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»Wer nicht zupackt, den greifen die Nachbarn, und wer keine Rattenfallen aufstellt, der wird von den Ratten gefressen. Wie käm' ich dazu? Drum Hand an den Pflugsterz und däftigen Boden unter den Schuhen, sonst hohnepiepeln die anderen und verschleißen einen für 'nen veritablen Hammel. Bloß feinen Rahm in der Flasche. Bouteillen, die nach dem Proppen riechen, werden retourgestellt. Wer mahlen will, muß sich mit dem Müller benehmen. Nichtsdestoweniger: man hat Kontenance zu beobachten.«
So Jan-Ohme.
Er stand noch geraume Zeit an der großen Einfahrt, hinter sich den Gutshof, vor sich die endlose Ebene, die unter dem stillen Sonnenfeuer blitzte und flimmerte, gleich den wirren Splitterchen in einem Kaleidoskop.
Der warme Duft nach niedergelegtem Getreide kam wie eine langsame Welle herüber. Dazwischen das Dengeln der Sensen, das müde Rasseln der Halfterketten ... und weit dahinten, kaum dem Auge sichtbar, lagen die Katen in einem blühenden und wehenden Sommerblust.
»Also, was tun und wohin des Weges?«
Er wußte es nicht.
Eigentlich hatte er vor, nach dem Aukamp zu gehen, um dort in eigener Sache zu wirken. Gleich darauf drängte sich ihm etwas anderes auf.
Er erinnerte sich der soeben durchlebten Stunde.
»Na, denn mit's Orakel heran!« und er zählte an den Rockknöpfen herunter: »Aukamp oder anderswohin? Direktemang Aukamp oder anderswohin? Aukamp oder anderswohin? Also anderswohin ...« und er schwenkte seinen Bakel, nahm eine gehörige Portion Wind in die Nase und marschierte dem Sommerblust zu, der sich über Huisberden fort bis in die Gegend von Riswick erstreckte.
Herrgott, wie heute die Welt so schön war!
Blankgescheuerte Wolken standen tief im Westen. Sie schienen aus purem Silber geschlagen. Darüber wölbte sich ein blauer Himmel von unendlicher Klarheit. Da lag sie nun vor ihm, die niederrheinische Heimat, mit all ihrer Schwermut, mit all ihrer Feierlichkeit, mit dem Behagen eines Edamer Käses und der ausgelassenen Fidelität eines Kasperletheaters. Und Glockentöne hingen in der Luft. Sie sangen und pendelten allmählich in die Stoppeln nieder. Vom Feldrain her kam ein Fiedeln und sanftes Trompeten. Es war das sanfte Trompeten, Fiedeln und Geigen der Zirpen, das rastlose Flügelwetzen der Heupferdchen, die nicht müde wurden, sich wechselseitig an ihren monotonen Weisen zu erfreuen ... und Jan-Ohme zwischen all dem Sicheln und Sensen, dem Singen und Sagen, dem lauwarmen Atmen der Unendlichkeit.
Von einem Fluchthügel aus, den eine rotborkige Kiefer, das Wahrzeichen der ganzen Umgebung, beschattete, regierte der alte Strückerjans seine vielhundertköpfige Herde. Er lenkte sie im weiten Kreise von Feldmark zu Feldmark, von Brache zu Brache, nur mit seinen ausgebleichten Augen und dem gemessenen Hantieren seines abgegriffenen Stabes.
Er sah Jan-Ohme kommen, grüßte herablassend, fast gravitätisch, ohne seine Stellung zu ändern, und als dieser herantrat, zeigte er ihm seine gelben Stockzähne, legte den Kopf auf die Seite und fragte: »Herr Baumann, hat der Knollenkamp auch mal wieder die Ehre genossen?«
»Just wie Ihr sagt. Vier Augen sehen besser als zweie. Ab und zu muß man die Sache in Beobachtung halten.«
«Ganz meine Ansicht. Wir können's gebrauchen, denn offen gestanden: seit dem großen Sterben vom Baas kann ich so recht nicht mehr schlafen, und wenn ich es tu', ist es man bloß ein Schlafen wie unter 'nem Sargdeckel.«
»Warum das?«
»Herr Baumann,« und der Alte sog langsam und schwer die Luft ein, »ich hab' so'ne Bange, so etwas hier sitzen, wie's die Lungensüchtigen haben. Keine ausgesprochenen Schmerzen, hingegen auch keine Freiheit mit's Atmen. Gewisses ist dabei nicht auf die Beine zu stellen. Aber ich kann mir nicht helfen: den Baas hat's unversehens aus dem vollen Leben gerissen. Er machte das Seinige, wenn auch nicht immerst so, wie er sollte, und da meinen die Leute, daß sich das Zepter jetzt man in 'nem schwachen Zustand befände. Die Madam hat mir das zwar abdisputiert und behauptet: Zu viel melken, gibt Blut, und zu viel des Redens, gibt närrische Köppe, und dann noch gesagt: Wer mir an Hof und Haus und den Hufwagen karrt ... hier diese zwei Fäuste ... Hab' ich begriffen. Indessen wie die Frauensleute so sind. Ihnen mankiert der Spiritus, in die Zukunft zu kucken; sie sind unbewandt und verehren nur die Munstranz, die sie im Herzen haben, und nicht die Munstranz, die sie in die Beurteilung legen. Das ist mir erst später zur Besinnung gekommen ... und wenn es die Madam auch mit jedem aufnehmen kann, ich ihr dito gesagt hab': Das Regententum bleibt schon in die richtigen Hände – immerst und immerst wieder kommt mir der verfluchte Gedanke: weiß der Teufel, ob da nicht irgendwas steckt, was dem Knollenkamp das Wasser abgräbt, ihm mißgönnt, unter dem Blut der Donsbrügge weiter zu leben.«
»Wie meint Ihr das?« fragte Jan-Ohme mit kreisrunden Augen.
