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Liszt Siehe Liszt S. 237. drückt sich einmal in den folgenden Worten treffend über Chopin's Eigenart aus:
»Chopin wird unter die Musiker gezählt werden, die zuerst den poetischen Geist einer ganzen Nation in sich individualisirt haben, unabhängig von jedem Schuleinfluss. ... Sein Name wird als der eines durchaus polnischen Dichters gelten, weil er alle Formen, die er anwendete, nur dazu benutzte, um eine seinem Lande eigentümliche Art des Empfindens auszudrücken, die anderwärts fast unbekannt ist, weil sich der Ausdruck des nämlichen Empfindens unter allen Formen und Titeln wiederfindet, die er seinen Werken gab ... die kleinsten, wie die bedeutendsten seiner Kompositionen sind von der gleichen Sensibilität durchtränkt, die nur im Grade verschieden erscheint, zwar tausendfach modificiert und variiert, aber doch immer eins und homogen.«
Wenn dieser Ausspruch in gewisser Hinsicht von allen Werken gilt, so im besonderen von jenen Kompositionen Chopin's in denen sich die nationalen Einflüsse am klarsten wiederspiegeln, den Tanzstücken.
Die Tanzformen spielen bei Chopin eine grössere Rolle, als bei irgend einem Komponisten der unmittelbar vorangegangenen Epoche. Man müsste schon auf die Suitenkomponisten (vornehmlich in Frankreich) des 17. u. 18. Jahrhunderts zurückgehen, um eine ähnliche Bedeutung des Tanzes für die Kunstmusik zu finden. In der Kunstmusik höherer Art ist fast immer nur ein idealisierter Tanz zu finden. Die Formen der Tänze sind zwar beibehalten, aber in ihnen bewegt sich der Komponist mit viel grösserer Freiheit als die Fesseln eines wirklichen Tanzstückes gestatten. Ein Tanzstück muss vor allem so gemacht sein, dass sich nach ihm gut tanzen lässt. Wenn es daneben noch eine angenehme Melodie hat, dann um so besser. Für eigentliche musikalische Feinheit ist hier wenig Spielraum. Desto mehr geben idealisierte Tanzformen dem Musiker Gelegenheit sich in seiner vollen Kunstfertigkeit zu zeigen. Die kontrapunktischen und melodischen Feinheiten der Bach'schen Suiten würden beim Tanzen nur störend wirken, die eleganten Verkürzungen und Dehnungen vieler Menuets von Haydn und Mozart, die poesievollen Züge von Webers Aufforderung zum Tanz, die Schubert'schen Tänze mit ihrer reichen Melodik, ihrer köstlichen Harmonik sind zum Tanzen zu gut, – vom Standpunkt des Tänzers sogar nicht gut genug, sie alle wollen von einem aufmerkenden Zuhörer in Ruhe genossen werden. Die wichtigsten deutschen Vorgänger Chopin's sind soeben genannt worden. Noch viel mehr jedoch verdankt er den heimatlichen Anregungen. Die Polen waren von jeher ein sangesfreudiges, tanzlustiges Volk. Volksgesänge und Tanzmelodien besitzen sie in so grosser Zahl und von so grosser Schönheit und Mannigfaltigkeit, dass kaum ein anderes Volk mit ihnen darin den Vergleich aushalten könnte, die Deutschen nur in ihren Sangesweisen, nicht in den Tänzen. Diesen grossen Schatz nationaler, volkstümlicher Musik übernahm Chopin, und er war der erste, der die Erbschaft künstlerisch bedeutsam verwertete, denn was die polnischen Musiker vor ihm als Künstler mit ihrer Nationalmusik anzufangen wussten, das kommt neben Chopin nicht ernsthaft in Betracht. Es ist bekannt dass Chopin in jungen Jahren gern die Dörfer durchstreifte um dem Tanz der Landleute zuzuschauen. Was mag er wohl bei solchen Gelegenheiten gehört und gesehen haben?Anmerkung fehlt Das Dorforchester bestand meistens nur aus einer Geige und einem Bass. Manchmal wurde eine C-Klarinette, eine Trompete ausserdem verwendet, und eine kleine einseitige Trommel geschlagen. Auch den Dudelsack mag er gehört haben, vielleicht auch die früher beliebten Cymbeln, selten, wenn überhaupt noch Lauten. Die Musik war recht primitiv. Von Harmonie war nicht viel die Rede. Die Begleitung bestand aus dem immer wiederholten Tonika- und Dominanten-Zweiklang, dem »Dudelsackbass«. Dafür aber waren die Melodien von ganz eigener Schönheit. Auch die Melodie jedoch wurde kunstlos behandelt. Der Geiger wiederholte die nämliche Weise unermüdlich, mit geringen Varianten, bis sie nach geraumer Zeit von einer neuen abgelöst wurde, die nun wiederum endlos wiederholt wurde u.s.w. In der Warschauer Gegend war besonders der Mazur heimisch. Charakteristisch für diesen im 3/4 oder 3/8 Takt stehenden Tanz ist der Accent auf 3, und hauptsächlich dadurch unterscheidet er sich von der Polka-Mazurka. Der Mazur ist ein alter Tanz, der mehrere Jahrhunderte zurückgeht, aber doch jünger als der Krakoviak und die Polonaise. Nationale Tanzmelodien, die den Reichtum der melodischen Erfindung deutlich zeigen, sind uns in grosser Zahl erhalten. Ueber den Tanz selbst schreibt ein polnischer Forscher (Starczewski):
