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Guido. Gut, wenn du ewigen Krieg willst, so kannst du ihn finden – bleibt doch mein Plan dabei, wie er ist. Ich bin zum Kriege geboren. Nichts wird anders, als daß ich Blancans Namen zum Feldgeschrei nehme. – Aber dein Plan, Julius, wird verändert werden, du wirst mit ihr dein Leben nicht ruhig hintändeln – Die Furcht für deinem Nebenbuhler soll dich immer verfolgen – ich will dir eine Erinnerung in die Seele setzen, die dir stets »Guido« zurufen soll, heller »Guido« rufen soll als das Gewissen eines Vatermörders: »Mörder!« – jeden Gedanken in dir will ich mit meinem Namen stempeln, und wenn du Blancan siehst, sollst du nicht an sie, sondern an mich denken – Mitten in euren Umarmungen soll plötzlich mein Bild in eurer Seele aufsteigen, und die Küsse werden auf euren Lippen zittern wie Tauben, über denen ein Adler hängt. Des Nachts sollst du im Traume sehen, wie ich sie dir entführe, und so erschrocken auffahren, daß Blanca aus deinen Armen gleiten, erwachen und schreien soll: »Guido!« (Ab.)
Aspermonte (tritt auf). Ich darf ihn diesen Monat keine Minute aus den Augen verlieren – und was ist ein Monat so kurz, um eine zerrüttete Phantasei in Ordnung zu bringen! – und doch konnte ich kaum diese Frist erhalten. – Nur gut, daß ich den Weg weiß, den ich zu gehen habe. Seine Vernunft ist keine unparteiische Richterin mehr; ich muß an sein Herz appellieren.
Julius (tritt eilig auf). Gut, Aspermonte, daß ich Sie treffe. Machen Sie Anstalt, schaffen Sie mir sichre Leute und ein Schiff, eilen Sie, ich gehe heute abend mit Blancan von hier.
Aspermonte. Prinz –
Julius. Ha, Aspermonte, keine Lobreden auf weise Fürsten und löbliche Regenten! – Ich bin sie müde – Sie könnten mir den unsterblichen Ruhm anbieten, der die Unermeßlichkeit zu Schranken und die Sterne zu Gefährten hat – ich gehe mit Blancan – nichts weiter! Mein Bruder hat recht, ich habe geschwatzt, wenn ich hätte handeln sollen.
Aspermonte. Ist der Monat schon wieder verstrichen – und haben Sie keinen Vater mehr?
Julius. Ich habe Ihnen gesagt – Doch ich will meinen Vorsatz, nicht weiter über die Sache zu denken, noch einmal brechen – Wissen Sie denn, ich habe meinen Vater weinen sehn, und diese Tränen haben meinen Entschluß nicht wankend gemacht – Freilich fehlte unendlich wenig daran, aber unendlich wenig ist hier genug – Es ist unnütz, diesen Monat abzuwarten, was kann darin, was kann in meinem Leben meinen Plan wankend machen, da es die Tränen meines Vaters nicht getan haben?
Aspermonte. Das möchte ich so dreist nicht behaupten.
Julius. Hören Sie mich ganz an. Sie sollen nicht über meine einzelnen Gründe, sondern über alle zusammengenommen urteilen. – Guido hat mir eine Aussicht in meine Seele eröffnet, für der mir schaudert – Ich will es Ihnen gestehen – in den Augenblicken, da mich der Gedanke verließ, Blancan heute zu entführen, verschob ich es bloß bis auf den Tod meines Vaters, in eine Zeit, in die meine Gedanken um keinen Schritt weiter vordringen sollten als meine Wünsche. – Gott, ich kann die Idee nicht ausstehen, mein Glück von dem Tode meines Vaters zu erwarten. – Und wenn es mir einfällt – ach, Sie wissen es, ich habe die Saite niemals berührt, daß mein Vater Blancan ins Kloster bringen ließ – Ich muß von hier, ich muß von hier, um meinen Vater zu ehren!