»Herr Baumann!« und Strückerjans riffelte seine gelben Biberzähne gegeneinander, machte eine große Handbewegung und murrte: »Herr Baumann, in den letzten Tagen ist wieder so'n dämliches Gemunkel unter die Knechte und Weiber getreten. Ich hab' schon dagegen anoperiert, aber immerst haben sie mir mang die Schläfen gehauen: Paß Achtung! vom Emmericher Eiland steigt das Malör an, legt sich über uns, läßt uns immerst den Rosenkranz beten. Aber wir denken nicht dran, uns von solchem Knollfinken regieren zu lassen ... Herr Baumann, und da möchte ich fragen: Was haltet Ihr davon, und wie steht nu die Sache? denn Ihr seid doch der nächste dazu, gewissermaßen der Ohm von der Erbschaft, und da sollte man glauben ...«
Erwartungsvoll waren die ausgebleichten Augen auf den Gutsbesitzer gerichtet.
»Ja,« meinte dieser, »so'n bißchen ist schon dran an der Sache.«
Die Blicke des Alten glimmten wie Holzmulm.
»Christus! wieso denn?«
Jan-Ohme schlug mit seinem Stock eine vielsagende Bolte, stieß ihn in die zerfurchte Stoppel und brummte: »Testamentum ... Sigillum ... preußischer Kuckuck ... streu' Sand drauf ... actum ut supra!«
»Also doch?!«
Strückerjans war rein aus dem Häuschen. Er ließ seine Blicke revieren, fing sie wieder ein und richtete sie scharf auf den Gutsbesitzer.
»Also die Geschichte mit dem Kerl vom Emmericher Eiland ist doch nicht aus den Fingern gesogen, besteht zu recht und will das Regententum über den Knollenkamp haben?! Herr Baumann« – und seine Stimme stieg hoch mit der Kraft eines Sperbers – »ich mache mobil, denn gegen ein solches Testamentum muß man mit Forken und Mistgabeln anduwellieren. Ihr müßt der Oberste sein. Das hab' ich mir so ausspekuliert. Ich tu's, und wenn ich darüber nach Kleve gelangte.«
»Halt!« gebot Jan-Ohme. »Nicht gleich mit die bockigen Gäule über den Hof fort. Immer dusemang und fortepiano. Nicht die Mistgabel, aber die heilige Liebe – die tut es, Mannesliebe und Weibesliebe, mit 'ner reellen Kinderstimme dazwischen. Nichts weiter. Heiraten muß sie, aber 'nen andern ... einen von denen, die einem den Atem versetzen, die zupacken mit Mannesgewalt und das Weib erst zum Weib und zu einer Königin machen.«
»Also die Liebe, die tut es?«
»Jawoll!« brüllte der Baumannshöfer.
»Aber ich denke: man bloß eine solche von Bonität und Noblesse, die die heilige christkatholische Kirche ankopuliert?«
»Natürlich!«
»Oh!« jauchzte der Alte, und er machte Augen wie die Fluglöcher von Starenkästen, »da glaubt Ihr, Herr Baumann, da glaubt Ihr ...?!«
»Jawoll!« schnitt ihm der Gutsherr das Wort ab, »ich glaube, daß hierdurch Testamentum, Sigillum und der preußische Kuckuck Hals geben müssen.«
»Oh! und daß Gut und Regententum bei der Madam bleiben, ungedeelt, für immerst und ewig?«
»Auch dieses ... addio!«
Jan-Ohme nahm wieder den Weg unter die Füße und marschierte den drei Katen entgegen, während der alte Schäfer ihm nachschaute, verweht und beseligt, als hätte ihm der Engel Gabriel eine glückliche Botschaft vermeldet.
»Oh!« und mit beiden Händen hob er seinen Stab gegen das Himmelreich und straffte sich, daß die dürren Gelenke knisterten, »also die Liebe, die tut es, aber man bloß eine solche von Bonität und Noblesse, die die heilige christkatholische Kirche verfertigt ... und damit es also geschieht: ich mache nächstens auf Kevelaer zu, dreimal hin und dreimal retour, ohne Besinnen, mit magerem Knappsack, 'ne Portion trockener Erbsen in den Transchuhen – alles meinem Gott, dem Knollenkamp und der Madam zu Ehren, auf daß wir in der Anschauung des Ewigen und in unserem jetzigen Regententum bleiben. Großer Gott, heiliger Gott, allmächtiger Gott ...!« und dann sang er hinter Jan- Ohme her so gesinnungskräftig, so glaubensstark, daß seine harte, brüchige Stimme die ganze Gegend erfüllte:
»O Vater unser, der du bist
Im Himmel und auf Erden,
Dein Name, der so liebvoll ist,
Soll stets geheiligt werden.
