Manfred Kyber
Einführung in das Gesamtgebiet des Okkultismus
Manfred Kyber

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Vierter Vortrag

Spiritismus – Hypnose – Mediales und künstlerisches Schaffen – Gespenster und Geister

Wenn man über Spiritismus spricht, ist man noch mehr als auf anderen Gebieten des Okkultismus auf äußerste Beschränkung angewiesen. Nur das Wesentlichste läßt sich hier herausgreifen, weil das Material darüber, besonders in der neueren Zeit, derart angewachsen ist, daß es sich kaum noch übersehen läßt. Das ist sehr verständlich, weil gerade der Spiritismus selbst dem ganz Unvorgebildeten und dem völlig materialistisch denkenden eine bequeme Möglichkeit bietet, der Schwelle des Übersinnlichen in spielerischer oder, wie es seltener der Fall ist, in ernsterer Weise sich zu nähern. Auch öffentlich sind spiritistische Experimente gezeigt worden, und ebenso geschäftstüchtig hat sich ein Antispiritismus breit gemacht, der dem großen Publikum vielleicht noch willkommener ist, weil er der Eigenliebe schmeichelt und vortäuschen will, daß es nichts Übersinnliches gäbe und man also mit dem bescheidenen Verstandesdenken weit über allen Torheiten vergangener Epochen stünde. Man sieht eben gerne rätselhafte Experimente und hört ebenso gerne, daß das alles nur Schwindel sei, auf den nur Dumme hereinfallen, zu denen man natürlich keineswegs gehört. Tatsächlich liegt die Sache nun so, daß beim Spiritismus wirklich so viel geschwindelt werden kann und auch geschwindelt wird, wie auf keinem der anderen, schwieriger betretbaren Gebiete des Okkultismus – ebenso sicher aber ist auch, daß eine Anzahl sogenannter antispiritistischer Vorführungen nur dem Wunsche eines gutgläubigen Publikums zuliebe als solche dargestellt werden, de facto aber nur mit spiritistischen Mitteln, mit Hilfe eines Mediums und übersinnlicher Intelligenzen bewerkstelligt werden. Auf diesem irrtumreichsten Boden betrügt man eben die Materialisten mit der materialistischen Illusion und die Mystiker mit der mystischen. Neben diesen zahlreichen bewußten Täuschungen steht eine mindestens so große Zahl unbewußter, und man kann wohl sagen, die Fehlerquellen seien hier so große, daß erst eine besonders langwierige und exakte Forschung sie einigermaßen aufhellen und beseitigen kann. Das ist insofern unvermeidlich, als der Spiritismus fast mehr noch als jede andere Magie ein Schwellengebiet zum Übersinnlichen darstellt, denn er strebt nicht ins Geistige hinein, entwickelt sich nicht nach oben, sondern, auf möglichst physischer Basis ruhend, zieht er das Geistige ins Physische, das Übersinnliche ins Sinnliche, vergröbert also Dinge, die sehr oft eine solche Vergröberung gar nicht vertragen.

Sie müssen sich den Unterschied zwischen Spiritismus und Hellsehen ungefähr so vorstellen: Sie befinden sich im Erdgeschoß und wollen nun die Gewißheit erlangen, daß es im ersten Stockwerk ebenfalls ein Zimmer gibt und daß diese Zimmer bewohnt und ähnlich geartet ist. Sie können nun eine Leiter aufstellen und ein kleines Loch in die Decke schlagen; durch diese Loch strecken Sie die Hand hindurch und holen irgend einen Gegenstand herunter, der Ihnen – tatsächlich – den Beweis der Existenz und des ersten Stockes gibt, aus dem aber Folgerungen auf die Bewohner ziehen mehr als fragwürdig und riskant sein wird. Das ist der Vorgang beim Spiritismus und seinen verwandten Erscheinungen. Sie können nun anderseits, wenn Ihre Kraft und Geschicklichkeit ausreicht, das Loch in der Decke so vergrößern, daß Sie den Kopf hindurchstecken und sich selbst wenigstens zum Teil in das erste Stockwerk hineinversetzen. Ein weiteres persönliches Hinaufklettern in noch weitere Stockwerke würde ungefähr dem Vorgang entsprechen, der bei höherer Entwicklung des Menschen ins Geistige hinein stattfindet. Aber auch das erste Hineinschauen in das erste Stockwerk ist immer schon unendlich viel sicherer und Folgerungen und Wahrnehmungen zugänglicher, als das Herabzerren eines beliebigen Gegenstandes nach unten. Der zweite Vorgang wäre nun dem Hellsehen ähnlich, das in die geistige Welt hinaufgeht, sich zu ihr emporwickelt. Der Spiritismus ist also die niedrigste Wahrnehmungsmöglichkeit einer übersinnlichen Welt und damit ihre irrtumreichste.

Damit soll nichts gegen die wissenschaftliche spiritistische Forschung gesagt sein, die ja mehr oder weniger darauf angewiesen ist, die Vorgänge da zu untersuchen, wo sich nach dem Stande unserer heutigen Wissenschaft die nächste direkte Berührungsfläche mit dem physisch im groben Sinne noch Faßbaren befindet. Nur ist es ein Irrtum, Gelehrte wie etwa Lombroso und Schrenck-Notzing für Spiritisten zu halten, weil sie als Forscher des Okkulten erst einmal dieses Feld als Brückengebiet vom rein akademisch Bekannten zu bearbeiten vornahmen. Damit ist natürlich keineswegs gesagt, daß sie innerlich damit begrenzt sind, und sie werden sicherlich ohne Berechtigung von fanatischen Anhängern des reinen Spiritismus als Führer und Apostel in Anspruch genommen. Auch hier bewahrheitet sich wieder, was ich auch bei esoterischen Forschern und Führern, auch ihrem derzeit stärksten, Rudolf Steiner, zu beobachten Gelegenheit hatte: daß die schlimmsten Feinde guter und neuer Ideen und ihrer Vertreter nicht die mehr oder minder sachlichen Gegner als die einseitigen dogmatischen Anhänger sind. So große Gefahren der Spiritismus für seelische und körperliche Gesundheit und klares Denken in seinen verschiedenen Anwendungsformen und seinen zahlreichen Irrtumsquellen bieten mag, und so sehr ich selbst davon abrate, ihn ohne ganz besondere Kenntnis und zwingende Ursache zum Studienobjekt oder gar zum zweifelhaften Eintrittstor ins Übersinnliche zu machen – eines muß man ihm gerechterweise doch immerhin lassen: nämlich, daß er eine sehr große Zahl von Menschen zur Überzeugung einer übersinnlichen Welt, eines Fortlebens nach dem Tode gebracht hat, die sonst in ihrem einseitig verbissenen Materialismus niemals sich dazu hätten bequemen können und wollen ohne diesen vergröberten, physikalischen Beweis sinnlich nicht wahrnehmbarer Wesen und Dinge, die der Spiritismus sinnlich wahrnehmbar zu machen in der Lage ist.

