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Legende von der heiligen Katharina und ihrem Ring

Unter der Regierung des Maximinus Daza lebte zu Alexandrien eine Jungfrau mit Namen Katharina aus dem königlichen Geschlechte der Ptolemäer, die an Leibes- und Geistesadel alle Frauen ihrer Zeit überstrahlte. Sie genoß eine sehr feine Erziehung und wurde frühe in die Schule der Sophisten und Rhetoren gegeben, durch die das damalige Alexandria als Mittelpunkt der Weltweisheit glänzte. Bei ihren großen natürlichen Gaben erlangte sie eine seltene Fertigkeit in den Künsten der Dialektik, die in jener Zeit des niedergehenden Heidentums für die ersten und erlauchtesten galten. In ihrem reichen Elternhause, das von Statuen der Götter und von anderen herrlichen Werken der Griechenkunst strahlte, verkehrten die berühmtesten Gelehrten der Zeit und hielten es nicht unter ihrer Würde, mit dem noch kindlichen Mädchen schwierige Fragen der Metaphysik zu erörtern. Und wie Katharina heranwuchs, so wuchs in ihr auch das Feuer des Geistes und die Gewandtheit der Rede, worin sich attische Grazie mit dem Ernst frühreifen Denkens mischte. Solches Gehaben hieß in jener Zeit nicht unweiblich, vielmehr wurde die Kunst des Wortes als eine Zierde auch für die Frauen angesehen. Und da Katharina mit einer wahrhaft siegreichen Schönheit und lieblichen Hoheit einhertrat, umwarben sie die Freier so zahlreich wie dereinst die Griechin Helena.

Katharina aber wollte nur einem Gatten folgen, der sie so weit überträfe, wie sie bisher ihre Bewerber übertroffen hatte, und sie nahm ihrem Vater das Versprechen ab, sie nur demjenigen zur Frau zu geben, der ihr vor ansehnlicher Versammlung im Redegefecht obsiege. Schon hatte sich eine ganze Anzahl der vornehmsten und feingebildetsten Jünglinge geschlagen und beschämt davongeschlichen, denn selbst wenn sie sich vornahm den Bewerber zu schonen, erwachte doch im Augenblick der Entscheidung ein so starker Geist in ihr, daß niemand gegen sie anzukämpfen vermochte, und wenn ein spitzfindiger Redner ein Haar in vier Teile gespalten hatte, so spaltete sie es in acht und behielt das letzte Wort.

Allmählich wurde ihr bei ihren Siegen selber bange, denn die Liebe, durch die sie doch so gerne glücklich geworden wäre, entwich ihrer Sehnsucht wie die Fata Morgana dem Dürstenden in der Wüste. Allein sie war nun schon durch ihre eigene Abmachung an diesen seltsamen Wettkampf gebunden, und es sprach auch eine mystische Eingebung, die große Macht über sie hatte, mit. Schon in zartester Jugend hatte ihr eine innere Stimme zugeflüstert und sich später immer öfter und dringender vernehmen lassen, daß sie nur den Herrn des Himmels und der Erde lieben dürfe und ihm ihre Jungfräulichkeit bewahren müsse. Und oft sann sie in stiller Träumerei darüber nach, in welcher Gestalt ihr der Götterkönig nahen werde, ob als Schwan oder als Stier oder als goldener Regen, aber keine der Verkleidungen, in denen er ihren Vorgängerinnen erschienen war, konnte sie befriedigen. Am liebsten hätte sie ihn in seiner göttlichen Majestät gesehen, wäre sie auch darüber wie Semele in seinen Armen vergangen. Dies aber konnte sie nicht hoffen, weil es das eine Mal so traurig geendet hatte, also nahm ihr scharfsinniger Geist an, daß er einen dritten Weg wählen und sich als Mensch bei ihr einführen würde. Wie aber sollte sie ihn da erkennen, wenn nicht an seiner übermenschlichen Geisteskraft? Nur in einem Freier, der sie, die Unbesiegliche, im Geisteskampf überwand, konnte sich der allschauende, alldurchdringende Zeus, der höchste der Uranionen, verbergen. Und immer, wenn sie mit den Kindern ihrer schon vermählten Freundinnen spielte, dachte sie mit stillem Stolz, daß das ihrige ein junger Halbgott sein würde. Aber ihr Warten auf den unsterblichen Bräutigam verschleierte sie unter dem Anspruch, daß nur der Höchste, Schönste und Weiseste der Sterblichen ihrer würdig sei.

Sie hatte in ihrem Dienste drei sehr schöne griechische Mädchen, Rhodopis, Manto und Melene, die mit ihr aufgewachsen waren und mit denen sie am liebsten ihre Zeit verbrachte. Diese hingen mit solcher Leidenschaft an ihrer Gebieterin, daß sie gleichfalls unvermählt blieben, um sich nicht von ihr zu trennen. Die boshaften Ägypter nannten sie ihre philosophische Leibgarde, weil Katharina ihnen die Lehren der Pythagoreer und der Eleaten erklärte und sich fleißig mit ihnen im Disputieren übte. Sie pflogen aber auch andere Künste, die ihrem Alter natürlicher waren, indem sie im Hofe Ball schlugen und tanzten, in welchen Fertigkeiten Katharina nicht minder glänzte als in der Wissenschaft.

