarien zu diesem Unternehmen. In der Voraussetzung, daß die Florentiner angreifen würden, hatte Giusto unterdessen in Siena und Lucca Hilfe verlangt. Die von Siena schlugen sie ihm ab, weil sie im Bunde mit Florenz waren; Paolo Guinigi, der Herr von Lucca, um die Freundschaft des florentinischen Volkes wiederzugewinnen, die er wegen seiner offenkundigen Freundschaft mit dem Visconti verloren zu haben dachte, verweigerte nicht bloß Giusto den Beistand, sondern sandte dessen Abgeordneten gefangen nach Florenz. Um nun die Volterraner unvorbereitet zu überfallen, versammelten die Commissarien all ihre Mannschaft, boten im untern Arnotal und im Gebiet von Pisa eine Menge Fußvolk auf und zogen gen Volterra. Sah aber Giusto sich auch von den Nachbarn verlassen und im Begriff, von den Florentinern angegriffen zu werden: so verlor er darum doch nicht den Mut, sondern bereitete sich zur Gegenwehr, vertrauend auf die sichere Lage und auf die Tüchtigkeit der Mauern.

Es gab in Volterra einen Messer Arcolano, Bruder jenes Giovanni, der Giusto zu diesem Unternehmen veranlaßt. Dieser, der von ansehnlichem Geschlechte war und Einfluß genoß, versammelte einige Freunde und zeigte ihnen, wie durch diesen Vorfall Gott ihrer Vaterstadt günstig sich bewiesen: denn wenn sie die Waffen ergreifen, Giusto der Herrschaft berauben und die Stadt den Florentinern wiedergeben wollten, so würde der Erfolg davon sein, daß sie die Ersten in der Stadt blieben und dieser ihre Gerechtsame bewahrt würden. Nachdem sie nun so übereingekommen, begaben sie sich zum Palast, wo Giusto sich befand, und während ein Teil von ihnen unten blieb, verfügten sich Messer Arcolano und drei andere nach dem Saal, wo sie den Signore im Gespräch mit mehreren Bürgern fanden. Indem Messer Arcolano tat, als habe er mit ihm zu reden, führte er ihn in ein Nebenzimmer, wo er und seine Begleiter ihre Waffen zogen und ihn anfielen. Die Sache war aber nicht so leicht gemacht, wie sie glaubten: denn Giusto setzte sich zur Wehr und, bevor sie ihn töteten, verwundete er zwei von ihnen schwer; aber endlich erlag er der Übermacht, und seine Leiche wurde aus dem Palast auf die Straße hinabgeworfen. Nachdem nun die Partei Messer Arcolanos zu den Waffen gegriffen, übergab sie die Stadt den Commissarien, welche mit ihren Heerhaufen in der Nähe standen und ohne irgendeine Bedingung einzogen. Daher kam es, daß Volterras Verhältnisse sich verschlimmerten, indem unter andern ein bedeutender Teil des Gebiets losgetrennt und zu einem Vikariat gemacht wurde.Vicariate waren Gebietsteile, die der Stadt Florenz unmittelbar untertan waren, während in den verschiedenen größeren Städten eine unabhängigere und selbständigere Munizipalverwaltung bestand.

Da nun Volterra in solcher Weise beinahe in einem Zuge verloren und gewonnen worden, wäre zu einem neuen Kriege keine Veranlassung vorhanden gewesen, hätte menschlicher Ehrgeiz ihn nicht herbeigeführt. In den mailändischen Kriegen hatte lange für Florenz Niccolò Fortebraccio gekämpft, ein Schwestersohn Braccios von Perugia. Nach dem Friedensschluß wurde dieser von den Florentinern verabschiedet und befand sich zur Zeit des Zuges gegen Volterra noch im Lager bei Fucecchio, so daß die Kommissarien der Republik ihn und seine Truppen in Anspruch nahmen. Es hieß, daß Messer Rinaldo zur Zeit, wo er um dieses Feldzugs willen mit ihm zu tun hatte, ihn veranlaßt habe, unter irgendeinem Vorwand Lucca anzugreifen, indem er ihn überredete, er werde in diesem Falle es in Florenz dahin bringen, daß man einen Krieg gegen diese Stadt unternehme, dessen Führung ihm anvertraut werden solle. Nachdem der Zug gegen Volterra beendigt und Niccolò in sein Standlager bei Fucecchio zurückgekehrt war, besetzte er im November 1429, sei es nun auf Messer Rinaldos Zureden oder aus eignem Antriebe, die lucchesischen Kastelle Ruoti und Compito. Hierauf stieg er in die Ebene hinab und machte große Beute. Als die Nachricht von diesem Angriff nach Florenz kam, sah man überall in der Stadt Zusammenkünfte von Leuten aller Art, und die meisten wollten, man sollte einen Zug gegen Lucca unternehmen. Unter den großen Bürgern, die dieser Ansicht waren, befanden sich die von der Mediceischen Partei, denen Messer Rinaldo sich genähert, entweder von dem Glauben bewogen, daß ein solches Unternehmen dem Staate zum Vorteil gereichen könne, oder von seinem eignen Ehrgeiz angetrieben, da er hoffen mochte, der erste dabei zu sein. Mit ihnen standen Niccolò da Uzzano und seine Partei im Widerspruch. Es ist kaum glaublich, daß in betreff eines Krieges so verschiedene Meinungen in einer Stadt herrschen konnten. Dieselben Bürger und dasselbe Volk, welche den nach zehnjährigem Frieden zur Verteidigung der eignen Freiheit gegen den Herzog von Mailand unternommenen Krieg getadelt, verlangten jetzt, nach so vielen Unkosten und bei so gedrückten Verhältnissen, nach einem neuen Kriege, um andern die Freiheit zu nehmen. Diejenigen hinwiederum, welche jenen Krieg gewollt, tadelten diesen. So ändern sich mit der Zeit die Ansichten; so viel rascher bei der Hand ist die Menge, wo es gilt, andrer Gut zu nehmen, als das ihrige zu schützen; so viel stärker wirkt auf die Menschen die Hoffnung des Erwerbs, als die Besorgnis vor Verlusten. Denn letztere fürchtet man dann bloß, wenn sie in der Nähe sind; auf ersteren hofft man, er mag noch so ferne liegen. Das Florentiner Volk aber war voll Hoffnung wegen der Erwerbungen, die Niccolò Fortebraccio gemacht und machte, und wegen der Nachrichten, die von den dem Gebiete von Lucca benachbarten Rektoren der Republik gemeldet wurden. Denn die Vikarien von Pescia und Vico kamen ein um die Erlaubnis, von den Kastellen Besitz nehmen zu dürfen, die sich ihnen anbieten kamen: bald werde das ganze lucchesische Gebiet ihnen gehören. Dazu kam das Verhalten des von dem Signore von Lucca mit Klagen über Fortebraccios Angriff nach Florenz gesandten Abgeordneten, der die Signorie bitten sollte, gegen einen Nachbarstaat und gegen eine stets befreundet gebliebene Stadt keinen Krieg unternehmen zu wollen. Dieser Abgesandte hieß Messer Jacopo Viviani. Einige Zeit zuvor hatte der Beherrscher Luccas, Paolo Guinigi, ihn der Teilnahme an einer Verschwörung wegen gefangengehalten, ihm aber, obgleich er schuldig befunden worden, dennoch das Leben geschenkt. Im Glauben, daß Messer Jacopo die frühere Schmach vergessen haben würde, vertraute er ihm: dieser aber, mehr der Gefahr eingedenk als der Wohltat, ermunterte nach seiner Ankunft in Florenz die Bürger heimlich zu dem Unternehmen. Solche Ermunterung, im Verein mit den übrigen Hoffnungen, veranlaßten die Signorie zur Zusammenberufung des Rates, wo vierhundertachtundneunzig Bürger sich einfanden, vor denen von den Vornehmsten der Stadt die Sache besprochen ward.

