Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Wolfdietrich und Marpalei

Wolfdietrich wird von 50 Räubern angefallen; er besiegt sie und befreit eine Jungfrau. Er kommt zum Burgherrn Ernst von Grimure (Krim?), dann nach Büden (Widin) zum Heiden Beltan und seiner Tochter Marpalei. Er siegt im Messerwerfen. Große Zauberabenteuer. Die Göttinnen.

 

Zur Zeit, da Kaiser Ortnid verloren hätt' den Leib,
Verließ zur alten Troje Wolfdieterich sein Weib.
Da ritt er von der Feste, der unverzagte Mann,
Wohl eine Tagereise vor einen grünen Tann.
Dem Meere blieb er nahe; in diesem wilden Land
Waren ihm viel der Straßen und Steige unbekannt;
So ritt er öfters irre im unbetretnen Tann.
Wohl an dem vierten Morgen da kam der kühne Mann
In eine starke Wildnis, da hörte laut er klagen,
Als würde eine Jungfrau gewaltsam hingetragen.
Es waren in dem Walde fünfzig Schachmänner dort,
Die thaten vielen Schaden im Land und grimmen Mord.
Zu Feld und auf der Straße beraubten sie das Land,
Das war den Landesleuten mit großem Schaden bekannt.
Als sie Wolfdietrich sahen, hielten sie stille da;
Es freuten drob sich alle, als er dem Ort kam nah.
Rumelher der starke, der aller Meister was,
Der sprach: »Sein Schild, der scheinet hell wie ein Spiegelglas.
Den muß er mir hier lassen, wie es auch mag geschehn!«
Noch wußte ihrer keiner, wie's ihnen sollt' ergehn.
Der andere der Schächer der hieß Widergrein,
Er sprach: »Ja, Trautgeselle, der Schild soll werden dein.
Das Roß doch, das er reitet, das muß mein Eigen werden;
Er muß von seinem Rücken noch steigen an die Erden.«
Nun sprach der dritte Schächer, war Baldewin genannt:
»Widergrein, lieber Bruder, das Rößlein sei dein Pfand!
Doch will ich von dem Haupte ihm zerren seinen Helm,
Das sollt ihr sicher wissen, dem kräftelosen Schelm.«
Biterolf der vierte Schächer geheißen was;
Der sprach: »Ich hab ihn balde gesetzet auf das Gras.
Seine Eisenhosen müssen mein eigen sein,
Oder mit der Helmbarte schlag ich ihm ab ein Bein.«
Eisenhart, der fünfte, sprach zu den Brüdern nun:
»So will sein Schwert, das lichte, ich mir zu eigen thun.«
Ortwin, der sechste Schächer, der sprach mit hohem Mut:
»Es soll mir immer leid sein, ihr Brüder traut und gut,
Soll mir nicht das Geschmeide von jenem jungen Mann
Alsbald von hinnen folgen; die Platten muß ich han!«
Der siebente der Schächer Helmschrot geheißen was;
Er sprach: »Ihr Trautgesellen, ihr tragt mir großen Haß!
Wenn ihr so alle teilet, was wollt ihr mir bescheren?
Des Rosses Waffendecke mag niemand mir erwehren.«
Da kam in großem Zorne der achte Schachmann;
Er sprach: »Wenn ihr so teilet, was lasset ihr mir dann?
Das Wappenkleid von Seide, das hab ich mir ersehn;
Mit beiden meinen Händen will ich ihn drum bestehn.«
Der neunte war geheißen Rotolf, wie man uns sagt,
Er sprach: »Wenn ihr verteilet den Helden unverzagt,
Will ich das gute Stahlkleid aus diesem Kampfe tragen,
Das jener ziere Degen da trägt um seinen Kragen.«
Der zehnte wollte auch nicht mehr dahinter sein;
Denselben Waldgebauer, den hieß man Blödelein.
Er redete so frevel und sprach: »Ihr Helden gut,
So sollt ihr mir doch lassen des Recken Stahelhut!«
Wolfhart, so war der eilfte genannt, wie man uns sagt;
Er sprach: »Was soll mir werden, ihr Helden unverzagt?
Er muß mir wahrlich geben sein starkes Eisenschloß,
Sonst mach ich ihn zur Stelle des Lebens frei und los.«
Der zwölfte Schächer wurde geheißen Billung.
»Ihr wollt gar allzu ungleich,« so sprach der Degen jung,
»Verteilen das Geschmeide!« Dem ungetauften Mann
Ward Zorn von wahren Schulden. Der dreizehnte, Morgan,
Der sprach: »Ihr Heergesellen, Billung hat Recht gesagt!
Nun wird doch von uns allen das rote Blut gewagt,
Wenn man uns hier anreitet und will uns gerne fahn;
Drum sollen wir auch alle den gleichen Teil empfahn!«