»Den Tanz leitet ein Führer mit seiner Tänzerin ... Am Anfang spazieren alle Tänzer, ein Paar hinter dem anderen, wie bei der Polonaise, aber viel schneller um das Zimmer herum tanzend, wobei sie mit den Füssen sehr verschiedenartige ›pas‹ machen. Manchmal gleitet man mit den Füssen wie beim Schlittschuhlaufen, warum man ihn auch posowisty (geschobener) nennt, manchmal stampft man wieder leise oder stärker mit den Füssen im Rythmus
wobei man das dritte, oder auch manchmal das zweite, oft die beiden letzten oder sogar alle drei Viertel accentuiert. Besonders reich an verschiedenartigen ›pas‹ ist der Tanz der Männer, denn manchmal tanzen sie nach der Seite und schlagen taktmässig die Absätze zusammen, oder machen in ihrer Begeisterung mit ihren Füssen verschiedene Evolutionen. Jeder Tanz muss seinen Schluss haben, wobei der Mann die Frau umfasst und sich beide auf einer Stelle in der Richtung nach rechts drehen, wobei der Tänzer mit den Absätzen ›holupee‹ zusammenschlägt oder mit den Füssen stampft. Nach dem gemeinsamen Tanz kommt immer der Solotanz, denn als solcher muss der Mazur hauptsächlich betrachtet werden, in welchem alle Tänzer ihre Geschicklichkeit und Grazie so recht zeigen können ... Eine sehr beliebte Hochzeits- und Ballfigur ist die sogenannte przepiorka oder przepióreczka (die Wachtel). Männer und Frauen stehen in zwei Reihen gegen einander. Die mit ihrem Tänzer solo tanzende Tänzerin muss gefangen werden ... Eine zweite populäre Figur ist der zwodzony (verführerische, betrügerische), in welcher das Mädchen mehrere Männer zum Tanze wählt, um sie in der Mitte des Tanzsaals zu verlassen; endlich aber gelingt es einem, den Tanz zu beenden.«
Der Kujawiak ist nur ein Bauerntanz zum Unterschied vom Mazur, dem Krakowiak und der Polonaise, die in allen Schichten der Bevölkerung getanzt wurden. Er ist über die Grenzen der Provinz »Kujawy« kaum gedrungen. Der Tanz ist sehr alt; das Vorkommen von Kirchentonarten im Kujawiak deutet auch auf hohes Alter. Der Kujawiak steht manchmal auch in Moll; charakteristisch für ihn ist gelegentlich eine schwermütige, sehnsüchtige Melodie, ein ziemlich langsames Zeitmass. Zwei Abarten gibt es: den ganz langsamen Oberek, auch Chodzony (der gegangene) genannt, und einen etwas schnelleren, (die Ocipka), der meistens dem Chodzony folgt. Ueber den langsamen Tanz teilt Starczewski folgendes mit:
»Der Tänzer und sein Mädchen stehen sich Gesicht gegen Gesicht gegenüber; er legt die Hände an ihre Hüften, sie an die seinigen, sodass sich ihre Hände kreuzen, aber die des Mannes unten liegen. In solcher Lage tanzen sie ziemlich ruhig nach rechts. Manchmal beugt der Tänzer den Kopf und hebt die Hand in die Höhe, wobei er sie schüttelt, um zu zeigen, wie zufrieden er ist und wie er sich glücklich fühlt, manchmal bricht er in Rufe aus, wie dzis, dzis, dzis! ciuch, ciuch, ciuch! oder hop, hop, hop! u.s.w.«
Der Unterschied zwischen Mazur und Kujawiak ist oft sehr schwer zu machen, besonders wenn das Zeitmass im Verlauf des Kujawiak lebhafter wird. Für den Vortrag beachtenswert ist es, dass der Rhythmus
auf dem dritten Viertel meistens gespielt wird.
In Chopinschen Mazurkas nähern sich dem Kujawiak mehr oder weniger die folgenden Ueber die polnischen Tänze und Volkslieder siehe eine vorzügliche Abhandlung von Feliks Starczewski in den Sammelbänden der internat. Mus. Gesellsch. 1902.: op. 6, 4; op. 30, 4; op. 41, 1 vor allen andern, dann: op. 6, 1 und 2; op. 7, 2 und 3; op. 17, 2; op. 24, 1 und 4; op. 30, 1 und 2; op. 31, 1; op. 41, 2; op. 50, 3; op. 56, 3; op. 59, 1 und 3; op. 63, 2 und 3; op. 67, 2 und 4; op. 68, 2 und 4; und a-moll.
