Theodor Körner
Die Braut
Theodor Körner

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Neunter Auftritt.

Der Sohn, der Vater (mit einem Briefe in der Hand).

Vater. Da ist er ja! – Mein Herr, ich hab' es erst vernommen,
Mein Sohn ist unverhofft schon heute angekommen;
Er soll im Garten sein; ich selbst sah ihn noch nicht;
Doch schick' ich Leute aus, und er kennt seine Pflicht.

Sohn. Mir ist es angenehm, die Sache zu beenden,
Eh' noch mein Vater kommt. Ich muß nach Hause senden.
Sie sehen, Herr, es fehlt noch jede Waffe mir;
Doch braucht das kurze Zeit. Gleich bin ich wieder hier. (Will gehen.)

Vater. Noch eins, mein Herr! Mir ist dies Briefchen zugekommen.
Es hat mein Fräulein Braut den eignen Weg genommen,
Um mir zu zeigen, daß auch nichts sie intressiere,
Was mir noch unbekannt. Die Aufschrift ist die Ihre.
Sie schickte mir den Brief. (Die Adresse lesend.) »Herrn Woldemar von Stein.«
Ich denke wenigstens, das werden Sie wohl sein?

Sohn. Mir ist das böse Glück nicht so voll Gunst geblieben,
Daß eine solche Hand den Brief an mich geschrieben.

Vater. Sie heißen nicht »von Stein«?

Sohn.                 Ich habe nicht das Glück.

Vater. Der Brief ist nicht an Sie?

Sohn.                 Hier geb' ich ihn zurück.

Vater. Und doch schickt sie ihn mir. Was hat das zu bedeuten?
Was geht der Brief mich an?

Sohn.                 Herr, Sie sind zu beneiden!
Ihr Glaube steht so fest, Sie ahnen keinen Fall.
Mir deucht, das ist ein Lied von der Frau Nachtigall.
Der Brief ist sicherlich in falsche Hand gegeben.
Doch brechen Sie ihn auf! Das wird den Zweifel heben.

Vater (beiseite). Wenn's möglich wär'! Bei Gott! Warum könnt' es nicht sein?
Was hat das Fräulein Braut mit diesem Herrn von Stein?
Ich sah das Mädchen, das den Brief mir gab, erschrecken,
Sobald sie mich erblickt, und etwas schnell verstecken.

Sohn. Sie überlegen, da Sie einem Weib getraut?

Vater. Um jeden Zweifel an die Treue meiner Braut
Zu unterdrücken, wohl! so will ich ihn erbrechen.
Doch soll mein wackrer Sohn den Zweifel blutig rächen.
Den Inhalt ahn' ich schon; Geschäfte werden's sein;
Sie hat ein Kapital bei diesem Herrn von Stein.

Sohn. Ein Kapital? Ei, ei!

Vater.                 Es soll sogleich sich weisen.
(Beiseite.) O, Liebe, laß mich nicht in saure Äpfel beißen!

(Er erbricht den Brief und liest:)

(Laut.) »Mein teurer Woldemar!«

Sohn.                 Das fängt erbaulich an.

Vater (beiseite). Verdammt!

Sohn.                 Nur weiter! Da ist nichts Verdächt'ges dran.

Vater (liest). »Graf Holm, der eitle Geck –«

Sohn.                 Aha! das geht auf mich.

Vater. Wie, ich ein eitler Geck? Was untersteht sie sich?

Sohn. Ei, warum seh' ich Sie so in die Wut geraten?
Daß Ihre Braut mich meint, kann Ihnen wenig schaden.

Vater. Wie, Herr! Was denken Sie? Der eitle Geck bin ich.

Sohn. Unmöglich; ich bin's.

Vater.                 Nein! der Titel geht auf mich.

Sohn. Nun, schreibt sie nicht Graf Holm?

Vater (für sich).                 Ach, daß ich leugnen müßte!
Graf Holm, ja, ja, Graf Holm!

Sohn.                 Was mehr? Wenn ich nur wüßte,
Wie Sie das ärgern kann?

Vater.                 Sie sollten sich doch schämen!
Mir gilt der eitle Geck, das lass' ich mir nicht nehmen.

Sohn. Sie sind Graf Holm?

Vater.                 Nun ja!

Sohn.                                 Das ist, um toll zu werden!

Vater. Nun, Herr, was lachen Sie? Was sollen die Gebärden?

Sohn. Der junge Graf also – er traf soeben ein –
Das ist Ihr Sohn?

Vater.                 Ja, ja! Was soll denn mit ihm sein?

Sohn. Und mit dem nämlichen soll ich mich duellieren?

Vater. Zum Teufel, ja!

Sohn.                 Da muß man den Verstand verlieren.

Vater. Herr! sind Sie etwa toll?

Sohn.                 Das kann ich selbst nicht sagen;
Doch werd' ich mich, Herr Graf, mit Ihrem Sohn nicht schlagen.

Vater. Sie müssen!

Sohn.                 Nimmermehr!

Vater.                                 Was hat man gegen ihn?

Sohn. Mein einz'ger Grund ist der, weil ich es selber bin.

Vater. Wie? Sie mein Sohn?

Sohn.                 Darf er in Ihre Arme fliegen?
Die Stimme der Natur hat lange zwar geschwiegen;
Doch jetzo schweigt sie nicht.

Vater.                 Ja, ich erkenne dich!

Sohn. Mein teurer Vater!

Vater.                 Komm, mein Sohn! Umarme mich!
Wir haben beide zwar uns seltsam kennen lernen;
Doch soll der frühe Streit die Herzen nicht entfernen,
Und hast du mir den Text auch noch so sehr gelesen:
Durch dich bin ich befreit; es ist mein Glück gewesen.

Sohn. Mein Vater, Sie verzeihn?

Vater.                 Von Herzen, lieber Sohn!

Sohn. Ich war ein bißchen derb.

Vater.                 Recht derb! Doch still davon!

Sohn. So brauch' ich also nicht mich mit mir selbst zu schlagen?

Vater. Ich gebe den Befehl, dich friedlich zu vertragen.

Sohn. Und Ihre Fräulein Braut?

Vater (zerreißt den Brief).                 Von ihr weiß ich genug,
Und ich verachte sie! Du merke dir den Spruch:
– Dein eigner Vater hat das Beispiel dir gegeben;
Magst du den Schleier nie so spät wie ich erheben! –
Die Liebe winkt allein dir in der Jugend Lenz;
Ein andres Bündnis bleibt bloß eitle Konvenienz;
Nur wo die Liebe blüht, da reift die wahre Treue;
Sonst schließt der kurze Traum mit einer langen Reue.

(Der Vorhang fällt.)


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