So wurde da verteilet Wolfdietrich lobesan.
Als er ersah die Räuber, da eilt' er durch den Tann;
Die Schächer anzugreifen, das war all sein Begehr.
Da wurde bald gezücket Schwert, Schild und Beil und Speer.
Die bei dem Feuer saßen und machten schrein die Magd,
Der schlug er vierundzwanzig, wie uns die Märe sagt.
Die andern ihm entrannen, sie wurden aber wund.
So ward die Jungfrau ledig allda zur selben Stund.
Sie lief dem Recken entgegen, ihm dankend sie begann:
»Gott müsse dich belohnen, du wunderkühner Mann!«
Da stieg er zu der Erde der Degen adelich
Und hub die edle Jungfrau wohl auf sein Roß zu sich.
Dann kehrt' er durch die Wildnis, die war ihm unbekannt,
Zu einem Reuter, den er am Walde nahe fand.
Die Frau befahl er diesem, wie wir vernommen han;
Damit kehrt' er von dannen der wunderkühne Mann.

Da trabte von dem Walde der Degen alsogleich,
Viel schnelle und viel balde ritt hin der Fürste reich,
Bis daß er zu Grimure, der guten Feste kam.
Wie froh der Held da schaute die Burg so wonnesam!
Es war darauf gesessen ein Wirt gar lobesan;
Ernst war er geheißen, der tugendhafte Mann.
Dahin kehrte Wolfdietrich und bat ihn einzulassen.
Das ward gethan gar balde von jenen, die drin saßen.
Sein Roß ward ihm empfangen, dem Degen alsogleich,
Der Wirt kam schier gegangen und grüßt ihn tugendreich.
Der Wirt hätt' eine Tochter, ein auserwähltes Kind,
Die schöne Jungfrau wurde geheißen Trautlind
Nach ihrer lieben Mutter. Die auserwählte Magd
Empfing gar reich an Tugend den Ritter unverzagt.
Sie sprach: »Du lieber Herre, sollst Gott willkommen sein!«
Sie nahm ihn bei den Händen, das feine Mägdelein,
Sie führte ihn geschwinde auf einen Palas dann,
Sie blickten tugendliche einander beide an.
Zu ihm sprach da die reine, die hochgelobte Magd:
»Wir beide sind alleine, mein Ritter unverzagt;
Nun sage mir in Treuen, du Held, zu dieser Frist,
Von welchem Land und Reiche du hergekommen bist?«
Er sprach: »Ich bin von Griechen ein gar elender Mann,
Bin Wolfdietrich geheißen, o Jungfrau lobesan.
Mein Vater hieß Hugdietrich, Hildburg die Mutter mein,
Ich bin das Kind der beiden, du edles Mägdelein.«
Da sprach die keusche Reine: »Wenn ich's gestehen will,
So hab' ich schon gehöret von deinen Tugenden viel,
Daß mir auf dieser Erde nichts liebers konnt' geschehn,
Als daß ich dich, du edler, mit Augen habe gesehn.«