Der Kujawiak geht zum Schluss meistens in einen ganz schnellen Tanz über, den Oberek. Dieser steht oft im 3/8 Takt, des schnellen Tempos wegen. Bei Chopin findet er sich nicht sehr oft. In der Fantasie über polnische Volksmelodien (op. 13) hat Chopin eine Oberek-Melodie benutzt. In den Mazurken op. 7, 4 und 5, op. 68 No. 3 und in anderen ist er auch zu erkennen.
Die Chopinschen Mazurken sind (nach Starczewski) nicht alle genaue Typen des eigentlichen Mazur. Kujawiak und Oberek spielen oft hinein. Reinste Mazur-Typen sind: op. 67, No. 1; op. 68, 2; op. 6, 5; op. 17, 1; op. 68, 1; ferner op. 7, 1; op. 17, 1 und 3; op. 24, 2; op. 30, 3 und 4; op. 33, 3; op. 41, 3 und 4; op. 50, 1 und 2; op. 57, 1 und 2; op. 59, 2; op 63, 1; op. 67, 3.
Von den mehr als 50 Chopinschen Mazurkas können hier nur einige besonders hervorgehoben werden. Es sei versucht, wenigstens nach einer Seite hin ihrer Bedeutung gerecht zu werden, nach Seite der Harmonik.
Fast nirgends so sehr als gerade hier, wandelt Chopin als Harmoniker neue Bahnen.
Die sinnenden Dudelsack-Quinten, der alte Musetten-Bourdon, leiten nicht selten gern den Anfang ein: so z.B. in op. 6 No. 2; ähnliches auch im Mittelsatz von op. 7 No. 1. Diese Stelle ist auch harmonisch ganz seltsam:
Sie ist als verzögerte Kadenz zu deuten. Die Akkordfolge ges, des, e, b und f, c, a liegt zu Grunde.Vgl. auch Johannes Schreyer: Von Bach bis Wagner, Dresden 1903, Holze u. Pahl, vorm. E. Pierson, wo S. 65-71 eine Anzahl Chopin'scher Kompositionen einer geistvollen harmonischen Analyse unterworfen werden.
Die chromatisch absteigenden Bässe, ein Erbtheil aus den frühesten Zeiten der instrumentalen Kunstmusik, wendet Chopin mit besonderer Vorliebe an: in No. 1 vor der Rückleitung des Hauptthemas, ähnlich im 2. Teil von op. 7 No. 2.
Diese Mazurka ist auch auffällig durch eine merkwürdig schwebende Harmonik: der erste Teil, besonders bei der späteren Wiederholung, schwebt zwischen D und A-moll.
Ueberraschend ist die Rückleitung des Hauptmotivs in op. 7, 4. Sie stellt sich dar als eine kühne Modulation von Des nach As:
Setzt man Des = cis und as = Gis, dann ist der Uebergang leichter verständlich.
Schöne Orgelpunkt-Wirkungen finden sich in op. 17 No. 2 im Mittelsatz: zwischen dem Orgelpunkt-Bass und der Melodie eine seltsame chromatische Sextenphrase in den Mittelstimmen; beim stretto vergleiche man die chromatischen Rückungen am Schluss des 1. Teils der B-moll-Sonate, 1. Satz. Sehr apart ist der Orgelpunkt in op. 17 No. 4 vor dem Schluss, auch hier wieder eine chromatisch absteigende Mittelstimme. Ueberaus merkwürdig ist der Schluss von op. 17 No. 4: das A-moll-Stück endet mit einem unaufgelösten dissonierenden Akkord: a, f, a, c. Richard Strauss' Zarathustra-Schluss ist hier vorweggenommen. Dieses Stück hatte den Beinamen »Kleiner Jude«. Man erinnere sich, dass Chopin »Majufes« virtuos spielte und manchmal höchst gelungene komische Nachahmungen der jüdischen Hochzeitsmusik gab. (Vgl. S. 11). Sehr wirksam ist enharmonische Umdeutung von gis und as in op. 17 No. 3; dadurch wird der plötzliche Eintritt des E-dur nach As motiviert:
Ebenso interessant ist die Rückkehr von E nach As wieder ohne eigentliche Modulation.
In op. 24 No. 2 findet sich mit ganz aparter Wirkung h im ausgesprochenen F-dur anstatt b, im lydischen Ton:
Auch hier tritt der Mittelsatz in Des-dur plötzlich ohne Modulation nach einem C-dur-Schluss ein – Chopin liebt das sprungweise, darum überraschende Eintreten einer neuen Tonart.
