Artur Landsberger
Liebe und Bananen
Artur Landsberger

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Neunzehntes Kapitel.

Das Flugzeug mit Kapitän Habel und Paul G. Olem hatte kurz vor Berlin noch eine Notlandung vornehmen müssen. Während der Kapitän die Gelegenheit benutzte, um dem Flughafen in Tempelhof seine genaue Ankunft bekanntzugeben, drahtete Paul G. Olem nach dem Hotel Adlon, bestellte dort als Mechaniker Habels ein Appartement mit Bad und eine Person zu seiner persönlichen Bedienung. –

Als sie wieder aufstiegen, sagte Paul G. Olem zu dem Kapitän:

»Ich halte es für gefährlich, wenn ich in Berlin, wo man Sie kennt, unter Ihrem Namen auftrete.«

»Ich war nie in Berlin.«

»Und Ihre Bilder?«

»Sie scheinen immer noch nicht bemerkt zu haben, daß ich jede öffentliche Schaustellung hasse. Vor den photographischen Apparat bringen mich nicht zehn Pferde.«

»Aber ich selbst habe doch in den Zeitungen und illustrierten Blättern Ihr Bild gesehen.«

»Meins? Ausgeschlossen! – Mein Monteur erhält dafür, daß er sich überall, wo wir hinkommen, für mich photographieren läßt, zwanzig Dollar im Monat. Im Flugdreß sieht ein Mann wie der andere aus.«

»Sie werden den Dreß doch aber auch einmal ablegen müssen.«

»In meinen vier Wänden. Anderswo nicht.«

»Und wenn die Stadt Berlin Ihnen einen feierlichen Empfang bereitet?«

»So werden Sie ihn über sich ergehen lassen, während ich als Ihr Monteur auf Abenteuer ausgehe. Und Sie werden so liebenswürdig sein, daß Publikum und Presse von mir entzückt sind.«

»Die Leute werden mich nach Dingen fragen, die ich gar nicht beantworten kann.«

»Versprechen Sie ihnen mein Buch mit eigenhändiger Widmung, das auf alle Fragen Antwort gibt und erzählen Sie den Leuten aus Sumatra – das hören sie immer gern.«

Alle Versuche Paul G. Olems, den Kapitän umzustimmen, blieben erfolglos. Er bestand auf seiner Abmachung und erklärte:

»Sie ahnen gar nicht, wie glücklich ich bin, daß Sie mir den Rummel abnehmen. Im übrigen sind Sie zu allen meinen weiteren Fahrten feierlichst eingeladen. Sie sind ein netter Mensch, ein guter Monteur und ein ausgezeichneter Kapitän Habel.«

Paul G. Olem mußte also sein Versprechen einlösen. Und als das Flugzeug auf dem Tempelhofer Felde niederging, nahm er die Ovationen von Hunderttausenden entgegen. Der Kapitän sah vom Flugzeug aus schmunzelnd zu, wie der Oberbürgermeister Paul G. Olem namens der Metropole begrüßte und eine nicht mehr junge Dame ihm mit einem tiefen Knix einen Rosenstrauß mit einer Schleife in den amerikanischen Farben überreichte. Als aber der offizielle Empfang durch Mitglieder der amerikanischen Botschaft erfolgte, beschränkte sich Paul G. Olem, dem jede Verstellung fremd war, darauf, zu lächeln und mit dem Kopf zu nicken. Einem Gespräch mit den Herren, die ihn aufforderten, in der Botschaft abzusteigen, entzog er sich ziemlich ungeschickt dadurch, daß er begann, jedem einzelnen die Hand zu schütteln. Aber nicht nur den Damen und Herren, die ihn offiziell empfingen, sondern darüber hinaus allen, die aus Schaulust und Neugier gekommen waren. Das erregte erst Heiterkeit, dann aber brach ob dieser Leutseligkeit brausender Jubel los. Er hatte in schneller Folge etwa hundert Hände geschüttelt, da hoben ihn ein paar kräftige Sportdamen auf die Schultern und trugen ihn, der höflich nach allen Seiten grüßte, durch die begeisterte Menge.

Inzwischen war ein höherer Polizeibeamter auf die Herren der amerikanischen Botschaft zugeschritten und hatte sie in ein lebhaftes Gespräch gezogen. Der Kapitän verfolgte mit größtem Vergnügen die Strapazen, denen Paul G. Olem ausgesetzt war. Er hörte daher nicht, was der Amerikaner mit dem Beamten sprach.