Dein Reich, von Anbeginn der Welt,
Bereitet allen Frommen,
Das laß, wenn dieser Staub zerfällt,
Für uns auch einstens kommen.
Ersticke Sünde, Not und Spott
Und allen bösen Samen;
Erlös' uns jetzt und einst, o Gott,
Von allen Uebeln. Amen.«
So sang er, so betete er, so bekräftigte er sein Glaubensbekenntnis, andächtig im Geiste, erfüllt von dem Wunsche, den Hof auf Gedeih und Verderben bei der jetzigen Herrin zu lassen.
Jan-Ohme hörte ihn singen und freute sich dessen.
Emsig rollte er die blumigen Pfade unter sich auf.
Er war in den Bereich der geschorenen Wiesen und Weiden getreten.
Drüben, auf Huisberden zu, dicht an die Binnendeiche gerückt, lag Neuland für ihn. Im Vorgärtchen der mittleren Katstelle blühte und grünte es üppig. Ein Weih kreiste darüber hin. Er trug das silberne Licht des Tages auf seinen gebreiteten Schwingen. Es war alles mit Gottes Hauch überzittert. –
Just wie am Beerdigungstage, just so rund und appetitlich, stand auch heute Jüllecke Nakatenus vor der Haustür, tat schön wie eine Pfauhenne und blinzelte glücklich über den Blumenflor hin, als wenn es gölte, die Harmonie ihres inneren Menschen von Kapuzinerkäppchen, Akelei und Tausendschönchen wiegen zu lassen. Just wie damals trug sie auch heute die niederrheinische Knippmütz, den selbstgesponnenen Beiderwandrock, nur alles gediegener, feiertägiger, mit Fransen und Kantillen behangen, hatte auch wieder ihre runden Arme übereinandergeschlagen, als wenn sie damit etwas Köstliches zu stützen hätte. Das hatte sie auch, etwas sehr Preziöses, und es hob sich dabei wie unter einem milden Passatwind. Ach! und dieser Gottesfriede ringsum, diese Julifreude, diese Andacht zwischen Himmel und Erde! und durch diesen Gottesfrieden sah sie jemanden kommen, den schmalen Grasweg entlang, direkt auf die Katstellen zu, und als er nur noch auf Rufweite entfernt war, schlug sie die Hände zusammen und frohlockte ihm entgegen: »Christus, wer kommt da?!«
»Ich in Person und noch immer ein und derselbe.«
Sie streckte ihm ihre blanken Arme entgegen.
»Herr Jeses und seine vierzehn Nothelfer! Jan- Ohme, Ihr rappelt Euch mal so'n bißchen auf, um Euch wieder in Erinnerung zu setzen?!«
»Tu' ich, und nehmt es nicht übel ... Aber so ist das im menschlichen Leben: die man gern auf dem Schoß hätte, muß man meistens aus der Perspektive besehen; solche hingegen, die einem keinen Mäusedreck gelten, hat man immer in der Falle drin sitzen. Indessen, es läßt sich schon halten,« und er nahm ihre Hände und streichelte sie, als wenn er über etwas Seidenfadiges glitte, sauber, fein sauber. Sie ließ es geschehen und murkste dabei wie ein Angorakaninchen.
»Ach!« sagte sie schämig, mit verzückten Äugelchen, »hab' ich doch so 'nen Animus gehabt, als wenn heute noch etwas Besonderes und Gutes kommen tun täte! Über Sie aber auch, mein lieber Herr Baumann! Sie sind heute so ausnehmend und über alles Erwarten.«
»Immer galant gegen Damen ... und wie steht das Befinden?«
»Ich danke der Nachfrage. Es geht ja, und bei Ihnen, Herr Baumann?«
»Merci. Schlankweg vom obersten Ende. Nicht der Verhältnisse halber, sondern der näheren Umstände wegen: immer toujours vom Bocksitz herunter. Jan- Ohme und Vivität haben stets aus derselben Portionsschüssel gelöffelt. Aber was los hier?! Das riecht hier so proper, so nach Waffeln und Pünsche.«
»Treffend bemorken, Herr Baumann, ist aber in dieser Beziehung bloß alle Jahre zu haben. Ihr müßt nämlich wissen: meine drei sitzen hier dicht nebenan, meinem Geburtstag zu Ehren. Auch Phöns met de Fleut kuckt ins Punschglas, um der Festivität 'nen bekömmlichen Anstrich zu geben ... und da sollte ich meinen ...«
»Jesses!«
Jan-Ohme klavierle sich gegen die Stirne: »Und so was konnte unsereins vergessen und in den Schornstein verzeichnen?! Aber desungeachtet: gratuliere, und was mir so im Gefühl herumstochert ...« und der prächtige Gutsbesitzer wurde äolsharfenweich und lau, streichelte weiter, schob sein Flambeaugesicht näher heran und sagte: »Exküsiert, aber ich so als alter Bekannter ...« und ohne sich weiter um Herkommen und Sitte zu kümmern, klebte er ihr einen sanften Kuß auf die Wange.
»Ach! diese Ehre, Herr Baumann,« und Jüllecke hörte die Ewigen psallieren: Cherubim und Seraphim und die niedrigen Engelschöre mit krölligen Löckchen, die da anhuben einen Psalm Davids vorzusingen auf der Githith mit acht Saiten. Sie himmelte. Mit braunem Velour glitt es über ihre Maronenaugen. Ihr Zünglein kam etliche Male zum Vorschein, um feucht und rosig über die üppig aufgeworfenen Lippen zu gleiten.