Als nun der Jungfrau Mutter des Helden Name vernahm,
Wie bald mit manchem Mägdlein sie zu dem Helden kam!
Sie hieß die Diener springen, die edle Wirtin rein,
Und hieß daher ihr bringen den edlen klaren Wein.
Herr Ernest der Burgherre mit Helden lobesam
Auch auf den schönen Pallas zu Herrn Wolfdietrich kam.
Die elfenbeinenen Tische, die waren bald bereit,
Man legte drauf mit Fleiße manch Tuch von Seide breit.
Dem edlen kühnen Ritter, dem König Wolfdietrich,
Ward zur Gesellin gegeben die Jungfrau minniglich.
Herr Ernest, der Burgherre, auch das nicht unterließ,
Daß er den Gast, den edlen, nur fest zu essen hieß.
Es ward ihm wohl mit Speise vom Wirte hier entboten,
Man trug ihm da nach Wunsche gebraten und gesotten.
Als man gegessen hatte, hob man die Tische auf,
Sie gingen allgemeine vor Ernst den Fürsten drauf.
Dem Wirt ward große Ehre vom Gaste da gesagt.
Gern hätt' er dort behalten den Degen unverzagt;
Wolfdietrich aber wäre von dannen gern geritten.
Der edlen Wirtin wurde mit hofelichen Sitten
Gedankt, und ihrer Tochter, der auserwählten Magd
Ward von dem jungen Ritter noch große Ehre gesagt.
Da bat ihn hier zu bleiben die Jungfrau minniglich.
Des antwortet mit Züchten der Herr Wolfdieterich:
»Nein, schöne reine Jungfrau, ich muß von hinnen fahren;
Der reiche Gott vom Himmel möge dich wohl bewahren!«
Vom Wirt und von der Wirtin Wolfdietrich Urlaub nahm.
Sein lichtes Wiggewaffen das legte man ihm an.
Urlaub er von der schönen Trautlinde nun empfing,
Der edle ziere Ritter zu seinem Rosse ging.
Er saß darauf gar balde, die Wirte, Weib und Mann,
Mit lauterem Gemüte zu segnen er begann.
Er segnete besonders Trautlind, die reine Magd,
Dann schied er von der Feste der Ritter unverzagt.

Ums Meer herum ritt weiter Wolfdietrich lobesam,
Bis daß er in die Gegend der wilden Reußen kam.
Auf eine gute Straße kam Wolfdietrich alsdann,
Da hört er Märe sagen von einem Heidenmann:
Belian hieß der Heide, der hätt' ein Töchterlein;
Gar minniglich und schöne war dieses Mägdelein,
Marpalei geheißen. Er saß zu Falkeneis;
Im Messerwerfen nahm er vor allen sonst den Preis.
Da ritt gen Falkeneise der treue Wolfdietrich,
Zehn Tage ritt der Kühne, das wisset sicherlich.
Wohl an dem eilften Morgen kam Wolfdietrich alsbald
Geritten ohne Sorgen vor einen grünen Wald.
Da ritt durch Holz und Heide der Fürste lobesan;
Am zwölften Morgen kam er zu Büden auf den Plan.
Auf einer breiten Heide, da sah er vor sich stehn
Eine wunderschöne Feste gar prächtig anzusehn.
Wohl mit zweihundert Türmen sie vor dem Helden lag,
Die Zinnen auf der Mauer erglänzten wie der Tag.
Doch sah er auf den Zinnen fünfhundert Häupter stehn.
Da blickte er gen Himmel: »Wie mag mir's nun ergehn?
Das mag wohl sein die Feste, von der ich habe vernommen.
Nun möge Gott im Himmel meinen eilf Mannen frommen!«
Der Gräben waren neune, mit Staunen sah er das;
Untersetzt mit Marmorsäulen und mancherhand mit Glas
War da die ganze Brücke und der Graben überzogen.
Man konnte nur durchs Thor gehn, man wäre denn drüber geflogen.

Da trabte zu der Feste der Held mit tapfrem Sinne;
Belian und seine Tochter, die standen an der Zinne.
Mit tausend Rossen ritt ihm der Heide gleich entgegen,
Gar würdiglich empfing er den adeligen Degen.
Gramabet der Pförtner nahm ihm alsbald sein Roß;
Sie gingen all' zusammen ins wunderschöne Schloß.
Ein heidenischer Ritter dort von des Königs Schar,
Der kam zu ihm gegangen und wollte die Waffen klar
Dem Helden gerne nehmen; da sagte zorniglich
Der Held von Griechenlanden, der edle Wolfdietrich:
»Ich bin aus einer Gegend gebürtig, kühner Degen,
Da alle Gäste wahrlich derselben Sitte pflegen,
Daß sie bei sich behalten die Rüstung und das Schwert;
Die selbige Gewohnheit sei mir auch unverwehrt!«

