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Niemand kann sich darüber wundern, daß ein alter Landschulmeister manchmal ein wenig selbstbewußt werden kann. Da hat er nun durch sein ganzes langes Leben Kenntnisse und Gelehrsamkeit über seine Mitmenschen ausgeteilt. Er sieht, daß alle Bauern von der Weisheit leben, die er ihnen gegeben hat, und daß niemand mehr weiß, als was er, der Schulmeister, sie einmal gelehrt hat. Kann er da etwas dafür, daß er alle Einwohner des Kirchsprengels wie Schulkinder betrachtet, wie alt sie auch werden mögen, und daß er meint, daß er selbst klüger ist als alle anderen? Ja, so einem richtigen, alten Schulmenschen wird es geradezu schwer, jemand als erwachsen zu behandeln, denn in seinen Augen sieht jeder so aus, wie damals, in seinen Kinderjahren, mit runden Kinderwangen, mit Grübchen und frommen, stillstehenden Kinderaugen.
Es war an einem Wintersonntag, gleich nach dem Gottesdienst. Der Pfarrer und der Schulmeister standen da und sprachen in der kleinen, gewölbten Sakristei miteinander; ihre Unterhaltung drehte sich um die Heilsarmee. »Das ist doch der sonderbarste Einfall,« sagte der Pfarrer, »nie im Leben hätte ich geglaubt, daß ich so etwas erleben könnte.« Der Schulmeister sah den Pfarrer strenge an; er fand, daß er ungehörig rede. Er, der Pfarrer, könne doch wohl nicht glauben, daß eine solche Tollheit Zutritt zu ihrer Gemeinde gewinnen würde. »Ich glaube auch nicht, daß der Herr Pfarrer es zu sehen bekommen wird,« sagte er mit Nachdruck.
Der Pfarrer, der wohl wußte, daß er ein gebrochener und schwacher Mann war, ließ in der Regel den Schulmeister regieren, wie er wollte, aber er konnte es nicht lassen, ihm zu widersprechen. »Wie können Sie nur so sicher sein, daß wir mit der Heilsarmee verschont bleiben, Storm?« sagte er. – »Ja,« erwiderte Storm, »wo Pfarrer und Schulmeister zusammenhalten, da kann solch Unwesen keinen Zutritt erlangen.«
»Ich bin nicht sicher, daß Sie mit mir zusammenhalten, Storm,« sagte der Pfarrer ein wenig spitz. »Sie predigen ja auf eigene Hand da drüben in Ihrem Zion.« – Hierzu schwieg der Schulmeister anfänglich. Dann aber sagte er ganz ruhig: »Herr Pfarrer haben ja nie gehört, wie ich predige.«
Besagtes Missionshaus war ein böser Stein des Anstoßes. Der Pfarrer hatte es nie gelernt, sich darein zu finden, und er hatte seinen Fuß nie dahinein gesetzt. Aber da die Sache nun einmal zur Sprache gekommen war, fürchteten die beiden Freunde sehr, etwas Verletzendes gesagt zu haben. »Ich bin gewiß ungerecht gegen Storm,« dachte der Pfarrer. »In diesen vier Jahren, solange er jeden Sonntagnachmittag Bibelstunden im Missionshaus abgehalten hat, habe ich des Vormittags mehr Leute in der Kirche gehabt, und ich habe nicht die geringste Spaltung in der Gemeinde bemerkt. Er hat keine Störung in der Gemeinde verursacht, wie ich erwartete. Er ist ein treuer Freund und Diener, und ich will versuchen, ihm zu beweisen, wie hoch ich ihn schätze.«
Diese kleine Uneinigkeit am Vormittag ward die Veranlassung, daß der Pfarrer am Nachmittag hinging, um Storms Vortrag zu hören. »Ich werde Storm eine große Freude bereiten,« dachte er. »Ich will hingehen und hören, wie er in seinem Zion predigt.«
Auf dem Wege dahin mußte der Pfarrer an die Zeit denken, als das Missionshaus gebaut wurde. Wie war die Luft voll von Prophezeiungen, und wie sicher hatte er geglaubt, daß Gott etwas Großes im Sinn habe! Aber seither hatte man nie etwas davon gehört. »Der liebe Gott mußte auf andere Gedanken gekommen sein,« dachte er und lachte im stillen darüber, daß er so über den lieben Gott denken konnte.