Op. 24 No. 4 ist ganz besonders reich an harmonischen Feinheiten. Schon der Anfang ein schönes Beispiel für die Chopin eigentümlichen Dominant-Anfänge. Es wird in die Haupttonart hineinmodulirt und der erste Eintritt des tonischen Dreiklangs als besonderer harmonischer Effekt vorbereitet. Dieses sehr moderne Verfahren ist später von Liszt und seinem Anhang aufgenommen worden. Man vergleiche z.B. Hugo Wolf: Italienisches Liederbuch No. 1, 23, 27 mit diesem Anfang. Diese Mazurka ist reich an schönen Mittelstimmen. Im zweiten Teil merkwürdige Tonvertretung, in B-moll e anstatt f:
kurz darauf ein spezifisch Lisztscher Effekt vorweggenommen (Schubert hat ähnliches): die Wiederholung desselben Motivs von verschiedenen Tonstufen aus in ganz überraschenden Harmoniefolgen. Zum Schluss ein 33taktiger Orgelpunkt mit merkwürdigen Einzelheiten, z.B.:
Das Ende B-dur, aber mit ges anstatt g, wie Dominante von Es-moll behandelt.
Sehr merkwürdig ist der Schluss von op. 30 No. 1: an Stelle der Dominante tritt der Subdominantsextakkord ein.
In op. 30 No. 3 wird ein chromatisch absteigender Bass gegen Haltenote in der Mittelstimme in origineller Weise zur Modulation benutzt:
Am Schluss dieses Stückes ist der Wechsel von Dur und moll merkwürdig, dabei verschärft durch dynamische Kontraste:
Op. 30 No. 4 moduliert zu Anfang von einem frei eintretenden dissonierenden leiterfremden Akkord sehr wirksam in den tonischen Dreiklang. Die »neapolitanische« Sexte, die Chopin liebt, hier schön angewendet (Takt 24-26).
cis | fis | gis
e | a | his
gis | d | dis
Zum Schluss chromatisch absteigender Bass mit langer Reihe der verpönten Parallelquinten, hier durch die kleine Septime gemildert:
Schlusskadenz unregelmässig IV, II 7, I, ohne den üblichen, vermittelnden Dominantseptakkord:
In op. 33 No. 4 fällt der frappierende B-dur-Mittelsatz nach dem H-moll-Hauptsatz auf, der zudem noch in C-dur abschliesst. Der Schluss betont das c anstatt cis in H-dur, – er steht scheinbar in C-dur, erst im letzten Takt plötzlicher Eintritt von h.
Op. 41, No. 1 beginnt mit einer Phrase in Cis-moll, die d anstatt dis enthält, eine phrygische Wendung.
Op. 41 No. 2. Anfang anscheinend A-moll, das Stück steht jedoch in E-moll. Kurz darauf Schwanken zwischen C-dur und E-moll (f anstatt fis):
Von wundervoller Wirkung der Eintritt des Septimenakkordes e, gis, h, d in Takt 57. Wurde in Palma geschrieben.
Op. 41 No. 3 in H-dur. Aber das H-dur tritt nur ganz spärlich auf. Das Stück besteht aus einer Reihe merkwürdiger Modulationen, die nur zum Zweck haben, jedesmal am Schluss den H-dur-Akkord wirksam hervortreten zu lassen.
Op. 50 No. 2. Hübscher Dominant-Anfang.
Op. 50 No. 3 enthält gegen den Schluss höchst bemerkenswerte Harmonien, die an Wagner erinnern.
Op. 56 No. 1. Anfang sehr merkwürdig: eine Reihe harmonischer Sequenzen. Erst im 16. Takte tritt der tonische Dreiklang H-dur ein, Takt 6-11 vom Anfang Orgelpunkt auf G.
Interessant sind die einstimmigen modulatorischen Passagen von C nach H am Schluss des Mittelteils:
Prachtvoll, an Hugo Wolf erinnernd, eine Orgelpunktpassage: Takt 40-35, vor dem Ende mit durch die Stimmführung gerechtfertigten scharfen Dissonanzen, ais und a, eis und e zusammen.
Diese Beispiele mögen genügen, um zu zeigen, welch eine Fundgrube harmonischer Feinheiten die Mazurkas sind. Es könnte ihnen ohne grosse Schwierigkeit eine dreimal so lange Reihe angegliedert werden, die um nichts weniger interessant wäre als die genannten. Um die erstaunliche Vielseitigkeit und Neuheit der Chopinschen Harmonik voll zu erkennen, müsste man auch die Etüden, Préludes u.a. eingehend auf ihre harmonischen Eigentümlichkeiten hin prüfen, eine Arbeit, die das Thema einer besonderen Abhandlung wäre.
Unregelmässige Anfänge, oft ausserhalb der herrschenden Tonart; neue Kadenzformeln am Schluss; neue Behandlung der Harmonien auf ihre Farbenwerte hin; eigentümliche dissonirende Mittelstimmen; eine Fülle neuer Modulationen, Orgelpunkwirkungen; kühnes sprungweises Fortschreiten von einer Tonart zur andern ohne Modulation würden einige der Eigentümlichkeiten Chopins in seiner Harmonik sein, durch die er auf fast alle bedeutenden Komponisten nach ihm gewirkt hat. Vieles von dem, was in der modernen Harmonik Bürgerrecht erlangt hat, geht auf Chopin zurück.
