Isolde Kurz
Singende Flamme
Isolde Kurz

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Das Maienfest

        Sie zogen ein weißes Kleid mir an
Und ringelten mir die Löckchen:
Zum Maienfest auf grünem Plan
Führt die Mutter ihr Maienglöckchen.

Da schimmert ein Zelttuch im Sonnenlicht,
Die grünste Wiese auf Erden.
Ein Karussell auch fehlte nicht
Mit hölzernen Wagen und Pferden.

Und paarweis zogen sie Hand in Hand,
Des Lenzes erkorene Schar,
Stilleuchtenden Augs im weißen Gewand,
Maienblumen im Haar.

O Mutter, wo ist mein Platz im Zug?
Schon ruft der Spielmann mit Schalle.
Komm Kind, du hast am Schaun genug,
Das Fest ist nicht für alle!

So blickt ein verstoßenes Engelskind
Auf Edens selige Gäste.
Es sagt kein Wort, kein Tränlein rinnt:
Sie wollen es nicht beim Feste.

Und jenen Mai vergaß ich nie,
Denn was ich auch Schönes errungen,
War keine Wiese so grün wie die,
Wo ich nicht gespielt und gesprungen.

Noch ist mir, ich steh' am Wegesrand
Und seh' die erkorene Schar
Einig vorbeiziehn Hand in Hand,
Maienblumen im Haar.

Ja, stünd' ich heute im Paradies
Vor des Ewigen Angesichte
Und spräch' er: Seit ich dich entließ,
Wie ging dir's im Sonnenlichte?

– Des Guten gabst du mir mancherlei,
Um das Böse will ich nicht klagen,
Jedoch das Schönste, das Fest im Mai,
Hast du mir unterschlagen.

Und früg' er lächelnd: Mein lieber Gast,
Was soll ich dir dafür schenken?
– Die grünste Wiese, die du hast,
Mit Zelten, Tischen und Bänken.

Ein Leierkasten sei zur Stell',
Und eins noch möcht' ich bitten:
Gib auch dasselbe Karussell,
Worin sie damals geritten.

Dann will ich spielen im weißen Gewand
Mit des Lenzes erkorener Schar,
Singen und wandern Hand in Hand,
Maienblumen im Haar.

 


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