Die schöne Jungfrau Marpalei ihn bei den Händen nahm,
Sie ließ ihn zu ihr sitzen den Degen lobesam:
»Durch aller Frauen Ehre, sag mir den Namen dein!
Das soll dir, edler Recke, immer gedanket sein.«
Er sprach: »Ich thu es gerne, viel edle Königin,
Ich bin genannt von Trojen der König Pilgerin.«
»Nun hat meine Sorge ein Ende,« sprach die Maid minniglich,
»Ich wähnte, du wärest von Griechen der König Wolfdietrich.
Der ist ein kühner Degen, ein wunderstarker Mann,
Der einzige, der meinen Vater besiegen kann.«
Sie nahm ihn bei den Händen und weist' ihn in den Saal;
Der war von Marmelsteine und glänzte überall.
Darin stund eine Linde, die war von Golde gar,
Wie sie der kluge Heide gezaubert hatt' alldar.
Wohl zween und siebenzig Aeste hatte die Linde hold;
Die Vögel, die drauf stunden, die waren alle von Gold.
Sie waren gemacht mit Künsten und waren innen hohl;
Wenn sie der Wind durchwehte, klang ihre Stimme wohl.
Nachdem der süßen Kurzweil genügend war geschehn,
Belian mit seinen Mannen zu Tische wollte gehn.
Wohl an des Tisches Ende zu oberst, wie man sagt,
Ward Wolfdietrich gesetzet zu Marpalei der Magd.

Doch Gramabet der Pförtner, der hub sich eilig dar
Hin, wo er an dem Tische des Helden ward gewahr.
Er winkt' ihm mit den Augen, daß er da ließe sein
Das Essen, was da wäre, das Brot und auch den Wein.
Marpalei bot ihm oftmals den Becher voll von Wein:
»Held, du sollst essen und trinken, laß dich's gebeten sein!«
Er sprach: »Mit Trank und Speise belade sich kein Mann,
Der Frauen oder Falken zur Kurzweil möchte han!«
Da sprach Belian der Heide: »Du hast es recht bedacht,
Denn du sollst meine Tochter noch freien heute Nacht.
Mein Land, die Burg, die Leute mach ich dir unterthan,
Willst du wohl meine Tochter zu deinem Weibe han.
Ja, Marpalei, die schöne, muß heut' dein Weib noch sein,
Was du auch magst beginnen, es kann nicht anders sein!«
Da sprach der Held Wolfdietrich: »Was sein muß, mag geschehn!
Herr Wirt, was Gästerecht ist, das laß an mir ergehn!
Eines Mannes Müssen das soll er gerne thun;
Ich nehm's auf meine Treue, das ist meine Weisheit nun.
Was auch der Mann muß leiden, das greif' er fröhlich an,
Damit es desto minder ihm missegehen kann.«

Man weiste nunmehr beide dahin in ein Gemach,
Allwo zu Herrn Wolfdietrich jung Marpaleie sprach:
»Mein Magdtum hab' ich Arme behalten mannig Jahr
Wohl einem werten Fürsten, das sag' ich dir fürwahr:
Er ist genannt Wolfdietrich, aus Griechenland geboren.
Vor allen hab' zum Herren ich diesen auserkoren.
Ist er wohl schon geboren, das soll dies Buch mir sagen.«
Da begann die schöne Heidin ein Buch hervor zu tragen.
Das Blatt las sie nun eilig, wo sie den Namen fand.
»Ja, er ist schon geboren, der herrliche Weigand.
Er zählt nun dreißig Jahre der König lobesam,
Zwölf Wochen und zween Tage, wie ich allhier vernahm.
Dies Buch hat mein Geschlechte behalten mannig Jahr;
Von der alten Sibylle stammt dieses Buch fürwahr.
Ich hab' dies Buch gelesen wohl manchen lieben Tag,
Es sagt mir von dem Fürsten, der mich gewinnen mag.
Er ist in seiner Jugend ein arbeitseliger Mann,
Ob allen andern Königen trägt er die Krone dann.
Ich glaub' an meine Götter, sie schützen wohl mein Leben;
Sie werden uns zusammen ein ganzes Himmelreich geben,
Darin die Sonne scheinet und wehet süßer Wind.
Soll jemand mächtig werden, so wird es unser Kind.«

Da war in großen Sorgen der auserwählte Mann
Doch rief er unsere Fraue Maria fleißig an.
Sein Schwert zog er aus der Scheide und legt es zwischen sie
Und sprach: »Welches sich rühret, verschneidet sich allhie;
Ich darf dich ja nicht minnen, Maid, auf die Treue mein,
Eh' wollt' ich bis zum Tode ohn' alle Frauen sein.«
Da sprang sie von dem Bette, zu zaubern sie begann,
Daß all die Kemenate von rotem Feuer entbrann.
So that sie bis zum Tage, doch konnt' sie ihm nicht schaden;
Da kam Belian, der Heide, von außen an den Gaden.
»Nun sag' mir, liebe Tochter, sag' auf die Treue dein,
Mag noch der werte Helde dein lieber Friedel sein?«
Da sprach Marpalei zornig: »Nein, lieber Vater mein,
Er hat dir nicht geminnet die liebe Tochter dein.«