Das Missionshaus war ein großer Saal mit hellen Wänden. An der Längsseite hingen Holzschnitte von Luther und Melanchthon in pelzverbrämten Mützen. An dem Deckengesims waren gemalte Bibelsprüche, von Blumen und himmlischen Posaunen und Trompeten eingerahmt, und über einer kleinen Erhöhung an dem einen Ende des Saales hing ein Öldruck, der den guten Hirten vorstellte.
Der große, kahle Raum war voll von Menschen, und mehr war nicht nötig, um einen schönen und feierlichen Eindruck hervorzurufen. Die allermeisten waren nämlich hübsch gekleidet in der gelben Tracht des Kirchsprengels, und die weißgestickten und weit vorstehenden Kopftücher der Frauen erweckten den Eindruck, als sei der Saal von großen Vögeln mit weißen Flügeln angefüllt.
Storm hatte seinen Vortrag schon begonnen, als er den Pfarrer kommen und auf der ersten Bank Platz nehmen sah. »Du bist doch ein merkwürdiger Mann, Storm!« dachte er bei sich. »Alles gelingt dir. Hier kommt nun der Pfarrer selbst und erweist dir die Ehre, dich anzuhören.«
Während der Zeit, daß der Schulmeister gepredigt hatte, hatte er die Bibel von der ersten Seite bis zur letzten durchgenommen. Jetzt war er bis zur Offenbarung Johannis gekommen, und heute war er gerade dabei, von dem himmlischen Jerusalem und der ewigen Seligkeit zu reden. Und so glücklich war er darüber, daß der Pfarrer gekommen war, daß er bei sich selbst dachte: »Ich für mein Teil würde im ewigen Leben nichts besseres verlangen, als immer auf einem Katheder zu stehen und kluge und folgsame Kinder zu unterrichten, und wenn der liebe Gott hin und wieder einmal käme und mir zuhörte, so wie jetzt der Pfarrer, so würde niemand im Himmel glückseliger sein als ich.«
Aber der Pfarrer seinerseits wurde aufmerksam, als er hörte, daß die Rede von Jerusalem war. Und aufs neue begannen die wunderlichen Gedanken ihm durch den Kopf zu gehen.
Mitten während des Vortrages tat sich die Tür auf, und eine ganze Schar kam herein. Es waren ungefähr zwanzig Personen, und sie blieben unten am Eingang stehen, um nicht zu stören. »Ei, sieh doch,« dachte der Pfarrer, »habe ich es mir nicht gedacht, daß etwas geschehen würde?«
Und kaum hatte Storm Amen gesagt, als eine der Stimmen, die aus der Gruppe unten von der Tür kam, begann: »Ich möchte gern um Erlaubnis bitten, ein paar Worte sagen zu dürfen.«
Die Stimme war ungewöhnlich sanft und freundlich. »Das muß Hök Matts Eriksson sein,« dachte der Pfarrer und viele mit ihm. Niemand in der ganzen Gegend hatte eine so sanfte Kinderstimme.
Im nächsten Augenblick drängte sich ein kleiner Mann mit einem gutmütigen Kindergesicht bis an die Erhöhung, und hinter ihm drein kam eine Schar von Männern und Frauen, die mit ihm gekommen zu sein schienen, um ihm zur Stütze und Ermunterung zu dienen.
Der Pfarrer, der Schulmeister und die ganze Versammlung saßen regungslos da. »Hök Matts kommt, um ein großes Unglück zu verkünden,« dachten sie. »Entweder ist der König tot, oder wir bekommen Krieg oder irgendein armer Mensch ist in den Fluß gegangen und ertrunken.«
Aber Hök Matts sah nicht so aus, als habe er eine traurige Botschaft zu überbringen. Er war ernsthaft und aufgeregt, aber dabei doch so froh, daß fast ein Lächeln über seinem Antlitz lag. »Ich möchte dem Schulmeister und der Gemeinde gern erzählen,« sagte er, »daß neulich Sonntags, als ich mit meinen Leuten in der Stube saß, der Geist über mich kam, so daß ich anfing zu predigen. Die Wege waren so glatt, daß wir nicht hierher kommen und Storm hören konnten, und wir saßen da und sehnten uns danach, ein Wort Gottes zu hören. Da kam es über mich, daß ich selbst reden konnte. Jetzt habe ich zwei Sonntage gepredigt, und nun haben meine Hausgenossen und Nachbarn zu mir gesagt, ich sollte hierher ins Versammlungshaus gehen und mich vor den Leuten hören lassen.«
Hök Matts sagte ferner, er sei erstaunt darüber, daß die Gabe des Wortes einem so geringen Manne wie ihm beschieden sein könne. »Aber der Schulmeister ist ja auch nichts weiter als ein Bauer,« sagte er vertrauensvoll.
