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Viermal schlägt die Schloßuhr hell und klar; sechsmal schallt es dumpf und hohl hinterdrein; die Turmuhr im Dorfe beeilt sich, es der herrschaftlichen Uhr nachzutun.
Die Luft ist weich und diesig, der Himmel hängt tief. Die Wetterfahne auf dem Schloßturme hat seit Mittag gegen Abend gezeigt. Langsam taut der Schnee von den Dächern; laut klingt überall der Tropfenfall.
Gestern war der Abend rot und still. Die Luft kam hart und scharf von Morgen, und der Schnee war trocken. Heute abend lebt und webt alles, was die Nacht liebt.
Bei vier Uhr schnürt der Fuchs schon zu Felde. Noch bei hellichtem Tag heulte der Kauz bereits im Holze. Die Rehe stehen schon lange draußen. Kein Hase ist mehr im Walde. Überall rascheln die Mäuse. Die Schleiereule röchelt im Baumhofe, im Mühlteiche werfen sich die Forellen, die Frostmotten taumeln von Stamm zu Stamm, die Ratten trippeln über die Mauerkante, und klingenden Fluges sausen Enten zum Parkteiche.
Im Vorholze des Berges liegt ein alter Steinbruch, verfallen und verwachsen, von den Menschen gemieden. Ein grauer Kreuzstein mit verwischter Schrift kündet an, daß hier einst eine Untat geschah. Im Grunde liegt ein schwarzes Wasser; dort läuten sommertags die Bergunken, und im Schatten lassen die Geburtshelferkröten ihre Silberschellen erklingen. Heute ist es stumm und schweigsam dort. Hin und wieder raschelt eine Maus durch das Fallholz, und ab und zu schlägt das Tauwasser auf eine Steinplatte.
Schräg über die steile, löcherige Wand des Steinbruches zieht sich ein Felsband, hell aus dem Moose und den Zwergfarnen hervorschimmernd. Eben fußte der Kauz dort und lachte sein Höllengelächter. Jäh schwingt er sich davon. Ein schwarzes Ding, das über ihm aus einem engen Spalte auftauchte, verjagte ihn. Jetzt ist es verschwunden, ist wieder da, verschwindet wieder und sitzt nun auf dem Felsbande, lang und dünn wie ein Pfahl. Es wird rund und wieder lang, ballt sich zur Kugel, rollt sich zur Schlange auf, ist jetzt krumm und nun gerade, liegt flach auf dem Felsen und sitzt steif wie ein Stock da, die Pranken an die leuchtende Kehle gezogen, mit schnurrenden Nüstern den Wind prüfend.
Es knickt in sich zusammen und schnellt wieder empor, hockt eine Viertelstunde regungslos, macht einen Satz nach links, noch einen, hastet nach rechts, und nun hüpft es das Felsband entlang bis zu dessen Ende, macht einen Sprung gegen die Wand, schlägt einen Achterbogen, hüpft nach der anderen Seite des Steinbandes, macht dort wieder den Sprung gegen die Wand, schlägt wieder den Bogen, treibt es so eine ganze Weile und ist wieder verschwunden, wie ausgelöscht. Ein Rotkehlchen flattert verschlafen durch das Gestrüpp; irgendein auffallendes Schwanken des Fichtenastes, auf dem es schlief, weckte es. Jäh sucht die Maus ihre Felsspalte, denn ein Regen trockener Nadeln rieselt ihr auf den Balg. Der Kauz, der auf dem Kreuzsteine fußte, entweicht eilends, denn allzu heftig kratzte es hinter ihm an der Rinde der Fichte, ungeschickt poltert eine Ringeltaube von dannen, hart aus der Nachtruhe geschreckt, und sogar dem Bussard, der in der Fichte schlief, wird es unheimlich, und er schwingt sich ab.
Der Marder aber, der alle diese Störungen verursachte, ist schon längst weiter. Er holzt quer durch die gewaltige Krone der alten, hohlen Taterneiche am Rande der Landstraße, gewinnt von dem äußersten Aste eine Buche, fällt von ihr in die nächste, springt von Krone zu Krone, rennt von Ast zu Ast, springt von Zweig zu Zweig, gelangt über die Lindenallee nach der Parkmauer und macht dort halt. Unaufhörlich geht der Kopf hin und her, das feine Näschen prüft schnuppernd den Wind, und die Gehöre spielen auf und ab. Ein Sprung, und der Marder hängt in der Robinie. Flach drückt er sich auf den Ast, denn eine Türe schlug hart zu. Aber schon macht er einen Sprung vorwärts, sichert ein Weilchen, ob nicht doch noch ein Mensch oder ein Hund im Parke sei, und dann geht es eilig, aber behutsam zum Teiche hin, zu der alten Roßkastanie, deren Zweige bis dicht auf das Wasser hängen.