Daß gerade unsere neuere und neueste Zeit eine solche Fülle spiritistischer Strömungen gezeitigt hat, liegt daran, daß eben in dieser Gegenwart die rein materialistische Verstandesdenkart an Stelle der geistigen getreten ist, wenigstens zum weitaus überwiegenden Teile.

Gewiß hat auch das Altertum eine Nekromantie gekannt, eine Totenbeschwörung – ich erinnere nur an die Hexe von Endor – aber diese Fälle sind seltene, durch besondere Ursächlichkeiten herbeigeführte, wo es sich vielleicht darum handelte, einen Geist eines ganzen Volkes zu befragen. Auch im Mittelalter war die Totenbeschwörung im Vergleich zur übrigen niederen Magie durchaus im Hintergrunde; man beschwor wohl irgendwelche dunkle Geister oder Gespenster oder glaubte doch, sie zu beschwören, um Schätze zu heben, Macht zu erlangen oder sich sonstwie übersinnlicher Hilfskräfte im eigenen Interesse zu bedienen. Dieser Niederschlag ist auch in den vielen Sagen von Doktor Faust und ähnlichen Überlieferungen vorhanden. Verstorbene zu rufen aber hatte das Altertum und auch das Mittelalter eigentlich wenig Ursache, weil die Menschen der damaligen Zeit noch zum größten Teile mehr oder weniger hellsichtig waren, mehr oder weniger in einem ständigen Verkehr mit übersinnlichen Geschehnissen, Wesenheiten und damit auch den Toten standen. Erst der an sich notwendige Rationalismus hat den Schleier vor diese Welt gezogen, um die falsch sehenden Augen einer korrupten Mystik ausheilen zu lassen, die nun, gesundet, vielleicht allzu robust gesundet, jene feinere Wahrnehmungsfähigkeit wieder erwerben müssen, um schleierlos nunmehr Gesundes, Reales, nicht Krankes, Verzerrtes zu schauen. Auch das ist Evolution und nicht von heute auf morgen zu erzielen.

Somit ist es verständlich, wenn der Spiritismus heute seine höchste Blüte erreicht hat, wenn er heute vielen vielleicht das einzige Mittel ist, sich etwas Übersinnliches zu beweisen und sich in eine wenn auch meist sehr fragliche und irrtumreiche Verbindung mit einem nahen Toten zu setzen. Anerkennen muß man stets auch bei allem Unheil, das der praktische von Laien ausgeübte Spiritismus hervorgerufen hat, daß er vielen die erste und vielleicht zuerst nach der ganzen Sachlage einzige Brücke gewesen ist zu einer weiteren Entwicklung ins Geistige, ins höhere Esoterische hinein. So sehr ich nun aus den herangezogenen Gründen durchaus ein Gegner des Spiritismus bin, soweit er nicht ganz wissenschaftlich als Forschungsfeld betrachtet wird, so muß ich ihn im Anschluß an meine Ausführungen über Nekromantie doch vor einem bei seinen Gegnern sehr beliebten Vorwurf in Schutz nehmen. Man wirft ihm nämlich allzugerne und allzu häufig vor, daß er Tote zitiere, also Verstorbene beschwöre und rufe. Es mag das hier und da gewiß vorgekommen sein, im allgemeinen aber verzichtet er auf jede Art derart bewußter Nekromantie. Er stellt lediglich die Bedingungen einer Kundgebung seitens irgendwelcher Jenseitigen her und wartet, wer sich von diesen Toten oder angeblich Toten der hergestellten Möglichkeiten bedient. Ein eigentliches Beschwören bestimmter Personen ist mir in keinem ernsthaften Falle bekannt geworden. Von den Scherzen sehe ich natürlich ab, mit denen irgend ein überzeugtes Kaffeekränzchen spiritistischer Richtung große Tote der Vergangenheit zu bemühen glaubt.

Bevor ich Ihnen die Hauptformen des Spiritismus kurz charakterisiere, will ich noch einige Worte über Hypnose sagen. Das ist insofern nicht unnötig, als fast bei jedem Medium, also bei jeder, meist krankhaft hyperästhetischen Person, deren sich der Spiritismus zu seinen Experimenten bedienen muß, zum Eintritt des Trancezustandes eine Hypnose erforderlich ist, die allerdings meist sehr schnell und weit leichter als bei gesunden unmedialen Menschen vor sich geht. Ich wies schon darauf hin, daß die Wissenschaft die Hypnose noch vor gar nicht langer Zeit als Schwindel erklärte und sie vom Standpunkt der Forschung überhaupt nicht ernst nahm. Heute schiebt man ihr im Gegensatz sehr viel mehr zu, als sie zu tragen fähig ist, und schätzt sie auch noch sehr verschieden ein. Ich darf voraussetzen, daß die meisten hypnotischen Erscheinungsformen bekannt sind, und will hier zu meinem Zwecke lediglich auf den Unterschied zwischen der einen fremden Willen aufzwingenden Hypnose und der ohne solchen fremden Willen, nur den eigenen Willen ausschaltenden, hinweisen. Die Aufzwingung des Willens ist ein sehr einfacher und häufiger Vorgang, in der Heilkunde öfters verwendbar, und ist kaum mehr als eine mit seelischer Kraft gestützte Gedankenübertragung. Die andere Form der Hypnose ist die für die Forschung weit wichtigere – sie setzt keinen Willen des Hypnotiseurs ein, sie lähmt lediglich den Willen der mediumistischen Person, schaltet gleichsam im Trancezustand ihr Ich aus, so daß sich fremde Wesenheiten, Gedankenwellen oder Empfindungsströmungen in ihr seßhaft machen oder zum mindesten vorübergehend wahrnehmbar eintreten können. Diese zweite Form ist die beim Spiritismus gebräuchliche, sie stellt durch das Medium lediglich eine Art passiver Resonanz her für alle Kundgebungen, die nun freiwillig erwartet, nur selten aber erzwungen werden sollen und können. Ich will nicht versäumen, an dieser Stelle vor allen hypnotischen Experimenten zu warnen. Sie sind meist gesundheitschädlich und setzen sehr viel Kenntnisse voraus. Eine Spielerei, eine Befriedigung der Neugierde dürfen sich ebensowenig sein, als spiritistische Versuche. Auch abgesehen von den vielen Fällen bewußten und sehr leicht möglichen Mißbrauchs sind sie eine Quelle von Gefahren für den, der sich auf diesen Gebieten nicht einigermaßen auskennt. Zum mindesten sollte man stets einen Arzt, möglichst einen Nervenarzt zur Stelle haben und ebenfalls eine hellsichtige Persönlichkeit, ohne deren Hilfe ja auch die meisten spiritistischen Ergebnisse kaum nachzuprüfen sind. Denn neben üblichen Irrtümern, irgendwelche übersinnliche Intelligenzen mit herbeigewünschten Verstorbenen zu identifizieren, mischen sich in dieses Forschungsfeld noch allerlei bisher nur wenig erklärte Erscheinungen, die aus dem Medium selbst herrühren, aus seinem Unterbewußtsein oder seinem Überbewußtsein, seinem Nachtpol des Ichs, wie es Perty nennt, oder, freilich wohl nur in seltenen Fällen, aus seinem lichteren Gegenpol.