Unter den ersten, welche zugunsten des Unternehmens waren, befand sich, wie gesagt, Rinaldo degli Albizzi. Dieser zeigte den Vorteil, der aus dem Erwerb Luccas erwachsen würde; er deutete auf die gelegene Zeit hin, indem die Stadt ihnen vom Herzog von Mailand und den Venezianern zur Beute gelassen sei, während der Papst, mit den Angelegenheiten des Königreichs Neapel beschäftigt, sie nicht hindern könnte. Dabei gab er die Leichtigkeit der Eroberung zu bedenken, indem Lucca einem Bürger Untertan und jener ursprünglichen Kraft und des alten Eifers in der Verteidigung seiner Freiheit verlustig sei: so daß es entweder vom Volke übergeben werden würde, um den Herrscher loszuwerden, oder vom Herrscher aus Furcht vor dem Volke. Er berichtete, wie feindselig gegen die Republik Paolo Guinigi in Gesinnung und Handlung sich gezeigt, und wie gefährlich er werden könne, wenn der Papst oder der Herzog einen neuen Krieg gegen die Stadt begännen. Dann schloß er, indem er sagte, das florentinische Volk habe nie einen leichtern, vorteilhaftem und gerechtern Krieg unternommen. Dagegen sagte Niccolò da Uzzano, nie sei ein Unternehmen ungerechter und gefahrvoller gewesen, und von keinem andern sei größerer Nachteil zu erwarten. Vorerst wende man sich gegen eine guelfische, dem florentinischen Volke jederzeit befreundete Stadt, die mit eigner Gefahr wiederholt in ihren Schoß die Guelfen aufgenommen, zur Zeit, wo die Tore der eigenen Heimat ihnen verschlossen gewesen. In den Gedenkbüchern unsrer Geschichte finde sich nicht, daß das freie Lucca jemals Florenz beleidigt habe: habe eine Beleidigung stattgefunden, während die Stadt unfrei gewesen, wie einst durch Castruccio, jetzt durch den Guinigi: so dürfe man nicht der Stadt die Schuld beimessen, sondern dem Herrscher. Könnte man gegen den Herrscher allein Krieg führen, und nicht gegen die Bürger, so würde ihm dies weniger mißfallen: da dies aber unmöglich sei, so dürfe er nicht einwilligen, daß eine befreundete Bürgerschaft des ihrigen beraubt werde. Da man indes heutzutage auf eine Weise lebe, daß man auf Recht oder Unrecht wenig achte, so wolle er diese Betrachtung beiseite lassen und bloß auf den Vorteil der Stadt bedacht sein. Er glaube nun, man könne solches vorteilhaft nennen, wovon nicht leicht Schaden zu besorgen sei. Deshalb wisse er nicht, wie man ein Unternehmen als vorteilhaft bezeichnen dürfe, wo der Nachteil gewiß sei, der Vorteil zweifelhaft. Der gewisse Nachteil seien die durch den Krieg veranlaßten Kosten, die sich so hoch belaufen würden, daß sie einer der Ruhe sich erfreuenden Stadt Schrecken einjagen müßten, geschweige einer durch langen und gefahrvollen Krieg ermatteten, wie die ihrige. Der in Aussicht gestellte Vorteil sei der Erwerb Luccas: gewiß kein geringer Vorteil. Aber man müsse auf die Ungewißheit achten, die seiner Meinung zufolge so groß sei, daß er diesen Erwerb für unmöglich halte. Sie möchten nicht glauben, daß die Venezianer und der Herzog von Mailand einen solchen Erwerb gern sehen würden: jene gäben bloß ihre Zustimmung, um nicht als undankbar zu erscheinen, da sie kurz zuvor mit florentinisohem Gelde so viel Land erlangt; diesem würde es lieb sein, sie in neue Kriege und neue Unkosten verwickelt zu sehn, damit er dann, wären sie auf allen Seiten müde und gedrückt, sie von neuem angreifen, oder, wozu es ihm an Mitteln nicht fehlen würde, mitten im Unternehmen und in der besten Hoffnung des Sieges Lucca unterstützen könnte, heimlich durch Geld, oder durch Entlassung seiner Truppen, die er auf solche Weise als Söldner den Lucchesen zu Hilfe schicken möchte. Darum ermahnte er sie, von dem Unternehmen abzustehn und gegen den Beherrscher Luccas ein solches Verhalten zu beobachten, daß sie ihm innerhalb der Stadt so viele Feinde als möglich machten. Denn es gebe keine bequemere Weise, die Stadt sich zu unterwerfen, als indem man sie unter dem Tyrannen leben und von ihm bedrücken und schwächen lasse. Verfahre man dann klüglich, so werde die Stadt dahin gebracht werden, daß, wenn ihr Beherrscher sie nicht mehr bewältigen könne, sie aber sich selber zu regieren weder wisse noch vermöge, sie notwendig in die Gewalt der Republik fallen müsse. Aber er sehe die Gemüter gereizt und seine Worte unbeachtet: dennoch wolle er ihnen vorhersagen, daß sie einen Krieg begännen, in welchem sie viel ausgeben, großen Gefahren sich aussetzen, Lucca, statt es zu erobern, von seinem Bedrücker befreien, und aus einer befreundeten, schwachen und unterjochten Stadt eine feindselige und freie machen würden, ein einstiges Hindernis der Größe ihrer Republik.

Nachdem nun für und gegen das Unternehmen gesprochen worden, begann man der Sitte gemäß heimlich die Meinungen zu erforschen. Von der ganzen Zahl fanden sich bloß achtundneunzig abratende. Als demgemäß der Beschluß gefaßt und der Magistrat der Zehn zur Besorgung der Kriegsangelegenheiten ernannt worden, warben sie Truppen zu Fuß und zu Pferde. Zu Kommissarien wählten sie Astorre Gianni und Messer Rinaldo degli Albizzi und verständigten sich mit Niccolò Fortebraccio, daß er der Republik die genommenen Ortschaften abtreten und den Krieg als ihr Feldhauptmann fortführen sollte. Nachdem die Kommissarien mit dem Heere auf dem Gebiete von Lucca angelangt, teilten sie es; Astorre breitete sich in der Ebene aus, gegen Camajore und Pietrasanta; Messer Rinaldo zog nach dem Gebirge, indem er der Meinung war, daß es leicht sein würde, die Stadt zu nehmen, nachdem man erst ihr Gebiet besetzt habe. Ihre Unternehmungen waren nicht glücklich, nicht weil sie nicht Ortschaften genug nahmen, sondern der Klagen halber, welche im Laufe des Kriegs den einen und andern von ihnen trafen. Wahr ist's, daß Astorre Gianni dazu selber offenbare Veranlassung gab. Nahe bei Pietrasanta liegt ein Tal namens Seravezza, reich und dicht besiedelt. Diese, als sie die Ankunft des Kommissars vernommen, zogen ihm entgegen und baten ihn, sie als getreue Untergebene des florentinischen Volkes anzunehmen. Astorre stellte sich, als gehe er auf ihr Anerbieten ein: hierauf ließ er alle Pässe und starken Plätze des Tals durch seine Leute besetzen und die Männer in der Hauptkirche versammeln. Dann nahm er sie sämtlich gefangen und ließ den ganzen Ort von seinen Soldaten plündern und verwüsten, auf die grausamste und habsüchtigste Weise, indem er weder Kirchen schonte noch Weiber, so Jungfrauen wie verheiratete. Kaum waren diese Dinge in Florenz bekanntgeworden, so erregten sie bei den Magistraten nicht nur, sondern in der ganzen Stadt, das heftigste Mißvergnügen.

Einige von Seravezza, die aus den Händen des Kommissars entkommen waren, eilten nach Florenz und erzählten ihr Elend überall und jedem, so daß sie, aufgemuntert von solchen, welche die Bestrafung des Kommissars wünschten, entweder seiner schlechten Handlung wegen oder weil er zu der ihnen feindlichen Faktion gehörte, an den Magistrat der Zehn sich wandten und um Gehör baten. Nachdem sie vorgelassen worden, sprach einer von ihnen auf folgende Weise: »Wir sind überzeugt, erlauchte Herren, daß unsere Worte bei euch Glauben und Teilnahme finden werden, wenn ihr erfahrt, auf welche Art euer Kommissar unsern Ort einnahm und wie wir von ihm behandelt worden sind. Unser Tal war immer guelfisch, wofür die Denkwürdigkeiten eurer frühern Zeiten Zeugnis ablegen können: es ist oft euern Bürgern, die vor den Verfolgungen der Gibellinen Schutz suchten, ein Zufluchtsort gewesen. Unsere Vorfahren und wir selber haben stets den Namen dieser erlauchten Republik, als Haupt und Führerin unsrer Partei, in Ehren gehalten. Während die Lucchesen Guelfen waren, dienten wir ihnen bereitwillig; seit sie aber unter dem Tyrannen stehn, der den alten Freunden den Rücken gewandt und der gibellinischen Faktion sich angeschlossen hat, haben wir ihm vielmehr gezwungen als freiwillig gehorcht. Gott weiß wie oft wir ihn angefleht, er möge uns eine Gelegenheit geben, unsere Gesinnung gegen die Partei, zu der wir früher gehörten, an den Tag zu legen. Wie blind sind die Sterblichen in ihren Wünschen! Was wir zu unserm Besten verlangten, ist unser Ruin geworden. Denn kaum vernahmen wir, daß eure Fahnen nach unserer Gegend zogen, so gingen wir eurem Kommissar entgegen, nicht wie Feinden, sondern wie unsern alten Herren: wir gaben das Tal und all unsre Habe und uns selber in seine Hände, und befahlen ihm uns an, im Glauben, in ihm wenn nicht eines Florentiners Gemüt, doch ein menschliches zu finden. Verzeihet uns: das Bewußtsein, daß uns Schlimmeres nicht treffen kann, als uns getroffen hat, gibt uns Mut zum Reden. Euer Commissar hat von einem Menschen nichts an sich als die Gestalt, von einem Florentiner nichts als den Namen: er ist eine todbringende Pest, ein wildes Raubtier, ein scheußliches Ungetüm, wie je eines geschildert worden. Nachdem er uns in unsrer Kirche versammelt, indem er sich stellte, als wollte er mit uns reden, nahm er uns gefangen und plünderte und verbrannte das ganze Tal, beraubte, beschädigte, mißhandelte, tötete die Bewohner, nahm und verdarb ihre Habe, schändete Frauen und Mädchen, die er den Armen der Mütter entriß und seinen Soldaten zur Beute gab. Hätten wir, durch eine dem florentinischen Volke oder ihm selbst zugefügte Unbill solche Behandlung uns zugezogen, oder hätte er uns, bewaffnet und uns verteidigend, überwältigt, so würden wir weniger uns beschweren, sondern uns selber anklagen, weil wir durch Beleidigung oder durch Anmaßung es verdient: daß er aber, nachdem wir unbewaffnet uns in seine Hand gegeben, uns geplündert und solche Schmach und Schaden uns zugefügt, darüber müssen wir Beschwerde führen. Und obgleich wir die ganze Lombardei hätten mit Klagen erfüllen und zum Nachteil dieser Stadt die Kunde von dem uns geschehenen Unrecht verbreiten können, haben wir dies zu tun verschmäht, um nicht einen so ehrenwerten und menschenfreundlichen Staat mit der Unehrbarkeit und Grausamkeit eines einzelnen schlechten Bürgers zu beflecken. Hätten wir, bevor dies herbe Schicksal uns traf, die Habsucht dieses Mannes gekannt, so würden wir uns bemüht haben, dessen Gier, so maß- und bodenlos sie auch sein mag, zu genügen, und auf solche Weise hätten wir wenigstens durch Aufopferung eines Teils unsrer Habe den Rest gerettet. Da es dazu aber zu spät, haben wir uns an euch wenden wollen, euch zu bitten, daß ihr dem Unglück eurer Untertanen zu Hilfe kommen möget, damit andere durch unser Beispiel nicht davon abgeschreckt werden, eurer Herrschaft sich zu unterwerfen. Rührt unser grenzenloses Unglück euch nicht, so möge die Furcht vor dem Zorn Gottes euch bewegen, der seine Tempel geplündert und in Asche gelegt und unser Volk in seinem Schoße verraten gesehn hat.« Nachdem sie so gesprochen, warfen sie sich auf den Boden nieder, schreiend und flehend, daß man ihnen Habe und Heimat und, da die Ehre nicht wieder herzustellen sei, mindestens die Frauen ihren Männern, die Töchter den Vätern wiedergeben sollte. Die Scheußlichkeit des Vorfalls, wie man ihn zuerst vernahm und dann aus dem Munde der Beteiligten hörte, machte auf den Magistrat Eindruck; Astorre wurde unverweilt zurückberufen und hierauf verurteilt und ammoniert. Man stellte Nachforschung an nach der Habe der Seravezzesen und gab ihnen zurück, was man fand; für das übrige wurden sie im Verlauf der Zeit auf verschiedene Art von der Stadt entschädigt.