»Nein, diese Aufwartung!« während Jan-Ohme nicht abließ, ihren appetitlichen Armen zu schmeicheln und heimlich zu flüstern: »Jüllecke, wenn ich mich selber betrachte, dann bin ich so vor fünfundzwanzig Jahren herum der veritabelste Esel gewesen.«
»Aber Herr Baumann!«
»Der ausgemachteste und veritabelste Esel!«
Er nahm sie sacht bei den Schultern und drückte sie rücklings: »Und hätte ein Kavalierhirsch sein können, frisch und agil von oben bis unten. Denn in memoriam: ist da vor Jahren in der Nachbarschaft so'n gediegenes und rundes Mädchen gewesen, nicht reich, aber hast du mich nicht gesehen, 'ne Perle, mit 'nem gewissen Plie unter der Bluse ... und ich habe nicht zugegriffen, ich Esel ... bin dran vorübergegangen wie'n verdammelter Karrengaul an 'nem prima Lupinenfeld ... und wenn ich dann denke: du sitzt jetzt so ganz mutterseelenallein da drüben auf dem Baumannshof zwischen deinen Schweineställen und Melkeimern ... ach, Jüllecke, Jüllecke ...!« und der alte Herr legte ihr sachte den Arm um die Taille: »Alles in Ehren; nur ganz dusemang und fortepiano. Ich möchte so'n bißchen die alten Zeiten aufmunterieren.«
Sie wehrte ab.
»Nicht so, Herr Baumann! Bitte, lassen Sie das. Sie wollen sich ja bloß über mir monkieren.«
»Jüllecke, ich?! Das ist Herzensempfindung. Für Euch bin ich damals durch den Martersteig meiner süßesten Gefühle gegangen wie Phöns met de Fleut durch das schöne Reich seiner Schmerzenstöne.«
»Ach, Sie! wo Sie damals mit die russische Fürstin ...«
»Jüllecke, keine falschen Erinnerungen. Das hakte mit meiner politischen Dummheit zusammen und galt keinen Proppen. Reinstes Demokratentum, während die wahrhaftige Liebe ...«
Er drückte sie an sich.
»Nicht der Verhältnisse halber, sondern bloß der näheren Umstände wegen ...«
»Herr Baumann, ich bitte Ihnen, Herr Baumann! Wie soll ich das nehmen? Das kann ich musmaßlich nicht für voll estimieren.«
Ihre Kräfte versagten. Sie wurde matt an seiner Brust. Nur die Dünung ihrer wohlig angefüllten Bluse plätscherte sanft und selig gegen seine Samtweste.
»Ach, du mein Göttchen! wäre das man früher gekommen! Damals, vor Zeiten, als ich noch in voller Montierung aufwarten konnte! Aber jetzt, wo sich die Liebesgefühle schon auf abgetretenen Plüschpantoffeln bewegen – unmöglich! Christus! ich bitte Ihnen um tausend Gotteswillen, wenn jemand käme, Herr Baumann! Nicht weiter! Das sind vergangene Positionen,« und die prächtige Jungfer wand sich tapfer und fest aus der zarten Umarmung.
»Oh!« sagte Jan-Ohme, »dann nur noch so'ne kleine Verholung.«
»Weil's Sie sind – gerne, Herr Baumann,« und dieses Mal kam ihm Jüllecke gern und willig entgegen, hob sich auf Zehenspitzen und hielt ihm ihr knopfrundes Mündchen hin, als wenn es zwei knappige Herzkirschen wären ... Ach! und der ehrwürdige Holunder, der das kleine Gärtchen behütete, der schon manches Stelldichein belauscht haben mochte – ein trauteres, ein so liebes, vergilbtes, ein so mit altmodischem Lavendelwasser umduftetes Schnäbeln war ihm in seinem langfristigen Dasein wohl niemals vor die Sinne getreten ... niemals, noch niemals! Vor eitel Seligkeit begann er heimlich zu flüstern, zu rauschen, ganz alte Geschichten zu erzählen, bis Jüllecke das Zehenwippen einstellte, auf ihre Lastingschühchen zurückfiel und sagte: »Nu aber wieder retour in den gewöhnlichen Alltag, wenn es auch schwer fällt, sich aufs frische als powere Mamsell zu benehmen.« Sie wischte ihr Mäulchen und deutete auf den Eingang, dem ein genußlicher Duft nach Waffeln, Punsch und Zitronen entströmte: »So, nun kommen Sie man. Es könnte sonst auffällig werden. Also bitte, angtree. Meine drei werden sich freuen ...« und da traten sie ein, gingen über den Hausflur und von dort in die Diele. Hier wurden sie mit fröhlichen Zurufen und klingenden Gläsern empfangen. Phöns met de Fleut saß zwischen blühenden Nachtviolen in einer Fensternische, zog die Harmonika lang und stimmte das Lied an:
»Nur fröhliche Leute
Laßt, Freunde, mir beute,
Sei's groß oder klein,
Zum Tore herein ...