Nach dieser Einleitung faltete Hök Matts seine Hände und wollte sofort zu predigen anfangen. Aber jetzt hatte sich der Schulmeister endlich von der ersten Überraschung erholt. »Ist es deine Absicht, Hök Matts, hier heute abend zu predigen?« unterbrach er ihn. – »Ja, das war meine Absicht,« sagte der Mann. Er wurde bange wie ein Kind, als er Storms finstere Miene sah. – »Ja, es war ja meine Absicht, erst den Schulmeister und die anderen um Erlaubnis dazu zu bitten,« sagte er demütig. »Nein, für heute sind wir jetzt fertig,« sagte Storm sehr bestimmt.
Der gute, kleine Mann fing an mit tränenerstickter Stimme zu bitten. »Dürfte ich nicht nur ein paar Worte sagen? Es ist alles etwas, was über mich gekommen ist, während ich hinter dem Pfluge dreinging oder den Kohlenmeiler schürte, und jetzt will es heraus.« – Aber der Schulmeister, der selbst einen so ehrenvollen Tag gehabt hatte, kannte keine Barmherzigkeit. »Hök Matts kommt mit seinen eigenen Einfällen und sagt, daß es Gottes Wort ist,« sagte er tadelnd.
Hök Matts wagte nicht etwas einzuwenden. Der Schulmeister schlug das Gesangbuch auf; »jetzt wollen wir den Gesang Nummer 187 singen,« sagte er. Er las erst den Gesang mit lauter Stimme vor und fing dann an zu singen: »Jerusalem, du hochgebaute Stadt.« Währenddes dachte er: »Es war gut, daß der Pfarrer gerade heute kam, da kann er sehen, daß ich Ordnung in meinem Zion halte.«
Aber kaum war der Gesang beendet, als einer der Zuhörer sich erhob. Es war Ljung Björn Olofsson, ein stolzer und stattlicher Mann, der mit einer der Ingmarstöchter verheiratet war und Besitzer eines großen Gehöfts mitten im Kirchsprengel war.
»Wir hier unten,« sagte Ljung Björn ganz ruhig, »sind der Ansicht, daß der Schulmeister erst um unseren Rat hätte fragen sollen, ehe er Hök Matts abwies.«
»Meinst du das, mein Junge?« sagte der Lehrer, ganz in demselben Ton, in dem er einen naseweisen kleinen Jungen zurechtgesetzt haben würde. »Da kann ich dir doch erzählen, daß niemand weiter als ich hier in diesem Saal etwas zu sagen hat.«
Ljung Björn wurde dunkelrot; er hatte wirklich nicht die Absicht gehabt, einen Streit mit Storm zu beginnen. Er hatte den Schlag für Hök Matts nur etwas mildern wollen, der ein so guter Mann war, aber es war unvermeidlich, daß er zornig über die Antwort wurde. Ehe er sich noch so weit fassen konnte, etwas zu sagen, ergriff einer von denen, die mit Hök Matts gekommen waren, das Wort.
»Ich habe Hök Matts zweimal reden hören, und ich muß sagen, es ist wunderbar, ihn zu hören. Ich glaube, daß es allen, die hier anwesend sind, gut sein würde, ihn zu hören.«
Der Schulmeister antwortete sogleich freundlich und in demselben ermahnenden Ton, wie wenn er einen Knaben in der Schule tadelte:
»Ja, aber du wirst wohl begreifen, Krister Larsson, daß dies unmöglich angehen kann. Lasse ich Hök Matts heute predigen, so kommst du, Krister, und willst am nächsten Sonntag predigen, und Ljung Björn kommt am übernächsten.«
Als der Schulmeister dies sagte, lachten mehrere; aber Ljung Björns Antwort lautete hart und scharf: »Ich weiß nicht, warum Krister und ich nicht ebenso geschickt zum Predigen sein sollten wie der Schulmeister.«
Tims Halvor erhob sich, um die Leute zu beruhigen und einem Streit vorzubeugen. »Diejenigen, die das Geld gegeben haben, um diesen Betsaal zu bauen, müßten wohl um Erlaubnis gefragt werden, ehe ein neuer Predikant Erlaubnis erhält zum reden.« – Aber nun war Krister Larsson auch böse geworden und sprach nicht mehr, nur um Hök Matts zu verteidigen. »Ich entsinne mich, daß wir, als wir dies Haus bauten, überein kamen, daß hier ein freier Predigtsaal sein solle und keine Kirche, in der nur ein einziger Mann das Wort Gottes verkünden kann.«
Wie Krister das sagte, war es, als ob die ganze Versammlung tief aufatmete. Vor nur einer Stunde wäre es ihnen nicht eingefallen, daß sie jemals den Wunsch hegen könnten, einen anderen als den Schulmeister zu hören; aber jetzt dachten sie: es könnte doch ganz ergötzlich sein, wenn uns einmal etwas Neues geboten würde; wir möchten gern ein paar neue Worte hören und ein neues Gesicht hinter dem Tisch da oben auf der Erhöhung sehen.