Andrerseits wurde Messer Rinaldo degli Albizzi angeklagt, er führe den Krieg nicht zum Vorteil des florentinischen Volks, sondern zu seinem eignen. Es hieß, seit er Kommissar geworden, sei ihm die Lust vergangen, Lucca zu nehmen: denn es genüge ihm, die Landschaft zu plündern, seine Besitzungen mit Vieh, seine Häuser mit Beute zu füllen, und da ihm die von seinen Helfershelfern für eigne Rechnung gemachte Beute nicht genüge, so kaufe er die von den Soldaten gesammelte, so daß er aus einem Kommissar ein Handelsmann geworden sei. Diese Verleumdungen, als sie Messer Rinaldo zu Ohren kamen, kränkten sein ehrenhaftes und stolzes Gemüt, mehr als für einen Mann von seiner Stellung sich paßte, und ärgerten ihn so sehr, daß er, ohne Urlaub zu erwarten oder auch nur darum anzuhalten, nach Florenz zurückkehrte und mit folgenden Worten vor den Magistrat der Zehn trat: Er wisse sehr wohl, mit wieviel Beschwerde und Gefahr es verbunden sei, einem zügellosen Volke und einer uneinigen Stadt zu dienen. Denn jenes greife jedes Gerücht auf, diese strafe das Böse, lasse das Gute unbelohnt, verklage das Zweideutige. Wer also siege, den lobe niemand; wer verliere, den schmähe jeder: denn die befreundete Partei verfolge ihn aus Neid, die feindliche aus Haß. Nichtsdestoweniger habe er nie aus Furcht vor leeren Beschuldigungen eine Handlung unterlassen, aus der seiner Vaterstadt ein sicherer Nutzen erwachsen könnte. Wahr sei's, die Ehrlosigkeit der gegenwärtigen Verleumdungen habe seine Geduld besiegt und seinen Sinn geändert. Deshalb bitte er den Magistrat, er möge in Zukunft sich mehr angelegen sein lassen seine Bürger in Schutz zu nehmen, damit diese sich mehr angelegen sein ließen zugunsten des Vaterlandes zu handeln. Da es in Florenz nicht Sitte sei, ihnen die Ehre des Triumphs zu gönnen, so möge man sie mindestens vor falscher Herabwürdigung schützen. Die Magistratspersonen möchten sich erinnern, daß auch sie Bürger dieser Stadt seien und in jedem Augenblicke eine Beschuldigung gegen sie erhoben werden könne, die sie lehren würde, wie eine Verleumdung rechtliche Männer kränke.

Die Zehn bestrebten sich, den Verhältnissen gemäß, ihn zu besänftigen, und übertrugen die Leitung des Kriegs dem Neri di Gino (Capponi) und Alamanno Salviati. Diese, statt die Streifzüge durch die Landschaft fortzusetzen, rückten mit dem Lager gegen die Stadt. Und da noch die kalte Jahreszeit währte, stellten sie sich bei Capannole auf. Hier dünkte es die Kommissarien, daß man die Zeit verliere; da sie aber die Stadt enger einschließen wollten, weigerten sich die Söldner des schlechten Wetters wegen, ungeachtet die Zehn geboten, das Lager zu schlagen und wollten von keinen Gegengründen hören.

Zu jener Zeit (1430) lebte in Florenz ein ausgezeichneter Baumeister, namens Filippo di Ser Brunellesco, von dessen Werken unsere Stadt voll ist, so daß er es verdiente, daß nach seinem Tode sein marmornes Bildnis in der Hauptkirche von Florenz aufgestellt ward, mit einer Inschrift darunter, welche noch heutzutage den Lesenden an seine trefflichen Eigenschaften erinnert. Dieser zeigte, wie man, vermöge der Lage der Stadt und des Bettes des Flusses Serchio, Lucca unter Wasser setzen könne, und er machte es so wahrscheinlich, daß die Zehn verordneten, man sollte einen Versuch machen. Hieraus entstand aber nichts als Unordnung in unserm Lager und Sicherheit für den Feind. Denn die Lucchesen warfen nach jener Seite, wo man den Fluß hinleitete, einen Damm auf und durchstachen dann nachts den Deich des Kanals, in welchen man das Wasser eingelassen, so daß dieses, da es auf der Stadtseite wegen des erhöhten Terrains Widerstand fand, durch die Öffnung sich in die Ebene ergoß und die Florentiner nötigte, ihr Lager statt näher weiter weg zu rücken.

Nachdem nun dies Unternehmen mißlungen war, sandten die Zehn, welche ihr Amt von neuem antraten, den Messer Giovanni GuicciardiniDie Guicciardini stammen aus dem Pesatal und führen ihre Geschichte ins 12. Jahrhundert zurück. Francesco Guicciardini hat als Schriftsteller einen glorreichen, als Staatsmann einen nicht beneidenswerten Namen hinterlassen. als Kommissar. Dieser näherte sich, so viel er konnte, mit dem Lager der Stadt. Als der Herr von Lucca den Feind so nahe heranrücken sah, sandte er auf den Rat eines Messer Antonio del Rosso aus Siena, der im Namen dieser Republik bei ihm sich befand, den Salvestro Trenta und Lionardo Buonvisi zum Herzog von Mailand. Diese ersuchten ihn im Namen des Herrschers um Hilfe, und da sie ihn dazu wenig geneigt fanden, baten sie ihn heimlich, er möge ihnen Truppen leihen, wogegen sie ihm versprachen, ihren Gebieter gefangen in seine Hände und die Stadt seiner Gewalt zu überliefern. Ginge er nicht darauf ein, so warnten sie ihn, der Guinigi werde Lucca den Florentinern übergeben, die ihm deshalb unter vielen Verheißungen anlägen. Die Besorgnis, die um dieser Ursache willen in dem Herzoge aufstieg, ließ ihn sonstige Rücksichten vergessen, so daß er veranlaßte, daß der Graf Francesco Sforza, der in seinem Solde stand, öffentlich um seine Entlassung einkam, als wollte er nach dem Königreich Neapel ziehen. Nachdem der Sforza Urlaub erhalten, kam er mit seinem Soldhaufen nach Lucca, obgleich die Florentiner, die um die Veranlassung wußten und das Kommende voraussahen, zu dem Grafen den ihm befreundeten Boccaccino Alamanni sandten, um ihn abzuhalten. Nachdem er in Lucca angelangt, verlegten die Florentiner das Lager nach Ripafratta; der Graf aber zog sogleich nach Pescia,Hauptort des Nievole-Tals, nicht fern von der florentinisch-lucchesischen Grenze. wo Paolo da Diacceto Vikar war, welcher, mehr von der Furcht angetrieben als von irgendeinem bessern Beweggrunde, ohne weiteres nach Pistoja floh, so daß der Ort verloren gewesen wäre, hätte nicht Giovanni Malavolti ihn verteidigt. Als nun der Graf Pescia im ersten Augenblicke nicht hatte erobern können, zog er nach dem Borgo a Buggiano und nahm ihn, worauf er das benachbarte Kastell Stigliano in Asche legte. Da die Florentiner diese Bedrängnis sahen, nahmen sie ihre Zuflucht zu den Mitteln, die sie oft gerettet, indem sie wußten, daß bei Söldnern Bestechung hilft, wo Gewalt nicht ausreicht. Deshalb boten sie dem Sforza Geld, damit er nicht nur abziehn, sondern ihnen die Stadt überliefern möchte. Dieser, der von den Lucchesen kein Geld mehr erlangen zu können hoffte, war leicht dahin gebracht, es von denen zu nehmen, die dessen noch hatten, und er kam mit den Florentinern überein, gegen Erlegung von fünfzigtausend Dukaten nicht Lucca ihnen zu überliefern (dazu war er doch zu ehrbar), sondern die Stadt ihrem Schicksal zu überlassen. Nachdem dieser Vertrag geschlossen, veranstaltete er, um dem Herzog gegenüber eine Entschuldigung zu haben, daß die Lucchesen ihren Herrscher vertrieben.