Da führte ihr das Schicksal den jungen Römer Lucilius in den Weg, der dem Präfekten von Ägypten als Legat beigegeben war und in seiner verantwortungsvollen Stellung das persönliche Vertrauen des Kaisers genoß. Dieser faßte alsbald eine glühende Leidenschaft für die schöne Stolze, und der Geisteswettkampf zu dem sie ihre Werber zwang schreckte ihn nicht, denn er war in Athen ausgebildet worden, das an geistigem Ruhm doch immer noch über Alexandria stand, dabei war er schnellen und scharfen Geistes, und alle die Künste, für die Katharina gefeiert war, besaß er selber in vollstem Maße. So stellte er sich ihrem Vater mit dem Anstand seiner hohen Geburt und Stellung und mit dem Stolz des herrschenden Volkes vor und begehrte um Katharinas Hand zu ringen. Der Tag der Probe wurde angesetzt, die erste Gesellschaft von Alexandrien, sowohl Einheimische wie Griechen und Römer, versammelte sich in Katharinas väterlicher Halle, und Lucilius erschien, von Freunden und Dienern begleitet, mit allem ihm zukommenden Pompe. Er fand seine schöne Widersacherin im meergrünen Gewande, das reiche Haar aphroditenhaft mit Perlenschnüren umwunden, an ihrem gewohnten Platze zu Füßen der Pallas Athene. Ihr gegenüber erhob sich ein schönes, jugendlich ernstes Standbild des Eros, unter dem Lucilius Platz nahm, die gute Vorbedeutung preisend. Zuvor aber legte er einen Kranz zu den Füßen der Statue nieder, indem er dem Gott für die Hilfe dankte, die er ihm zu gewähren im Begriffe sei, und für den Mut den er ihm eingeflößt habe, sich mit einer so berühmten Streiterin in den Geisteskampf zu wagen.

Katharina war blaß vor Bewegung. Seit jener ersten Begegnung hatte sie das Bild des Lucilius nicht aus dem Sinn verloren, und die Unruhe mit der sie diesen Tag heranwartete hatte nichts mit der Aufregung des geistigen Ringspiels zu tun, sie galt einzig dem Gegenstand ihrer sehnsüchtigen Qual. Es war ihr auch völlig klar, daß sie keinen verkappten Unsterblichen vor sich hatte, sondern einen Sohn der Erde, aber den Würdigsten der jemals vor ihre Augen getreten war und einen um den es sich verlohnte dem Traum der Götterbrautschaft zu entsagen. Nichts schien ihr süßer, als sich in dem bevorstehenden Kampfspiel von ihm überwinden zu lassen und sich selber mit allem was sie war und besaß in seine Hände zu legen. Sie hatte für die heutige Disputation ein Thema gewählt, in dem sich ihr Herzenszustand spiegelte. Es lautete: Ist Eros mächtiger als Zeus und vor ihm dagewesen? Oder ist er jünger und schwächer als dieser? Daher des Lucilius Anrede an den Eros auf doppelte Weise schicklich und sinnig erschien.

Da aber dieser Gott, wenn er sich zuerst einer starken und stolzen Seele bemächtigt, sie zwiespältig aufzurühren pflegt, daß sie zwischen dem neuen Gefühle und dem Trieb sich selber zu behaupten hin- und hergerissen wird, so sagte nun Katharina, mehr um seiner Sicherheit gegenüber die Haltung zu wahren, als um ihn wirklich mit ihrem Spotte zu treffen:

Du bist sehr kühn, Lucilius, vor der Schlacht schon zu sprechen, als ob sie gewonnen wäre.

Allerschönste, laß dir von einem Kriegsmann sagen, antwortete dieser, daß keiner eine Schlacht gewinnen wird, der sie nicht im voraus gewonnen glaubt.

Und nun begann er also zu sprechen:

Ob Eros älter oder jünger sei als Zeus, dies zu ergründen, o schönste Katharina, ist eine schwere Sache. Die großen Weisen die vor uns lebten waren darüber getrennter Ansicht, wie du weißt. Läßt ja der göttliche Platon selber in seinem Gastmahl ihn einmal als den ältesten aller Götter, das andere Mal als den jüngsten preisen. Nun scheint es mir mit der Ehrfurcht vor den Göttern überhaupt nicht vereinbar, wenn der Mensch zu viel nach ihrer Herkunft und ihren persönlichen Umständen forscht. Um meine eigene Meinung befragt, kann ich nur sagen, daß, da Zeus durch seinen Vater Kronos gezeugt ist und da ohne die Liebe keine Zeugung eines Lebendigen stattfinden kann, sich daraus schließen läßt, es sei Eros in der Tat älter als Zeus. Daß er von den beiden auch der Mächtigere ist, unterliegt keinem Zweifel. Lesen wir doch schon im Homer, wie Zeus auf dem Gipfel des Ida sich von dem Liebreiz der Hera überwinden ließ, weil sie den Gürtel der Aphrodite trug, in den die Zauberkünste des Eros eingewebt waren. Wir wissen ferner, wie unzählige Male er dem Angriff des Eros unterlag, daß er sich selbst der Tiergestalt nicht schämte, um der Gewalt jenes Unwiderstehlichen zu gehorchen, den der liebeatmende Sophokles den Allsieger im Kampfe nennt. Wogegen nicht ein einziges Beispiel bekannt ist, daß Eros, auch wo er mit der größten Willkür verfuhr, durch die Macht des Zeus gebändigt worden wäre.

Hier machte er eine kleine Pause, während deren sowohl seine eigenen, wie die von Katharina als Kampfrichter bestellten Zeugen ein zustimmendes Gemurmel vernehmen ließen, denn nach den sophistischen Spitzfindigkeiten, die man in dieser Halle zu hören gewohnt war, wirkte die klare muntere Sprache des Römers wie ein frischer Wasserquell im Sande.

Danach begann er aufs neue und pries nun die Segnungen des Eros, der die gesetzlosen Wilden durch das heilige Band der Ehe und Familie erst zu Menschen gemacht und der Gesittung gewonnen habe. Sein herrlichstes Werk aber sei, wenn er zwei Menschen in der Blüte einander zuführe, daß eins im anderen seine gottgewollte Erfüllung finde, den Teil seiner selbst, der schon vordem einmal sein gewesen und den ein jedes in unsagbarer Sehnsucht habe suchen müssen, um alsdann vereinigt, frei von der Qual des Verlangens, zu immer höherer Vollendung aufstrebend, das irdische Dasein zu einem Zustand seliger Götter zu machen.