Zum Tore herein!«
»Wird gemacht!« lachte Jan-Ohme, und fünf zufriedene Menschen reihten sich alsbald um den runden, großen Tisch, der trotz der sommerlichen Hitze mit einer tapferen Punschterrine besetzt war, einer Punschterrine, die zum Ganzen gehörte wie ein Steinpott zu einer Jan Steenschen vergnügten Gesellschaft. Ja, und da saßen sie stolzlich: Herr Baumann, Jüllecke Nakatenus und die heiligen drei, als da waren: Klaas-Welm, der grandiose Schiffszimmermann von der Emmericher Helling, Ewert, der Hegereiter aus dem Klever Reichswald, und dann noch der jüngste: Arnt, der gefeierte Deich- und Schleusenmeister zwischen Warbeyen und Büderich, jeder für sich und doch alle für einen, Herrennaturen und dennoch Kinder im Herzen und der Gesinnung nach ... und die drei prosteten Jan-Ohme zu, hießen ihn herzlichst willkommen und freuten sich seiner Anwesenheit, während Phöns met de Fleut ein Lied nach dem andern herunterspielte, und als eine Pause eintrat, klingelte plötzlich Herr Baumann ans Glas, zupfte seine Vatermörder zurecht, erhob sich, warf der Tafelrunde verschmitzte Äugelchen zu, räusperte sich und predigte wie der wackere Seelsorger von Wissel mit sonorer Stimme von der Kanzel herunter.
»Jüllecke, meine Herren, Phöns met de Fleut!« also begann er. »Wenn ich in diesem erlauchten Kreise auch man bloß das fünfte oder sechste Rad am Wagen bedeute, so behaupte ich trotzdem: ich bin nicht ungelegen gekommen. Hier ist Wohlsein, hier zwischen den anmutigen Kacheln, mang denen solche drei Mannskerle Hausen: Bibelmenschen, aparte Menschen, Menschen, die einem etwas zu sagen haben. Kinder, die Freude! Und Jüllecke erst! Ein Legendenbuch, um Sonn- und Festtags oder am Sinter Klaas-Abend drin zu lesen, kann nicht Höheres geben. Ich kenne mich aus und weiß Bescheid mit die weibliche Seele, denn ich hab' mich mal vor Jahren mit 'ner russischen Prinzessin auf du und du befunden, wenn ich dabei auch mit 'nem gewissen Schwung und 'ner gewissen Schwanke unter die Butterwoche geraten bin.«
»Herr Baumann ...!«
Mit Rattenäugelchen stand Jüllecke vor ihm.
»Sie Lockvogel, Sie! und so was ist mir gegenüber durch den Martersteig seiner süßesten Gefühle gegangen wie Phöns met de Fleut durch das schöne Reich seiner Schmerzenstöne?!«
Jan-Ohme schmunzelte.
»Keine Bedeutung.«
»Ach was! Sie tanzen ja noch immer ums weibliche Kalb wie die alten Propheten.«
Er legte ihr die Hand auf die Schulter.
»Jüllecke, setz' dir! Ihr müßt mich entschuldigen. Ich steckte damals im Moskowitertum drin, in staatlicher Kreide und republikanischen Geschehnissen und hatte dir gegenüber gar keine Bewandtnis, 'ne Jugendverirrung muß man anders betrachten, denn meine einzige und wahrhaftige Liebe ...«
Seine Stimme zitterte. Mit einer gewissen Erregung schluckte er die letzten Worte hinunter.
Da drückte sie sich das Taschentuch gegen die Augen und setzte sich wieder.
»Herrgott von Bentheim! und diese meine einzige und wahrhaftige Liebe – wo ist sie hingeraten? Ich weiß es nicht. Vorbei, in den Orkanus gesunken, und wär' ich damals nicht so'n kapitaler Esel gewesen, sondern hätte als Kavalierhirsch meine bekömmlichen Wechsel innegehalten, heute säße Jüllecke auf dem Baumannshof zwischen zweihundertundfünfzig Morgen ausgemistet Ackerland, bei mannshohem Roggen, und ich, für meine Person, brauchte mir die Federposen in Wintertagen nicht durch heiße Ziegelsteine wärmen zu lassen. Aber indessen: nicht der Verhältnisse halber, sondern der näheren Umstände wegen: sie hat's auf stunds ebenso mollig ... verdient es ... kann es besser und properer niemals empfangen, denn sie ist eine Zierde des menschlichen Geschlechts ... ein elfenbeinernes Gefäß ... ein Turm Davids ... ein Schmuck der drei Katen ... eine himmlische Braut ... sozusagen der Urstand von diesem beseligten Hause.«