Franceso Sforza

Marmorrelief von Gian Christoforo Romano (etwa 1465 – 1512). Florenz, Bargello

Es lebte, wie bereits gesagt worden, Messer Antonio del Rosso als Abgesandter von Siena in Lucca. Dieser vereinigte sich auf Anstiften Francesco Sforzas mit den Bürgern zum Verderben Paolo Guinigis. Häupter der Verschwörung waren Piero Cennami und Giovanni da Chivizzano. Der Graf stand mit seinen Truppen außerhalb der Stadt am Serchio, und bei ihm war Lanzilao, Paolos Sohn. Nachts nun zogen die Verschworenen, vierzig an der Zahl und bewaffnet, nach Paolos Wohnung: dieser, über ihr Kommen sehr verwundert, ging ihnen entgegen und erkundigte sich nach der Ursache. Da antwortete ihm Piero Cennami: er habe sie lange beherrscht und ihnen den Feind auf den Hals gezogen, so daß sie entweder Hungers sterben oder durchs Schwert umkommen müßten. Darum seien sie willens, künftig sich selber zu regieren, und verlangten die Schlüssel der Stadt und den Schatz. Darauf antwortete Guinigi, der Schatz sei leer, die Schlüssel und er selbst seien in ihrer Gewalt. Nur um eines bitte er sie: sie sollten seine Herrschaft unblutig zu Ende gehn lassen, wie sie unblutig begonnen und sich erhalten. Paolo und sein Sohn wurden dann vom Grafen Sforza dem Herzoge von Mailand überliefert und starben im Gefängnis.

Der Abzug des Grafen hatte Lucca von dem Alleinherrscher und die Florentiner von der Furcht vor dem Heere des erstern befreit. Die Lucchesen bereiteten sich also von neuem auf die Verteidigung vor, während ihre Gegner den Angriff erneuerten. Letztere ernannten den Grafen von Urbino zu ihrem Feldhauptmann, und dieser bedrängte die Stadt dermaßen, daß die Belagerten von neuem an den Herzog sich wenden mußten, welcher, wie früher den Grafen Sforza, so jetzt auf ähnliche Weise den Niccolò Piccinino ihnen zu Hilfe sandte. Als dieser sich anschickte in Lucca einzurücken, zogen die Unsern ihm am Serchio entgegen, wurden aber im Gefecht geschlagen, so daß der Kommissar mit wenigen Truppen nach Pisa sich rettete. Diese Niederlage stürzte die ganze Stadt in Betrübnis, und da das Unternehmen von der Gesamtheit ausgegangen war und die Popolanen nicht wußten, gegen wen sie sich wenden sollten, so griffen sie jene an, welchen die Besorgung der Kriegsangelegenheiten übertragen war, indem sie die, welche den Krieg beschlossen, nicht angreifen konnten. Die auf Messer Rinaldo gehäuften Beschuldigungen wurden also erneuert: wer aber am meisten zerrissen ward, war Messer Giovanni Guicciardini, den sie anklagten, er habe nach Sforzas Abzuge den Krieg zu Ende bringen können, sei aber durch Geld bestochen worden. Sie gingen so weit, zu behaupten, er habe eine Summe nach Hause gesandt, und bezeichneten die Personen, welche sie gebracht und empfangen. Diese Gerüchte wurden so laut, daß der Kapitän des Volks, auf Veranlassung derselben angetrieben von der feindlichen Partei, den Kommissar vor sich lud. Messer Giovanni stellte sich aufs höchste erbittert, seine Verwandten aber, um ihre Ehre zu retten, vermittelten, daß die Sache niedergeschlagen ward.

Nach jenem Siege erlangten die Lucchesen nicht bloß ihre Ortschaften wieder, sondern besetzten auch die des pisanischen Gebietes, mit Ausnahme von Bientina, Calcinaja, Livorno und Ripafratta. Hätte man nicht eine in Pisa angezettelte Verschwörung entdeckt, so wäre auch diese Stadt verlorengegangen. Die Florentiner ordneten ihre Truppen wieder und ernannten den Micheletto (Attendolo), Sforzas Zögling, zum Anführer (1431). Andrerseits verfolgte der Herzog seinen Sieg, und um den Florentinern größern Schaden zuzufügen, veranstaltete er, daß Genua, Siena und der Herr von Piombino zum Schutze Luccas sich verbanden und Niccolò Piccinino zu ihrem Feldhauptmann wählten. Dies stellte seine Pläne ins helle Licht. Deshalb erneuerten Florenz und Venedig ihr Bündnis, und der Krieg begann aufs neue in der Lombardei wie in Toscana, und mit wechselndem Glück wurde hier und dort gekämpft. Als endlich jeder müde war, einigte man sich im Mai 1433. Florenz, Lucca und Siena, die während des Krieges einander verschiedene Kastelle weggenommen, gaben sie wieder heraus und jeder gelangte zu seinem frühern Besitztum.

Während dieser Krieg seinen Verlauf hatte, kochte es fortwährend im Innern. Nach dem Tode des Vaters verfuhr Cosimo de'Medici mit größerer Entschiedenheit in den öffentlichen Angelegenheiten und mit mehr Eifer und Freiheit unter seinen Parteigenossen, als Giovanni getan. Als daher diejenigen, welche über des Vaters Tod gefrohlockt, sahen, welcherart der Sohn war, wurden sie bestürzt. Cosimo war ein äußerst kluger Mann, von freundlichem Ernste, sehr freigebig und menschlich gesinnt, der nie gegen Parteien und Gesamtheit etwas versuchte, sondern darauf bedacht war, jedem Wohltaten zu erzeigen und durch seine Freigebigkeit sich Anhänger unter den Bürgern zu verschaffen. Sein Beispiel mehrte darum den Unwillen gegen die Regierenden, und er glaubte, daß er mit solchen Mitteln in Florenz mächtig und sicher wie irgendeiner leben, oder, wenn der Ehrgeiz seiner Gegner etwas Außerordentliches veranlasse, ihnen durch Waffenmacht und Volksgunst überlegen sein würde. Große Beförderer seines Einflusses waren Averardo de'Medici und Puccio Pucci, von denen der erstere durch Kühnheit, dieser durch Besonnenheit und Scharfsinn ihm zu Gunst und Größe zu gelangen halfen. Puccios Rat und Urteil waren so hoch gehalten und von allen anerkannt, daß die Partei Cosimos nicht nach ihm, sondern nach Puccio benannt ward. Von einer so uneinigen Stadt war der Krieg gegen Lucca unternommen worden, durch den der Parteihaß noch mehr angefacht, geschweige denn gemildert ward. Hatte auch die Partei Cosimos den Krieg begünstigt, so fiel dessen Führung doch der andern Faktion anheim, als den Meistvermögenden im Staate. Da Averardo und seine Freunde dies nicht hindern konnten, so waren sie mit aller Anstrengung darauf bedacht, diese zu verleumden: ereignete sich irgendein Unfall (und es ereigneten sich deren viele), so wurde er nicht dem wechselnden Glück oder der feindlichen Macht zur Last gelegt, sondern dem Mangel an Besonnenheit auf Seiten des Kommissars. Dies erschwerte die Vergehen des Astorre Gianni, dies erzürnte Rinaldo degli Albizzi und veranlaßte ihn ohne Urlaub von seinem Posten sich zu entfernen, dies verursachte Giovanni Guicciardinis Vorladung durch den Capitano des Volkes. Daraus entstanden alle übrigen auf Magistrate und Kommissarien gehäuften Beschuldigungen: wirkliche Fehler wurden übermäßig verschrien, erdichtete aufgebracht, und wirkliche und erdichtete von dem meist mit Haß erfüllten Volke geglaubt.