So ungefähr sprach Lucilius, und die Beifallsrufe der Zuhörer bewiesen ihm, daß er seiner Aufgabe gerecht geworden war.

Katharina selber glühte von heimlicher Freude über den Triumph ihres Gegners. Nun galt aber der Brauch, daß auf die erste Rede des Herausgeforderten sein Widerpart zu entgegnen hatte, daß ihm alsdann das Recht der Gegenerwiderung zustand, worauf sie, wenn diese ungenügend ausfiel, wie es bisher stets der Fall gewesen, mit einer gründlichen Abweisung schloß. Diesmal dachte sie es gnädig zu machen, und nur um dem spielenden Sieger zu zeigen, daß ihr Ruhm kein angemaßter gewesen, schickte sie sich zur Erwiderung an, nahm sich aber vor, beim zweiten Gange die Waffen zu strecken und auf das letzte Wort in bräutlicher Glückseligkeit zu verzichten.

Mit einem Lächeln von ganz leiser Schelmerei hob sie nun also an:

Gar anmutig hast du, edler Römer, uns in deinem Eros den liebenswürdigen Geliebten der Psyche geschildert, und dein Preis ihres Glückes muß in jedem fühlenden Herzen widerhallen. Jenen anderen Eros aber, der bei der Liebe zur Leibesschönheit beginnend die Seelenschönheit suchen lernt und immer aufsteigend bei der Liebe zum Göttlichen anlangt, den bist du uns schuldig geblieben.

Auf diesen Angriff blieb Lucilius stumm, sei es, daß ihn ihre Schönheit verwirrte, die durch die innere Erregung noch strahlender wurde, sei es, daß er als ein ernster Mann erwarten wollte, was sie ihm zu sagen hatte. Sein Schweigen aber und die dadurch entstandene Spannung zwangen sie seinen Sieg noch weiter, als ihr lieb war, anzufechten. Indem sie so genötigt den angeregten Gedanken weiter entwickelte, tat sie es mit einer ganz ungewohnten Lässigkeit, immer in der Hoffnung, durch Lucilius zu dem eigentlichen Thema, von dem sie ja nur aus Verlegenheit abschweifte, zurückgerufen zu werden. Da dies nicht geschah, mußte sie einen zweiten Anlauf nehmen und den Gegenstand, so wenig er ihr auch im Augenblick am Herzen lag, lebhafter anfassen. Aber kaum daß sie aufs neue begann, da bemächtigte sich eine fremde, ihr unerklärliche Gewalt ihrer Zunge und zwang sie zu sprechen, was sie weder sprechen wollte, noch auch jemals zuvor gedacht hatte.

Sie begann von einem Eros, der früher als die Welt gewesen und der zur Welt hinabgestiegen sei, um alles Erschaffene mit seiner Güte zu umfangen und durch die Kraft seiner Liebe und seines Leidens von der Erdennot zu erlösen. Jener erste Eros, der Vermittler zwischen Mann und Weib, sei nur ein Schein-Eros, der die niederen Triebe der Menschheit zu seinem Herrschbereich erkoren habe. Der wahre Eros aber sei der eingeborene Sohn des großen welterschaffenden Gottes, von ihm ausgesendet, daß er sich für das Heil der Menschheit opfere und nach vollbrachtem Werke in den Schoß des Vaters zurückkehre.

Unter ihrem Reden fühlte sie mit brennendem Schmerz, wie sie sich von dem ersehnten, ihr so nahen und eben noch mit Armen zu fassenden Glück wegredete, sie wollte sich selbst in die Zügel fallen, aber sie vermochte es nicht. Immer weiter trug sie der Strom der Rede in ein ihr völlig unbekanntes Gebiet. Ihr Antlitz war totenbleich geworden, ihre Augen glühten fremdartig, allein sie mußte fortfahren, bis alle Hoffnungen des Lucilius in Trümmer lagen, wenn es ihr auch dabei zumute war, als senkte sie sich selber langsam die kalte Doppelschneide eines Schwertes in die Brust.

Als sie geendet hatte, trat Lucilius, der noch bleicher geworden war als sie selber, zu ihr heran und sagte zornbebend, aber halblaut, daß nur sie ihn verstehen konnte:

Ich sehe nun wohl, Katharina, daß mein Werben um dich fruchtlos bleiben mußte, denn du bist Christin und gehörst einer Gemeinschaft an, die mir und allem Meinigen feind ist. Nimm dich in acht, Katharina. Ich zwar werde dich nicht verklagen, aber ich sage es dir warnend, daß die ekle und gefährliche Menschenart, durch die du dich hast umgarnen lassen, dir zum Verderben gereichen wird.

Katharina suchte vergeblich nach einem Worte der Begütigung. Sie verstand weder sich selbst, noch was der Erzürnte sprach, und während er sich mit dem ganzen beleidigten Stolz des Römers entfernte, mußte sie, auf ihre Dienerinnen gestützt, halb ohnmächtig die Glückwünsche ihrer gelehrten Freunde entgegennehmen, die ihr versicherten, daß ihr Geist noch nie so hell geleuchtet habe wie heute, obwohl sie im Grunde so wenig wie Katharina selber wußten, wovon eigentlich die Rede gewesen. Jedes dieser Lobworte drang ihr wie mit ätzendem Gift in die verwundete Brust. Nur der übergroße Stolz hielt sie vor den Gästen aufrecht, aber allein auf ihrem Zimmer überließ sie sich der vollen Verzweiflung über ihr auf so unbegreifliche Weise verscherztes Glück. Von ihren Mädchen durfte keine zu ihr, die alte Gotin Sunno, ihre ehemalige Amme und Wärterin, teilte ihren Schmerz. Diese war heimliche Christin, was Katharina nicht wußte, denn die Frau, die auch der Feinheiten griechischer Zunge wenig mächtig war, hatte sich nie erlaubt ihrer Gebieterin von so hohen Dingen zu sprechen. Sunno erbot sich zu Lucilius zu gehen und eine Versöhnung zustande zu bringen.