Wenn die Luft nicht so dumpf und dick wäre, würde der Marder diesen Weg nicht gemacht haben. Er hätte im Holze nach Eichkatzen geschnüffelt, oder bei dem Mühlteiche auf Ratten gejagt, vielleicht auch zugesehen, ob er in den Taubenschlag oder in den Hühnerstall hineingelänge; aber bei einer solchen Luft wie heute, da ist es am besten, am Schloßteiche in der alten Roßkastanie auf Enten zu passen. Bei solchem Wetter sind sie dann wie dumm. So liegt der Marder denn auf einem langen, krummen Aste, der sich über die alte, grüne Steinbank bis zum Wasser schlängelt, und lauert.
Enten sind da, genug sogar. Hier haben sie eine Freistatt; nie fällt ein Schuß auf sie. Im Gegenteil, der Schloßherr läßt ihnen wintertags reichlich schütten. Drüben schnattert und plätschert es anhaltend; der Marder schnüffelt in der Luft umher; und seine Rutenspitze zuckt und zappelt. Der Mond schiebt die Wolken beiseite und beleuchtet den Teich. Da schwimmen sie, gründeln, putzen sich, und ein fetter Erpel erhebt sich auf seinen Steiß, klatscht mit den Flügeln und prahlt laut in die Abendstille hinein. Dann rudert er dem Lande näher.
Der Marder ist mit dem schwarzen Aste zu einer Masse verschmolzen. Seine Seher verschwinden bis auf zwei schmale Spalten unter den Lidern. Sein Atem geht langsam und behutsam. Nur in der äußersten Rutenspitze ist ein ganz klein bißchen Regung. Der Erpel kommt näher, immer näher. Jetzt tritt er auf das Ufer, watschelt auf den Rasen, schüttelt das Wasser ab, richtet sich hoch, schlägt mit den Flügeln und prahlt wieder los: »Brät, brät.«
Weiter kommt er nicht. Nur einen kurzen, heiseren Laut bringt er noch hervor, denn der Marder hat ihn im Genick. Das Geschnatter und Geplätscher auf dem Teiche ist verstummt; alle Enten machen lange Hälse und äugen nach der Steinbank, neben der es so sonderbar rauscht und raschelt. Dann rudern sie alle nach dem jenseitigen Ufer, immer argwöhnisch zurückäugend. Schließlich beruhigen sie sich; drüben ist es still geworden. Wieder setzt das Geplätscher und Geschnatter der Enten ein; daß eine von ihnen fehlt, merken sie nicht; die Reihezeit ist noch nicht da.
Bewacht von düsteren Eiben, steht an der Parkmauer ein alter Turm, verwittert und brüchig. Fast nie kommen Leute aus dem Schlosse dorthin. Nur die Teckel haben eine besondere Vorliebe für das alte Gemäuer, der Ratten wegen, wie der Gärtner meint. Aber auch in der Mühle sind Ratten und in den Stallungen, aber niemals stellen sich die Hunde so verrückt an wie bei dem alten Turme, und wenn der Gärtner dort einmal hineinkletterte, so würde er allerlei gewahr werden. Eine hohe Schicht von Federn, Knochen, Haut und Haar liegt da und vermodert. Drossel und Taube, Häher und Star, Haus- und Wildente, Huhn und Taube sind da gerupft, Eichkatze und Ratte, Maus und Kaninchen sind da zerrissen. Alles, was der Marder im Parke erjagte, hat er da in aller Ruhe gefressen. Auch den Erpel hat er dorthin geschleppt und durch das Mauerloch unter dem dichten Eibengestrüpp in den Turm gezerrt. Und nun liegt er dort und frißt. Erst hat er das herausgesickerte Blut geleckt, dann Herz und Lunge gefressen, und jetzt nagt er an dem Brustfleisch. Aber er ist nicht ganz bei seiner Mahlzeit, trotzdem gestern ein Hungertag war. Eine seltsame Unruhe sitzt ihm im Blute. Schon zweimal hat er von seiner Beute abgelassen, ist einmal die Parkmauer auf- und abgehüpft, hat sich, wie immer, auf dem wappengeschmückten Torbogen gelöst, ist dann wieder zurückgekehrt und hat ein wenig weitergefressen, ist noch einmal hinausgeschlüpft, noch einmal zurückgekehrt, hat seine Beute unter Federn und faulem Laube vergraben und strebt jetzt wieder dem Vorholze zu.