Diese Verhältnisse und diese ungewohnte Verfahrungsweise wurden von Niccolò da Uzzano und den Häuptern seiner Partei sehr wohl erkannt, und oft hatten sie über Mittel zur Abhilfe miteinander beraten und keine gefunden: denn es dünkte sie gefährlich, die Sache in dieser Weise fortgehn zu lassen, schwierig, ihr in den Weg zu treten. Und Niccolò da Uzzano war der erste, dem ein Staatsstreich mißfiel, so daß, als man vor den Toren Krieg, innerhalb der Stadt diese Mißverhältnisse hatte, Niccolò Barbadori, der ihn bewegen wollte, zum Sturze Cosimos die Hand zu bieten, in seine Wohnung sich begab, wo er ihn gedankenvoll in seinem Arbeitszimmer sitzen fand, und unter Anführung der besten Gründe ihm anlag mit Messer Rinaldo sich zu verbinden, um den Medici aus der Stadt zu verweisen. Darauf antwortete Niccolò da Uzzano ihm folgendermaßen: »Es würde für dich und dein Haus und unsere Republik gut sein, wenn du und die übrigen, die deine Ansicht teilen, vielmehr einen silbernen Bart hättet als einen goldnen, wie man den deinen nennt:Anspielung auf den Namen Barbadoro. denn eure Ratschläge, von grauen und erfahrnen Häuptern ausgehend, würden dann weiser und jedem nützlicher sein. Mich dünkt, daß die, welche auf Cosimos Verbannung sinnen, vorerst ihre Kräfte mit denen Cosimos messen sollten. Unsere Partei habt ihr die adelige, die uns gegenüberstehende die des Pöbels genannt. Stimmte die Wirklichkeit mit dem Namen, so würde jedenfalls der Sieg zweifelhaft sein, und wir sollten eher fürchten denn hoffen, gewarnt durch das Beispiel des alten Adels dieser Stadt, der vom niedern Volke vernichtet worden ist. Aber wir haben viel mehr zu fürchten, da unsere Partei uneins ist, während die der Gegner zusammenhält. Vorerst haben Neri di Gino (Capponi) und Nerone di Nigi, zwei unserer vornehmsten Bürger, sich nie klar ausgesprochen, daß wir sagen könnten, sie wären mehr unsere als jener Freunde. Viele unserer Geschlechter, ja viele Häuser sind geteilt, denn viele sind uns gram und den andern geneigt aus Neid gegen Brüder und Verwandte. Einige der wichtigsten will ich dir nennen: die übrigen magst du dir selber vorführen. Von den Söhnen Messer Masos degli Albizzi hat Lucca aus Neid gegen Messer Rinaldo sich zur feindlichen Partei geschlagen. Im Hause der Guicciardini ist von Messer Luigis Söhnen Piero dem Messer Giovanni feind und unsern Gegnern geneigt; Tommaso und Niccolò SoderiniDie Soderini, von Gangalandi, einem der Stadt benachbarten Kastell im untern Arnotal, waren namentlich im 15. und zu Anfang des 16. Jahrhunderts eines der einflußreichsten Geschlechter. Pier Soderini war Oberhaupt der Republik von 1502-1512. Ihre Wohnungen waren in Oltrarno, wo dicht an der Carrajabrücke ein kleiner Platz noch ihren Namen trägt. Sie starben Anfang des 19. Jahrhunderts aus. gehören aus Haß gegen ihren Oheim Francesco zu unsern offnen Widersachern. Betrachtet man also recht wer sie sind und wer wir, so weiß ich nicht, weshalb unsere Partei eher die adelige genannt wird als die ihre. Ist es, weil das ganze niedere Volk ihnen anhängt, so macht dies unsre Stellung nur mißlicher, die ihre besser. Denn wenn es mit den Waffen oder durch Abstimmung zur Entscheidung kommt, so müssen wir ihnen nachstehn. Halten wir noch unser Ansehn aufrecht, so ist dies dem alten Ruhme zu danken, den unsre Partei fünfzig Jahre lang bewahrt hat: käme es aber zur Probe und würde unsre Schwäche entdeckt, so wären wir verloren. Sagst du, daß die Gerechtigkeit der Sache, die uns zum Handeln treibt, unser Ansehn mehren, das unsrer Gegner schwächen würde: so antworte ich dir, daß diese Gerechtigkeit von den andern aufgefaßt und anerkannt werden muß wie von uns. Das Gegenteil aber findet statt. Denn der Grund unsers Handelns beruht in dem Verdachte, Cosimo werde sich zum Herrn dieser Stadt machen. Nähren wir diesen Verdacht, so teilen die andern ihn nicht mit uns: schlimmer noch, sie legen uns das zur Last, wessen wir sie beschuldigen. Cosimos Handlungen, die uns zu solchem Verdacht berechtigen, sind, daß er allen mit seinem Gelde dient, Privatleuten nicht bloß, sondern auch dem Gemeinwesen, Florentinern nicht bloß, sondern auch Feldhauptleuten; daß er diesem und jenem nach Ämtern strebenden Bürger sich günstig zeigt; daß er durch die allgemeine Gunst, die er genießt, diesem und jenem seiner Freunde zu größeren Ehren verhilft. Als Gründe seiner Verbannung müßte man also anführen, daß er mildtätig, gefällig, freigebig und von allen geliebt ist. Sag mir einmal, welches Gesetz verbietet oder tadelt an den Menschen das Mitleid, die Freigebigkeit, die Zuneigung? Sind dies nun auch alles Mittel, durch welche man sich zur Herrschaft hinaufschwingt, so hält man sie doch nicht dafür und uns gelingt es nicht, die Menge davon zu überzeugen. Denn unser Verfahren hat uns um das öffentliche Vertrauen gebracht, und die Stadt, welche von Natur parteiisch und, weil stets in Faktionen zerrissen, verderbt ist, kann auf Anklagen dieser Art nicht hören. Gesetzt aber, es gelänge, ihn zu verbannen (und es kann leicht gelingen, wenn wir eine uns günstige Signorie abwarten), wie könntet ihr, unter so vielen seiner Freunde, die uns bleiben und seiner Rückkehr harren würden, jemals verhindern, daß er zurückkehrte? Dies würde unmöglich sein, denn da deren so viele sind und sie beim Volke in Gunst stehen, so würdet ihr sie nimmer gewinnen können. Und je mehr von seinen gleich anfangs sich kundgebenden Freunden ihr vertriebet, um so mehr Gegner würdet ihr euch machen: so daß er nach kurzem zurückkehren und euer einziger Gewinn der sein würde, seiner Feindschaft einen andern und entschiedenem Charakter gegeben zu haben. Denn seine Sinnesart würde durch jene verdorben werden, die ihn zurückrufen und denen er zu vielen Dank schulden würde, um ihnen nicht zu Gefallen zu sein. Hättet ihr aber die Absicht, euch durch den Tod seiner zu entledigen, so würde dies euch nimmer mittels der Magistrate gelingen: denn sein Geld und eure Bestechlichkeit werden ihn stets retten. Gesetzt aber er stürbe oder kehrte nicht heim aus dem Exil, so sehe ich nicht ein, wie dies dem Staate fruchten sollte. Denn befreit er sich von Cosimo, so wird er dem Rinaldo untertan, und ich bin einer von denen, die wünschen, daß kein Bürger an Macht und Ansehn höher stehe als der andere. Müßte aber einer dieser beiden voranstehen, so weiß ich nicht, weshalb ich Messer Rinaldo mehr lieben sollte denn Cosimo. Anders will ich dir nicht sagen, als daß Gott diese Stadt davor behüten möge, daß einer ihrer Bürger ihr Gebieter werde: verdienen's aber unsere Sünden, so wolle er sie davor behüten, daß sie ihm zu gehorchen habe. Rate also nicht zur Ausführung eines Plans, der nach allen Seiten hin nachteilig ist, und bilde dir nicht ein, man könne, von wenigen unterstützt, vielen widerstehen. Denn all diese Bürger, teils aus Unklugheit, teils aus Bosheit, sind bereit den Staat zu verkaufen, und das Glück ist ihnen insofern hold, als sie den Käufer gefunden haben. Befolge darum meinen Rat: befleißige dich eines stillen Lebens, und du wirst, wo es sich um Freiheit handelt, unsere Parteigenossen nicht minder beargwohnen als unsere Gegner. Tritt irgendeine Umwälzung ein, so wirst du, wegen deines parteilosen Verhaltens, jedem genehm sein und folglich dir selber nutzen, ohne deiner Heimat zu schaden.«

Diese Worte zügelten einigermaßen den Barbadoro, so daß Ruhe erhalten ward, solange der Krieg gegen Lucca währte. Nachdem aber Friede geschlossen und Niccolò da Uzzano gestorben war, blieb die Stadt ohne Krieg und ohne Zügel. Die feindseligen Gemüter erhitzten sich daher immer mehr und Messer Rinaldo, der sich nun der einzige Gebieter in seiner Partei dünkte, ließ nicht ab, allen Bürgern, von denen er glaubte, daß sie Gonfaloniere werden dürften, mit Bitten und Vorstellungen anzuliegen, daß sie sich rüsten sollten, die Heimat von dem Manne zu befreien, welcher, durch Weniger Übelwollen und Vieler Unklugheit unterstützt, notwendig sie in Knechtschaft führen müsse. Dies Verfahren Messer Rinaldos wie das Benehmen der Anhänger der andern Faktion, hielt die ganze Stadt in Besorgnis: jedesmal, wenn man die Namen zur Besetzung eines Magistrats zog, zählte man, wie viele von der einen und der andern Partei in demselben saßen, und bei der Ziehung der Signorie war die gesamte Bürgerschaft in Aufregung. Jede, auch die geringste Angelegenheit, die vor die Magistrate kam, wurde zu einer Streitfrage; die Geheimnisse wurden veröffentlicht; gut und übel fand Anhalt wie Widerrede; Gute wie Schlechte wurden gleichmäßig zerrissen; kein Magistrat erfüllte seine Pflicht.