Gib aber mein Gefühl nicht preis, sagte Katharina, schon wieder für ihre Würde bangend. Sag ihm nur, daß ich trostlos sei, ihn ohne Absicht beleidigt zu haben, und selber nicht wisse wie alles gekommen, und daß ich ihn bitte mir zu verzeihen. Wenn er mich noch liebt, so wird er verstehen und von selber zu mir zurückkehren.

Allein sie hatte nicht mit dem starren Sinn des Römers gerechnet.

Sage deiner Gebieterin, antwortete dieser kalt auf ihre Botschaft, daß ich nichts zu verzeihen habe. Unser Wettkampf hat nach allen Regeln der Sitte stattgefunden, und wenn ich unterlegen bin, so habe ich nur meine eigene Unfähigkeit anzuklagen.

Sunno hätte nun gerne ihren Auftrag überschritten, wie es ja ihre Herrin im stillen auch von ihr erhoffte, und ihn etwas tiefer in Katharinas Herz blicken lassen, aber vor des Römers abweisender, fast spöttischer Haltung versagten ihr die Worte, und sie trat ganz verwirrt und beschämt den Rückweg an. Unterwegs aber kam es ihr plötzlich, daß dieses ganze Wirrnis wohl von Gott mit Absicht geordnet sei, weil er mit ihrem geliebten Töchterchen etwas ganz anderes vorhabe, als sie diesem hochmütigen Legaten zu geben, der ja von Amts wegen ein Feind der Christen sein mußte.

Von dieser Stunde an schlug eine dunkle Schwermut ihre Flügel um die liebeskranke Katharina. Sie ging wie leblos umher, philosophierte nicht mehr mit ihren Mädchen und kam auch nicht mehr in den Hof zum Ballspiel. Ihr Stolz verstand es aber, den Schmerz um das verspielte Glück in einem pflichtmäßigen Trauergewande zu verbergen, denn kurz nach dem Zusammenstoß mit Lucilius hatte Katharina ihren Vater verloren.

Um jene Zeit träumte ihr einmal, sie trete in einen fremden, herrlich geschmückten Raum, wo ein wunderbares Weib im weißen goldgestickten Mantel auf dem Throne saß und mit einem Knäblein von göttlicher Schönheit tändelte. Sein Antlitz leuchtete in überirdischem Glanz, und von dem Glorienschein der beide umfloß war der ganze Raum in Licht getaucht.

Komm näher, liebe Tochter, und sei nicht traurig, sagte die schöne Frau. Auf dich wartet ein höherer Bräutigam, als der ist den du verloren hast.

Katharina stürzte vor der Frau auf die Knie, und hingerissen von der unwiderstehlichen Schönheit des Kindes, küßte sie ihm verzückt die kleinen Händchen und Füßchen.

Er sieht wahrhaftig aus wie der Knabe Eros, dachte sie, da sie den Kleinen so neckisch mit der Mutter spielen sah.

Und diese sagte dem Knaben, so wie man wohl ein Kind im Scherze fragt:

Sieh dir diese schöne Jungfrau an. Willst du sie zu deiner Braut haben?

Das Kind richtete seine seligen Augen auf Katharina, daß ein Wonneschauer sie vom Kopf bis zu den Füßen durchrann. Dann wandte es sich zur Seite und sagte:

Meine Braut muß schöner sein.

Mit einem Wehgefühl, als hätte ein Schwert ihr das Herz gespalten, erwachte Katharina.

Nun fühlte sie sich noch verlorener und hoffnungsloser als zuvor. Sie ließ alle die schönen Götterstatuen aus der Halle entfernen und brachte den Olympischen kein Opfer mehr dar. Ihr habt mich verlassen in meiner Not, sagte sie ihnen, und so verlasse ich euch. – Der Pallas Athene grollte sie besonders, denn ihr hatte sie die gefährliche Macht der Zunge zu danken, und dem Eros grollte sie noch mehr, daß er ihr die Rede nicht zum rechten Ziele gelenkt.

Ich hielt euch für schön, höhnte sie, aber jetzt habe ich eine Mutter mit ihrem Söhnlein gesehen, die ist tausendmal schöner und göttlicher als ihr. Und gütig ist sie wie keines von euch, denn als er mich verschmähte, hat sie mir tröstend nachgeblickt. Ihr aber fragtet nicht nach meiner Herzensnot, als jener stolze Römer sich im Zorn von mir losriß.

Sunno aber, als sie den Traum erfuhr, hob segnend ihre Hände über das geliebte Haupt und weinte vor Freude. Dann führte sie Katharina in ihre Kammer und holte aus einer verschließbaren Truhe ein geschnitztes Elfenbeinbildnis der Muttergottes mit dem Jesusknaben.

Sie ist es, sagte Katharina und sank vor dem Bildnis in die Knie. – Dieses war zwar nur klein, aber wie sie ihre sehnsüchtigen Blicke darauf heftete, schien es zu wachsen und zu wachsen, bis es die im Traum geschaute Höhe erreichte und in demselben Lichtglanz strahlte wie jene Erscheinung. Das Knäblein spielte wieder selig mit seiner Mutter und hielt die Augen von Katharinen abgewendet.

Mach, daß er mich anschaut, Sunno, klagte diese. Bin ich denn nicht schön? Du sagtest mir doch tausendmal, ich sei die Schönste in ganz Alexandria, und so viele sagten mir dasselbe. Wie kommt es nun, daß dieses Kind, das ich mehr lieben muß, als ich jemals ein menschliches oder göttliches Wesen geliebt habe, mich nicht schön genug findet?

Es kommt daher, weil du nicht getauft bist, meine geliebte Tochter. Dieses Kind, das nichts anderes ist als der Herr des Himmels und der Erde, kann auch die schönste Jungfrau nicht lieben, wenn sie nicht getauft ist.