Dieses Mal wählt er nicht den sicheren Weg von Ast zu Ast; er bleibt zu Boden. In eiligen Sprüngen hüpft er den Fußsteig neben der Lindenallee entlang, macht jäh einen Seitensprung zu der Bank am Fuße der Blutbuche, einen andern nach dem Stege, der über den Bach führt, sucht alle Plätze auf, wo ein Steinhaufen, ein Felsblock, ein Hütepfahl steht, ohne sich um das Pfeifen der Mäuse in der Hecke, ohne sich um die Lerche zu kümmern, deren Witterung ihm der Wind zuträgt. Anscheinend ohne Plan und Ziel, nur immer unter dem Winde, hastet er vor dem Walde her, hier in ihn hinein, den Dohlenstieg entlang und die Pirschwege auf und ab, dort aus ihm heraus nach dem Klippen, über diese hinweg zum Steinbruche, hinein, heraus und dann die steile Holzriese empor.
In ihrer Mitte macht er halt und schnellt sich auf einen moosigen Block, lange den Wind prüfend. Dann geht es in den rauhen Stangenort hinein bis dahin, wo eine graue Klippe neben der anderen, zerborsten und zerrissen, sich erhebt. Hin und her geht es über und unter die Blöcke, an den Steilwänden entlang und dann mit einem Sprunge in das nasse Vorjahrslaub, hinter einem anderen Marder her, der den Pirschsteig heraufgehüpft kam, einem Marderweibchen. Flink ist der Hase, schnell ist die Maus und gewandt die Eichkatze; sie alle drei, legten sie ihre Künste zusammen, das, was die beiden Marder an Springen, Schlüpfen und Klettern leisten, vermögen sie doch nicht.
Der Gutsförster, der vor Tau und Tag zu Holze zog, um sich am Fuchsbau unter den Klippen anzusetzen, weiß gar nicht, was er sagen soll, als es bald über, bald unter ihm raschelt und rauscht, bricht und knistert, scharrt und kratzt. Jetzt faucht es hier, jetzt murrt es da, keckert jetzt dicht vor ihm und quietscht gleich darauf da unten irgendwo. Der Mond scheint halb, der Schnee leuchtet. Der Förster spannt die Hähne. Jetzt ist es über ihm. Ein lange, dünner, schwarzer Schatten huscht über den mondhellen Rand der Klippe, ein zweiter folgt ihm, jetzt ein dritter, enttäuscht setzt der Mann das Gewehr ab und stößt einen Fluch aus; beim besten Willen kann er auf das blitzschnelle Unzeug nicht abkommen. Aber jetzt bekommt er es beinahe mit der Angst. Seit fünfzehn Jahren ist er Tag und Nacht im Walde gewesen und hat allerlei erlebt; aber ein so Mark und Bein durchdringendes, schneidendes Kreischen, ein so gellendes Keckern, ein so schrilles Gezeter hat er sein Lebtag noch nicht gehört. Er weiß, daß es die Marder sind, und schleicht vorsichtig näher, denn der Lärm ist keine hundert Schritte von ihm entfernt. Aber wie er dort ankommt, ist es ganz still, und weit unten im Holze geht es von neuem los. Eilig rennt der Förster hinterher; aber wie er an der Waldkante mit klopfendem Herzen und nassem Nacken ankommt, da kreischt und schreit und keckert und faucht es schon wieder anderswo und bricht dann plötzlich ab, um sich nicht mehr zu wiederholen.
Es ist voller Tag geworden, es hat für den Förster wenig Zweck mehr, bei dem alten Mutterbau auf den Fuchs zu passen. So frühstückt er und denkt, da der Schnee im Walde noch gut liegt, daß es sich wohl lohne, eine Marderspur auszugehen. Aber das ist heute nicht so einfach, denn es sind drei Marder da; eine Spur führt vom Steinbruche zum Gute, eine über das Vorholz kreuz und quer durch den Forst bis zu den Klippen, und da werden es zwei Spuren und schließlich drei, und der Förster ist schon so lahm in den Knochen, daß er längst keine Lust zu der Sache mehr hat.