Als nun die Stadt in solcher Verwirrung (1433) und Messer Rinaldo darauf bedacht war, Cosimos Macht zu stürzen, traf es sich, daß Bernardo Guadagni Aussicht auf das Venneramt hatte. Sobald dies dem Albizzi bekannt ward, bezahlte er für diesen die Steuern, damit öffentliche Schulden ihn nicht hinderten, zu der genannten Würde zu gelangen. Als die Signorie gewählt ward, wollte der Zufall, der unsern Zwistigkeiten immer hold gewesen, daß Bernardo Gonfaloniere ward, um für die Monate September und Oktober zu sitzen. Messer Rinaldo verfügte sich alsobald zu ihm und sagte ihm, wie die Adelspartei und jeder, der ein anständiges Leben wolle, sich darüber freue, daß er zu dieser Würde gelangt sei, und wie es bei ihm stehe, so zu handeln, daß sie nicht umsonst sich gefreut. Hierauf deutete er ihm die aus der Uneinigkeit entspringenden Gefahren an, und wie bloß Cosimos Tod zur Einigkeit führen könnte: denn er allein, durch die Gunst, die er durch seine unermeßlichen Reichtümer sich erwerbe, veranlasse ihre Schwäche: er sei schon so hoch gestiegen, daß er Fürst werden würde, wenn man sich nicht vorsehe, und es stehe einem guten Bürger zu, diesem Übel abzuhelfen, das Volk zusammenzurufen und die Gewalt an sich zu nehmen, um dem Vaterlande die Freiheit wiederzugeben. Er erinnerte ihn daran, wie Salvestro de'Medici ungerechterweise die Macht der Guelfen beschränken konnte, denen zum Lohn für das von ihren Vorfahren vergossene Blut die Regierung zustand, und wie, was jener ungerechterweise gegen viele zu tun sich erkühnt, er gerechterweise gegen einen einzelnen tun dürfe. Er redete ihm zu, sich nicht zu fürchten, denn die Freunde würden bereit sein, mit den Waffen ihm beizuspringen: das gemeine Volk, das Cosimo anbete, solle er nicht fürchten, denn Cosimo würde nicht mehr Gunst von demselben erlangen, als einst Giorgio Scali. Auch seiner Reichtümer möge er nicht achten: denn wenn Cosimo in den Händen der Signoren sei, seien es seine Schätze auch. Er schloß mit der Versicherung, daß eine solche Handlung dem Staate zu Sicherheit und Eintracht verhelfen würde, ihm zum Ruhme. Bernardo gab kurz zur Antwort, er halte es für notwendig, nach seinen Worten zu handeln, und da die Zeit auf Taten zu verwenden sei, so möge er darauf bedacht sein, Streitkräfte zu sammeln, um ihm die Überzeugung zu geben, daß er auf Unterstützung rechnen könne.

Nachdem Bernardo Guadagni den Magistrat angetreten, die Genossen vorbereitet und mit Messer Rinaldo sich verabredet hatte, ließ er Cosimo vorladen. Obgleich viele Freunde widerrieten, erschien dieser doch, mehr bauend auf seine Unschuld als auf die Barmherzigkeit der Signoren. Als Cosimo im Palast festgehalten war, verließ Messer Rinaldo mit vielen Bewaffneten seine Wohnung: ein gleiches tat die ganze Partei und sie kamen auf den Platz, wo die Signorie das Volk berufen ließ. Hierauf wurde eine Balia von zweihundert Männern gewählt, die Verfassung neu zu ordnen. Als diese Balia zusammentrat, brachte man mit der Reform zugleich die Frage über Cosimos Leben oder Tod vor. Viele waren für seine Verbannung, viele für seine Hinrichtung, viele andere schwiegen, entweder aus Mitleid mit ihm oder aus Furcht vor den andern. Die Uneinigkeit war nun so groß, daß man zu keinem Beschlüsse kam. In dem Turm des Palastes ist ein Gemach, so groß als der Umfang des Turmes selbst zuläßt, das Alberghettino (die kleine Herberg) geheißen: hier wurde Cosimo eingeschlossen und dem Federigo Malavolti zur Bewachung anvertraut. Als von hier aus Cosimo vernahm, wie das Parlament zusammenberufen ward, und er das Waffengeräusch auf dem Platze und das mehrmalige Läuten zur Balia hörte, war er seines Lebens wegen besorgt; mehr aber noch fürchtete er, daß seine persönlichen Feinde ihn heimlicherweise aus der Welt schaffen würden. Deshalb enthielt er sich der Speise, so daß er während vier Tagen keine andere Nahrung zu sich nahm als ein wenig Brot. Als Federigo dies gewahrte, sagte er zu ihm: »Du fürchtest vergiftet zu werden, Cosimo, und lassest dich vor Hunger umkommen und gönnst mir wenig Ehre, indem du glaubst, ich werde zu solcher Verruchtheit die Hand bieten. Ich glaube nicht, daß es an dein Leben geht, da du in und außer dem Palast so viele Freunde hast: sollte es aber doch daran gehn, so sei versichert, daß sie eine andere Weise ersinnen müssen als indem sie mich zum Werkzeug wählen, es dir zu nehmen. Denn ich will meine Hände mit keines Menschen Blute beflecken, am wenigsten mit deinem, da du mich nie gekränkt hast. Sei deshalb guten Mutes, nimm Nahrung zu dir, erhalte dich am Leben für Freunde und Heimat. Und damit du dies mit größerer Zuversicht tun kannst, will ich mit dir von den für dich bereiteten Speisen essen.« Diese Worte ermutigten Cosimo völlig: mit Tränen in den Augen umarmte und küßte er Federigo und dankte ihm mit aus dem Herzen kommenden Worten für seine Teilnahme und Freundlichkeit, indem er ihm versprach, seine Dankbarkeit ihm zu bezeigen, wenn je das Schicksal ihm dazu Gelegenheit böte.

Nachdem nun Cosimo sich einigermaßen beruhigt und die Bürger über den Vorfall viel hin und her geredet, geschah es, daß Federigo, um ihn aufzuheitern, einen Diener des Gonfaloniere, il Farganaccio genannt, zum Abendessen mit sich führte, einen lustigen und spaßhaften Menschen. Als das Mahl beinahe zu Ende, beschloß Cosimo, der diesen Mann kannte, sein Kommen zu benutzen, und gab Federigo ein Zeichen, sich zu entfernen. Dieser, der den Wink verstand, stellte sich, als gehe er Sachen holen, die noch zum Nachtessen fehlten, und ließ die beiden allein. Nach einigen zum Farganaccio gesprochenen freundlichen Worten gab Cosimo diesem ein Erkennungszeichen und trug ihm auf, zum Oberaufseher des Spitals von Santa Maria NuovaDas große Bürgerspital, von Folco Portinari, Vater von Dantes Beatrice, gestiftet. zu gehn, um bei ihm tausendeinhundert Dukaten zu holen: hundert solle er für sich behalten, die tausend aber dem Gonfaloniere bringen und ihn bitten unter irgendeinem passenden Vorwande ihn besuchen zu kommen. Farganaccio tat, wie ihm aufgetragen war: das Geld wurde gezahlt, Bernardo Guadagni zeigte sich günstiger gestimmt, und der Erfolg war, daß Cosimo nach Padua verwiesen ward, dem Willen Messer Rinaldos entgegen, der seinen Tod wollte. Auch Averardo und viele andere des Hauses Medici wurden verwiesen, wie Puccio und Giovanni Pucci. Und um die zu schrecken, denen Cosimos Exil mißfiel, gaben sie den acht der Wache und dem Capitano des Volkes unumschränkte Gewalt. Nach diesen Beratungen erschien am 3. Oktober 1433 Cosimo vor den Signoren, von denen ihm die Verbannung angezeigt ward, mit der Weisung, zu gehorchen, wolle er nicht strengere Maßregeln gegen Habe und Person veranlassen. Mit heiterer Miene nahm Cosimo die Nachricht auf, indem er versicherte, er werde gerne gehn, wohin die Signorie ihn sende. Nur bat er, daß, da man sein Leben geschont, man es auch beschützen möge, da er vernehme, daß auf dem Platze viele seien, die nach seinem Blute dürsteten. Hierauf bot er, wo er auch sein möchte, sich und sein Gut der Stadt, dem Volke und den Signoren an. Der Gonfaloniere sprach ihm Mut zu und behielt ihn im Palast, bis die Nacht anbrach. Dann führte er ihn nach Hause und nachdem er ihn zum Abendessen bei sich gehalten, ließ er ihn von mehreren Bewaffneten nach der Grenze geleiten. Wo Cosimo durchreiste, ward er ehrenvoll empfangen, und von den Venezianern wurde ihm ein feierlicher Besuch zuteil, als wäre er kein Verbannter, sondern im Besitz der höchsten Ehrenämter.