Aspermonte. Ich liebe diese tugendhaften Gründe, aber Sie überzeugen mich nicht.
Julius. Und wenn ich Blancan nicht aus ihrem Kerker reiße, so tut es Guido – er hat es gelobet, und auf sein Wort kann man bauen – Aspermonte, ich zittre vor der Vorstellung, diese Säle des Vaters könnten vom Blute der Söhne triefen.
Aspermonte. Unterdessen deucht mir die Gefahr noch nicht so dringend, daß Sie nicht noch einige Zeit abwarten könnten.
Julius. So soll ich es länger ansehen, daß diese Vollkommenheiten im Kloster verwittern, daß jeden Tag der Schmerz neue Anmut und Reiz von ihr wie von einem Baume abschüttelt! Soll sie noch länger über mich seufzen und es aus Edelmut sich verbergen wollen, daß sie es über mich tut! O je leiser diese versteckten Seufzer im Justinenkloster sind, desto lauter schreien sie im Ohre der Rache. – Unmensch, ich sehe es an deiner Kälte, du willst mich verlassen. Was sagte ich doch wahr: die Fürsten haben keine Freunde. – Gut so, ich gehe allein.
Aspermonte. Ich gehe mit Ihnen.
Julius (umarmt ihn). O so zärtlich haben Sie mich nie an Ihr Herz gedrückt – ich fühle es schon, daß ich aufgehört habe, ein Fürst zu sein.
Aspermonte. So will ich jetzt gehn, um unsre Angelegenheiten zu besorgen – Vergessen Sie Ihre Kostbarkeiten nicht, sie müssen Ihren künftigen Unterhalt ausmachen – Aber wohin denken Sie?
Julius. Das überlasse ich Ihnen.
Aspermonte. Ich habe einen Freund in einem entfernten Winkel von Teutschland, der uns gern aufnimmt.
Julius. So sei Deutschland die Freistatt der Liebe – Eilen Sie. Ich will unterdessen auf einem Spazierritte den väterlichen Fluren Lebewohl sagen.
Blancas Zelle.
Blanca sitzt vor einem Tische, worauf einige Bücher und anders geistliches Gerät liegen, sie liest in einem Folianten.
Blanca. Ich kann nicht weiter, meine Andacht ist Sünde. Julius! immer um den dritten Gedanken dein Bild! (Macht das Buch zu und steht auf.)
Und dieser Wechsel von Metten und Vespern, von Begierden und Reue, das ist es, was sie das Leben nennen – und Jugend, der Frühling des Lebens?
Gott, was gibt meiner Seele Friede – vereinigt diese Empfindungen, von denen eine die andre bekämpft, und diese Gedanken, von denen jeder den andern Lügen straft? (Pause.)
Nichts als der Tod, nach Julius mein Lieblingsgedanke. – In den Tagen der Freude dachte ich anders – ich dachte, Tod verändert die Liebe nicht. – Ich habe meine Unsterblichkeit nie so stark als in Julius' Armen gefühlt, ich empfand, meine Liebe ist ewig, also, dachte ich, muß es mein Geist auch sein. – Aber jetzt, da ich ihre Qualen kenne – er wird mein starres Auge nicht zudrücken. – Nein, nein, die Liebe stirbt. (Sie liest einige Augenblicke, schlägt aber bald das Buch zu.)
Ach, ich habe ja schon einmal das Entzücken der Andacht gefühlt; sie ist mit der Liebe die erste Empfindung unsrer Natur. Und sind sie nicht verwandt, verschiedne Gesänge auf eine Melodie? – Ich glaubte mich schon so stark und die Erde schon unter meinen Füßen – Sein Bild, sein Bild! – ich sank ganz zurück und sah mit Erstaunen, daß ich kaum einen Schritt zurücksank – arme Blanca! (Weint.)
