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X.

Die erste Liebe.

Des Tags gedenk' ich, wo ich süßer Triebe
Gewalt in mir zuerst empfand und sagte:
Weh mir, wenn Liebe dieß – wie quält die Liebe!

Wo ich das Aug' nicht aufzuschlagen wagte,
Und doch vor Augen hatte stets das Prangen
Der Holden, die den Pfeil ins Herz mir jagte.

Was machtest du aus mir, o Glutverlangen?
Was mußte sich so süßem Drang gesellen
Ach, solcher Sehnsucht Schmerz und solches Bangen?

Wie kams, daß nicht mit reinen, heitren Wellen
Die Freude nur das tiefe Herz bedeckte?
Was mußten sie so stürmisch-trübe schwellen?

Sag an, o liebend Herz, was dich erschreckte
Inmitten einer Lust, mit der verglichen
Doch jede Lust nur Ueberdruß erweckte?

Ja, einer Lust, die schmeichelnd dich beschlichen
Am Tag und minder nicht, wenn in der Runde
Die weite Welt verstummt war und erblichen:

Wo dann dein Leid mit Seligkeit im Bunde
Mir auf den Kissen schüttelte die Glieder,
Und stürmischer du pochtest jede Stunde;

Und wie, wenn müd ich schloß die Augenlider,
Der Schlaf, gleichwie verscheucht von Seufzerlauten
Der Fieberglut, nie sank auf mich hernieder!

Und während Finsternisse mich umgrauten,
Wie hielt mein Augenpaar, ob auch geschlossen,
Lebendig fest das holde Bild der Trauten!

O wie sich durch mein Innres dann ergossen
Glutströme süßer Regung! wie viel tausend
Gedanken, wirr und unstät, ich entsprossen

In meiner Seele fühlte, wie wenn sausend
Im Laubholz Winde durch die Wipfel jagen,
Und ganz der Wald aufwogt, weithin erbrausend.

Und wenn mein Mund vermochte nichts zu sagen,
Was sagtest du, mein Herz, als uns die Hohe
Verließ, für welche du so heiß geschlagen?

Ich hatte kaum gefühlt, wie mich bedrohe
Verzehrend diese Glut, dieß heiße Minnen,
Da schwand, was kühlen mochte solche Lohe.

Das erste Grau'n umwob des Schlosses Zinnen,
Als das Gespann am Thor ich stampfen hörte,
Das sie entführen sollte, ach, von hinnen!

Vom Lager eilt' ich rasch, der Angstbethörte,
Zum Fenster, wandte lauschend in die Stille
Der Dämmrung hin das Antlitz, das verstörte,

Ob mir zufällig nicht noch einmal stille
Den Schmerz ein letzter Laut des süßen Mundes,
Wenn Andres nicht mehr gönnte Schicksalswille.

Wie drang ins Tiefste mir des Seelengrundes
Der Frost, wenn Dienerstimmen rauh erschollen,
Statt jener, die ersehnt mein Herz, mein wundes!

Und dann – als endlich doch der zaubervollen,
Der theuren Lippe Ton erklang, verschwebend
Alsbald im Hufschlag, in der Räder Rollen:

Hinstürzt' ich mich aufs Lager, ganz ergebend
Dem Schmerze, der Verzweiflung mich, der bittern,
Und drückt' ans Herz die Hand, und seufzte bebend.

Dann schleppt' ich auf den Knieen mich mit Zittern
Wehklagend durchs Gemach. Wird nicht für immer
Betäubt der Sinn in solchen Schmerzgewittern?

Ja, nur Erinnrung blieb, seit mit Gewimmer
Ich klagte so, die herbe: anderm Bilde
Und anderm Laut erschloß mein Herz sich nimmer.

Den Sinn umflorte mir das Leid, das wilde,
Wie wenn die Regenwolke, dichtgewoben,
Herabtrauft taglang, traurig, aufs Gefilde.

Nicht kannt' ich dich, als du mit wildem Toben
Im Achtzehnjährigen, zum Leid geboren,
Zuerst versuchtest deine Zauberproben,

O Liebesgott! – als ganz an mir verloren
War jede Lust: der Wiese Grün, das Blinken
Der Stern' und alle Sonnen und Auroren.

Des Ruhmes Ziel sogar ließ ab, zu winken
Dem Aug, das erst so heiß dafür entbrannte –
Der Schönheit Strahl nur wollt' es jetzo trinken!

Selbst von der Wissenschaft den Sinn ich wandte,
Und eitel schien sie mir, in deren Lichte
Zuvor ich eitel alles Andre nannte.

O wie verwandelt war ich! – Wie zu rächte
Gemacht ist bald ein Trieb vom andern Triebe!
Was sind wir alle doch für schnöde Wichte!

Mein Herz nur achtet' ich und meine Liebe:
In ew'gem Zwiegespräch war ich mit ihnen,
Bedacht, daß nur der süße Schmerz mir bliebe!

Vorüber gehn ließ ich mit kühlen Mienen
Am Aug', geheftet stets auf eine Stelle,
Was Holdes und Unholdes mir erschienen:

Zu trüben fürchtet' ich in mir das helle,
Das reine Bild, das ich ins Herz geschlossen,
Wie an der Luft sich trübt des Weihers Welle.

Und jener Schmerz, daß man nicht ganz genossen
Ersehntes Glück – der schon so manchem Munde
Vergällt den Kelch, drein er wie Gift geflossen –

Zur Qual, ach, macht' er mir auch jede Stunde
Der hingeschwundnen Zeit. Doch nie noch drückte
Die Scham ins Herz mir eine Stachelwunde:

Wars doch nicht niedre Gier, was mich berückte.
Rein war – der Wahrheit schwor' ich es zur Steuer –
Die Flamme, die verzehrend mich beglückte.

Und stets noch lebt in mir dies heil'ge Feuer,
Lebt jenes Bild, das mein war anders nimmer,
Als Heil'genbilder sind – und das doch theuer

Mir ewig bleibt, und mir genügt für immer.

*


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