Der Spiritismus weist zahlreiche Namen bekannter akademischer Forscher auf, und ich nannte schon in meiner Einführung, um einige Beispiele herauszugreifen, Alfred Rüssel Wallace, Crookes, Rochas, du Prel, Lombroso, Flammarion, Schrenck-Notzing usw. Auf die eigentümliche Erscheinung des Gewichtsverlustes der Medien im Trancezustand machte ich Sie gelegentlich meiner Erläuterung der Hexenwaage aufmerksam. Diese und ähnliche Merkwürdigkeiten, die manch neues Licht auch auf bisher sehr mißverstandene Seiten der Kulturgeschichte werfen, sind nun keineswegs irgendwelche Hypothesen, sondern exakt erforschte Tatsachen in eigens dafür hergerichteten Laboratorien. Sie sind festgestellt mit wissenschaftlichen Methoden, eigens dazu konstruierten, sehr kunstreichen Apparaten und sind unter eine Kontrolle gestellt, die einen Irrtum wenigstens über diesen Teil des Mediumismus ausschließen. Sehr nennenswert ist in dieser Hinsicht das Laboratorium des Berliner Physikers Fritz Grunewald, dessen erste Anfänge ich entstehen sah und über das der Forscher ein besonderes Werk veröffentlicht hat. Für Interessenten des Spiritismus möchte ich außer auf die heute noch sehr lesenswerten Werke von du Prel, die eine gute Vorbereitung bedeuten, auf die markantesten Namen der okkult-wissenschaftlichen Forschung hinweisen, auf Lombroso und Schrenck-Notzing. Lombrosos Werk »Hypnotische und spiritistische Forschungen« (deutsch im Verlag von Julius Hoffmann, Stuttgart) ist leicht verständlich und geeignet für solche Leser, die sich näher, aber ohne allzugroße, schwierigere Vertiefung, über den Spiritismus und seine Forschungsmethoden orientieren wollen. Von Dr. Freiherr von Schrenck-Notzing möchte ich für diejenigen, die sich eine mühsamere und fachlich schwerere Einführung zutrauen und die sich besonders für die Materialisationsphänomene interessieren, das sehr umfangreiche Werk »Materialisationsphänomene« nennen (Verlag Ernst Reinhardt, München), das ein ungeheures Material von Sitzungen, interessanten Aufnahmen in mustergültiger Genauigkeit umfaßt. Schrenck-Notzing arbeitet überaus vorsichtig und hält auch mit seinen Folgerungen zurück. Er verweist in erster Linie auf die Tatsachen und hat sicherlich, aber meiner Ansicht nach lange nicht so häufig als er annimmt, recht, wenn er die Phänomene vorwiegend ins Gebiet einer unbewußten Eigenproduktion des Mediums verweist. Die übersinnliche Intelligenz, die natürlich nicht immer ein Verstorbener zu sein braucht, ist wohl die weitaus faßlichere und näherliegende Erklärung. Ganz abgesehen davon, daß ja überhaupt dieses Feld des Unbewußten oder Überbewußten, das sich ja bei vielem noch Unerforschten nicht vermeiden läßt, eben doch nicht mehr auszudrücken imstande ist, als eine terra incognita.

Ich möchte Ihnen nun die Hauptformen des Spiritismus in kurzer und bequem übersichtlicher Weise vor Augen führen, ohne mich irgendwie in Einzelheiten zu verlieren, die hier noch mehr als wo anders durchaus dem Studium jedes Interessenten überlassen bleiben müssen. Es wird Ihnen gewiß bekannt sein, daß der Spiritismus vor Jahren, hauptsächlich in Amerika, eine Mode wurde und sehr schnell auch nach Europa übergriff, und zwar in seiner häufigsten in Laienkreisen gebräuchlichen Form, dem Tischrücken. Eine Reihe von Sitzungsteilnehmern bildet mit den Händen eine Kette und erzeugt nun durch eine mediale Kraft, die von allen gleichsam gesammelt, in den Tisch übergeht, die Möglichkeit, daß sich eine übersinnliche Intelligenz dieser Kraft im Tische bedient und Zeichen durch sie zu geben vermag. Es liegt auf der Hand, daß diese primitivste und schwer zu kontrollierende Form die meisten Irrtümer aufweisen muß und zudem reichlich durch Unsinn und Schwindel diskreditiert ist. Trotzdem bleibt bestehen, daß die Bewegungen des Tisches sich unabhängig von einer mechanischen Einwirkung der Zuschauer vollziehen können und daß durch Ausklopfen, nach einem vereinbarten Alphabet, Nachrichten und Äußerungen aus einer sinnlich nicht wahrnehmbaren Welt übermittelt werden und zwar auch in solchen Fällen, in denen die Erklärung der Gedankenübertragung auf das Medium ausgeschlossen erscheint. Beweiskräftig sind im Spiritismus natürlich nur diejenigen Kundgebungen, die von keinem der Teilnehmer gewußt und absichtlich oder unabsichtlich beeinflußt sein können. Überhaupt werden Zweifler, die in der Regel gute und ihrer Meinung nach sehr geistreiche Ratschläge zu geben lieben, wie man den ihrer Meinung nach stets vorliegenden Betrug »entlarven« könne, bei näherer Sachkenntnis die Erfahrung machen, daß die von ihnen empfohlenen Vorsichtsmaßregeln gegen Irrtum und Betrug nur den bescheidensten Teil der von den Forschern angewandten Sicherheitsmaßnahmen darstellen. Soviel Unsinn mit dem Tischrücken auch als Gesellschaftsspiel getrieben worden ist, so interessante Tatsachen hat es anderseits gefördert. Lombroso hat mit seinem berühmten Medium, Eusapia Paladino, Tische von solcher Schwere gehoben, daß die Kraft der Teilnehmer dazu allein nie ausgereicht hätte. Die Klopflaute im Tische erfolgen auch, wie ich mich selbst gelegentlich überzeugte habe, keineswegs immer so, daß sie nachgemacht, mechanisch hervorgerufen werden könnten, sondern sie erinnern an das Geräusch eines elektrischen Stromes in der Holzplatte selbst. Auch ist es erstaunlich, mit welcher Geschicklichkeit sich ein Tisch, der gehoben wurde, wieder herabsenkt, ohne auch nur einen einzigen der eng beieinandergestellten Füße der Sitzungsteilnehmer zu berühren – ein Vorgang, der sich künstlich von einem der Teilnehmer und noch dazu bei wesentlicher Verdunkelung des Zimmers keinesfalls herbeiführen läßt.

