Artur Landsberger
Liebe und Bananen
Artur Landsberger

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Sechzehntes Kapitel.

Der Kapitän und Commissario der »Venezia« hatten pflichtgemäß bei ihrer Ankunft in Triest die Polizei über den Brillantendiebstahl an Bord und die Flucht des Diebes verständigt. Das hatte zwar nicht zur Folge, daß die italienische Polizei das Meer absuchen ließ, in der Hoffnung, den Schmuck bei dem Leichnam zu finden. Da aber unmittelbar darauf die Meldung einging, daß auf dem Flugplatz am selben Tage einem Fremden namens Pampers sein auf Berlin lautender Paß gestohlen worden sei, daß dieser Fremde wenige Stunden nach der »Venezia« auf einem deutschen Schiff in Triest angekommen war, daß die »Venezia« dies Schiff kurz vor der Einfahrt in den Triester Hafen überholt habe und daß der Besatzung dieses Schiffes am letzten Reisetage ein bisher unbekannter Mann aufgefallen sei, der sich durch sein scheues Wesen verdächtig gemacht habe und der genau so unbemerkt, wie er erschienen, vom Schiffe auch wieder verschwunden sei – da kombinierte die Polizei. Sie wandte sich an das Berliner Polizeipräsidium mit dem Ersuchen, nach einem Manne zu fahnden, der auf den Paß Pampers reiste und dringend verdächtig war, auf der »Venezia« der Miß Djojo Olem aus Sumatra Schmuck im Werte von mehreren hunderttausend Mark geraubt zu haben.

Aber nicht nur die italienische Polizei in Triest kombinierte. Auch der »Bandit« war schlau genug, sich bereits auf dem Wege nach Berlin zu sagen, daß der Bestohlene den Verlust seines Passes melden und die Fahndung auf den mit seinem Paß reisenden Dieb veranlassen würde. Er zog es aus Gründen der Sicherheit also vor, die Reise von Triest nach Berlin als blinder Passagier zu machen – teils auf dem Verdeck eines Eisenbahnwagens, teils als mit Ruß bedeckter Lokomotivheizer, der die Abteile des D-Zuges abging, um einen angeblichen Heizungsdefekt zu beseitigen. Auch diese Eisenbahnfahrt gestaltete sich zu einer unerwarteten Erwerbsquelle. Denn die mit Reisenden vollgestopften Gänge, die er mehrmals abgehen mußte, brachten ihn so nahe in körperliche Berührung mit den Reisenden, daß er es in seiner Verbrechermoral beinahe als schuldhaftes Unterlassen betrachtet hätte, wenn er nicht Brieftaschen, Schmuck und andere Gegenstände hätte mitgehen lassen. Kurz vor der Grenze bugsierte er einen Kellner des Speisewagens, der ungefähr seine Figur hatte, in die Toilette, zwang ihn, seine Livree auszuziehen und ihm beim Aus- und Einkleiden behilflich zu sein. Auf dieser Toilette fand man später nicht nur den entkleideten, vor Schreck bewußtlosen Kellner, sondern auch sämtliche gestohlenen Gegenstände in einem Beutel, an dem ein Zettel mit der Aufschrift hing: »Wollen Sie sich vor Wiederholung schützen, so schreiben Sie unter J. N. H. 74 postlagernd Berlin W 8.«

Als der Zug in den Münchener Hauptbahnhof einfuhr, sah der als Kellner verkleidete »Bandit«, wie sich auf dem gegenüberliegenden Gleise aus dem Schlafwagenzug München–Berlin ein Mann herausbeugte und fast den Kopf nach einer blonden Frau ausrenkte, die auf dem Bahnsteig von einem Manne Abschied nahm. Er erkannte sofort: es war der Halfkast, der ihn auf der »Venezia« verfolgt und gestellt hatte. Er sprang aus dem noch fahrenden Zuge und schwang sich auf das Trittbrett des Schlafwagens, als der sich eben in Bewegung setzte. Und als die Lichter in den Schlafwagen erloschen, begann er mit dem Kondukteur ein Gespräch und ließ sich die Liste der Reisenden zeigen: Bett 7–8 war von Miß Djojo Olem, Bett 8–9 von Secretario Dieferle aus Sumatra belegt. – Er schlich eine Stunde später in das Abteil 8–9, nahm aus Dieferles Rocktasche dessen Paß und vertauschte ihn mit dem von Pampers. Er suchte eben den Waschtisch mit seiner Taschenlaterne ab, als Dieferle erwachte und in dem Spiegel über dem Waschbecken die ihm bekannte Nase des Banditen sah, die deutlich noch den Abdruck seiner Zähne zeigte. – Wo war er? Träumte er? Sah er Gespenster? Lag er in der Kabine seines Schiffes? – Ehe er sich Klarheit verschaffte und das elektrische Licht anknipste, war der Bandit längst in einer der Toiletten verschwunden. Dieferle suchte die Waschtoilette ab. Da lag sein Schmuck, sein Geld, seine Uhr. Also hatte er geträumt. Erst am nächsten Morgen, als Djojo zu ihrem Erstaunen in ihrer Reisetasche obenauf ihren Ring mit der schwarzen Perle fand, der ihr mit dem andern Schmuck aus der Kabine gestohlen worden war, erzählte er sein Erlebnis.

Djojo glaubte kein Wort. Ihr Verdacht lenkte sich auf Dieferle. Und sie nahm sich vor, ihn zu beobachten und auf die Probe zu stellen. –

Der Bandit war aber nicht nur ein waghalsiger und gefährlicher Verbrecher, er war auch eine problematische Natur. Von wo kam er? – Wohin ging er? Ein Verbrecher seines Grades pflegte als Grandseigneur und nicht, wie er, mit Ballonmütze und abgerissenem Schuhzeug zu reisen.


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