Schließlich aber kommt er dahin, wo er das Kreischen zum letzten Male hörte, und als er die drei Spuren verfolgt, findet er einen arg zerwühlten Fleck im Schnee, und dort teilen sich die Spuren; zwei führen bergan, die dritte ins Vorholz. Dieser geht der Mann nach. Hört sie auf, so schlägt er Kreis um Kreis, bis er sie wieder findet, und schließlich bleibt er vor einer Fichte stehen, die sich durch die Krone eines Buchenüberhälters hindurchgezwungen hat. Hier hört die Spur auf; rund umher sind lauter lange, helle, fünfzigjährige Buchen. Der Marder muß sich in die Fichte gesteckt haben.
Richtig; im Schnee sind die verräterischen goldgelben Flecken. Und in der Fichte hängt ein Eichkatzenkobel. Der Nagelschuh der Försters kratzt an dem Fichtenstamme entlang; droben rührt sich nichts. Der Förster schlägt mit dem Absatz gegen den Baum; dasselbe Ergebnis. Er geht um den Baum, bis er das Nest genau sehen kann, spannt den Drilling, stellt den rechten Hahn auf Kugel, sticht ein und geht mit dem Korn haarscharf an das Nest. Es knallt, und im Knall hat der Förster schon wieder gespannt und auf Schrot gestellt, und unbeirrt durch das Geriesel von dürren und grünen Fichtennadeln, Zweigen, Moosflocken, Rindenschuppen und Blättermulm reißt er den Kolben an die Backe und geht mit dem Ende des Laufes dahin, wo der Marder in wilder Flucht durch die Äste holzt. Ein Schuß geht daneben, mit einem Riesensatze gewinnt der Marder das dünne Geäst einer Buche, aber da verweilt er einen Augenblick länger, um zu neuem Sprunge auszuholen, und der zweite Schuß wirft ihn in den Schnee.
Der Förster hebt ihn auf und sieht ihn sich genau an: »Ein dreijähriger Rüde«, murmelt er; »also ist der, der ihn heute früh abbiß, stärker.«
Der Förster hatte recht gehabt; der Marder, der den Dreijährigen im Kampfe um das Weibchen in die Flucht biß und den Erpel am Parkteiche riß, ist der stärkste Marder weit und breit und der schlaueste auch. In seiner Jugend verlor er im Tellereisen zwei Zehen, und daß ihm nicht im Schwanenhalse die Luft ausging, daran war der Wind schuld, der in demselben Augenblicke einen schweren Prügel in das Eisen warf, als der Marder den Abzugsbrocken faßte.
Seit der Zeit ist er gewitzt und geht um alles im Bogen herum, was nach Hering und Mäuseholz und anderen Klirrungen duftet, und alles Ungewohnte vermeidet er ängstlich. Die Kastenfalle kann noch so schön in den Zwangspaß gestellt sein, die Prügelfalle mag noch so unauffällig hergerichtet sein, er traut der Sache nicht, und wenn ihm seit drei Tagen der Magen knurrt. Wenn er sich aber sicher fühlt, dann kennt seine Frechheit keine Grenzen. Am hellen Mittag kommt es ihm in den Kopf, seine Felsenspalte zu verlassen und Eichkatzen zu jagen.
Unter der Taterneiche sitzt das Fräulein aus dem Schlosse und sieht träumend über ihr Buch in den grünen Wald. Auf einmal schreit sie auf und springt empor, denn auf ihre Knie fällt ein Eichkätzchen und rast über die Straße, und hinter ihm her plumpst ein langes, großes, braunes Tier und saust hinter der Eichkatze her, die in Todesangst an einer Buche emporklimmt. Aber hinter ihr her klettert der Marder, und ob es auch sechs Male rund um den Baum huscht und sich abermals von oben herab in die Blumen am Boden stürzt, der Verfolger springt hinterdrein, und ehe es die nächste Buche erreicht, faßt er es im Genick, richtet sich auf die Keulen auf, äugt das mit dem Sonnenschirm fuchtelnde und ihn anschreiende Fräulein an und huscht an ihr vorbei auf die Taterneiche zu, auf deren Rückseite er verschwindet, das zappelnde Eichhörnchen im Rachen. Ganz gemächlich holzt er von Ast zu Ast, bis er sich sicher genug fühlt, und dann verzehrt er behaglich seine Beute.