Eine andere interessante Form des Spiritismus ist die des medialen Schreibens. Hier genügt kaum noch eine beliebige Teilnehmerkette, sondern es handelt sich hier schon in der Regel um sogenannte Schreibmedien, die in einem Zustand der Trance, meist der Halbtrance, zu schreiben beginnen und auf diese Weise Botschaften übersinnlicher Intelligenzen wiederzugeben versuchen. Bei diesen Experimenten ist, wenn sie über eine Spielerei hinausgehen sollen, unerläßliche Bedingung, daß die Handschrift genau die des betreffenden Verstorbenen ist und der Vergleich mit der hinterlassenen Handschrift des Toten durch einen Graphologen die Identität ergibt. Diesen Schreibmedien verwandt sind die Malmedien, meist hyperästhetische, krankhaft veranlagte Personen, die im normalen Wachzustand kaum einen Strich richtig zeichnen können, die aber in der Trance Malereien von sehr kunstreichen, sonderbaren, oft an die Tiefseefauna erinnernden Formen und sehr leuchtenden, fast durchsichtigen Farben anfertigen. Dem Hellseher ist es nachweisbar, daß es sich hier um Gebilde der ersten Schwellenstufe übersinnlicher Welten handelt, und tatsächlich zeigen alle Malereien solcher Medien in ihrer Art eine überraschende Übereinstimmung.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen, daß manche neue und neueste Kunstrichtungen sich ebenfalls auf einer ähnlichen Bahn bewegen. Der Naturalismus wird abgelehnt und nun im Gegensatz zu ihm die geistige Welt wieder gesucht, aber noch nicht erreicht. So finden sich auch Wahrnehmungen des Geistigen auf seiner Schwelle, aber Wahrnehmungen, die gleichsam auf dieser Schwelle in den Nerven hängen geblieben sind. Die gleiche Erscheinung liegt bei den redenden Künsten vor, zum Beispiel beim nun glücklich überlebten Dadaismus, auch bei den etwas verständlicheren Versuchen solcher hypermoderner Literatur. Auch hier Stammeln aus dem Wiedererwachen des Sinnes für das Mysterium des Wortes im sprachmusikalischen Sinne, aber kein Ergreifen des Mysteriums aus dem Geistigen heraus im Sinne Ovids oder Dantes, sondern ein Hängenbleiben in den Nerven auf der Schwelle zum eigentlichen Tempel. So führt der Weg einer neuen Kunst von der rein materialistischen Erdenkunst über eine in den Nerven ins Geistige strebende Schwellenkunst wieder in den eigentlichen Tempel hinein. Dieser an sich begreifliche Weg, der mit vollem Recht vom überwundenen Naturalismus hinwegstrebt, ist nur darum so verhängnisvoll, weil er hilflos zwischen zwei Welten schwebt, sozusagen nicht auf der Erde und nicht im Himmel mehr beheimatet ist. Verhängnisvoll ist diese ganze heutige Einstellung in der Kunst besonders auch darum, weil sie durch ihren irrsinnigen Begriff von Erotik die geistige Korruption unserer Niedergangsepoche noch steigert.

Erotik im eigentlichen Sinne des Frühgriechischen Eros ist keineswegs Sexualität. Sie kann unter Umständen, in einigen Fällen, vorübergehend Sexualität bejahen, dann aber als irdische Konsequenz einer geistig vorhandenen Realität. In erster Linie ist sie Sympathie der Seelen und deren angestrebte Verbindung im Feinstofflichen, sie ist nicht Faust und Gretchen, sondern Faust und Helena oder Dante und Beatrice – ein Begriff, der vielen heute bestenfalls nur noch erahnbar ist an einem Kunstwerk, und darum wähle ich gerade diese Beispiele. Diese Verbindung ist auch keineswegs ans Geschlecht gekettet, sie ist völlig geschlechtslos, erotisch nur im seelischen Sinne. Ganz zum Unterschiede von ihr ist Sexualität im physischen Sinne keineswegs Zeichen der Sympathie bei angestrebter Verbindung, sondern die irdische Illusion, die Maja, um das bekannte indische Wort zu brauchen, die das zusammenfügt, was ohne Leidenschaft sich kaum zusammenfügen würde. Hier sind Auswirkungen des Schicksals, zu denen die Sexualität herbeigezogen werden kann, nicht Erotik im Sinne der Gemeinsamkeit, der Vereinigung der Gleichwertigen und sich seelisch Nächsten, die nur im Feinstofflichen denkbar ist. Auch Mozart, der bekanntlich Freimaurer war zu einer Zeit, als diese noch genau Bescheid in übersinnlichen Dingen wußten, hat den gleichen Unterschied festgelegt in seiner Oper »Die Zauberflöte« in den Paaren Tamino und Pamina und Papageno und Papagena. Diese Einschaltung zu machen, schien mir gerade an dieser Stelle wichtig, weil sich hier Berührungsflächen mit dem künstlerischen Schaffen ergaben, die Ihnen immer deutlicher sein werden, je mehr Sie sich in den Begriff des Okkultismus hineinleben werden.

Die alte Kunst, vor ihrer mystischen Korruption und vor dem unvermeidlichen Hereinbrechen des Rationalismus, besaß meist noch das direkte Schauen, nicht nur das intuitive Erahnen geistiger Welten. Daraus erklären sich die Heiligenscheine auf den Bildern alter Meister, die ganz dem entsprechen, was heute hellsichtig oder in ähnlichen Forschungen wieder als Aura um den Menschen wahrgenommen wird, ein wesentlichster Teil seines feinstofflichen Leibes. Auch die Komik stammt aus diesem Gebiet, wie der Humor wirklicher Märchen, die grotesk-grausigen Gestalten eines Höllenbreughel usw.

Eine ähnliche Beziehung herrscht zwischen der sprachmusikalischen Ausdrucksfähigkeit jener Dichter, die wie Dante und Goethe aus dem Geistigen heraus den Glockenguß ins Irdisch-Sprachliche zu formen imstande waren, und jenen nur in den Nerven vibrierenden Klangversuchen modernster Literaten, die nur bis zur Schwelle des Wortmysteriums gedrungen sind, aber trotz aller mißglückten Versuche insofern recht haben, als sie einer rein dem Verstand faßlichen Lösung auszuweichen bestrebt waren. »Im Anfang war das Wort« – und aus solchem Wortgeheimnis heraus zu verstehen sind die vielen Widerholungen der Bhagavadgita, der oft seltsame Rhythmus alter Mysteriendichtung oder die alliterierenden Verse der heidnischen Zaubersprüche. Dieses Urland der Kunst wird wieder mehr erobert und begangen werden. Anstreben wird man diesen Gang mit sehr vielen verschiedenen Mitteln, die wohl zumeist, wie unsere ganze chaotische Zeit, aus den Nerven geboren, Zwitter zweier Welten sein werden – betreten aber wird man den Tempel des Geistigen in der Kunst nur durch die Tore der Schönheit. Immer klarer aber wird die enge Verwandtschaft von Kunst und Okkultismus sich fühlbar machen, denn Kunst ist, wenn sie mehr als Zeitspiegel mit künstlerischer Technik sein soll, geistig und übersinnlich, ist feinstoffliches Leben, Eros und niemals Sexualität. Ihr Schwellengebiet aber ist genau wie das Schwellengebiet der Mystik gleichem Erleben oder Mißerleben ausgesetzt, und darum führt die Modemystik der Gegenwart vom Eros fort in die Sexualität hinein. Ein verhängnisvoller Irrtum für die Kultur, denn man ist dadurch soweit gekommen, Mystik und Sexualität in einem Atem zu nennen.