Da nahm Belian der Heide Wolfdietrich bei der Hand
Und führte ihn über einen Hof, wo man ein Bildnis fand:
»Nun schaue, edler Ritter, dies Bild, es heißt der Tod,
Es bringt dich, kühner Degen, noch heut' in große Not.«
Da Wolfdietrich, der Recke, die Rede da vernahm,
Bückte er sich zur Erde, der Fürste lobesam.
Er nahm bei einem Beine das Bildnis fest und jach
Und schlug es um die Erde, daß es in Stücken brach.
Da sprach Belian der Heide: »Es geht dir an den Leib!
Davor kann dich nicht fristen nun weder Mann noch Weib.«
Er nahm ihn bei den Händen und führte ihn vor das Thor;
Da sah der Held Wolfdietrich einen tiefen Graben davor,
Der war wohl breit neun Klafter, daß keiner drüber sprang.
Einen breiten Schild der Heide über die Achsel schwang,
Mit großen Zauberlisten sprang er über den Graben.
»Magst du nicht folgen, mußt du das Haupt verloren haben!«
Den Schild brachte man balde dem werten Christenmann.
Ich wähne, daß Wolfdietrich nie größ're Sorge gewann.
Nach seines Meisters Lehre den Schild er mächtig schwang,
Daß er eine Klafter weiter noch als der Heide sprang.
Da sprach in großem Zorne der Heide Belian:
»Es muß dir an das Leben doch gehen, kühner Mann!«
Da rüstete sich Wolfdietrich und rief in seiner Not:
»Meine eilf treuen Mannen berat' mir nun, o Gott!«
Er gürtete sein Schwert um, den Schild nahm er zur Hand,
So ging er auf den Hof hin, wo er viel Heiden fand.

Da ward ein Ring gestellet vom Heiden Belian,
Zween Trittstühle und sechs Messer brachte man auf den Plan.
Zween kleine Buckler Kleine Schilde. brachte man auch den Kämpfern dar,
Die waren eine Spanne breit, das sag' ich euch fürwahr.
Da gab man einen Buckler davon dem Christendegen,
Er mußte seinen breiten Schild dahin zum Stuhle legen.
»Nun zieh ab deine Waffen,« sprach da Herr Belian,
»Du mußt von mir drei Würfe in deinem Hemd bestahn!
Und wankst du von dem Stuhle, so will ich dir gestehn,
Es muß dir an das Leben bei meiner Treue gehn!
Siehst du dort an den Zinnen fünfhundert Häupter stecken?
Mit meinen Händen hab' ich verderbet all die Recken.
Noch steht hier eine Zinne an meinem Türmelein,
Dran muß dein Haupt zum Pfande noch aufgestecket sein.
Ich weiß auf dieser Erde keinen so kühnen Mann,
Der mich im Messerwerfen etwa besiegen kann,
Als nur in Griechenlanden, dort wächst ein junger Degen
Von dem soll ich verlieren den Leib und auch das Leben.«
Der Heide nahm zu Handen das erste Messerlein,
Er sprach: »Nun schirm dich eben, Held, zu den Scheiteln dein!«
Er warf das erste Messer auf jenen kühn und keck,
Zwei Locken seines Haares schnitt er ihm damit weg.
Das zweite Messer nahm er dann in die Hände sein
Und sprach: »Nun schirm dich eben, Held, zu den Füßen dein!«
Wolfdieterich der kühne von seinem Stuhl aufsprang,
Tief zwischen seinen Füßen das Messer nieder drang.
Da sprach der stolze Heide: »Wer lehrte dich den Sprung?
Ihn konnt auf Erden niemand als der Herzog Berchtung!
Bist du vielleicht Wolfdietrich? Das sag' mir schleunig an!
Die Burg und Land und Leute mach ich dir unterthan.
Berchtung war mein Geselle wohl zweiunddreißig Jahr;
Durch seinen Willen laß ich das Leben dir fürwahr.«
Da sprach der Held Wolfdietrich mit listereichem Sinn:
»Ich bin genannt von Trojen der König Pilgerin.«
Belian nahm zu Händen das dritte Messerlein,
Und sprach: »Nun schirm dich eben, Pilgrin, zum Herzen dein!«
Da hatte sich gehütet der Held Wolfdietrich schnelle;
So war das dritte Messer verworfen all zur Stelle.