Drei Tage und noch länger meidet er die Sonne. An einem hellen Mittag fällt es ihm ein, daß er hungrig ist. Er kriecht am Hange herum, wo allerlei bunte Käfer schwirren, und sucht Erdbeeren. Nur die ganz reifen nimmt er, denn er ist ein Leckermaul. Zur Abwechslung frißt er dann noch einen verspäteten Maikäfer und kratzt ein Hummelnest aus, denn Honig verschmäht er keineswegs, und ganz besonders munden ihm Eier und Jungvögel. Und wenn die Häher auch noch so sehr kreischen und zetern und auf ihn hassen, er würgt eins ihrer Jungen nach dem anderen, frißt aber nur an dem einen etwas herum.
Ganz sinnlos ist er oft vor Mordlust. Er hat genug Vogelbrut, Mäuse und Käfer über Nacht gefressen, aber als er auf das schlafende Rehkitz stößt, sitzt er ihm am Halse und reißt ihm die Schlagader auf. Eine Wonne dünkt es ihm, von dem zappelnden Kitz hin- und hergeschleudert zu werden, und als es sich nicht mehr rührt, da säuft er so lange an dem hervorquellenden Blute, bis er nicht mehr kann. Dann schlüpft er in sein Felsloch und schläft dort drei Tage und drei Nächte wie tot.
Dann wieder bekommt er Lust auf Hamster und pirscht ein Ackerstück nach dem anderen ab, bis er einen von den bunten Gesellen beim Wickel hat. In der nächsten Nacht jagt er das Feldhuhn von seinem Gesperre und würgt eins der Hühnchen nach dem anderen. Die ganze nächst Woche bleibt er im Holze und jagt auf junge Tauben, und als er auf die drei halbflüggen Waldkäuze gerät, ist es ihr Tod; alle drei verbluten unter seinen Zähnen. Die Krähen plärren und quarren, aber er ist nicht eher zufrieden, bis das Nest leer ist und die Jungen alle tot am Boden liegen.
Ebenso schlimm wie er treibt es das Weibchen, das er in jener Februarnacht bei den Klippen traf. Mit seinen vier Jungen macht es den ganzen Wald unsicher. Ob Maus oder Jungvogel, ob Eichkatze oder Kaninchen, sie müssen alle daran glauben. Da ist kein Busch zu dicht, kein Gestrüpp zu wirr, es wird alles abgesucht, und was darin lebt, muß sterben, denn fünf Mardermagen verlangen viel.
Der alte Oberholzbauer, der vor dem Walde wohnt, wacht nachts von dem wütenden Gekläffe des Spitzes auf. Als das Bellen nicht enden will, steht der Alte auf und geht vor das Haus. Mit hellem Halse fährt der Hund fortwährend gegen den Stall. Der Alte sucht sich einen Knüppel und öffnet vorsichtig die Tür. Aber wie fährt er zurück, als ein schwarzes Tier ihm über die Schulter springt und drei andere zwischen seinen Beinen durchschlüpfen; das fünfte aber erwischt der Spitz und schlägt es sich so lange um die Ohren, bis kein Leben mehr darin ist. Ganz verstört steht der Alte im Stall. Hier liegt ein Huhn, da noch eins und dort ein drittes, alle tot. Drei sitzen verschüchtert auf der Leiter. Eins liegt halbtot hinter dem Holze. Die Kücken sind alle tot. Dem Hahne fehlt der Schweif und der halbe Kamm, der Henne der Kehllappen. Der Alte flucht und wettert und schwört blutige Rache; jeden Abend sitzt er mit der Flinte hinter dem Backofen, überall im Holze hat er Prügelfallen hergerichtet, aber er kommt nur einmal zu Schuß, und da ist es Nachbars Kater und in den Fallen fängt sich nur eine Eichkatze.