Wirkliche Kunst und der Eros im feinstofflichen Sinne aber stehen der Schwellenkunst und Schwellenkultur mit ihrer Sexualität gegenüber wie Medialität und Genialität. Die Medialität nähert sich mehr der seelisch-körperlichen Decadence, vermag die Seele nicht aus den Nerven zu heben, wie es ja auch bei der niederen Magie der Fall ist – die Genialität nähert sich mehr der Kindlichkeit, dem Ewig-Kindlichen und damit dem Urgrund allen Schaffens und Seins. Nur aus solchen Gesichtspunkten lassen sich Dichtungen und sonstige künstlerische und kulturelle Werte begreifen.

Ich möchte Ihnen nun noch die weiteren und wichtigeren Formen des Spiritismus beleuchten, ehe ich auf ein anderes Gebiet übergehe. Den Schreib- und Malmedien, bei denen sich eine vergleichende Betrachtung künstlerischen Schaffens von selbst ergab, schließen sich die dem intuitiven Denken belangloseren, aber der analytisch-wissenschaftlichen Forschung interessanteren Sprechmedien an. Meist handelt es sich hier um Personen, die Trancezustand in der ihnen geläufigen, sehr oft aber auch in ganz fremden Sprachen Mitteilungen machen, die entweder aus dem Unterbewußten hervorgetaucht sind oder von übersinnlichen Intelligenzen mit Hilfe des Mediums übermittelt werden. Auch hier ist große Vorsicht bei Prüfung der Phänomene geboten, und nur in ganz seltenen Fällen mag es gelingen, den Konnex mit einem Verstorbenen nachzuweisen.

Ein weiterer verstärkter Grad dieses medialen Sprechens ist der Vorgang, den wir in der Bibel als Besessenheit gekennzeichnet finden. Die gleichsam Ich-los gewordene Person des Mediums wird für die kurze Zeit des tiefen Trancezustandes von einer übersinnlichen Intelligenz und hier tatsächlich des öfteren von einem Verstorbenen bewohnt. Es liegt auf der Hand, daß es sich dabei nur in den allerseltensten Fällen um irgendwie hochstehende und vergeistigte Verstorbene handeln kann, es sei denn, daß sich solche einmal ausnahmsweise dieses Mittels bedienen, um einem nahestehenden Hinterbliebenen eine Nachricht zukommen zu lassen, für die sie eine andere Mitteilungsmöglichkeit nicht haben bei der Dickwandigkeit, die die materialistische Denkweise der heutigen Zeit zwischen den beiden Welten hergestellt hat. In den weitaus meisten Fällen werden es im Affekt Verstorbene von niederer geistiger Einstellung sein, die sich in den Zustandswechsel des Todes noch nicht zurechtfinden können, was bei sehr vielen, vielleicht den meisten Menschen der Gegenwart, zum mindesten in Europa und Amerika zutreffen dürfte. Ich habe während des Krieges ein recht interessantes Beispiel einer derartigen Besessenheit erlebt. Obgleich ich mich allen spiritistischen Versuchen, als für mich eigentlich recht belanglos und persönlich nicht sympathisch, fernhielt, wurde ich doch einmal in Berlin gebeten, einer Sitzung beizuwohnen, weil das Medium angeblich russisch gesprochen haben solle und niemand der Teilnehmer diese Sprache verstand. Es war übrigens kurz nach der Schlacht bei den Masurischen Seen. Das Medium war eine alte Frau von sehr geringer Bildung, die den typischen Berliner Dialekt sprach. In der Trance meldete sich gleichsam in ihrem Körper ein russischer Soldat, der sogar auf Fragen Auskunft gab, und später ein russischer Offizier, die beide natürlich aus diesem Medium heraus perfekt russisch sprachen. Nun kann man einwenden, das Medium habe vielleicht einmal in der Kindheit an der polnischen Grenze gelebt, und Gelegenheit gehabt, russisch zu lernen oder habe überhaupt die Unkenntnis des Russischen nur vorgetäuscht. Solche Einwände sind aber leichter gemacht, als ihre Berechtigung zu erweisen ist. Nicht nur, daß die Persönlichkeiten des Soldaten und des Offiziers vollständig verschieden in Ausdruck und Benehmen waren – beide gleich abstoßend und unsympathisch wirkend durch den Körper einer alten Frau – es war bei diesem Versuch noch ein anderer Umstand, der sicher zu den interessantesten Wahrnehmungen solcher Besessenheitszustände gehört. Der Soldat sprach vollkommen das Russisch der einfachen Leute des Volkes, ein Idiom, das gar nicht leicht nachzumachen ist und nur von jemand gut gesprochen und verstanden werden kann, der in der Sprache wirklich zu Hause ist. Der Offizier dagegen sprach den elegantesten Petersburger Dialekt, auf dessen Schwierigkeit das gleiche zutreffen würde. Selbst wenn nun diese ganz einfache Frau, die ja im Wachzustand reinsten Berliner Dialekt sprach, etwas vom russischen Volksidiom kennen gelernt haben sollte, so konnte sie es unmöglich mit solcher Fertigkeit beherrschen, keinesfalls aber konnte sie außerdem bewußt oder weniger bewußt auch noch das Russisch der eleganten Petersburger Gesellschaft bis zur Perfektion sprechen.