Katharina, die sich nie um die Bräuche der verachteten Christen gekümmert hatte, ließ sich erklären, was die Taufe bedeute. Darauf erzählte die ungelehrte Gotin ihrer gelehrten griechischen Gebieterin alles, was sich in Palästina ereignet hatte, bis zu der bitteren Stunde auf Golgatha, wo der Vorhang des Tempels zerriß und die toten Propheten aus ihren Gräbern stiegen, weil des Menschen Sohn aus Liebe am Kreuz der Schmach verblutete.

Katharina war ganz in Tränen aufgelöst, und Sunno brachte sie zu dem Hirten ihrer Gemeinde, der auf ihre Bitte die Taufe an ihr vollzog.

In dieser Nacht führte der Traum sie abermals zu der herrlich thronenden Gottesmutter, die ihr schon von weitem gütig zunickte. Katharina kniete vor ihr nieder, und wiederum fragte die Hohe, aber diesmal mit tiefem Ernst, ihr Kindlein:

Willst du diese schöne Jungfrau zur Braut?

Da wandte der Knabe ihr einen vollen Blick aus tiefen, strahlenden Götteraugen zu, neigte sich herab und steckte ihr einen Ring an den Finger. Zugleich wuchs er empor und verwandelte sich und war kein Knabe mehr, sondern saß als Herr des Himmels auf diamantenem Throne und hatte die Sonne ums Haupt, und seine eigene Mutter mit allen Erzengeln, Cherubim und Seraphim, mit Thronen, Herrschaften und Gewalten knieten in weißem Wolkenschaum zu seinen Füßen, ganz zu unterst aber kniete Katharina selbst.

Vom Überschwang der Seligkeit erwachte sie und lag lange mit klopfendem Herzen, indem sie über den Traum nachsann. Aber als die Sonne in ihr Gemach schien, spielten ihre ersten Strahlen auf einem wunderbaren Reif an Katharinas Finger. Von leichtem goldenem Blattwerk durchsichtig gehalten, glänzte darin ein großer tiefroter Karfunkelstein wie ein Blutstropfen und darunter in einer zierlich gewundenen Ranke ein kleinerer von derselben Farbe, wie auch in den Zierat, der den großen Stein umgab, noch allerkleinste Rubinsplitterchen eingelassen waren.

Im Fieber der Entzückung kehrte Katharina zu dem heiligen Mann zurück, ihm den Ring zu zeigen und die Erscheinung zu erzählen.

Worauf der Bischof:

Dir ist Großes widerfahren, meine Tochter. Dieser Ring, mit dem Er sich dir anverlobt, sagt dir, daß, gleichwie der Heiland für dich sein Blut vergossen hat, du auch gewürdigt bist, das deine für ihn zu verspritzen und in die Zahl seiner heiligen Märtyrer aufgenommen zu werden.

Katharina sagte, in den Anblick ihres Ringes verzückt:

Und die kleinen von den Blutsteinen, das sind die Seelen, die ich ihm zuführen soll. Ja, ich will kommen und mit Brautgeleit. Möchte es nur schnell geschehen. Ich sehne mich unaussprechlich, sein Angesicht wieder zu sehen, und jede Stunde wo ich nicht bei ihm bin scheint mir eine unleidliche Verzögerung.

Jetzt war das Erdenleid, in dem sie bisher wie eine Gefangene gesessen, rings um sie eingesunken, gebrochenen Kerkermauern gleich, und ihr Herz erschloß sich wieder für ihre Mitgeschöpfe. Die drei abgedankten Gespielinnen Rhodopis, Manto und Melene waren die ersten, die ihr neues Glück teilten, denn wie sie ihnen früher die Weisheit des Pythagoras und die der Eleaten auseinandergelegt, so erklärte sie jetzt den schnell Gewonnenen die Geheimnisse der Heiligen Schrift, und die gute Sunno ging umher wie das Gestirn dessen Namen sie trug. Noch viele von ihrer Gefolgschaft traten zu ihrem neuen Glauben über, und Katharina sang wie eine Begeisterte: Ja, kommen will ich zu dir mit Flöten und Zimbeln, und ein herrliches Brautgeleit führ' ich, Geliebter, dir zu.

Um jene Zeit hatte Maximinus, der gerade in Alexandria residierte, die seit dem letzten diokletianischen Blutbad ein wenig eingeschlafene Christenverfolgungen wieder aufgenommen, und der entartete alexandrinische Pöbel lechzte danach sich an barbarischen Blutgerichten zu weiden. Alle Christenversammlungen wurden verboten, ihre Kirchen, soweit sie noch standen, vollends geschleift und die Ausübung christlicher Zeremonien mit dem Tode belegt. Die Vollstreckung dieser Befehle mußte in unmittelbarem kaiserlichem Auftrag Lucilius überwachen, der jeglichen Fanatismus verabscheute und zu mildern suchte, wo er konnte. Wenn eine Anzeige erstattet wurde, ließ er den Schuldigen vor sich kommen, redete ihm zu, der Staatsreligion die gebührende öffentliche Ehrfurcht zu erweisen, wobei er zu verstehen gab, daß im stillen ein jeder den Gott verehren dürfe den er im Busen trage, und nur wenn alle Ermahnungen fruchtlos blieben, ließ er dem harten Gesetze seinen Lauf. Er selber hielt keine Nachspürungen, und wer sich nicht geradeswegs zum Martyrium drängte, wie es damals viele Christen taten, um schnell das ungewisse Erdenlos mit der ewigen Seligkeit zu vertauschen, der blieb unbehelligt. Wiederholt hatte man ihm schon Verdächtigungen gegen Katharinen zugetragen, daß sie von den alten Göttern abgefallen sei, wobei vor allem weiblicher Neid auf die Rachsucht des öffentlich abgewiesenen Freiers zählte, sich aber in der überlegenen Seele des Legaten gründlich verrechnet hatte. Dieser wußte sehr wohl, daß Katharina verfolgten Christen Unterschlupf zu gewähren pflegte, aber er wollte doch die Einstgeliebte nicht in einen grausamen und schmählichen Prozeß verwickelt sehen. Deshalb antwortete er den Angebern kurz, er kenne sehr wohl die Gesinnungen jener fürstlichen Jungfrau, die das Studium der Philosophen um die gesunde Vernunft gebracht habe, die aber viel zu hochmütig sei, sich mit einer so niedrigen und verachteten Gemeinschaft wie den Christen einzulassen.