»Wenn Sie überzeugende Beweise in den Händen haben, daß Ihr Gefangener M. Albert Stein-Brück einen politischen Umsturz in Deutschland vorbereitet,« sagte der amerikanische Botschaftsrat zu dem Polizeibeamten, der lange auf ihn eingeredet hatte, »so haben wir keinen Grund, gegen seine Verhaftung zu protestieren – auch wenn er Amerikaner ist.«

»Er gibt vor, mit dieser russischen Gräfin nach Europa, beziehungsweise Deutschland, gekommen zu sein, um seinen Freund, den Kapitän Habel, bei seiner Ankunft in Berlin zu begrüßen.«

»Etwas umständlich,« erwiderte der Botschaftsrat, »aber wir Amerikaner haben oft merkwürdige Einfälle. – Und was gibt er als Grund für die Reise der russischen Gräfin an?«

»Er will sie mit seinem Freunde, dem Kapitän, verheiraten.«

»Das klingt in der Tat wenig glaubwürdig. Aber bitte, der Kapitän wird sich gewiß ein Vergnügen daraus machen, seinen Freund und eine schöne Frau persönlich in Freiheit zu setzen.«

»Dieser Gegenüberstellung wegen bin ich hier,« erwiderte der Beamte.

»Haben Sie die Herrschaften mitgebracht?«

»Nein! Ich fürchtete, den feierlichen Akt zu stören.«

»Es wäre entschieden das Einfachste gewesen. Versuchen Sie, ob Sie den Kapitän seinen Verehrern entreißen können. Es wird nicht leicht sein.«

Der Beamte arbeitete sich durch die Masse Menschen hindurch und kam schließlich bis auf ein paar Schritte an Paul G. Olem heran.

»Herr Kapitän!« rief er ihm zu. »Ich bin der Kriminaldirektor Kenast. Ich möchte Sie zu einem Freunde begleiten.«

»Wohin Sie wollen, wenn Sie mich nur von hier fortbringen. Ich habe kein gesundes Glied mehr.«

Herr Kriminaldirektor Kenast zog eine Pfeife aus der Tasche, ein greller Pfiff ertönte – und im selben Augenblick schuf sich eine Polizeimannschaft rücksichtslos Bahn. Sie drang bis zu Paul G. Olem vor, entriß ihn der Menge und brachte ihn zu einem am Ausgang des Tempelhofer Feldes bereitstehenden Polizeiauto.

Der Kriminaldirektor redete auf ihn ein. Aber Paul G. Olem war völlig erschöpft. Er verstand nur immer, daß ein politischer Hochstapler und Bolschewist sich frecherweise als sein Freund ausgebe und behaupte, daß er, Kapitän Habel, sich mit seiner Freundin, der angeblichen Gräfin Olga von Tschochenska, verloben wolle. Beide, der Amerikaner wie die Gräfin seien so gut wie überführt, mit russischem Gelde in Berlin einen bolschewistischen Putsch vorbereitet zu haben.

Es war unter diesen Umständen kein Wunder, wenn die Gegenüberstellung auf der Polizei wie folgt verlief:

Der noch immer erschöpfte Paul G. Olem stand mit Herrn Kenast in einem nüchternen Amtszimmer, als die Tür sich öffnete und Albert, der Amerikaner, unter starker Bewachung hereingeführt wurde.

Paul G. Olem und der Amerikaner standen sich gegenüber und starrten sich an.

Spöttisch sagte Herr Kenast:

»Dies Wiedersehn hatte ich mir etwas herzlicher vorgestellt.«

Die beiden schwiegen.

»Dieses Herrn wegen sind Sie also von St. Louis« nach Berlin gereist.«

»Was? das soll doch nicht etwa . . . ?«

»Das ist Kapitän Alfred Habel, der soeben unter dem Jubel der Menge in Berlin gelandet ist.«

»Nix ist er das!«

»Die Herren der amerikanischen Botschaft haben ihn bereits identifiziert.«

»Dann bin ich verrückt.«

»Das kennen wir! Wenn nichts mehr hilft, wird verrückt gespielt. Aber geben Sie sich keine Mühe! Auf das Manöver fällt die deutsche Polizei nicht mehr herein.«

Albert faßte sich an den Kopf:

»Sie sind doch nicht . . . Ja, wie kommen Sie dazu, sich für Kapitän Habel auszugeben?«

»Das möchte ich auch wissen,« sagte der Beamte.

Wieder öffnete sich die Tür – und unter Bewachung erschien Komteß Olga. – Ehe sie noch sah, was vorging, rief sie:

»Werde ich nun endlich in Freiheit gesetzt?«

»Wollen Sie nicht erst Ihren zukünftigen Verlobten begrüßen?« fragte Kenast spöttisch.

Komteß Olga sah zu Paul G. Olem auf, ging auf ihn zu und sagte:

»Kapitän, wie ich mich freue!«

Paul G. Olem verbeugte sich, während ihm die Komteß die Hand reichte.