Ich komme nun zu dem am schwersten begreiflichen, am unbequemsten faßbaren und doch einwandfrei bewiesenen Problem der Materialisationsphänomene. Sie werden gewiß alle schon und vielleicht übergenug von Materialisationen gehört haben, das heißt von spiritistischen Sitzungen, in denen Blumen und andere Gegenstände, die nachweislich vorher nicht im Zimmer waren, plötzlich auf unerklärliche Weise aufgetaucht sind. Sie werden gehört haben von geheimnisvollem Offnen von Türen, Verschwinden von Sachen und ähnlichen Erscheinungen, die an Spuk erinnern und tatsächlich auch nahe mit ihm verwandt sind. Es handelt sich hier, von zahlreichen Schwindeleien abgesehen, um den Vorgang, daß irgendwelche übersinnliche Intelligenzen sich soweit materialisieren, das heißt verfestigen, daß sie einen Gegenstand zu ergreifen oder zu handhaben imstande sind. Solch eine Verfestigung braucht auch nur an einem einzigen Gliede, vielleicht an der gerade dazu benötigten Hand, stattzufinden, während die übrige Erscheinung entweder gar nicht oder nur im feinstofflichen Fluidalkörper sichtbar wird. Ich erinnere hier an das Beispiel des Peter Lärdal aus Lappmarken, das ich Ihnen gelegentlich der Erläuterung niederer Magie erzählte und bei dem Sie auch eine Verfestigung des astralen Körpers soweit feststellen konnten, daß sich ein Ring ergreifen und verstecken ließ. Es ist im Grundsatz nun gleichgültig, ob die Verfestigung des Astralkörpers oder eines Teiles solch eines fluidalen Leibes an einem exteriorisierten Lebenden oder einem Verstorbenen oder eventuell, in sicher sehr vielen Fällen, an einer beliebigen anderen übersinnlichen Intelligenz erfolgt. Denn natürlich muß man sich darüber klar sein, daß eine übersinnliche Welt mindestens so viele Variabilitäten des Lebens aufweisen wird, als die diesseitige und in diesem Dasein geläufige. Hieraus stammt auch eine Hauptquelle der spiritistischen Irrtümer resp. vor allem ihrer Folgerungen. Man nennt derartige Erscheinungen des Herbeibringens von Gegenständen Apporte. Wie nun die Gegenstände durch feste Wände hindurchgelangen können, ist genau so erklärlich oder unerklärlich, wie jedes Festwerden fluidaler Körper oder das Flüssigwerden fester Körper. Das Eis, das sich zu fein geformten Kristallen bildet, ist vorher Wasser gewesen, und es kann sich wieder zu Wasser verwandeln, aus dem dann die gleichen Formen wieder neu entstehen können. All das ist gar nicht so unerklärlich, wenn man bloß ein wenig vergleichsweise zu denken gelernt hat und wenn man sich nicht ängstlich an die einzigen uns bekannten Naturvorgänge klammert. Somit müßte also einer derartigen Materialisation eine Dematerialisation vorangegangen sein, und das ist auch tatsächlich der Fall. Die Tatsachen der Dematerialisation sind nur seltener und weniger bekannt – noch heute aber können Sie im Orient bei entsprechend entwickelten Magiern das Dematerialisieren eines Gegenstandes, eines Ringes oder eines ähnlichen kleinen Schmuckstückes erleben.

Für die wissenschaftliche Forschung im Vordergrunde stehend muß man, in letzter Zeit wenigstens, diejenigen Materialisationsphänomene ansehen, die zur Bildung ganzer Gestalten des Übersinnlichen mit Hilfe der odischen Kraft des Mediums geführt haben. Hier erscheinen ganze Gebilde von nebelähnlichem Aussehen, die völlig erkennbare Figuren und Gesichtszüge haben, deren Gewänder greifbar sind und die sogar zu sprechen oder sich sonst in der einen oder anderen Weise bemerkbar und verständlich zu machen vermögen. Man hat den Einwand, daß es sich dabei um Täuschungen handele, sehr bald dadurch beseitigt, daß man die fraglichen Phantome Photographien und dadurch den Beweis erbracht hat, daß ein suggestiver Vorgang nicht in Betracht kommt. Man hat sogar Teile dieser Phantome in Gips oder ähnlichen Massen zum Abdruck gebracht. Ich will noch bemerken, daß die Platten vor dem Photographieren meist versiegelt wurden und im Beisein der die Untersuchung leitenden Gelehrten entwickelt oder jemand zur Entwicklung gegeben wurden, der von dem ganzen Vorgang nichts wissen konnte. Es gibt zahlreiche solche Geisterphotographien, Abdrücke und ähnliche Experimentalbeweise, und man kann sich, wenn man sich näher über diese Experimente und deren Vorsichtsmaßnahmen unterrichten will, an die Werke von Lombroso und Schrenck-Notzing halten, die ich mehrfach erwähnt habe. Ich möchte nur noch eine sehr interessante Tatsache anführen, nämlich den Umstand, daß diese Phantome keine Schatten werfen, daß auf der photographischen Platte nur der Schatten sichtbar ist der sie umgebenden irdischen Gegenstände, Tücher, Möbelstücke usw. Eine andere Frage ist es, ob diesen effektiven Tatsächlichkeiten nun immer eine Erscheinung Verstorbener, einer übersinnlichen Intelligenz überhaupt zugrunde liegt. Ich glaube, daß Schrenck-Notzing darin recht hat, mit dieser Hypothese so skeptisch als nur möglich umzugehen, wenn ich auch seiner Ansicht, daß die meisten dieser teleplastischen Phänomene, das heißt der aus dem Medium entstehenden Gebilde, in erster Linie dessen Unterbewußtsein entstammen, nicht beistimme.

Ich persönlich bin der Ansicht, daß sich meist übersinnliche Intelligenzen minderwertiger Art solcher medial freigewordener Verfestigungsmöglichkeiten bemächtigen, daß aber eigentliche Verstorbene nur in der weit geringeren Anzahl der beobachteten Fälle in Frage gezogen werden können. Ein interessantes Beispiel für einen solchen erwiesenen Fall will ich Ihnen aber nicht vorenthalten. Lombroso verzeichnet in seinen spiritistischen und hypnotischen Forschungen: »Ein Zacharias Grey teilte mir mit, er sei Geistlicher gewesen und habe 1728 in Cambridge das Buch geschrieben ›The Immortal Holiness‹. Er schrieb eine ganz sonderbare Schrift, die aber authentisch war, wie sich aus Manuskripten des Britischen Museums nachweisen ließ.« Jede Telepathie, jede Gedankenübertragung ist hier ausgeschlossen, und nicht anzunehmen ist wegen der völligen Übereinstimmung der Schriftproben das Eingreifen einer fremden, übersinnlichen Intelligenz. Eine damit verwandte Manifestation, die nur ohne Zuhilfenahme eines Mediums erfolgte, berichtet die Geschichte der Frau von Marteville, der Witwe des niederländischen Gesandten zu Stockholm, einer Zeitgenossin und Bekannten Swedenborgs. Frau von Marteville erhielt eine Mahnung, eine angebliche Schuld ihres Mannes zu bezahlen, erinnerte sich aber genau, daß diese Schuld beglichen sei, wenn sie sich auch nicht zu besinnen vermochte, wo die Quittung darüber geblieben war. Es erschien ihr nun die feinstoffliche Gestalt des verstorbenen Gatten und bezeichnete ihr die Stelle, wo sich eine Kassette mit der Quittung und einer verloren gegangenen Nadel befände. Frau von Marteville stand sofort auf, machte Licht, suchte und fand die Kassette und in ihr die Quittung und die Nadel. Nun kann man diesen Fall gewiß mit einiger Wahrscheinlichkeit auch durch ein wachgewordenes Unter- oder Überbewußtsein erklären, das in der Frau von Marteville selber zu suchen ist. Ich habe aber schon einmal darauf hingewiesen, daß die Erklärung durch Verstorbene oder eine andere übersinnliche Intelligenz dem, der sich mit den Begriffen vertraut gemacht hat, sehr viel einleuchtender und wahrscheinlicher, zum mindestens weniger schwierig ist als das Heranziehen des Unterbewußten und Überbewußten, das selbst für sehr weit vorgeschrittene Esoteriker eine oft ungelöste Frage bleibt.