Nachdem Florenz einen so einflußreichen und so allgemein beliebten Bürger verloren, war jeder bestürzt, und es fürchteten in gleichem Maße Sieger wie Besiegte. Da nun Messer Rinaldo das kommende Unheil ahnte, und weder gegen sich, noch gegen seine Partei etwas verfehlen wollte, versammelte er viele befreundete Bürger und sagte zu ihnen: »Er sehe ihren Ruin bevorstehn, weil sie durch ihrer Feinde Bitten, Tränen und Geld sich erweichen lassen und nicht gewahrt, daß bald das Bitten und Weinen an sie kommen und ihre Bitten nicht gehört werden, niemand ihren Tränen Mitleid schenken und sie genötigt sein würden, vom empfangenen Gelde das Kapital herauszugeben und mit Tortur, Exil und Tod die Zinsen zu bezahlen. Sie selber seien schuld daran, da sie Cosimo am Leben und seine Freunde in Florenz gelassen. Denn man müsse Mächtige entweder nicht anrühren, oder, wenn man sie einmal angetastet, sie aus dem Wege schaffen. Er sehe kein andres Mittel, als sich in der Stadt zu verstärken, damit man die Gegner, wenn sie sich auflehnten, was sie bald tun würden, mit den Waffen verjagen könne, da dies auf gesetzlichem Wege nicht gelungen sei. Das Mittel aber sei das vorlängst schon von ihm angedeutete: die alten Adeligen zu gewinnen, indem man ihnen die Teilnahme an den Ehrenämtern wieder zugestehe, und sich durch deren Beistand zu verstärken, da die Gegner das gemeine Volk zu ihren Bundesgenossen gemacht. Ihre Partei würde um so kräftiger werden, je mehr Leben, Hochsinn, Mut und Ansehen in ihr sich vereinen würden. Ergreife man dies letzte und wirksame Mittel nicht, so sehe er nicht, wie man sich inmitten so vieler Feinde halten wolle, und erwarte einen baldigen Sturz ihrer Genossenschaft wie den Ruin der Stadt.« Einer der Versammelten aber, Mariotto Baldovinetti, widersetzte sich ihm, indem er den Hochmut des Adels und dessen unerträgliche Haltung hervorhob, und wie man sich nicht unter einer sichern Tyrannei beugen müsse, um der vom Volke drohenden noch zweifelhaften Gefahr zu entgehn. Als Messer Rinaldo sah, daß man seinen Rat nicht beachtete, beklagte er sein widriges Schicksal und das seiner Anhänger, indem er alles mehr dem Himmel zur Last legte, der es so wolle, als dem Unverstand und der Blindheit der Menschen. Während nun die Sache so blieb, ohne daß man irgendeine nötige Vorkehrung traf, wurde ein von Messer Agnolo Acciaiuoli an Cosimo gerichteter Brief aufgefunden, welcher ihn von der Stimmung der Stadt in Rücksicht seiner in Kenntnis setzte, und ihm riet, irgendeinen Krieg zu veranlassen und sich Neri Capponi zum Freunde zu machen. Denn wenn die Stadt in Geldnot sei, so werde sie keinen finden, der sie unterstütze, und man werde um so mehr an ihn denken und nach seiner Rückkehr sich sehnen. Wenn aber Neri von Messer Rinaldo sich lossage, so werde des letztern Partei so geschwächt werden, daß sie keinen Widerstand leisten könne. Dieses Schreiben, welches dem Magistrat in die Hände fiel, war Ursache, daß Messer Agnolo gefangen, gefoltert und verbannt ward, ohne aber daß die dem Cosimo günstige Gesinnung sich darum geändert hätte.

Schon war beinahe ein Jahr verflossen seit dem Tage, wo Cosimo ins Exil gegangen war, und als das Ende des August des Jahres 1434 herankam, wurde für die beiden nächstfolgenden Monate Niccolo di Cocco als Gonfaloniere gezogen und mit ihm acht Signoren, alle von Cosimos Partei. Deshalb schreckte diese Signorie Messer Rinaldo und seine sämtlichen Anhänger. Da nun, bevor die Signoren ihr Amt antreten, sie drei Tage lang ohne öffentliche Stellung bleiben, besprach sich Messer Rinaldo von neuem mit den Häuptern seiner Faktion und zeigte ihnen die sichere und nahe Gefahr. Zugleich deutete er ihnen an, das Mittel zu Abhilfe sei, zu den Waffen zu greifen, während der abtretende Gonfaloniere, Donato Velluti, das Volk auf dem Platze versammeln, eine neue Balia ernennen lassen und die neuen Signoren ihres Amtes entsetzen werde, worauf man andere im Sinne der Faktion ernennen, die Wahlbeutel verbrennen und die neuen mit befreundeten Namen füllen müsse. Diesen Plan erkannten viele als sicher und notwendig, viele andere hielten ihn für zu gewaltsam und gefährlich. Unter denen, welche nicht einstimmten, war Messer Palla Strozzi, ein ruhiger, freundlich und menschlich gesinnter Mann, mehr geeignet, den Wissenschaften zu leben, als ein Parteihaupt zu sein und bürgerliche Zwiste zu führen. Dieser sagte also, schlaue oder tollkühne Pläne erschienen anfangs gut, während man sie bei der Ausführung schwierig, beim Ausgange nachteilig finde. Er glaube, die Besorgnis vor neuen Kriegen, da die Truppen des Herzogs an unserer Grenze in der Romagna ständen, müsse die Signoren veranlassen, mehr an solche Dinge zu denken, als an den Unfrieden im Innern: sähe man aber doch, daß die Gegner eine Änderung vornehmen wollten, was sie nicht tun könnten, ohne daß es verlaute, so sei's immer an der Zeit, die Waffen zu ergreifen, und was zum allgemeinen Heil erforderlich sei, auszuführen. Geschähe dies aus Notwendigkeit, so würde die Menge sich weniger darüber wundern und es ihnen nicht so zur Last legen. So beschloß man denn, die neuen Signoren ihr Amt antreten zu lassen und ihr Verhalten zu beaufsichtigen: vernehme man von irgendeiner Maßregel gegen die Partei, so sollte jeder zu den Waffen greifen und auf dem Platz von Sant' Apollinari sich einfinden, in der Nähe des Palastes. Von dort könnte man sodann sich dahin begeben, wo es notwendig erscheine.

Federigo da Montefeltre (Montefeltro), Herzog von Urbino.