»Ich freue mich, Ihre Bekanntschaft zu machen,« sagte Paul G. Olem.

»Abführen!« befahl Kenast.

Die beiden Gefangenen, die ganz benommen waren und gar nicht verstanden, was hier vorging, wurden hinausgeführt, während Paul G. Olem sich das Auto erbat, um ins Hotel zu fahren. – Ueber die Bedeutung der Vorgänge auf der Polizei dachte er nicht weiter nach, nahm sich aber vor, mit dem Kapitän zu sprechen, da es ja immerhin möglich war, daß hier zwei Unschuldige durch seine Schuld festgehalten wurden. Dem Kapitän hatte er ungern seine als Mechaniker Olem bestellten Zimmer im Hotel Adlon überlassen, während er selbst erst einmal feststellen wollte, wo seine Tochter Djojo eigentlich wohnte. Er hatte nicht bedacht, welchen Verfolgungen eine Berühmtheit auf sportlichem Gebiete heutzutage ausgesetzt ist. Wo er als Kapitän Alfred Habel vorfuhr und seinen Namen nannte, wurde sofort ein feierlicher Empfang improvisiert. Man stellte ihm überall die Kaiserzimmer zur Verfügung, ließ sofort die amerikanische Flagge hissen, beteuerte, daß das Haus in amerikanischem Stil geführt werde und betonte mit besonderem Nachdruck, daß es deutsche Gäste so gut wie überhaupt nicht beherberge. Auf die Frage, ob eine Miß Olem in dem Hotel abgestiegen sei, erwiderte man ganz unbekümmert:

»Noch nicht! Aber sie sei avisiert und man rechne bestimmt mit ihrer Ankunft.«

Paul G. Olem stellte dann regelmäßig fest, daß gar keine Anfrage oder Anmeldung erfolgt war, schlug mit dem Stock auf den Tisch, tobte und fuhr zum nächsten Hotel, wo sich das Schauspiel in ähnlicher Form wiederholte. In seinem Aerger bemerkte er nicht, daß er jedes Mal, wenn er aus der Hoteltür auf die Straße trat, mindestens von einem Photographen geknipst wurde.

Schließlich aber kam er auch ins Adlon. Und hier, in diesem, in den letzten vierundzwanzig Stunden an Ereignissen so reichen Hotel, spielte sich folgende Szene ab. Er ging zum Empfangschef und sagte:

»Mein Name ist Kapitän Alfred Habel.«

Der Chef und die Kollegen rechts und links von ihm verbeugten sich bis auf die Erde. Der Portier, die Auskunft, der Ober kamen hinzu und verbeugten sich gleichfalls. An der Drehtür bekam ein Boy eine Maulschelle und stürzte den Flur entlang zum Direktor. Der kam im Laufschritt herbei, machte eine tiefe Verbeugung, wodurch die Uebrigen sich veranlaßt sahen, auch ihrerseits noch einmal nach Unten zu gehen, und begann:

»Herr Kapitän! Deutschland und vor allem Berlin, und in Berlin wiederum unser Haus, wissen die Ehre zu schätzen, einen Mann von Ihrer weltumfliegenden Bedeutung unter seinem Dach beherbergen zu dürfen. Wir hätten gewünscht, daß kein Mißton unsere reine Freude trüben würde. Leider wird unser hochrenommiertes Haus seit vierundzwanzig Stunden von Schicksalsschlägen heimgesucht. Daß Sie, Herr Kapitän, in diese Pechserie mit hineingezogen werden, bedauern wir tief. Aber urteilen Sie selbst! Mußten wir nach allem Vorangegangenen nicht stutzig werden, wenn der Mechaniker eines Flugzeugs sich in einem Hause wie dem unsern, in dem nur hohe und höchste Herrschaften verkehren – wovon die Anwesenheit des Herrn Kapitän ja beredtes Zeugnis ablegen – wenn, sage ich, ein Mechaniker, dessen Durchschnittseinkommen im Höchstfalle vierhundert Mark monatlich beträgt, sich in solchem Hause ein Appartement mit Bad und besonderer Bedienung im Preise von hundertfünf Mark pro Tag bestellt?«

»Sie langweilen mich! Was ist mit dem Mechaniker?«

»Ein politischer Hochstapler hat versucht, sich unter dem Vorwand, Ihr Mechaniker zu sein, hier einzuschmuggeln.«

»Unter welchem Namen?«

»Denken Sie, wie dumm der Mann zu Werke geht. Er legte sich als Mechaniker den Namen des Bananenkönigs Olem zu.«