»Nun soll ich auch da werfen,« sprach Herr Wolfdieterich.
»Nun schirm dich, arger Heide, das frommt dir sicherlich.
Drei Würfe mußt du jetzo auf deinem Stuhl bestehn!
Ans rechte Auge oder den linken Fuß soll's gehn.
Herr Gott vom Himmelreiche beschütz' mich diesen Tag,
Daß meine eilf Dienstmannen ich noch erlösen mag!«
Da warf der Held Wolfdietrich den ersten Wurf alldar
Er sah ihm zu den Augen, nahm doch der Füße wahr;
Er warf das scharfe Messer durch seinen Fuß alsdann.
»Hab' ich dich wohl getroffen, du arger Heidenmann?«
»Wer hat dich das gelehret, daß du mich trafst so fein?«
»Ich bin Wolfdietrich; Berchtung, der war der Meister mein.«
»Bist du von Griechenlanden der König Wolfdietrich,
Von dem ich soll verlieren mein Leben wonniglich?
O laß mich lieber leben, du tugendhafter Mann,
Und alle meine Reiche mach' ich dir unterthan,
Und geb' dir meine Tochter, die magst du taufen wohl,
Nur laß mich allhier leben, du Recke tugendvoll!«
»Dein Land, das sei dir selig,« sprach Herr Wolfdieterich,
»Du mußt mir heut' entgelten viel Recken löbelich!
Und hab' dir deine Tochter, so schön und stolz zu sehn!
Es soll, bei meiner Treue, dir heut ans Leben gehn.«
Er nahm das andre Messer gar schnell und sprach das Wort:
»Belian, nun schirm dich eben bei deinen Scheiteln dort!«
Er warf mit Macht das Messer wohl auf den Heidenmann,
Es drang erst durch den Buckler und durch die Scheitel dann.
Er nahm das dritte Messer dann in die Hände sein,
Und sprach: »Nun schirm' dich eben dort zu dem Herzen dein!«
Er warf ins Herz das Messer dem argen Heidenmann,
Daß er vom Stuhle stürzte und so sein Ende nahm.
Das Herz war ihm im Leibe gespalten ganz entzwei,
So wie ein Biedermann spaltet ein wohlgebraten Ei.

Also geschah dem Heiden mit Herrn Wolfdieterich.
Da stunden an dem Ringe, das wisset sicherlich,
Viel mannig stolze Heiden, des Königs Belian Mannen,
Die nunmehr auf die Rache für ihren Herren sannen.
Mit lautem Schalle klagten sie ihres Herren Tod;
Da kam der Held Wolfdietrich in Jammer und in Not.
Sie griffen zu den Schwertern und liefen den Kühnen an,
Und wollten Wolfdietrichen gerne verderbet han.
Da sprang er von dem Stuhle hernieder auf das Land,
Sein gutes Schwert, das breite, das nahm er in die Hand;
Er rief: »Und soll ich heute in großer Not hier stehn,
So möge Gott zu meinen eilf treuen Mannen sehn!«
Er schlug da von den Heiden zu tot wohl fünfzig Mann.
Da flohn die andern alle vor Schrecken von dem Plan.
Man konnt' ihn mächtig hauend unter ihnen allen sehn.
Da ließ die schöne Marpalei schnell einen Nebel gehn
Aus einer Zauberbüchse. Ihm schwand der lichte Tag,
Daß es wie Nacht und Nebel um seine Augen lag.
Mit Zorne liefen wieder die Heiden an die Statt;
Doch Gramabet, der Pförtner, zum Schutze vor ihn trat.
Obwohl ein Heide, half er ihm doch nach Freundes Sitte
Und riet dem edlen Helden, daß er von dannen ritte.
Auf sein Roß saß da eilig Wolfdieterich sogleich,
Er wollte Urlaub nehmen, der edle Fürste reich.