Mit hellem Gläserklingen und lautem Zuprosten fiel es über ihn her. Selbst die Angefeierte vergaß die russische Prinzessin mitsamt ihrer Butterwoche, blinzelte gerührt auf ihren Anbeter und konnte es nicht begreifen, wie es nur die Menschenmöglichkeit wäre, diese lernhaften Worte zu finden. Auch Phöns met de Fleut ... er zog schon die Harmonika lang, um auch seinerseits die geschwungene Rede musikalisch zu unterstreichen, als Jan-Ohme ihm bedeutete: »Später vielleicht. Einen Momang nur. Ich hab' noch den Reifen um den Radkranz zu legen,« um dann in gehobener Stimmung weiterzusprechen: »Ja, meine Herren und Damen, die Heldin des Tages verkörpert nicht nur den Urstand in diesem beseligten Hause, sie ist auch in geistlichem Hinblick die Nährmutter von die, die wir mit ganz besonderer Estimierung die heiligen drei Könige benennen, und wenn ich drei Töchter besäße« – und seine Redeweise wurde voll und rund und erinnerte an die meines Jugendfreundes Heinrich van Look, wenn er als Oberprimaner losdeklamierte: Auf der Bidassoabrücke steht ein Heil'ger altersgrau – »ja, wenn ich drei Töchter besäße – Klaas-Welm, würde ich sagen, Klaas-Welm, der du was vorstellst von Rotterdam bis nach Orsoy herunter, komm' man getrost auf mich zu: du sollst meine älteste haben. Ewert, und du, du wirst meine zweite besitzen, denn du kannst meinetswegen den Herrn königlich preußischen Oberförster vertreten, weil du dich auf dem reellen ökonomischen Holzweg befindest, und Arnt, du, mein Junge ... sieh mal: deine Schleusenwerke sind über jeden Ausdruck erhaben, und wenn du den Deichpflichtigen gebietest, Spaten einzustechen und Faschinen zu setzen, um den verfluchtigen Druck- und Stauwassern auf die Köppe zu hauen, dann fressen sie dir wie junge Hunde aus der la main, weil alle begreifen: der ist unser Not- und Rettungsanker geworden. Ja, die jüngste für dich ... und Jüllecke Nakatenus soll Brautmutter werden, soll sich an der obersten Tafel erheben, wenn's losgeht ... und weil sie heute noch ihren Geburtstag einerntet, ersuche ich euch, die Gläser zu fassen und ihr zu Ehren 'nen Salamander zu reiben, aber 'nen festen. Eins, zwei, drei – los!« und der Salamander stieg, rumpelte ins Freie, um dort unter Labkraut, Männertreu und Kuckucksblumen zu sterben.
Da nun Phöns met de Fleut für diesen speziellen Fall keine besondere Weise in der Harmonika hatte, spielte er flott und lustig ›Gott erhalte Franz den Kaiser, unsern guten Kaiser Franz‹ von der Leber herunter, und war ein Beifall wie bei den Engeln im Himmelreich am Fest des Auferstehungstages.
Die Gefeierte zerfloß in Anmut und Tränen.
Sie drängelte sich dicht an den Redner, zog ihn auf den Stuhlsitz und drückte ihre Wange sacht und lind an die seine.
»Ach, Jan-Ohme ...!«
Ihr Schmeicheln erinnerte an das eines Bräutchens von achtzehn Lenzen.
»Ja,« sagte dieser, »so sollte es hergehen,« und seine Seele gürtete die Lenden, rüstete sich mit Stab und Muschelhut und pilgerte müden Fußes in das Land seiner Jugend, woselbst er verpaßt hatte, dieser drei Töchter teilhaftig zu werden, »sollten das drei Hochzeiten geben, drei Hochzeiten sage ich euch ...« und er hätte gewißlich die beabsichtigte Feier noch weiter erläutert, wäre in diesem Augenblick nicht eine Stimme zwischen den Nachtviolen vernehmbar geworden, die da lautete: »Herr Baumann, Ihr habt gut anpräsentieren.«
»Woso?« fragte Jan-Ohme. »Was soll es damit? Warum gut anpräsentieren?«
»Oh!« kam es lurksig zurück, »ich meine man eben,« und Phöns met de Fleut löste sich gemächlich aus seinem Versteck, trat näher heran und sagte so etwas von oben herunter: »Ich denke von wegen die Töchter. Ihr besitzt ja keine, Herr Baumann.«
»Soll mir egal sein. Es geht auch ohne dieselben, denn ich habe was andres, was Extrafeines in petto, oder glaubt Ihr, ich hätte keine eingeborene Nichte auf dem Knollenkamp sitzen? Und was für eine! Gegen die haben selbst die Studierten in Respektus zu stehen, abgesehen davon, daß sie sich's leisten kann, mit vieren ins Hochamt zu kutschieren.«
Phöns schüttelte seinen entwaldeten Schädel. Er, der noch kurz zuvor das imponierende ›Gott erhalte Franz den Kaiser‹ puppenmunter aufgespielt hatte, wandelte sich unversehens in ein Leichenhuhn, in Alphons Desiderius Kersken, mit dem Gehaben eines Totenbitters.
»Nein, Herr Baumann,« sagte er traurig, »das kann hier nicht in Berücksichtigung kommen.«
»Um Euretwegen nicht, denn Ihr seid nicht kumpabel, Euch das mit dem Knollenkamp leisten zu können.«
»Herr, Ihr wollt doch nicht sagen, ich dürfte meine eigenen Worte mangieren?«
»Jawoll, Herr Baumann, das wollte ich sagen, indem ich solches als meine Verpflichtung erachte.«
»Mensch, wie kommt Ihr darauf?«
»Weil ich 'ne Eingebung hatte, 'ne Art von Orakel. Taube werden hören und Blinde wieder des Sehens teilhaftig. Ich brauche nur ein übriges zu tun und 'nen Namen zu nennen. Das brauche ich bloß.«
»Dann heraus mit dem Namen.«
Jan-Ohme zuckte es bis in die Zehenspitzen hinein.