Ich wählte diesen Fall hauptsächlich deshalb, weil er einen Übergang vom Spiritismus und seinen Phänomen zum Spuk und den Gespenstern bietet. Die rationalistische Illusion, daß es keine Gespenster gäbe, wird Ihnen nun wohl auch allmählich genommen sein, und kein noch so aufgeklärt tuendes Bildungsphilisterium kann an diesen Tatsachen etwas ändern. Im übrigen leugnen gerade diejenigen die Gespenster am meisten, die sie unbewußt am meisten fürchten. Die Erklärung der Gespenster ist ja nach den Ergebnissen der spiritistischen Forschungen eine sehr einfache. Es handelt sich um erdgebundene Verstorbene, die durch ihre Gesinnung, ihre Unvergeistigung, durch einen Affekt, durch irgendwelche Begierden so sehr an die irdische Form, an ihren Zustand und an den Ort ihres einstmaligen Daseins sich gebunden fühlen, daß sie nicht davon freikommen können und nicht in der Lage sind, sich ins Geistige zu erheben. Es gibt unzählige beglaubigte Gespenstererscheinungen aus allen Zeiten, auch der jüngsten Gegenwart, und ich empfehle dem, der sich besonders dafür interessiert, das überaus reichhaltige und vorzüglich geschriebene Werk von Dr. Max Kemmerich, »Gespenster und Spuk« (Haus Lhotzky Verlag, Ludwigshafen am Bodensee). Kemmerich hat auf diesem und anderen Gebieten als Historiker nicht nur ein sorgfältig überprüftes Material zusammengestellt, sondern auch in der Vertretung dieser dem Materialismus und seiner großen Gefolgschaft unbequemen und oft wütend bekämpften Erneuerung alter Wahrheiten einen sehr beachtenswerten moralischen Mut bewiesen. Zur Frage der Gespenstererscheinungen überhaupt möchte ich bemerken, daß es nicht nur einzelne Gespenster gegeben hat und gibt, sondern daß gerade viele historische Beispiele ganze Gesellschaften solche beglaubigen, eine Art von Massenspuk, in alten Klöstern und Palästen häufig einen solchen, dem, wie den bekannten weißen Frauen, auch eine vorbedeutende Wirkung zuzuschreiben war.

Grundsätzlich möchte ich noch eines hinzufügen: wenn sich irgendwo ein Spuk meldet oder von ihm erzählt wird, so sagt der einseitige Mystiker von vornherein, daß es sich um ein Gespenst handle, der einseitige Materialist, daß es eine auf rein mechanischem Wege zu erklärende Erscheinung sei. Beides ist möglich, und es ist keineswegs gesagt, daß immer der eine oder der andere Teil Recht haben müsse. Sehr viele solche Manifestationen lassen sich bei näherer Prüfung auf ganz einfache mechanische Ursachen zurückführen, ebenso sicher ein Teil aber auch nicht, für den sich dann, wenn auch nicht immer, die Beweisführung der Gespensterhaftigkeit erbringen läßt. Es ist aber noch ein dritter Fall möglich, der sehr oft vorliegt, wenn sich wieder einmal beide Gegner in den Haaren liegen. Es ist weder eine mechanische Ursache, noch ein Gespenst. Es ist ein Restbestandteil eines ehemaligen Verstorbenen oder einer Begebenheit, ein Gebilde, für das mir hier der Daumersche Ausdruck Eidolon sehr viel angebrachter erscheint, als für den exteriorisierten Astralleib. Sie müssen sich das ungefähr so denken, als wenn auf einem photographischen Negativ, auf dem nichts sichtbar ist, durch die Entwicklung im Bade die Gestalten der früher stattgehabten Aufnahme hervortreten. Solche Reste hinterlassen alle Ereignisse und Menschen, alle Sachen tragen etwas an sich von solchen Resten einer nicht sichtbaren Lebenskraft, und diese Momente treten bildhaft hervor durch irgendwelche Ursachen, wie Anwesenheit medialer Personen, oder werden hellsichtig wahrgenommen durch Personen, die plötzlich erschreckt, hyperästhetisch geworden sind. Intuitive künstlerische Beobachtung, überhaupt Wahrnehmung Sensitiver sieht ja die Dinge anders und mehr ihrem inneren Wesen nach, als das reine Nützlichkeitsdenken der meisten Menschen, die ihre feineren Sinne durch die Plumpheit der heutigen Zivilisation übertäubt haben. Ich erinnere mich, einmal in einem Vorort Berlins, in dem ich jahrelang gelebt habe, eine Villa gesehen zu haben, die für mich etwas ausgesprochen Unsympathisches hatte, obwohl sie, künstlerisch betrachtet, nicht besser und nicht schlechter als alle anderen war. Ich empfand auch deutlich gewisse Stellen dieses Baues, die Säulen auf einer Loggia, als das Abstoßendste daran. Als ich bald darauf mit einem mir befreundeten hellsichtigen Menschen an der Villa vorüberkam, machte er mir auf meine Anregung die gleichen Angaben bis auf jede Einzelheit, wie ich sie empfunden hatte. Ich lernte die Inhaberin der Villa später kennen, erfuhr von ihr, daß es ein sogenanntes »Unglückshaus« sei, und die einzelnen Szenen der Dramen, die sich dort abgespielt, waren verkettet mit den von mir und meinem Bekannten genau bezeichneten Stellen. Hier handelt es sich um ein Fluid, ein Etwas, das den Dingen anhaftet wie einer photographischen Platte, ohne daß es im eigentlichen Sinne ein Spuk, ein Gespenst ist.

Vielen wird es nun sonderbar erschienen, daß ein Gespenst, ein Verstorbener sich so irdisch benehmen, sich so wenig von seiner im Leben getragenen Eigenart unterscheiden solle. Diesem Bedenken liegt die uns heute geläufige, aber irrige Auffassung zugrunde, als sei der Tod mehr als ein Übergang, mehr als ein Formwechsel, eine Zustandsänderung. In Wahrheit sind wir ständig in der geistigen Welt oder deren verschiedenen Regionen je nach dem Grade unserer Entwicklung, ebenso wie wir auf dem physischen Plane uns befinden. Wenn ich im Wasser stehe und einen sehr dicken Gummianzug trage, so daß ich das Wasser nicht fühle, ändert das nichts daran, daß ich mich trotzdem im Wasser befinde. Ich fühle es nur anders, wenn ich den Gummianzug ablege. Menschen, die schon jetzt weit im Geistigen leben, das seine Regionen und Zustände hat wie alles andere, werden ja auch nicht als Gespenster sichtbar werden – es handelt sich hier eben mit ganz seltenen Ausnahmen um sehr erdgebundene Verstorbene, die freilich heute in der heutigen Denkweise überwiegen werden. Daraus aber sehen wir bestätigt, daß alle spiritistischen Experimente, so interessant sie wissenschaftlich sein mögen, so sehr vielleicht viele Materialisten diese erste Brücke zu höheren Stufen benötigen, doch immer ein irrtumreiches Vergröbern feinstofflicher Wesenheit darstellen, ein Herabziehen aus dem ersten Stockwerk ins Erdgeschoß, wie ich Ihnen bereits anführte, ein Vergespenstigen des Geistigen. Darin liegen die nicht zu unterschätzenden moralischen und geistigen, seelischen und gesundheitlichen Nachteile. Ich empfehle sie daher niemand und verweise jeden, der sich ihnen nahe fühlt oder sie als Beweis zu brauchen glaubt, auf die exakten Forschungen der genannten Gelehrten.