Der Degen wollte schleunig verlassen diese Statt,
Doch einen großen Zauber Frau Marpalei noch that:
Sie ließ gleich einem Rade die Feste rings sich drehn.
Da sprang er durch die Pforte, fast war's um ihn geschehn.
Jedoch des Heiden Tochter noch andern Zaubers pflag:
Sie zauberte um die Feste rings einen wilden Wag.
Als Wolfdietrich da schaute den ungeheuren See,
Da mußt er stille halten, vor Zorne ward ihm weh.
Da dacht' in seinem Herzen der Held: »Soll ich nun sterben,
So mußt du, böse Zauberin, zugleich mit mir verderben!
Du mußt mit mir von hinnen durchs Wasser sicherlich.«
Sie sprach: »Ich thu' es gerne!« und küßte Wolfdietrich.
Er nahm zu sich Marpalei aufs Roß, da mußt' er sehn
Eine Brücke ganz von Glase über den See hingehn.
Zu solchen großen Nöten kam er sonst nimmermehr;
Er konnte auf der Brücke nun weder hin noch her.
Sie schlug die Hände zusammen, den Fürsten lachte sie an;
Der Held von Griechenlanden Wunder zu schauen begann.
Sie ward zu einer Elster und flog zur Burg zurücke
Und ließ allein den Helden dort auf der Zauberbrücke.
Sein Roß nahm da Wolfdietrich und drückt es mit den Sporen,
Es sprengte von der Brücke der König hochgeboren.
Er wähnte, daß er fiele zum tiefen Seesgrund,
Da sah er rings die Heide von vielen Blüten bunt.
Der See war rings zergangen, nur Land war mehr zu sehn.
Doch sah er ein Gebirge vor seinem Wege stehn;
Darüber wollt' er reiten, der Ritter lobesan;
Da kam ihm straks entgegen ein gar kohlschwarzer Mann.
Einen ungeheuren Kolben trug er bereit zum Streich,
Einem üblen Höllenhunde war er in allem gleich.
Er lief ohne zu sprechen den werten Griechen an.
Da sprach zu ihm Wolfdietrich, der tugendliche Mann:
»Sag' mir, du fremder Recke, was that ich dir zu leid,
Daß du hier auf der Heide nicht lassen willst vom Streit?«
Des Abenteuers wurde da länger nicht gespart.
Wie schlug der Ungeheure da auf den Degen zart,
So daß der Hochgemute bald unterm Schilde lag
Und Wolfdietrich nicht wußte, ob Nacht es sei ob Tag.
Aufsprang vom Boden wieder der unverzagte Mann;
Der edle Fürst Wolfdietrich lief da den Schwarzen an.
Er schlug ihm eine Wunde mit seinem Schwerte fein,
Daß er nun überwunden wähnte alle Pein.
Zwei Höllenhunde aber entsprangen seinem Blut!
Mit großen Kolben schlugen sie auf den Helden gut.
Der eine schlug gar mächtig ein auf Wolfdietrichs Helm,
So daß der ziere Degen fiel nieder in den Melm.
Zum erstenmale wurde Wolfdietrich da verzagt,
Seine Farbe war verblichen, wie uns noch ist gesagt.
Doch Gott mit seiner Gnade war ihm gewaltig bei.
Er fällte bald die zweie, er wähnte sich sorgenfrei.
Da wurden aus zweien viere wohl zu derselben Zeit,
Die huben gegen Wolfdietrich aufs neue grimmen Streit.
Der tugendliche Grieche in große Hitze kam,
Mit hoher Heldenarbeit den Sieg er endlich nahm.
Da Wolfdietrich die viere nun hatte tot gelegt,
Angriffen ihn da achte auf dem Anger unentwegt.
Sie schlugen mit den Kolben den Degen lobesam,
Daß nieder zu der Erden Wolfdietrich wieder kam.
Sein Leib der litt viel schwere und auch viel große Pein,
Dazu litt er noch Kummer, der Held, im Herzen sein.
Aufsprang da Herr Wolfdietrich, der edle Fürste reich,
Er lief an auf der Heide die Teufel alle zugleich.
Er schlug ihnen viele Wunden, bis er den Sieg gewann
Und alle niederfällte getötet auf den Plan.
Doch sechzehn Ungeheuer mit Kolben ganz von Stahl
Erwuchsen aus den achten, dem edlen Griechen zur Qual.
Er dacht' in seinem Mute: »Was soll noch mehr geschehn?
Ach Herre Gott der Gute, wie soll es mir ergehn?
Dies ist der Hölle Erbe, die größte Teufelei!
Wenn einen ich verderbe, so werden ihrer zwei.«
Anlief er auf der Grüne die Teufel allesamt;
Wolfdieterich, dem kühnen, ward große Not bekannt.
Sein Helm begann zu rauchen von starken Schlägen groß,
Davon der edle Grieche ward aller Freuden bloß.
Sie schlugen all mit Zorne her auf den kühnen Degen;
Der hochgeborne Grieche konnte sich kaum mehr regen.
Nun merket, ob des Zaubers nicht wäre da genug!
Es wurden ihr noch mehre: als er die sechzehn schlug,
Da wurden's zweiunddreißig. Er schlug auch diese Schar.
Nun wurden's vierundsechzig. Zu groß war die Gefahr.
Er flehte zu Gott mit Fleiße, der tugendliche Mann,
Der Schweiß ihm durch die Ringe über die Brünne rann.
Das mußte doch erbarmen Gott, der im Himmel ist,
Er kam zu Hilfe dem Armen noch zu der rechten Frist.
Er sandte ihm zu Troste seine Gnade hernieder,
Er löst' ihn von den Teufeln, bracht' ihn zu Sinnen wieder.