»Bitte, heraus mit demselben!«
Da warf Phöns den rechten Arm in die Höhe und spreizte alle fünf Finger, so wie es die Propheten und Traumdeuter an sich haben, wenn sie gesonnen sind, Pech und Schwefel und sonstige Ungeheuerlichkeiten über eine verruchte und verfehmte Stätte zu werfen.
»Herr Baumann, ich wollte hier das Amüsemang nicht stören, sonst hätte ich mich schon früher gemolden. Aber Ihr wollt es. Gut denn: hier befindet er sich.« Und seine Stimme lärmte: »Cornelis ten Berg ist der Name, und wenn ich's unter Beweis stellen soll: hier steh' ich und bin immer erbötig, es auf die Gabel zu nehmen.«
»Was auf die Gabel zu nehmen?!«
»'nen leibhaftigen Eid! denn der Kerl macht mobil und will ihr nebst den Knollenkamp schlucken.«
Als wäre eine Petarde in ein Pulverfaß geschlagen, so krachte diese Nachricht in die Schwaterskat hinein, mit der Kraft einer Verstörung.
»Christus!« schrie Jüllecke auf.
Sie sah entsetzt auf Jan-Ohme, dann auf die Getreuen, die regungslos der Szene beigewohnt hatten.
Das war jetzt vorüber.
Schwer wuchtete sich Klaas-Welm von den Binsen.
Seine Stimme rollte: »Das ist bloß 'ne Botschaft von weitem. Jetzt die Beweise.«
»Oder Ihr bekommt eins mit 'nem Schleusentau übergezogen,« rief Ewert dazwischen.
»Wo es doch fest und verbrieft steht!« zeterte Phöns.
Jan-Ohme packte ihn an.
»Was steht fest und verbrieft?«
»Das mit der Heiraterei und das mit dem Aktus! Das pfeifen ja schon die Spatzen von allen Futterkisten herunter.«
»Was denn und wo denn?!«
Ehern klang es ihm zu.
Arnt, der Deich- und Schleusenmeister, stand vor ihm. Aus den sonst so gutmütigen Augen stach es mit eisigen Spitzen.
»Phöns, bis jetzt habt Ihr nur leere Worte gedroschen. Aber nehmt Euch zusammen! Bedenkt Euch! Es handelt sich hier um Anna Donsbrügge, um ihr Erbe und Eigen, um schwerwiegende Dinge, um Ehre und Reputation ... und wenn wir, die wir hier auf den Katen sitzen, uns für gewöhnlich nicht um andermanns Sachen bekümmern, so haben wir doch ein gewisses Interesse daran, die Nachbarschaft nicht verschandeln zu lassen. Besonders den Knollenkamp nicht und Anna Donsbrügge nicht, denn die sind uns heilig ... und sie werden verschandelt, wenn einer behauptet, ein schmutziger Patron legte ihnen die Hand auf die Schulter. Ich halte mich an Eure Behauptung. Ihr steht mir dafür und habt die Beweise zu bringen. Wenn nicht – wir sind geschiedene Leute, und die Schwaterskat wird nicht mehr das Honnör haben, Euch unter ihren Sparren zu wissen. Ihr habt doch verstanden?«
»Jawoll!« sagte Phöns.
Er war patzig geworden.
»Jawoll, das kann ich doppelt und dreifach unterfertigen, denn ich stehe hier als Gesalbter des Herrn, mit properen Fingernägeln und reinem Gewissen.«
»Dann heraus mit der Sprache!«
»Oh!« machte Phöns, und er verfiel wieder in seinen pflaumigen Zustand. »Das ist noch gestern gewesen. Da hab' ich da drüben geschafft ... am Hagelkreuz ... auf den Bromenhof zu ... mang die Binsen und Weiden, um mir Ruten für meine Körbe zu schneiden. Natürlich alles in Ehren, und als ich so schneide: wer kommt da? Der vom Emmericher Eiland in eigner Person ... und ranzt mich an, was ich hier täte ... und will mich so propter und prätorius aus meiner emsigen Tätigkeit schmeißen. – Exküsiert, sagte ich, daß ich mich hier mang die Binsen und Ruten benehme, das habe ich verbrieft und versiegelt. – Von wem? fragte er da gnietschig und von oben herunter. – Von die, die es angeht, mit Respekt zu vermelden. – Also von Anna Donsbrügge selber? – Jawoll und aufzuwarten, und sie hat's mir für allewige Zeiten verstattet, um mir gewissermaßen mit so 'nem kleinen Dussör unter die Augen zu treten. – Dann laßt Euch gesagt sein, dieses Dussör wird Euch nächstens gestrichen. – Woso? fragte ich und bekuckte ihn mir mit zweideutigen Augen. Wieso können Sie das? – Weil ich mich dann als Herr hier benehme.«
»Kriegst du die Motten!« fiel der Baumannshöfer dazwischen, »das hat dieser Stänker von sich gegeben?«
»Just, wie ich sagte.«
»So'n Viechskerl! Da soll ja ... aber man weiter.«
»Oh!« sagte Phöns, »und da wies der Mensch mit seinem Stock über das Hagelkreuz fort, wobei er mich so lurig von der Seite befragte: Was seht Ihr da, Phöns? – Aufzuwarten, den Knollenkamp mit Scheunen und Ställen und allem, was nötig ist, 'nen richtigen Hof zu bedeuten. – So! und was seht Ihr da drüben? und er zeigte auf Wissel und Huisberden zu, dann weiter herum nach der Wisselwarder Gemarkung und fragte: In was für Finger gehört das? und da replizierte ich ihm: Natürlich in die Finger von die, die sich von jeher als die wahren Erben ausmustern können. – Nee! rief der Kerl und wieherte mir direkt in die Ohren, 'ne rossige Stute auf 'ner Frühlingskoppel ist gar nichts dagegen. Nee! lachte er los, aber in diese Fäuste gehört es, in diese zwei Fäuste, mitsamt der Madam, mit Knechten und Mägden, mit Großvieh und Kleinvieh, kurz, mit's totale Brimborium. Damit kloppte er sich auf den Brustsack und meinte: Von Rechtswegen, denn es steht hier verfaßt und unterzeichnet.«
»Hü mit die Pferde!«
Jüllecke schlug die Hände zusammen, vor Schreck, vor Entsetzen.