Marmorrelief von Gian Christoforo Romano (um 1465 – 1512). Florenz, Bargello

Nachdem sie mit diesem Beschluß auseinandergegangen, traten die neuen Signoren ihr Amt an, und der Gonfaloniere, um sich Ansehn zu verschaffen, und denen, die sich ihm widersetzen möchten, Furcht einzujagen, verurteilte seinen Vorgänger Donato Velluti zum Gefängnis, unter dem Vorgeben, er habe sich öffentliche Gelder angeeignet. Hierauf fragte er bei seinen Amtsgenossen an, ob sie Cosimo zurückberufen wollten, und als er sie dazu geneigt fand, besprach er sich mit den Häuptern der Mediceischen Partei. Von diesen ermuntert, berief er die Anführer der feindlichen Faktion, Messer Rinaldo, Ridolfo Peruzzi und Niccolo Barbadori, vor sich. Messer Rinaldo war nun der Meinung, es sei nicht länger Zeit zu säumen und verließ seine Wohnung mit einer großen Schar Bewaffneter. Ridolfo Peruzzi und Niccolo Barbadori vereinigten sich alsobald mit ihm. Mit ihnen waren viele andere Bürger und viele Söldner, die ohne Löhnung in Florenz sich befanden, und alle hielten, der Verabredung gemäß, auf dem Platz von S. Apollinari. Messer Palla Strozzi, obgleich er viel Volk versammelt, rückte nicht aus, ebensowenig Messer Giovanni Guicciardini, weshalb Messer Rinaldo zu ihnen sandte, sie zur Eile anzutreiben und ihnen ihr Zögern vorzuwerfen. Messer Giovanni antwortete, er führe gegen die feindliche Partei hinlänglich Krieg, indem er dadurch, daß er zu Hause bleibe, seinen Bruder Piero hindere, den Signoren zu Hilfe zu ziehn; Messer Palla aber, nachdem wiederholt zu ihm gesandt worden, kam nach S. Apollinari zu Pferde und unbewaffnet, mit zweien zu Fuße. Der Albizzi ging ihm entgegen und warf ihm mit starken Ausdrücken seine Lässigkeit vor, indem er sagte, dies Zurückhalten rühre entweder von geringem Vertrauen her oder von Mangel an Mut: beide Vorwürfe müsse ein Mann scheuen, der das gelten wolle, was er gelte. Glaube er, indem er seinen Pflichten gegen die Partei nicht nachkomme, daß die siegenden Feinde ihm das Leben schenken oder das Exil erlassen würden, so täusche er sich. Was ihn selbst, Rinaldo, betreffe, so habe er, wenn ein Unglück sich ereigne, wenigstens die Genugtuung, vor dem Eintreffen der Gefahr mit Rat, in der Gefahr mit den Waffen auf dem Fleck gewesen zu sein. Für ihn, den Strozzi, aber und die übrigen würde der Schmerz doppelt sein, indem sie sich vorwerfen müßten, das Vaterland dreimal verraten zu haben: einmal, indem sie Cosimo retteten, zum andernmal, indem sie seinen Rat verschmähten, jetzt endlich, indem sie die Waffen nicht gebrauchten. Auf diese Worte erteilte Messer Palla keine Antwort, die den Umstehenden verständlich gewesen wäre, sondern wandte murmelnd sein Pferd um und kehrte nach Hause zurück. Als die Signoren vernahmen, daß Messer Rinaldo und seine Partei die Waffen ergriffen, und sie sich verlassen sahn, ließen sie den Palast schließen und wußten, ratlos, nicht, was sie beginnen sollten. Indem aber Messer Rinaldo zögerte, auf dem Platz zu erscheinen, weil er die Streitkräfte erwartete, die nicht eintrafen: beraubte er sich der Gelegenheit, zu siegen, und machte den Gegnern Mut, sich vorzusehen, vielen Bürgern aber, zu ihnen sich zu begeben und sie zu ermuntern, Bedingungen vorzuschlagen, damit man die Waffen niederlege. Verschiedene minder Verdächtige begaben sich deshalb im Auftrage der Signoren zu Messer Rinaldo und sagten ihm, die Signorie wisse nicht, aus welchem Grunde diese Bewegung stattfinde und habe nie daran gedacht, ihn zu kränken; sei von Cosimo gesprochen worden, so habe man darum doch nicht die Absicht gehabt, ihn zurückzurufen: sei dies der Grund des Verdachtes, so möchten sie sich beruhigen, und es möchte ihnen gefallen in den Palast zu kommen, wo sie gerne gesehn und alles ihnen nach Willen geschehn würde. Diese Worte bewirkten bei Messer Rinaldo keine Änderung seines Vorhabens, sondern er sagte, er wolle sich sichern, indem er die Signoren zum Rücktritt in den Privatstand nötige, worauf zu allgemeinem Besten die Verhältnisse neu geordnet werden würden. Es geschieht immer, daß, wo die Befugnisse gleich, die Meinungen verschieden sind, selten etwas Verständiges beschlossen wird. Ridolfo Peruzzi, durch die Worte der genannten Bürger gewonnen, sagte, er suche nichts anderes, als daß Cosimo nicht zurückkehre; erlange man dies durch Vertrag, so dünke es ihn Sieges genug. Er wolle, um größern Sieges willen, die Stadt nicht mit Blutvergießen erfüllen, und deshalb der Signorie gehorchen. Hierauf begab er sich mit seinen Leuten nach dem Palast, wo er mit Freuden aufgenommen ward. Messer Rinaldos Verweilen bei S. Apollinari, Messer Pallas Unentschlossenheit und Messer Ridolfos Abfall raubten ihrer Partei den Sieg. Die Gemüter der Bürger, welche dem erstem folgten, hatten schon zu erkalten angefangen. Endlich kam noch des Papstes Autorität dazwischen. Vom römischen Volke vertrieben, lebte Papst Eugenius in Florenz.Die Römer waren am 18. Mai gegen Papst Eugen IV. aufgestanden, worauf dieser nach manchen Gefahren am 12. Juni in Livorno, am 23. in Florenz ankam und im Dominikanerkloster von Santa Maria Novella wohnen ging. Da dieser den Tumult vernahm und es ihn seines Amtes dünkte, ihn beizulegen, sandte er den Patriarchen Messer Giovanni Vitelleschi,Gio. Vitelli Vitelleschi aus Corneto, lange Zeit allmächtig unter Eugen IV., Kardinal und Gouverneur von Rom, 1440 in der Engelsburg gestorben. einen vertrauten Freund Messer Rinaldos, um diesen zu ersuchen, er möge zu ihm kommen: er, der Papst, werde es bei der Signorie weder an Einfluß noch an Bemühungen fehlen lassen, ihn ohne Blut und Beschädigung der Bürger zufrieden – und sicherzustellen. Messer Rinaldo ließ sich von dem Freunde bereden und zog mit seinem ganzen Haufen nach Santa Maria Novella, wo der Papst wohnte. Dieser eröffnete ihm, die Signoren hätten in ihn ihr Vertrauen gesetzt und ihm die Schlichtung des ganzen Streites übertragen: alles werde geordnet werden, wenn er die Waffen niederlege, wie man von ihm verlange. Messer Rinaldo, der die Kälte Messer Pallas und Messer Ridolfo Peruzzis Wankelmut erfahren, warf sich, bessern Rates bar, dem Papst in die Arme, indem er dachte, dessen Ansehn würde ihn schützen. Der Papst ließ hierauf den Messer Niccolo Barbadori und die andern draußen Wartenden wissen, sie sollten die Waffen niederlegen: Messer Rinaldo bleibe bei ihm, um ein Abkommen mit den Signoren zu treffen. Auf diese Weise entschloß sich jeder, sich zu entwaffnen.

Giovanni Vitelleschi (?). Kardinal von Florenz und päpstlicher Feldherr.

Im Hintergrund der Palazzo Vecchio mit Michelangelos Davidstatue. Temperagemälde von Piero di Cosimo (1462 – 1521) London, Nationalgalerie

Als die Signoren ihre Gegner in diesem Zustande sahen, ließen sie sich durch Vermittelung des Papstes auf eine Verhandlung ein, andrerseits aber sandten sie heimlich nach dem Gebirge von Pistoja, Truppen zu holen. Diese und was sonst von Bewaffneten aufzutreiben war, zogen nachts in Florenz ein und besetzten die festen Plätze der Stadt. Am folgenden Morgen beriefen sie das Volk auf den Platz und ernannten eine neue Balia, welche damit begann, Cosimo de'Medici und die mit ihm Verwiesenen in die Heimat zurückzurufen, worauf sie von der feindlichen Partei Messer Rinaldo degli Albizzi, Ridolfo Peruzzi, Niccolo Barbadori und Messer Palla Strozzi mit vielen andern Bürgern verbannte, und dies in so bedeutender Menge, daß es wenige Orte in Italien gab, wo nicht florentinische Verwiesene zu finden gewesen wären, und manche Städte außerhalb Italiens voll von ihnen waren. Florenz wurde solcherweise nicht nur um viele tüchtige Männer ärmer, sondern auch an Reichtum und Gewerbefleiß. Als der Papst den großen Ruin sah, der über jene gekommen, welche auf seine Bitten die Waffen niedergelegt, war er sehr ungehalten darüber und drückte dem Messer Rinaldo sein Bedauern aus über die ihm infolge seines zu ihm gehegten Vertrauens widerfahrene Unbilde, indem er ihn zur Geduld ermunterte und zur Hoffnung auf den Wechsel des Glücks. Messer Rinaldo antwortete darauf: »Der Mangel an Vertrauen zu mir, bei denen, die mir hätten glauben sollen, und das Übermaß des Vertrauens, das ich in Euch gesetzt, haben mich und meine Partei zugrunde gerichtet. Aber ich klage mich mehr denn andere an, weil ich glaubte, Ihr, der Ihr aus Eurem Lande vertrieben wurdet, könntet mich in dem meinigen halten. Von Glückswechseln habe ich ziemlich reife Erfahrung gewonnen: wie ich dem Glück wenig getraut, so betrübt Unglück mich minder, und ich weiß, daß auch mir das Schicksal ein freundlicheres Gesicht zeigen kann, wenn es ihm beliebt. Beliebt es ihm aber nicht, so werde ich wenig nur eine Stadt vermissen, wo die Gesetze weniger vermögen als die Menschen. Denn die Heimat ist wünschenswert, wo man Gut und Freunde in Sicherheit genießen kann: jene nicht, wo das Gut leicht geraubt werden kann und die Freunde aus Besorgnis vor eigner Beschädigung in der Not abfallen. Weise und gute Männer hat es stets weniger geschmerzt vom Unglück ihres Vaterlands zu hören, als es vor sich zu sehn, und sie halten es für rühmlicher, ehrenwerte Verbannte zu sein als knechtische Bürger.« Und den Papst verlassend, voll Erbitterung und oft sich selber die eignen Entschlüsse vorwerfend und die Kälte seiner Genossen anklagend, ging er ins Exil. Cosimo hingegen, nachdem die Kunde seiner Rückberufung zu ihm gelangt, kehrte nach Florenz zurück. Selten geschah es, daß ein, nach einem Siege im Triumph heimkehrender Bürger von seiner Vaterstadt unter solchem Zusammenlauf des Volkes und mit solchen Bezeugungen der Anhänglichkeit empfangen ward, wie er bei seiner Rückkehr aus der Verbannung. Freiwillig begrüßte ihn ein jeder als Wohltäter des Volkes und Vater des Vaterlandes.


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