Trotz dieser weisen Duldung des Lucilius kam ein Tag der Furcht und des Zitterns über die Christengemeinde von Alexandria, denn der Kaiser, dem das Vorgehen seines Legaten zu lau war, ordnete plötzlich ein öffentliches Dankfest an, bei dem sämtliche Einwohner der Stadt an den Altären der Götter opfern sollten: wer sich ausschloß, war des Christentums verdächtig und am Leben bedroht. Unter den Opfern, die dieser Tag seiner Blutgier in die Hände lieferte, war auch Katharina. In ihrer immerwährenden schwärmerischen Sehnsucht nach der mystischen Vereinigung mit dem Gottessohn, dessen Ring sie am Finger trug, hatte sie ihr Wegbleiben von dem Opferfeste so offenkundig wie möglich gemacht und auch andere geflissentlich abgehalten. Sie beneidete jeden Blutzeugen, der ihr im Tode voranging und früher als sie das Angesicht ihres erwählten Bräutigams schaute.

Bei dem Wiedersehen mit ihr, die ihm jetzt als Gefangene vorgeführt wurde, bestand Lucilius die Goldprobe seines Charakters. Er wußte ganz genau, daß er mit seiner mißglückten Werbung den frechen Alexandrinern zum Gespötte diente, wenn man ihm auch unterwürfig begegnete, denn die damaligen Ägypter waren ein bösartiges und zugleich kriechendes Geschlecht, und die vornehme griechische Gesellschaft war nicht minder entartet. Er hatte deshalb allen geselligen Verkehr abgebrochen und sich ganz auf seine Amtsgeschäfte und seine Studien zurückgezogen, die Einsamkeit aber vergiftete ihm nur die schwärende Wunde. Als sie nun im schlichten weißen Gewande ohne allen Schmuck, aber noch so schön wie je, nur sanfter und bescheidener, vor ihm stand, da trat an die Stelle der Bitterkeit ein tiefes Mitleid, das der alten, nie vergessenen Liebe nahe verwandt war. Er entfernte die Zeugen und begann mit angenommener Strenge:

Tochter der Ptolemäer, wie konntest du von deiner angeborenen Würde so tief heruntersteigen, daß du mit der verachtetsten Sekte im ganzen Römerreiche dich gemein machtest?

Du irrst, Legat, entgegnete sie sanft. Mich hat die göttliche Gnade im Kerker meines Hochmuts und meiner Blindheit aufgesucht und hat mich gewürdigt, in die Gemeinschaft seiner Heiligen aufgenommen zu werden.

O Katharina, antwortete er bewegt, da sein altes Gefühl mehr und mehr erwachte und er glühend wünschte, sie dem gefährlichen neuen Glauben abtrünnig zu machen. Du schmähst uns Altgläubige, daß wir Bilder aus Erz und Stein anbeten, und was tust du selbst? Du hast ein Bild mit dem anderen vertauscht, nur daß du statt der schönen Olympier einen geschändeten Gott in Knechtsgestalt verehrst.

Nun sollte er zum zweiten Male erfahren, wie die Griechin den Römer an Macht der Seele übertraf. Und wenn sie jenesmal von einem himmlischen Eros gesprochen hatte, der ihr doch nur ein unfaßbares Nebelgebilde war, so sprach sie jetzt mit noch ganz anderem Feuer von einem, dessen Angesicht sie leibhaft gesehen und dessen Ring sie am Finger trug.

Beim Anblick dieses Ringes, den sie ihm als Gabe des göttlichen Bräutigams vorwies, stieg eine brennende Eifersucht in Lucilius empor und mit ihr alle die lange begrabene Leidenschaft. Er beherrschte sich aber und sagte kühl und spöttisch:

Die Christen haben dich, du Tochter der Weisheit, durch ein freches Gaukelspiel betrogen. Weißt du, was deiner wartet, wenn du nicht abschwörst?

Sie starrte fest auf den Ring, dessen Blutstein immer tiefer leuchtete, und sagte nur:

Bald werde ich bei Ihm sein. Ich verlange nichts anderes.

Gib mir den Ring, bat er, ganz von Qual zerrissen, und ich rette dich, sollte es mein Leben kosten.

Sie hob ihre schönen Augen zu ihm auf und schüttelte leise den Kopf.

Voll Zorn befahl er sie abzuführen, aber sie nahm die ganze Ruhe seiner Seele mit sich.

Des anderen Tages suchte er sie im Kerker auf und bemühte sich sie auf andere Weise zu überreden.

Du bist ja klug, Katharina, sagte er, ich hab' es einmal zu meinem Schaden erfahren. So wirst du leicht verstehen, was ich dir jetzt sagen will. Maximinus verfolgt die Christen nicht um des Glaubens willen. Wir Römer erweisen den Göttern des ganzen unterworfenen Erdballs unsere Ehrerbietung, wir haben von euch Ägyptern einen Gott mit Hundskopf und einen Stiergott übernommen. Wir könnten auch einen gekreuzigten ertragen, denn die große Roma ist weitherzig. Aber die Isispriester haben ihm eingeredet, die Christen strebten nach der obersten Gewalt im Staate, das hat ihn ins Rasen gebracht. Es gibt keine größere Grausamkeit, als die aus der Furcht hervorgegangene. Und Maximinus fürchtet sich als ein richtiger unwissender Barbar. Du hast von ihm kein Erbarmen zu hoffen, so wenig als die geringsten deiner Glaubensgenossen. Es heißt abschwören oder eines martervollen Todes sterben. Ich zeige dir aber einen dritten Weg, denn sieh, Katharina, ich fühle noch ebenso für dich wie damals, als ich unter dem Standbild des Eros um dich warb. Willst du mein sein, so führe ich dich auf ein Landgut, das auch meine nächsten Freunde nicht kennen. Dort halte ich dich im Verborgenen, bis der Sturm abgeflaut ist. Nur sichere Personen werden um dich sein, und niemand wird dort meine Gattin zwingen Göttern zu opfern, an die sie nicht mehr glaubt.