Die 50 Mazurkas Chopins, fast alle ziemlich kleine Stücke, gehören auch ihrem künstlerischen Gehalt nach zu dem wertvollsten, das Chopin hinterlassen hat. Eine erstaunliche Mannigfaltigkeit ist ihnen eigen. Kein Stück ist durch ein anderes überflüssig gemacht, jedes ist für sich ein vollendetes kleines Kunstwerk, das eine reicher, das andere weniger reich ausgeführt. Bewegt sich Chopin in den Walzern fast ausschliesslich im Salon, sind die Polonaisen vorwiegend aristokratischer Art, so tritt im Gegensatz dazu in den Mazurkas das ländliche in den Vordergrund. In ihnen ist künstlerisch gestaltet, was Chopin bei seinen Besuchen auf dem Lande erlauschte. Man sieht die Bauern beim Tanze, Hochzeitsscenen, Burlesken, (wie in op. 17, 4. z.+B., in Polen »kleiner Jude« Zydki genannt), idyllisches und erotisches, landschaftliches, alles findet sich darin. Man hört die Weidenflöte des Hirten, den Dudelsack, die Geige. Ueber manchen Stücken weht es wie kühle Morgenluft, andere haben den Wirtshausdunst. Aber auch der elegante Salonmazurka in seiner ganzen Verve findet sich. Da hört man, wie Liszt es ausdrückt »das Klingen der Degen« oder »das leichte Rascheln des Tülls und der Gaze, das Geräusch der Fächer, das Klappern von Schmuckstücken.« Nicht immer klingt ein vergnügter Ton hindurch. Manche Stücke sind von einem kläglichen Humor erfüllt, andere tief ernst, sogar traurig und niedergeschlagen, manche fieberhaft erregt, fernes Kampfgetön klingt hinein, ein leiser Trompetenstoss, ein gedämpfter Wirbel wie von weitem herübergeweht. In anderen wieder herrscht kecke Kampfeslaune, in mächtiger Steigerung schreiten sie fort. In allen hat Chopin die pikante Rhythmik der slavischen Volkstänze voll ausgenutzt und geistreich in eigener Art behandelt.
Die Mazurkas op. 6 und 7 sind wahrscheinlich noch vor der Pariser Zeit entstanden; op. 67 und 68 stammen aus dem Nachlass, sind zum Teil ganz frühe Arbeiten; op. 68 No. 4 wird als »dernière inspiration« Chopins bezeichnet, er soll sie kurz vor seinem Tode geschrieben haben. Man darf vielleicht die Wahrheit dieser Notiz bezweifeln. Für einige Mazurkas gibt es in Polen eingehende Kommentare, so z.+B.
[Endnote. Aus technischen Gründen an der Verweisstelle eingepflegt.Re]Siehe Kleczynski, »Chopins gröss. Werk« über op. 33, 4. Diese Mazurka hat zwei Kommentare: ein Gedicht von Ujejski: »Der Dragoner« (tragisch), ein Gedicht von Zelenski (komisch). Bei Ujejski singt der Dragoner, der, von seinem Mädchen sich verschmäht fühlend, in den Tod gehen will: »Läute, Glocke, läute, trag', mein Ross, mich in die Fluten«; bei Zelenski singt der Bauer nach dem Streit mit seiner Frau: »Käthe, Käthe, komm, jetzt wird Ruhe«, beides bezüglich auf: etc. am Schluss. Ueber die Mazurka »Kleiner Jude« (op. 17,4) siehe Kleczynski's humorvollen Kommentar S. 65.
op. 33, No. 4. In Betreff des Vortrages teilt Kleczynski mit, dass die für die Mazurka charakteristische Triole nicht zu schnell gespielt werden darf. In op. 33 D-dur z.B. wird die Figur 16 mal wiederholt, ähnlich in der l. Mazurka in Fis moll.
* * *
Der Walzer war von Deutschland aus nach Polen eingeführ worden. Eine polnische Walzerlitteratur von Belang ist kaum bekannt. Die Muster sind deutsch. Webers und Schuberts Tänze mag Chopin wohl gekannt haben. Insbesondere bei Schubert finden sich bisweilen Stücke, die durchaus auf Chopin hinweisen.
Von den Walzern wurden die Nummern 9-14, op. 66, 70 und op. posth. von Chopin selbst nicht veröffentlicht.