Die drei Könige rührten sich nicht.
»Oh!« wimmerte Phöns und gedachte, seinem Bericht noch einen schönen Schnörkel anzuhängen.
Da aber Jan-Ohme ...
»Kein Wort mehr. Ich absolviere dich, Phöns. Du hast ehrlich gesprochen, und was du gesagt hast, ist auf 'nem Stempelbogen geschrieben. Da kaviere ich für mit meiner Edelmannsparol' als Gutsbesitzer und Niederungsbauer. Allerdings: Rechtstitel, die hat er; die kann ihm keiner abdisputieren, denn Stäwe hat sie ihm höchsteigen in die Hände gegeben. Aber nicht der Verhältnisse halber, sondern bloß der näheren Umstände wegen, denn ich haue ihm diese Rechtstitel über kurz oder lang mit Borke und Bast auseinander – nur, ich muß Beihilfe haben, sonst kann's immer passieren ... Hü mit die Pferde!«
Seine Augen funkelten, als wäre Öl drauf gegossen.
»Um dessentwegen bin ich gekommen, stehe ich hier, habe ich ein vertrauliches Wörtchen zu reden.«
Seine Blicke gingen vom einen zum andern.
Bei den heiligen drei Königen blieben sie haften.
»Gott verdammich! warum seid ihr dem verfluchten Cornelis noch nicht in die Parade gefahren? Wer sich selber nicht hilft, der kann auch nicht verlangen, daß ihm Gott und seine vergoldeten Erzengel beispringen. Helden – wie ihr seid?! Greift zu! Einer von euch wird doch die Kurasche besitzen?! Klaas-Welm, immer man forsch an die Ramme. Bist du nicht der Primus von der Emmericher Helling? und setzt du nicht dem Baas-Kaptän Rennings sein ›Doortje van Grieth‹ proper und schmuck auf den Rhein hin? Also warum nicht? Oder Ewert, du? Die grüne Farbe ist doch sonst auf die Weiber versessen. Du kannst Ansprüche machen und hast für deinetwegen das Höchste geleistet. Kreuzhimmelgewitter, wenn ich mich in euren Kamisölern befände ...! und so ihr beide nicht wollt: Arnt, wer mit's Wasser Bescheid weiß, ihm zu Zeiten die Kandare ins Maul setzt, daß es aufbrüllt wie 'ne dressierte Bestie, der kann auch ein stolzes Frauenzimmer regieren. Also, worauf wartet ihr noch? Ich garantiere für glücklichen Ausgang. Könige seid ihr, und einer von euch kann sich 'ne Königin holen. Packt zu, bevor noch Cornelis ...«
Mit einem Ruck brach er ab.
Durch die Schwaterskat ging es mit dem schweren Gang einer Verlähmung.
Nur Jüllecke himmelte zur Decke, klingelte mit ihren Ohrgehängen und meinte: »Was ich immer gesagt hab'!«
»Und dann noch ...«
Jan-Ohme fuhr sich nachdenklich über die Augen.
»Ja so! ich hab' mal irgendwo ein schönes Sprichwort gelesen. Das ist schon lange her, aber es ist mir im Koppe sitzen geblieben, denn so was vergißt sich nicht wieder. Es hat zwar nicht im Katechismus gestanden, indessen, es gibt sonstige Bücher, die es getrost und tapfer mit diesem aufnehmen können. Kardinal, so hab' ich gelesen, ich habe das Meinige getan. Tut Ihr jetzt das Eure. Was sagt ihr davon? Nu aber kein Wort mehr darüber. Ich habe gesprochen.«
»Und wie!« sagte Jüllecke, drängelte sich näher an Jan-Ohme heran und drückte sich ihr Taschentüchelchen gegen die Augen.
»Man Ruhe, immer man Ruhe. Es wird alles schon werden, und wenn Ihr ein übriges tun wollt, so bitte ich mir ein frisches Gläschen mit Punsch aus, aber mit 'nem doppelten Schuß drin.«
Na, das geschah auch. Alle reihten sich aufs neue um die genügliche Tafel, und Phöns met de Fleut spielte das schöne Lied unter Brummstimmenbegleitung: »Wir sitzen so fröhlich beisammen und haben einander so lieb,« und sie trennten sich erst, als ein stiller, voller Mond das ganze niederrheinische Land mit seinem silbernen Licht benedicierte.