Eine solche vergröberte Geistigkeit, Gespenstigkeit und Erdgebundenheit läßt sich jedoch nicht geltend machen für jene Verstorbenen, die im Augenblicke des Todes oder kurz nachher einem nahestehenden Menschen erscheinen. Wenn hier nicht Gedankenübertragung, Telepathie vorliegt, wie sicher in sehr vielen Fällen, sondern ein wirkliches Erscheinen im Astralkörper, so kann man daraus keineswegs schließen, daß diese Personen irgendwie in geistiger Hinsicht niedrig stehen müßten. Es ist ein sehr begreifliches Verlangen nach Mitteilung, das auf die eine oder andere Art Wirklichkeit wird. Diesen Manifestationen fehlt daher, wie allen höhergeistigen Äußerungen, jedes Gefühl des Unheimlichen, Unguten, das reine Spukerscheinungen meist mit sich zu bringen pflegen. Interessant ist es aber, daß die meisten Wahrnehmungen dieser Art, auch diejenigen, die unpersönlich sind, also nicht mit dem Empfänger zusammenhängen, sich in der Regel durch ein Gefühl der Depression anzukündigen pflegen. Jedenfalls haben neuere Forschungen das bestätigt.

Nur streifen kann ich das Problem des sogenannten Doppelgängers, das heißt des Vorganges eines doppelten Sichtbarwerdens der gleichen Person, oft am gleichen Orte und zur gleichen Stunde. Soweit mir bekannt ist, sind die Erklärungsmöglichkeiten hier sehr schwierige und bisher noch ungenügend erforschte. Nur für einen Teil der Fälle mag die Lockerung des feinstofflichen Körpers, seine allzuleichte Trennung vom Physischen auf krankhafter Basis zutreffen. Meist ist diese Eigenschaft für den Betreffenden begreiflicherweise sehr störend und verhängnisvoll, da er selbst diese Erscheinung weder in der Gewalt hat noch sich ihrer immer bewußt ist.

Unter anderen Fällen ist hier vielleicht der bekannteste der Mademoiselle Sagée in Livland zu nennen, die sich durch ihre unheimliche Eigenschaft oft ihre Stellungen verscherzte und die in den meisten einschlägigen Werken, darunter auch dem von Lombroso, angeführt wird.

Ich habe im Verlauf des Vortrages häufiger den Ausdruck übersinnliche Intelligenz gebraucht zum Unterschiede von einem verstorbenen Menschen, und es ist wohl angebracht, Ihnen darüber noch einige Worte zu sagen. Sie werden sich schwer etwas darunter denken können, wenn ich Ihnen sage, daß man beim Betreten der geistigen Welt, so einleuchtend das auch klingen mag, reichlich so vielfältiges Leben vorfindet, als im irdischen Dasein. Aber vielleicht kann ich Ihnen an einer verwandten Erscheinung diese Vorstellung erleichtern, indem ich versuche, Ihnen nahezubringen, was man unter sogenannten Elementargeistern versteht. Es ist Ihnen ja bekannt, daß das Altertum die ganze Welt, jede Pflanze, jeden Stein sich bewohnt dachte von einer Wesenheit. Im Dichterischen hat das ja auch heute noch Geltung, und ich stehe nicht an, zu behaupten, daß alle Wesen des Märchens einer übersinnlichen Wirklichkeit angehören, die in verschiedenen Graden stufbar, hauptsächlich in einer sehr hohen geistigen Region, der Region des Ewig-Kindlichen, beheimatet ist. Ich habe hier durchaus Welten im Auge von solcher Realität, wie sie Dante in seiner Komödie stufenweise schildert. Darum ist für mich ein Märchen nur dann ein wirkliches Märchen, wenn es dieser Realität entspricht, wenn es entstanden ist aus Rückerinnerung, aus dem Heimweh nach jener geistigen Heimat. Die meisten sogenannten Märchen sind nämlich nichts weiter als phantastische, erdachte Geschichten, aber keine Realitäten, was zum Beispiel das Kind sofort unterscheidet. Wirkliche Märchen sind sehr selten, weil wirkliche Märchendichter selten sind, das heißt Geister, die aus jener Region stammen – es liegt auf der Hand, daß solch ein in Heimweh verbrachtes Leben erdfremd ist und ein doppelt schweres Schicksal bedeutet.

Um Ihnen nun an einem wenigstens zum Teil der Erde angehörigen Wesen solcher Art die ganze Artung nahezulegen, bitte ich Sie, sich einmal einen Baum vorzustellen. Sie können seine ganze Struktur, seine physische Beschaffenheit zergliedern, sinnlich wahrnehmen und kennen lernen. Nicht aber können Sie sinnlich erfassen, worin eigentlich sein Leben besteht, welche Kraft seine Zellen baut, seine Blätter und Blüten treibt und im Winter, latent vorhanden, auf eine neue Kraftentfaltung wartet. Die Verpersönlichung einer solchen Kraft, also der eigentlich Wesenheit des Baumes, wäre ein Elementarwesen, eine Dryas oder Baumelfe. Dieses eine Beispiel läßt sich natürlich in richtiger Folge intuitiven, erahnenden Denkens beliebig auf alles Leben in der Natur ausdehnen.

Was wir wahrnehmen, mit den Sinnen und mit dem Verstande, ist ja nichts als die Form, die sich ein so nicht wahrnehmbares Geistiges prägt oder geprägt hat. Das Materielle, Grobstoffliche ist eben nur jeweiliges wechselndes Bild des Geistigen oder wie Goethe es ausdrückt: »Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis.« Man kann sich nun in gleichem intuitiven Denken eine weitere Anzahl solcher übersinnlicher Intelligenzen vorstellen und bis zum Erleben ihrer Tatsächlichkeit bringen, die nicht dieser Erde angehören, sondern anderen unteren oder höheren Weltgraden. Ich möchte diesen Ausblick auf eine Welt der Geister nicht verlassen, ohne Sie auf die ebenso schöne als wahre, der katholischen Kirche ja noch heute geläufige Vorstellung eines persönlichen Schutzengels zu verweisen, jenem Begriff, der auch meinem »Genius astri« zugrunde liegt in den Worten:

»Durch die Kette deiner Leben,
erdennah und erdenfern –
immer segnend dir zu Häupten
hält dein Engel deinen Stern.«


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