Dies war der schwerste Kampf den die Gequälte zu bestehen hatte, denn auch in ihr stieg das totgeglaubte Gefühl mit mächtiger Bewegung wieder auf. Aber sie preßte die Linke mit dem Ring auf die Brust und legte die Rechte im Kreuz darüber, um an dem heiligen Karfunkel Schutz wider die Versuchung zu finden.

Lucilius, sagte sie mit Tränen, deine Güte zwingt der Christin, die keinen falschen Stolz mehr nährt, ein Bekenntnis ab, das du der Heidin nicht auf der Folter ausgepreßt hättest. Ich habe dich sehr geliebt. Als ich dein Werben abzuweisen schien, geschah es durch eine höhere Gewalt, die mir wider Willen die Zunge lenkte und die ich damals bejammerte, die ich aber heute segnen und preisen muß, denn sie hat mich meiner wahren Bestimmung zugeführt.

Dann erzählte sie ihm, wie es bei Empfang des Ringes zugegangen, und was dessen tiefere Bedeutung war.

Du bist krank, Katharina, sagte er sanft, und redest im Fieber. Wie kann ein Kindlein dein Verlobter sein?

Das Kindlein ist der höchste Himmelsgott den ich im Glanze thronen sah, antwortete sie verzückt und drückte den Ring an die Lippen.

Gib mir den Ring, flehte er nochmals voll Ingrimm gegen jenen unsichtbaren Verlobten, den er nicht suchen konnte ihm die Braut abzufordern.

Sie blieb fest. Willst du mir nahe sein, Lucilius, und teilhaben an meinem unendlichen Glück, so werde Christ und empfange mit mir die Krone des Leidens, damit ich deine gerettete Seele meinem vielgeliebten Bräutigam entgegenführen kann.

Er verließ sie voll Ingrimm und Schmerz und Bangen um ihr Geschick, das er nicht wenden konnte.

Inzwischen war schon zum Kaiser Maximinus die Kunde gedrungen, die schöne Ptolemäerin, mit der sich die klatschsüchtige Gesellschaft von Alexandria so viel beschäftigt hatte, sei als Christin gefangen, und er forderte von dem Legaten Bericht über die Sache.

Sie ist kranken Geistes, antwortete dieser ruhig, und bildet sich ein, durch einen Ring den sie am Finger trägt die Braut des Knaben Eros geworden zu sein. Und weil sie glaubt, daß die anderen Götter ihr wie einst der Psyche, abgünstig seien, weigert sie sich ihnen zu opfern.

Jedoch der mißtrauische Despot war nicht zu täuschen, denn er kannte den Knaben, für den die Christen in Verzückung starben. Und er begehrte Katharina selbst zu sehen.

Diese, die nach dem schweren Siege über sich selbst nur noch mehr danach brannte, so rasch wie möglich durch ihr Blut dem himmlischen Verlobten angetraut zu werden, trat vor den Kaiser nicht wie eine Angeklagte, sondern wie eine Klägerin. Mit schwerterscharfen Worten warf sie ihm vor, daß er sich und sein edles Haus durch Götzendienst schände und die Kinder Gottes mit Folter und Schwert verfolge.

Da ergrimmte der Tyrann und verurteilte sie zu der grausamsten und schmählichsten Form des Martertodes, dem Rädern.

Allein ihr Bräutigam auf den sie baute wollte seine erkorene Braut nicht in Qual und Schmach enden lassen und bediente sich des liebenden Legaten, um von dem zarten Leib das Grausige zu wenden.

Lucilius bestach die Henkersknechte und machte mit Hilfe eines geschickten Mechanikers das gräßliche Werkzeug für die Hinrichtung untauglich. Es war ein Gestell mit vier hohen, rundum mit spitzen Eisen versehenen Rädern, worauf der Verurteilte gebunden und durch die Umdrehung der Räder zerfetzt wurde. Der Mann durchfeilte die Achse bis auf ein kleines und brachte auch an den Rädern solche unsichtbaren Beschädigungen an, daß das Marterwerkzeug beim ersten Versuch, es zu benutzen, in Stücke gehen mußte.

Da nun die Stunde kam, wo Katharina vor versammeltem Hof und dem fanatischen hohen und niedrigen Pöbel Alexandrias ihr Blutzeugnis ablegen sollte, ereignete sich das Wunder, das Lucilius so sorgfältig vorbereitet hatte. Sobald die Henkersknechte sich grinsend in die Stränge legten, um die schweren Räder zu drehen, zersplitterten diese in hundert Stücke, die Achse brach, und der schöne Körper, den sie zerfleischen sollten, blieb von den scharfen Eisen unversehrt. Daher man diese Märtyrerin stets mit dem zerbrochenen Rad im Arme darzustellen pflegt.

Der Pöbel brüllte laut auf, daß ihm die blutige Schau entgehen sollte, und rings um den Kaiser her war ein bestürztes Flüstern, denn Heiden wie Christen erschien der Vorgang als ein göttliches Zeichen.

Maximinus ließ die gerettete Katharina vor sich rufen und sagte:

Da die Götter dich sichtbar zu Besserem oder Schlechterem aufsparen wollen, so will ich ihnen nicht im Wege sein. Gib mir zum Beweis deiner Unterwerfung den Ring, den du am Finger trägst und den du von deinem Christengott erhalten haben willst, so sei dir dein Leben geschenkt.