Es wäre aber vielleicht doch nicht zu einer Uneinigkeit gekommen, wenn nicht Kolaas Gunnar gewesen wäre. Er war ebenfalls ein Schwager von Tims Halvor, ein langer, brünetter Bursche mit stechenden Augen, Er hielt ebenso wie die anderen große Stücke auf den Schulmeister, aber eine tüchtige Zänkerei hatte er doch noch lieber. »Ja, als wir dies Haus bauten, wurde viel über Freiheit geredet,« sagte er, »aber seit es gebaut wurde, habe ich hier kein einziges freies Wort mehr gehört.«
Der Schulmeister wurde dunkelrot. Dies war die erste Äußerung, die von etwas Bösem und Aufsässigem zeugte. »Das will ich dir doch sagen, Kolaas Gunnar,« sagte er, »daß du hier die wahre Freiheit predigen hörst, so wie Luther sie predigte; aber hier hat niemals die Freiheit geherrscht, solche neuen Einfälle zu verkünden, die heute stehen und morgen fallen.« – »Der Schulmeister wird uns wohl glauben machen, daß alles Neue schlecht ist, sobald es die ›Lehre‹ betrifft,« fuhr der Mann ruhiger fort, als bereue er seine Heftigkeit. »Er will wohl, daß wir die neuen Methoden anwenden, wenn es sich um Viehzucht handelt, und er will uns neue landwirtschaftliche Maschinen verschaffen; aber wir bekommen nichts zu wissen von den neuen Methoden, mit denen Gottes Boden bestellt werden kann.« – Der Schulmeister begann zu glauben, daß Kolaas Gunnar es nicht so böse gemeint habe, wie es klang.
»Meinst du, Gunnar,« sagte er und versuchte einen scherzhaften Ton anzuschlagen, »daß hier eine andere Lehre gepredigt werden soll, als die lutherische es ist?« – »Es ist hier nicht die Rede von einer neuen Rede,« fiel nun Gunnar mit scharfer Stimme ein, »sondern nur davon, wer predigen darf; soviel ich weiß, ist Matts Eriksson ein ebenso guter Lutheraner wie der Schulmeister und der Herr Pfarrer.«
Der Schulmeister hatte einen Augenblick den Pfarrer ganz vergessen und sah nun zu ihm hinüber. Der Pfarrer saß still und unbeweglich da, das Kinn auf den Knopf seines Stockes gestützt, mit einem wunderlichen Glanz in den Augen. Und Storm sah, daß sein Blick noch immer auf ihm ruhte und ihn keinen Augenblick verließ.
»Es wäre vielleicht doch besser gewesen, wenn er gerade heute abend nicht gekommen wäre,« dachte er.
Es fiel dem Schulmeister ein, daß das, was hier jetzt geschah, Ähnlichkeit mit etwas hatte, was er schon einmal erlebt hatte. Es konnte wohl an einem so recht schönen Frühlingstag geschehen, daß ein kleiner Vogel kam und sich vor das Fenster der Schulstube setzte und sang und sang. Und auf einmal fingen dann alle Kinder an, um einen freien Nachmittag zu bitten; sie hörten auf zu lesen, wurden unruhig und lärmend und waren nicht mehr zu halten. Etwas Ähnliches war das, was heute abend nach Hök Matts Ankunft über die Versammlung gekommen war. Aber der Schulmeister dachte, er wollte dem Pfarrer und ihnen allen zeigen, daß er der Mann sei, den Aufruhr zu unterdrücken.
»Nun will ich sie erst mal sich selbst überlassen, damit sich die Spektakelmacher müde reden können,« dachte er und ging hin und setzte sich auf einen Stuhl, der hinter dem Tisch mit dem Glas Wasser stand.