Der Herbst zieht in das Land. Im Schloßgarten reifen die Frühtrauben. Jeden Morgen sind sie geplündert. Der Gärtner stellt Scheuchen auf; es hilft nichts. Er schießt Spatzen und Amseln und hängt sie an die Reben; am andern Morgen sind sie fort und dazu die besten Trauben. Eines Abends paßt er auf, denn er glaubt, Diebe plünderten das Spalier. Es ist schon recht dunkel, da hört er das Weinlaub rauschen, hört es kratzen und scharren, und eine dicke Traube fällt ihm vor die Füße. Da wird ihm unheimlich zumute, und er schleicht sich fort. Es wird Spätherbst. Der Oberholzbauer richtet den Dohnenstieg. Als er ihn nachsieht, ist hier eine Dohne ausgebeert und da eine, dort ist eine Schlinge zerrissen und hier wieder eine, und die Federn am Boden weisen ihm, daß irgendein Dieb die Kramtsvögel stahl. Der Förster pirscht zu allen Zeiten den Dohnenstieg ab und schießt jeden Häher im Holze ab, den er antrifft, weil er glaubt, das seien die Beerendiebe und Drosselräuber; aber nach wie vor sind die Dohnen ausgebeert, und immer wieder zeigen zerrissene Schlingen an, daß nächtlicherweise irgendein Untier dort sein Wesen treibe.
Er denkt schließlich, daß es wohl ein Marder gewesen sein könnte, denn frische Marderlosung findet er jeden Tag oben auf den Jagensteinen und auf den Bachstegen, aber das einzige, was er im Schwanenhalse fängt, ist eine Krähe, und seine Tellereisen bringen ihm nichts weiter ein als einen Hasen und Ärger. Schließlich, als alles Ansitzen und Passen und alles Fallenstellen nichts hilft, ergibt er sich in sein Schicksal.
Da kommt die erste Neue, und nun läßt er alle andere Arbeit beiseite und sucht Marderspuren. Er findet auch eine, und sie endet bei der dicken Eiche, unter der seit unvordenklichen Zeiten allerlei fahrendes Volk gern lagert, und die darum die Taterneiche heißt. In ihrem Mittelaste ist ein Loch, und darin wird der Marder stecken. Der Förster stellt sich schußgerecht an, und der Oberholzbauer schlägt mit dem Beile gegen den Stamm. Der Marder springt nicht. Ein Junge wird heraufgeschickt; mit einer schwankenden Gerte stochert er in dem Astloche umher; aber das Loch hat Windungen, und die Rute trifft den Marder nicht. Noch einmal muß der Junge hinauf; der Förster hat aus dem Inhalt einiger Patronen, einem alten Lappen und einer Lunte einen Feuerwerkskörper hergestellt. Der Junge schiebt den Schwärmer in das Astloch, befestigt das Ende der Lunte mit einer Nadel, steckt es an und rutscht schleunigst von dem Aste zur Erde. Angestrengt passen alle drei auf. Da, es knallt, Rauch schießt aus dem Loche, aber der Marder springt nicht. Da schreit der Junge: »Da löppt he!« und zeigt auf das Dickicht. Der Förster macht ein langes Gesicht; der Marder ist aus einem verborgen Ausgang des Astloches geschlüpft und hat, ehe der Förster ihn sah, die Dickung gewonnen.
Der Förster flucht und schimpft, aber das hilft ihm nichts. Jeden Tag spürt er den Marder oder findet frische Losung, aber alles Ansitzen nützt nichts. Er blättert die Jagdzeitungen durch und sucht nach neuen Fallen; er läßt Mord- und Würgefallen aufstellen, fängt auch Wiesel, Katzen und Iltisse, aber den Marder nicht. In der Fichtendickung, wo die Fasanenfütterung liegt, findet er drei gerissene Fasanenhennen. Dem Pfarrer werden in einer Nacht zwölf Tauben gewürgt, dem Küster eine Ente im Stalle gerissen. Da greift der Förster zum letzten Mittel, das er aus dem Grunde seiner Seele haßt, zum Strychnin.
Acht Tage lang legt er abends die vergifteten Spatzenköpfe und läßt die, die morgens noch vorhanden sind, wieder fortnehmen. Zuerst liegt das Marderweibchen tot im Vorholze; nach und nach folgen ihm seine drei Jungen, und als Tauwetter den Boden frei macht, da findet der Holzbauer auch den alten Marderrüden verludert und unbrauchbar bei der Fasanenfütterung.
Den halben Winter über haben die Enten auf dem Parkteiche und das andere Geflügel Ruhe. Im Februar aber kreischt und keckert es wieder in den Klippen. Zuviel Löcher und Spalten haben die Felsen, zuviel altes Holz steht am Berge, so wandern bald wieder Edelmarder zu und jagen und morden, wie es ihre Art ist.