Doch neuen Zauber wirkte die ungetaufte Maid.
Sie zauberte vier Berge um ihn gar hoch und breit,
Die waren ganz von Glase und waren glatt und hell.
Wolfdietrich aber sprengte verwegen drüber schnell.
Als er kam aufs Gebirge, der Degen kühn und bald,
Da sah umher er brennen gar einen großen Wald.
Die Freude ward ihm teuer, er eilt über Stein und Stock,
Es brannte ihm das Feuer den guten Wappenrock.
Dort wo's am stärksten brannte, ritt er hinein behende!
Da nahm der ganze Zauber der Marpalei ein Ende.
Vor Hunger und vor Müde konnt' er schon nimmer stehn,
Er sank ohnmächtig nieder. – Da thaten zu ihm gehn
Aus einem Berg zwölf Göttinnen, die waren minniglich,
Sie trugen in ihre Herberg schlafend Wolfdietrich,
Sie legten auf ein Bett ihn mit Purpur und Seide hehr.
Drei Tage that er schlafen, darnach erwachte er.
Da konnt' er alle sehen die Frauen wonniglich,
Die schönste bot ihm die Hände, er aber segnete sich.
Wolfdietrich mußte essen, sie pflagen sein gar wohl.
Keiner Speise war vergessen, der stund ein Tisch ganz voll.
Dann ward manch süße Saite dort vor dem Berg geschlagen
Zur Ehre dem edlen Fürsten, das thät ihm wohl behagen.
Solch Freude gewann er nimmer, daucht ihm in seinen Sinnen;
Da wollte ihn zum Manne die schönste der Göttinnen.
Sie meinten, er sollte bleiben, die Krone mit ihnen tragen.
Es schaffte ihnen Leiden, daß er es thät versagen.
Von Gold eine große Büchse trug eine Göttin wert,
Darinnen sie verschlossen den Helden und sein Pferd.
Er mußte drinnen bleiben wohl ganzer Tage drei
Und große Pein erleiden, darnach ward er erst frei.
Von dem Gebirge ritt er vor eine Burg sogleich,
Da standen an der Schranke vierundzwanzig Göttinnen reich.
Es zwang ihn Hungersnöte, daß er sie grüßen mußt,
Sie empfingen ihn gar freundlich, er aß nach seiner Lust.
Wildpret und Fische sah er dort auf dem Tische stehn,
Er sah zu seinem Staunen die Semmeln selber gehn.
Auch that sich selbst einschenken der köstlich gute Wein,
Was sie nur mochten erdenken, that man dem Fürsten rein.
Die Göttinnen, sie meinten, daß er hier bleiben sollte,
Er aber heischte Urlaub, da er hinreiten wollte.
Da brachten sie dem Helden einen Kranz von Rosen rot,
Der ihm auf seinem Haupte den schönsten Duft entbot.
Da er hinaus ihn brachte, der Kranz vom Haupte sank
Und ward ein Wurm zur Stelle wohl dreier Klafter lang.
Der wand sich also kräftig um den viel werten Mann,
Wie fest sich dieser wehrte, daß er nicht Ruhe gewann,
Bis an den vierten Morgen den Wurm er von sich stieß.
So kam er aus den Sorgen, das Zaubern ihn da ließ.


 << zurück weiter >>