Ich bin die Braut Jesu Christi der sich mir durch diesen Ring verlobt hat, und nie werde ich sein Treupfand von mir geben, antwortete die standhafte Jungfrau.

Da sagte der Kaiser nichts mehr als: Knie nieder!, winkte dem Henker, und schon im nächsten Augenblick fiel Katharinas schönes Haupt in den Sand.

Jetzt befahl er dem Blutknecht ihr den Ring vom Finger zu ziehen und ihm zu bringen, da er neugierig war, ihn genauer zu sehen. Allein als dieser ihn abziehen wollte, bog sich der vorher gestreckte Finger der Toten und hielt den Ring so fest, daß er ihr nicht zu entreißen war. Entsetzt wichen die Knechte zurück, und niemand wagte mehr nach dem Ring zu greifen.

Da drängte sich Sunno, die Gotin, durch die enggekeilten Zuschauer, hob zärtlich das blutige Haupt auf und sagte:

Mein geliebtes Kind, ich habe dich deinem hohen Bräutigam Jesus Christus anverlobt, so muß ich dich auch an deinem Hochzeitstage ihm zuführen. Schlagt auch mir den Kopf ab, denn ich bin's, die Katharina zum Christentum bekehrt hat.

Alsbald geschah ihr nach ihren Worten. Jetzt ergriff die drei Mädchen Melene, Manto und Rhodopis ein göttliches Rasen, daß sie sich alle drei zum Tode drängten.

Rhodopis sprang zuerst vor, warf sich in den Sand neben das Haupt ihrer Herrin und drückte ihre Lippen auf jene verbleichten.

Töte mich, Tyrann, rief sie jauchzend, auch ich bin Christin.

Da waren auch schon die beiden anderen neben ihr, um gleichfalls das tote Haupt zu küssen und zusammen mit Rhodopis den Todesstreich zu empfangen, ein Brautzug, wie ihn sich die Gebieterin nicht schöner wünschen konnte.

Der Legat hatte, den Tod im Herzen, dem ganzen Vorgang beigewohnt, der sich viel zu rasch abspielte, um einem Gedanken an Fürbitte Raum zu lassen.

Auch die Tote fuhr fort, seine ganze Seele zu beherrschen. Er wußte, daß man sie zusamt ihren Gefährtinnen gleich nach der Hinrichtung heimlich auf einen weitentlegenen Anger vor der Stadt geschafft hatte, wo der städtische Unrat sowie auch die Äser gefallener Tiere abgelagert wurden und wo ein so übler Geruch herrschte, daß sich auf eine halbe Meile im Umkreis niemand dem Ort zu nähern wagte. Dies hatte der Kaiser so angeordnet, damit nicht die Christen sich der sterblichen Überreste ihrer Märtyrerinnen zu Reliquienzwecken bedienten.

Den schönen Leib, nach dem er sich so lange und so vergebens gesehnt hatte, in solcher Schmach zu lassen, war dem liebenden Römer unmöglich. Er verabredete sich mit zweien seiner treuesten Diener, und in der Nacht machten sie sich mit Fackeln und einem großen Tuch, in das sie die Leiche hüllen wollten, auf den Weg. Es war die Absicht des Legaten, Katharina in eben dem Landhaus zu begraben, wo er seine Flitterwochen mit ihr zu feiern gehofft hatte. Alle drei waren mit starkriechenden Essenzen versehen, um den Dünsten standzuhalten die von dem verrufenen Ort aufstiegen. Aber schon aus der Entfernung strömte ihnen zu ihrem Staunen ein Wohlgeruch entgegen, wie noch keiner ihre Sinne berührt hatte. Und im Näherkommen gewahrten sie einen weißlichen Schimmer, in dem sich drei Gestalten bewegten. Lucilius hieß die Begleiter zurückbleiben und näherte sich allein der Stelle. Da sah er drei hohe Jünglingsbilder in weißen Gewändern am Boden beschäftigt, und in der zarten Lichtentwicklung, die von ihnen ausging, erkannte er genau den hingestreckten Rumpf und das edle, noch unentstellte Haupt Katharinens. Er hielt sie zuerst für Christen, die die Leiche ihrer Glaubensgenossin bergen wollten.

Aber plötzlich vernahm er ein Schwirren wie von mächtigen Adlerfittichen, die drei Gestalten hatten jede ein weißes Schwingenpaar entfaltet, und so stiegen sie mit der Enthaupteten aufwärts, indem der eine ihre Füße umschlang, der andere den Leib stützte und der dritte das abgetrennte Haupt liebevoll mit den Schultern vereinigt hielt. Sie flogen höher und höher, bis sie in südöstlicher Richtung wie ein weißer Wolkenzug in dem blassen Äther verschwebten. Es waren die Abgesandten des Bräutigams, die die tote Braut auf den Gipfel des Sinai trugen, wo nachmals über ihren Gebeinen ein berühmtes Kloster erblühen sollte.

Lucilius war von der Wundererscheinung tief betroffen. Doch blieb er seinem Heidentum treu, weil Treue der Grundzug seines Wesens war. Aber er fuhr Katharina zuliebe fort, die Christen wo er konnte zu beschirmen, deren Verfolgungen ja nun bald unter dem Kaiser Konstantin ein Ende fanden. Als Lucilius hochbetagt mit Ehren überhäuft aber unbeweibt zu sterben kam, erschien ihm am Vorabend seines Todes Katharina in verklärter Gestalt, die ihm ihren Ring probeweise an den Finger steckte, aber gleich wieder zurückzog. Er verstand den Wink und ließ sich schnell noch taufen, dann zog ihn die große, nie verschmerzte Liebe seines Lebens so mächtig nach, daß er nach dem letzten Seufzer ungesäumt in die seligen Wohnstätten eingehen konnte, wo ihn Sankta Katharina in ihrer Glorie als eine der größten Martyrheiligen in Pflege nahm und vollends ganz mit dem himmlischen Eros versöhnte.


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