Unter ihnen dürfte op. 70 No. 1, Ges-dur, vielleicht an erster Stelle zu nennen sein. Das Walzermotiv mit seinen kecken Sprüngen, seiner eleganten Linienführung ist durchaus originell. Die zweite Stelle würde op. 7O No. 3 in Des-dur gebühren. Die feinen geschlängelten Linien der Mittelstimme wären wohl niemand ausser Chopin unter die Finger gekommen.
op. 69, 1 in As-dur ist das »Adieu« an Maria Wodzinska, bei Chopin's Abreise für sie in Dresden 1836 komponiert. Hin elegischer Ton ist darin deutlich ausgeprägt. Der Des-dur-Walzer op. 70 No. 3, von Constantia Gladkowska inspiriert, ist 1830 geschrieben, op. 70 No. 2 i.J. 1840 oder 41.
Verleugnet sich nun Chopin auch in den letzten Walzern keineswegs, so sind doch die früher erschienenen, No. 1-8, musikalisch viel reicher.
No. 1, op. 18, Es-dur, ist ein brillantes, temperamentvolles Tanzstück mit einer Fülle schöner Melodien und interessanter Einfälle. Es ist noch vor 1830 in Warschau geschrieben. Vgl. Hoesick, S. 807. Der Preis unter allen Walzern gebührt
op. 34 No. 1 (in As-dur). An Schwung und Feuer, Temperament und Poesie steht er allen anderen voran. Prächtig steigert sich die Klangfülle gegen das Ende zu, man sieht ordentlich das Wogen der Menge im Tanzsaal; kurz vor dem Schluss ist es, als ob sich der Zuschauer langsam entferne, immer leiser wird es, nur abgebrochene Melodiestücke hört man, einmal hört alles auf, nur der Tanzrythmus im Bass zieht weiter.
op. 34 No. 2 (in A-moll), zwar »Valse brillante« betitelt, beginnt aber ganz melancholisch wie eine »Valse triste«. Nur in der Mitte wird es auf ein paar Momente lebendiger, dann beginnt wieder das langsame Drehen; man meint, den ländlichen Dudelsackbass zu hören, und ein klägliches Fagott in der Mittelstimme, wozu oben die Geigen den Tanzrythmus angeben.
Nicht ein glänzendes Bild des eleganten, weltmännischen Vergnügens, wie die meisten anderen Chopin'schen Walzer, sondern eine ländliche Scene. Durchaus slavisch im Charakter.
op. 34 No. 3 (F-dur). Sehr brillant; glänzende Hörner- und Trompetenstösse in der Einleitung, dann schwirren die Geigen munter, schwingen sich bald mit Elan in die Höhe. Dieses Schwirren nimmt den ganzen ersten Teil in Anspruch. Dann sieht man die Kavaliere sich verneigen,
der Verbeugung folgt ein elastisches Aufhüpfen. Zum Schluss wird es ganz humorvoll, bei dem dimin. und perdendosi geht der Tanz zu Ende, dann noch zwei Generalpausen; nur ein paar Uebermütige sind noch zurückgeblieben und karrikieren die Reverenzen der eleganten Paare. ff in mächtigem Sprung, die Septime fast doppelt erweitert, wird die Verbeugung persiflirt.
op. 42. (As-dur). Dem ersten As-dur-Walzer fast ebenbürtig. Beginnt ausserordentlich graziös mit einer pikanten rythmischen Figur:
6/8 in der rechten Hand gegen 3/4 im Bass. Gegen den Schluss hin immerwährende Steigerung, zuletzt ein wahres Getümmel.
op. 64 No. 1. (Des-dur). Der sogenannte Minutenwalzer, im Hauptsatz eine Art perpetuum mobile, dem sich ein etwas getragener Mittelsatz entgegenstellt. Ein Salonstück par excellence; gehört in dieser Gattung zu dem allerfeinsten, was man finden kann.
op. 64 No. 2. (Cis-moll). Auch in Moll, hat aber nichts von der tristen Art des A-moll-Walzers. Ein ganz mondaines Stück. Ihm fehlt die Ausgelassenheit, die Lebendigkeit, die manche der anderen Walzer auszeichnet. Dafür hat er einen sehr noblen Ton; der Des-dur-Mittelsatz bringt eine ausnehmend schöne Kantilene.
op. 64 No. 3. (As-dur). Gemächlich dahingleitend. Besonders schön der Mittelsatz in C-dur mit seiner Cellomelodie. Sehr wirksam ist die Ausweichung nach E-dur vor dem As-dur-Schluss.