Aber im selben Augenblick brach ein großer Sturm gegen ihn los, denn nun wurden alle von dem einen Gedanken erfüllt: Wir sind ja alle ebensogut wie der Schulmeister. Warum soll er allein uns erzählen dürfen, was wir glauben sollen und was wir nicht glauben sollen?
Dies waren für die meisten neue Gedanken, aber man konnte es ihrer Rede doch anhören, daß sie in ihnen gekeimt und gesproßt waren, seit der Schulmeister das Missionshaus gebaut und gezeigt hatte, daß ein einfacher und geringer Mann das Wort Gottes auslegen könne.
Nach einer Weile dachte der Schulmeister: »Jetzt haben sich die Kinder wohl ausgetobt. Jetzt ist es an der Zeit, sie zu lehren, wer hier im Hause Herr ist.«
Er stand auf, schlug kräftig auf den Tisch und sagte mit starker Stimme: »Jetzt muß die Sache ein Ende haben. Was ist das für ein Lärm, ich gehe jetzt fort, und ihr müßt auch gehen, damit ich abschließen kann.«
Einige standen auch wirklich auf, denn sie waren bei Storm in die Schule gegangen, und wußten, daß, wenn er auf den Tisch schlug, dies ein Zeichen war, daß alle gehorchen mußten; aber die meisten blieben ruhig sitzen.
»Der Herr Schulmeister vergißt wohl, daß wir jetzt erwachsene Männer sind,« sagten sie, »und er glaubt, daß wir gehorchen müssen, sobald er auf das Katheder schlägt.«
Sie fuhren fort darüber zu reden, daß sie einige neue Predikanten hören wollten und verhandelten darüber, wen sie auffordern sollten. Sie stritten sich schon darüber, ob es einer von den Waldenströminern sein solle, oder einer von den Laienpredigern aus dem evangelischen Nationalverein.
Der Schulmeister stand da und starrte die Versammlung an, als sähe er etwas Unheimliches. Bis jetzt hatte er im Gesicht eines jeden einzelnen das Gesicht des Kindes gesehen. Aber nun verschwanden alle die weichen, runden Kinderwangen, die blonden Kinderlocken und die frommen Kinderaugen. Und der Schulmeister sah nur eine Schar erwachsener Menschen mit ernsten und barschen Gesichtern, und er merkte, daß er über sie keine Macht besaß. Er wußte kaum noch, wie er mit ihnen reden sollte.
Der Lärm hielt an, und er brauste stärker und stärker. Der Schulmeister schwieg und ließ sie toben. Kolaas Gunnar und Ljung Björn und Krister Larsson standen an der Spitze des Angriffs. Hök Maats, der die ursprüngliche Veranlassung zu dem ganzen gegeben hatte, erhob sich wieder und wieder und bat sie, zu schweigen, aber niemand hörte auf ihn.
Der Schulmeister senkte seinen Blick wieder und sah den Pfarrer an. Der saß noch ebenso ruhig da, mit demselben Glanz in den Augen und sah ihn an. »Er denkt wohl an den Abend vor vier Jahren, als ich ihm erzählte, daß ich das Missionshaus bauen wolle,« dachte der Schulmeister. »Ja, er hatte recht,« dachte Storm weiter; »jetzt haben wir die ganze Geschichte, die Irrlehre und den Aufruhr und die Zersplitterung, und es wäre vielleicht niemals gekommen, wenn ich nicht so darauf erpicht gewesen wäre, mein Zion zu bauen.«
Im selben Augenblick, wo dem Schulmeister dies klar ward, erhob er den Kopf und richtete sich gerade auf. Er zog einen kleinen Schlüssel aus blankem Stahl aus der Tasche – das war der Schlüssel des Missionshauses. Er hob ihn zum Licht empor, so daß es darin blitzte und man ihn im ganzen Saal sehen konnte.
»Jetzt lege ich diesen Schlüssel hier auf diesen Tisch nieder,« sagte er, »und ich nehme ihn nie wieder. Denn ich sehe, daß alles, was ich damit habe ausschließen wollen, das habe ich statt dessen eingelassen.«
Mit diesen Worten legte der Schulmeister den Schlüssel auf den Tisch, nahm seinen Hut und ging geradeswegs auf den Pfarrer zu. »Ich muß Ihnen vielmals danken, Herr Pfarrer, daß Sie kamen und mich heute abend angehört haben,« sagte er, »denn wenn's heute nicht geschehen wäre, wäre niemals etwas daraus geworden.«
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