»Wenn es nun aber umgekehrt ist?«

»Wie meinen Herr Kapitän das?«

»Daß der Bananenkönig Paul G. Olem, um unerkannt zu bleiben, als der Mechaniker des Kapitäns reist.«

»Wir kalkulieren alle Möglichkeiten, Herr Kapitän, ehe wir zugreifen. Jeder Mißgriff würde das Renommee unseres Hauses schädigen. Zufällig konnten wir diesen vermeintlichen Mechaniker Paul G. Olem unauffällig der Tochter des Bananenkönigs vorführen, die ihn natürlich gar nicht kannte!«

»Djojo ist hier! – Was Sie mir sonst da erzählen, interessiert mich nicht.«

»Sie wohnt im zweiten Stock.«

»Die Zimmernummer?«

»Miß Olem haben strengen Befehl gegeben, sie in den nächsten zwei Stunden . . .«

»Ich muß zu ihr! Und zwar auf der Stelle.«

»Die Dame ist Ihnen persönlich bekannt?«

»Fragen Sie nicht so dumm.«

»Ich weiß die Ehre zu schätzen, mit dem Kapitän Alfred Habel zu sprechen – beleidigen lasse ich mich aber nicht.«

»Die Zimmernummer!!«

»Ich bedaure.«

»Ich reiße die ganze Bude in Stücke.«

Der Direktor lenkte ein, sagte:

»Einen Augenblick« und ging ans Telephon.

Paul G. Olem benutzte die Gelegenheit, dem Empfangschef eine Zehn-Pfundnote zuzustecken. Der kämpfte gerade mit sich, ob er das Geld nehmen und die Nummer nennen sollte, als der Direktor mit dunkelrotem Kopf vom Telephon kam und sagte:

»Miß Olem erklärt, einen Kapitän namens Alfred Habel nur aus den Sportblättern zu kennen.«

»Das ist ja doch . . . !«

»Sie würde sich aber sehr freuen, die Bekanntschaft des Herrn Kapitäns zu machen . . .«

Paul G. Olem beherrschte sich mühsam. Der Direktor fuhr fort:

». . . und läßt den Herrn Kapitän für morgen nachmittag um 5 Uhr zum Tee bitten.« –

»Ich . . . werde . . . verrückt.«

»Darf ich Miß Olem sagen, daß sie Herrn Kapitän erwarten darf?«

»Ja! – Nein! – Heute will ich! – auf der Stelle! – Sie soll herunterkommen! – Ich warte.«

Der Direktor ging noch einmal an den Apparat und brachte den Bescheid:

»Miß Olem lassen sagen, wenn der Herr Kapitän nicht warten können, solle er sich zum Teufel scheren.«

»Das wagt sie . . . aber das ist Djojo, wie sie leibt und lebt! – Also gut! Ich bleibe hier und rühre mich nicht von der Stelle. Sie wird ja mal herunterkommen.«

»Darf ich dem Herrn Kapitän dann vielleicht einen bequemen Sessel dort aufstellen lassen?«

»Das dürfen Sie! Und eine Flasche Whisky dazu und eine Import!«

Es dauerte etwa eine Stunde, da stürzte ein Boy zu dem alten Paul G. Olem und flüsterte ihm zu:

»Sie kommt!«

Die Treppe hinunter kam ein Herr, dem man den Kriminalbeamten auf zehn Schritt ansah. Dahinter folgte, rechts und links von je einem Beamten eskortiert, die rote Pina – und hinter Pina abermals ein Beamter.

Der alte Paul G. Olem, dessen Whiskyflasche inzwischen leer geworden war, stierte zur Treppe, wies mit der Hand auf die Gruppe und fragte:

»Da?«

»Ja!« erwiderte der Boy.

Die fünf waren jetzt auf der untersten Stufe angelangt. Paul G. Olem schritt auf sie zu. Die Gruppe blieb stehen. Der vorderste Beamte lüftete den Hut, verbeugte sich und sagte:

»Herr Kapitän Habel.«

»Woher kennen Sie mich?«

»Sämtliche Abendblätter bringen Ihr Bild.«

Paul G. Olem zuckte zusammen. Er wandte den Kopf und sah, daß auch im Vestibül schon wieder ein paar Photographen ihre Apparate auf ihn eingestellt hatten.

»Und wer ist diese Dame?« fragte er mit großer Bestimmtheit.

»Miß Djojo Olem aus Sumatra.«

»Das ist nicht wahr!«

»Sie selbst bestreitet es nicht.«

»Und – wessen – ist sie – angeklagt?«

»Des Hochverrats.«

»Was geht hier vor?« fragte Paul G. Olem und sank auf den Sessel zurück, während die Beamten die rote Pina abführten.


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