Der Ursprung der Polonaise wird gewöhnlich auf den festlichen Empfang zurückgeführt, den die polnischen Grossen in Krakau am 15. Februar 1574 Henry Valezy bereiteten, dem späteren König Heinrich III. von Frankreich. In langem Zuge schritten die Paare nacheinander und neigten sich vor dem Throne. Vielerlei Windungen wurden beim Schreiten vom Zuge ausgeführt. Durch Heinrich gelangte diese neue »danse polonaise« später nach Paris und verbreitete sich von dort über ganz Europa. Die übliche Art der Polonaise ist allgemein bekannt. Was man aber gemeinhin Polonaise nennt, gibt nicht einmal einen schwachen Schimmer von dem glänzenden Bild, das sich bei grossen Gelegenheiten in Polen darbot, wenn der Adel in prunkvollen Nationalkostümen pomphafte Aufzüge veranstaltete. Eine charakteristische polnische Figur des Tages beschreibt ein polnischer Forscher (Starczewski) mit folgenden Worten: »Der Tänzer hält sehr oft mit seiner linken Hand die linke der Tänzerin, manchmal lässt er seine Dame allein gehen, und dann klatscht er leise in die Hände, und die polnischen Ritter und Wojowoden drehten beim Tanzen stolz ihre Schnurrbärte.« Ein grosser Dichter, Mickiewicz, hat in seinem Epos »Pan Tadeusz« die anschaulichste Schilderung der Polonaise gegeben. Der berühmte polnische Literat Casimir Brodzinski hat die polnischen Tänze anschaulich beschrieben. Niecks citiert, was Brodzinski über den Krakowiak, Mazurek, die Polonaise mitteilt. (Siehe Niecks, II, 233, 234, 241, 242f, eine sehr interessante Stelle aus Mickiewicz' »Pan Tadeusz«: die anschaulichste Beschreibung einer Polonaise.)
Eine ziemlich beträchtliche Polonaisen-Literatur hatte sich in Polen im Laufe der Zeit angesammelt. Oginski, Kurpinski, Moniuszko gelten als die besten Polonaisen-Komponisten. Ihnen schliesst sich Chopin an. Er brachte die Gattung auf das höchste Niveau.
Op. 26, No. 1. (Cis-moll). Ein leidenschaftliches, düster gefärbtes Stück; durchaus chevaleresk, aber nicht martial. Auch das zarte, weibliche kommt darin zu Wort. Der zweite Teil, meno mosso, ist durchwegs Kantilene, stellenweise wie Dialog zwischen Geige und Cello; erhält sinnlich glühende Färbung durch die sehr stark chromatische Harmonik. In der Form nicht ganz zufriedenstellend, da die beiden Hauptteile nicht genügend in Beziehung zu einander gesetzt sind.
No 2. (Es-moll). Heimliches Murren, Trotz, Auflehnung sprechen aus diesem erregten Stück. Wie verhaltenes Toben klingt es oft. In der Einleitung hört man wie Trommelwirbel und Trompetengeschmetter. Allmählich scheint sich ein Reitertrupp in Bewegung zu setzen, im Galopp stürmt er davon. Da erscheinen neue Klänge:
pp, wie von Flöten und Hörnern ertönt aus der Ferne eine Marschmusik, kommt näher und näher, Trompeten schmettern darein, durch überraschende Ausweichungen wird beim ff der Glanz noch erhöht – von Des nach A, dann nach F-dur –. Allmählich verliert sich alles in der Ferne, und nun wird der erste Teil zurückgeleitet. An Stelle des zweiten Abschnittes folgt als Mittelteil die Durchführung eines verwandten Motives
und darauf nochmalige Wiederholung des ganzen ersten Teils. In der Form eines Rondo mit 2 Seitensätzen.
op. 40, No. 1. (A-dur). Von allen kürzeren Polonaisen die glänzendste. Ein rechtes Prunk- und Feststück. Von Anfang bis Ende nur im f, ff oder fff. Ein eigentliches mf oder p kommt überhaupt nicht vor. Ausgezeichnet durch überaus energische Rythmen. Nach Kleczinski's Mitteilung zur Zeit epochemachend. Liszt spielte sie in fast allen seinen Konzerten.
op. 40 No. 2. (C-moll). Musikalisch viel interessanter als die vorhergehende Polonaise. Mehr symphonisch im Stil im Gegensatz zu dem rein akkordischen, homophonen des A-dur-Stücks. Wiederum als Rondo mit mehreren Seitensätzen gebaut. Das Hauptthema eine weitausgreifende Bassmelodie von grossem Schwung. Die Akkorde der rechten Hand geben den Marschrythmus an. Durchaus maestoso. Der erste Zwischensatz bringt plötzlich mehr Bewegung hinein. Von schöner Klangwirkung die Tonrepititionen des Motivs:
und der lange Orgelpunkt auf G. Darauf Wiederholung des Hauptsatzes. Als zweiter Seitensatz eine as-dur-Kantilene.
op. 44. (Fis-moll). Noch bedeutender, viel einheitlicher und kräftiger. Wie ein Sturmwind fegt es durch das Stück. Kühner Kampfesmut spricht aus den elastischen, kraftvollen Motiven. Man meint, reisige Scharen aufbrechen zu sehen. Weiterhin, wo das Motiv
einsetzt, ist das Galoppieren der Pferde, das Klirren der Waffen und Sporen lange Zeit hörbar. Schliesslich verschwindet das Getrappel. Eine überaus anmutige Mazurka tritt ein, durchaus zart – wie eine ländliche Scene während der Rast –, dann tönt es wieder zum Aufbruch, und mit noch grösserer Verve und Schneidigkeit als zuerst geht es wieder vorwärts.