Abtissin (tritt auf). Guten Abend, Schwester, was machst du?
Blanca. Ich weine.
Abtissin. Übereile dich nicht, du brauchst noch lange Tränen.
Blanca. Noch lange? – Aber sind Tränen nicht wider unser Gelübde?
Abtissin. Ich hoffe es nicht. Nur Taten, nicht Empfindungen kann ja der schwache Sterbliche geloben.
Blanca. Gut, ich bin ein Weib, und bin ich nicht das, was ich sein soll? Ich beneide keine Heilige, gönne ihr ihren Weihrauch, ihren Glanz und ihre Palmen, ihr Bild unter Engeln stehe immer auf Altären, werde in Prozessionen getragen, ihre Wunder mögen Bücher anfüllen; – sei'n Sie versichert, Abtissin, keine von diesen Weibern hat wie ich geliebt. Sonst hätten wir von ihr nur eine Legende: sie starb vor Qualen der Liebe.
Abtissin. Du hast recht, eine Heilige ist bloß eine schöne Verirrung der Natur.
Blanca. Ich darf also weinen – von heute an bin ich weniger unglücklich.
Abtissin. Aber mäßige dich, Kind, man kann sich zerstreuen.
Blanca. Zerstreuen? – Meine Seele ist nicht zum Zerstreuen gemacht, auch als ich noch lebte, hatte ich nur einen Gedanken – Was soll mich zerstreuen? Selbst in dem Gedanken, der von ferne Andacht schien, liegt Julius verborgen; und die Betrachtung der Ewigkeit – Ewigkeit ist ja die Dauer der Liebe. Sehen Sie, wie der Mond scheint! Sie denken sich ihn als einen leuchtenden Weltkörper – ich sehe in ihm bloß den Zeugen meines ersten Kusses – ein nicht zu raubendes Andenken meiner Liebe – Sei gegrüßt, lieber Mond!
Abtissin. Auch Ricardo – (Sie drückt Blancas Hand. Pause.)
Blanca. Wie lange weint hier ein verliebtes Mädchen, ehe die letzte Hoffnung stirbt, die auf die entfernteste Möglichkeit gebaute Hoffnung?
Abtissin. Ach, die Hoffnung stirbt nie, aber wohl das Mädchen.
Blanca. Haben Sie Beispiele? (Umarmt die Abtissin.) Nennen Sie sie mir, noch ehe der Tag anbricht, will ich ihr Grab mit Rosen und Maßlieben und meinen Tränen ehren.
Abtissin. Spare Rosen und Tränen – Bald möchtest du sie für mein Grab brauchen.
Blanca. Nein Abtissin, Ihre Tränen und Rosen für mich! Ich will mit dem Tode einen Bund machen, Martern für mich ersinnen – solche Seufzer sollen diese Mauern nie gehört haben, Augustin soll gestehen, seine Regel sei Weichlichkeit, Heilige, durch mich mit der Liebe versöhnt, sollen für Mitleiden und Martyrer vor Beschämung das Gesicht wegwenden.
Abtissin. Tochter, deine Phantasie wird wild.
Blanca. Rosen und Tränen für mich, die so gebogne Natur wird doch endlich brechen.
Abtissin. Komm, es ist Zeit zur Hora, wir sind ohndem immer die letzten auf dem Chore.
Blanca. Ha, wenn nun die freie Seele zum erstenmal über dem hohen Dom flattert – Jahrhunderte werde ich brauchen, ehe ich wieder Freuden fühlen kann, zumal unendliche Freuden – und, Abtissin, wenn du denn meinem Gebeine das versprochne Opfer bringst, und du hörst ein sanftes Lispeln, so denke, das heißt auf irdisch: Schwester, bald Rosen und Tränen für dich.
Abtissin (im Herausgehen). Ach, solche Klagen hörte dies Gewölbe seit Jahrhunderten!