op. 53. As-dur. Bildet den Gipfelpunkt der Gattung »Polonaise« überhaupt. Weder bei Chopin selbst noch sonst irgendwo findet sich eine Polonaise, die an Bedeutsamkeit der Themen und an Glanz der Ausführung sich mit dieser messen dürfte. Nach Kleczynski's Mitteilung versetzte die Komposition »den Meister in Hallucinationen und veranlasste ihn, aus dem einsamen Turm des Schlosses Nohant zu fliehen, indem er sich einbildete, die Fusstritte der Vorfahren in ihren klirrenden Rüstungen zu hören und sie selbst in majestätischer Prozession näher und näher an sich herangleiten zu sehen.« Alles, was an Glanz, Würde, Kraft und Begeisterung, an nationalem Gefühl in der Polonaise steckt, ist in diesem Meisterstück aufs eindringlichste zum Ausdruck gebracht. Es ist die Polonaise der Polonaisen.
Der Anfang ist eins der glänzendsten Beispiele für die von Chopin häufig angewandten Dominant-Anfänge. Den tonischen As-dur-Dreiklang hört man im 17. Takt zum ersten Male. Die 16 ersten Takte bewegen sich auf der Dominante, die den Bass im Sinne eines Orgelpunktes beherrscht. Grosse Spannung wird durch die immer von neuem hinausgeschobene Auflösung der dissonierenden Akkorde erregt, und wenn endlich im 17. Takt das Hauptmotiv erscheint, so ist sein Eintritt von blendender Wirkung. Das Thema selbst ist von einer Kraft, Vornehmheit und Eleganz, von einem aristokratischen, mannhaften Gepräge, wie es selbst Chopin nicht oft so zu finden wusste. Fortreissend wirkt die gerade aufs Ziel losgehende Durchführung des Gedankens in ihrer Schlagkraft. Der Mittelsatz in E-dur, ein helles Trompeten-Motiv, steht über einer basso ostinato-Figur, die vom pp allmählich zum stärksten ff anschwillt. Das Trappeln der Pferde, das Herannahen einer Kavalkade ist leicht herauszuhören. An die Oktaventechnik der linken Hand werden hier grosse Anforderungen gestellt.
Die Polonaise-Fantasie (op. 61) wird von allen Polonaisen am wenigsten gespielt. Es fehlt dem Stück die Einheitlichkeit des op. 53, es zerfällt in zu viele Einzelabschnitte, ist nicht übersichtlich genug, entbehrt der plastischen Themenbildung. Aber im Einzelnen ist es reich an schönen Gedanken und harmonisch eins der interessantesten Stücke Chopins. Man betrachte die ersten 22 Takte, sie sehen aus, als wären sie von einem ganz Modernen unserer Tage geschrieben. An aparten Klangwirkungen gibt es die Fülle. Nur einige besonders auffallende seien genannt: Die äolsharfenartigen Klänge der Einleitung, ein prächtiger Pedaleffekt, mit der entzückenden, leise dissonierenden None und Undecime im Akkord; im letzten Teil die Variante dieser Stelle: Der Triller pp ein-, zwei-, dann drei- und vierstimmig über dem vom Pedal langgehaltenen Dominant-Septimenakkord, von bezauberndem Klangreiz :
Bei einer andern Trillerstelle ist der berühmte Triller aus dem 3. Siegfried-Akt (vor Brünhilde's Erwachen) vorgeahnt:
Nach Kleczynski lag dieser Polonaise eine Art Programm zu Grunde. Sie sollte »Vergangenheit und Zukunft« widerspiegeln. Karasowski (S. 366) über die Polonaise-Fantaisie: »Sie soll das Bild der nationalen Streitigkeiten und Kämpfe schildern und endet mit einem pompösen, hymnusartigen Triumphgesang« – wohl als Ausdruck der Hoffnung auf den schliesslichen Sieg der polnischen Nation.
Die übrigen Polonaisen, op. 71 No. 1, 2, 3 und das oeuvre posthume in Gis-moll sind erst nach Chopins Tode veröffentlicht worden. Es sind Arbeiten aus früheren Jahren, die er des Druckes nicht für würdig erachtet hat. Die 3 Polonaisen des op. 71 stammen aus den Jahren 1827 und 29, die Ges-dur-Polonaise aus dem Jahre 1829. Sie sind als Arbeiten eines jungen Menschen von 17-19 Jahren aller Anerkennung wert, halten aber den Vergleich mit Chopin's reiferen Arbeiten nicht aus.
Den Vortrag betreffend macht Kleczynski die Bemerkung, man müsse in den Chopinschen Polonaisen durchweg »sechs« zählen, anstatt »drei«, damit die Gewichtigkeit und Gemessenheit gewahrt bleibe.