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Der Vater und der Sohn (aus dem Kabinette).
Sohn (für sich). Verdammt! Der Sturm mißlang, und ich bin abgeschlagen.
Doch warum ärgr' ich mich? Wer wird nach so was fragen,
Wenn man erobern will? Ei nun, man siegt nicht gleich,
Und eine Eiche fällt nicht auf den ersten Streich.
Vater. Ich find' es nicht galant, Vortrefflichster, mit Eichen
Und Stämmen andrer Art ein Mädchen zu vergleichen.
Viel glücklicher doch wär's, mein bester Herr Rival,
Sie sagten: Rosen bricht kein Zephir auf einmal.
Sohn (beiseite). Sieh da, der alte Spatz, der will noch witzig sein!
Ich glaube gar, der lacht? Das soll er mir bereun! (Laut.)
Der Zephir bräche wohl die Rose ebenfalls;
Doch ich bedarf des Sturms für meines Gegners Hals.
Vater. Ei, ei, der arme Mann! Und doch verdient er Lob,
Da er solch wackern Herrn keck aus dem Sattel hob.
Sohn. Ja, wohl verdient er das; doch lern' ich ihn erst kennen,
Will ich beim nächsten Gang ihn auch zu Boden rennen.
Vater. Ei, das verbiet' er sich! Ich will es nur gestehn:
Er hat das hohe Glück, vor dem Rival zu stehn.
Sohn. Wie? Sie?
Vater. Ja, ich!
Sohn. Sie selbst?
Vater. Nun, ist's etwa nicht möglich?
Sohn. Das wär' der größte Spaß! Ich gratuliere höchlich.
Vater. Mein Herr! ich frage Sie, was ist denn da zu lachen?
Was soll der spött'sche Blick und das Gesichtermachen?
Sohn. Teilnahm' an Ihrem Glück. Wenn ich recht fröhlich bin,
So recht aus voller Brust, muß ich Gesichter ziehn.
Vater. Ich frage Sie im Ernst, bin nicht gelaunt zum Spaße:
Was geht mein Glück Sie an? Was rümpfen Sie die Nase?
Sohn. Sie fragen mich im Ernst?
Vater. Zum Teufel, ja!
Sohn. Recht schön!
Sie wollen wieder Ernst; Ihr Wille soll geschehn!
Daß ich aufrichtig bin, davon gab ich schon Proben.
Vater. Ja, was zu loben ist, muß man am Feind auch loben.
Sohn. Zur Fabel von dem Spatz und von der Nachtigall
Geh' ich zurück, und Sie verstehn's auf jeden Fall.
Die Kunst belohnt sich schlecht in unsern kargen Tagen;
Noch immer bleibt der Geist gefesselt an den Magen:
Und Philomele hat, verloren im Gesang,
Des Irdischen nicht acht; es fehlt ihr Speis' und Trank;
Und darum schweigt sie wohl. Da kommt der Spatz geflogen;
Der alte Sperling ist der Nachtigall gewogen
Und bietet ihr sein Nest voll reicher Beute an,
Wenn sie aus Dankbarkeit ihn treulich lieben kann.
Drauf sinnt Frau Nachtigall im Busch gedankenvoll,
Ob sie den alten Spatz zum Gatten nehmen soll.
Zuletzt, von Hunger matt, trägt sie die Göttergabe
Des wonnevollen Lieds mit Tränen still zu Grabe;
Das rauhe Leben siegt; die Sängerin verläßt
Den freien Buchenwald und fliegt ins Sperlingsnest.
Der Töne voller Lust, kann sie sie je vergessen?
Der Sperling gibt ihr ja nichts weiter als – zu essen.
Drum, Sperling, merke dir! du bist kaum aus dem Haus,
Bricht die verhaltne Lust in vollen Tönen aus.
Denn keine Seele läßt durch eitle Konvenienzen
Der Liebe großes Reich im Herzen sich begrenzen.
Verstanden Sie mich wohl?
Vater. Ich danke in der Tat
Für ihren langen Spruch und für den guten Rat.
Mag man auch immerhin den Sperling nur verhöhnen,
Die Nachtigall wird sich an seinen Ton gewöhnen;
Die Sehnsucht nach Gesang kann ja nicht ewig sein,
Und fängt sie an, der Spatz wird schon dazwischen schrein.
So gut ist übrigens der Sperling in der Fabel
Als manches andre Tier mit einem gelben Schnabel.
Sohn. Herr!
Vater. Stille! Noch muß ich ein Wort im Ernste sprechen.
Ich war auch einmal jung, und auf ein Hälsebrechen
Kam mir's durchaus nicht an. Jetzt bin ich's nicht gewohnt;
Doch hab' ich einen Sohn, mit dem's der Mühe lohnt.
Sie haben nicht allein mich selbst sehr keck beleidigt.
Auch werde meine Braut vor jedem Schimpf verteidigt!
Der Himmel weiß, daß ich ungern dies Mittel nahm.
Das sei mein letztes Wort auf Ihren Fabelkram.
Sohn. Sie kamen mir zuvor. Ein Spaß war meine Fabel;
Doch ich verstand den Ernst: – ein Tier mit gelbem Schnabel! –
Impertinentes Wort! Kaum kenn' ich mich vor Wut!
Schnell Herr! wo ist Ihr Sohn? Bei Gott! das fordert Blut.
Vater. Er kommt erst morgen an; dann soll er Ihnen zeigen,
Daß Männer unsrer Art nicht solchen Gecken weichen.
Sohn. Herr, reizen Sie mich nicht, daß ich mich nicht vergesse!
Ich hab' nicht Rast noch Ruh', bis ich mit ihm mich messe.
Vater. Nur nicht so arg geprahlt! Sie werden es bereun.
Sohn. Der erste ist er nicht, wird nicht der letzte sein.
Ich kenne ja das Volk, die weltbekannte Rasse:
Das tobt und renommiert auf jeder weiten Gasse;
Doch kommt's auf einen Platz, wo es nicht weichen kann,
Ist's mäuschenstill. Nicht wahr, ich kenne meinen Mann?
Vater. Herr! Achtung für den Sohn, der mehr als Sie gewagt
Und fünfzehn Ihrer Art leicht durch ein Knopfloch jagt.
Sohn. Führt er den Degen wie der Vater seine Zunge,
So hab' ich viel Respekt; dann ist's ein derber Junge.
Doch glauben Sie mir, wenn er auch unsterblich wäre,
Ich mach' in einem Tag dem meinigen mehr Ehre,
Als für die ganze Zeit er seinem Vater macht!
Vater. Die Frechheit geht zu weit! Das hätt' ich nicht gedacht!
Ihr armer Vater! Ja, solch einen Sohn zu haben,
Das ist das größte Kreuz! Eh'r ließ ich mich begraben.
Doch ich bin überzeugt, er sieht es gar nicht ein,
Und wie das Söhnchen ist, so wird der Vater sein.
Sohn. Herr, ich vergesse mich, wenn ich das wieder höre!
Mein Vater ist ein Mann von unbefleckter Ehre.
Es bleibt nicht ungestraft, spricht man dem Edlen Hohn.
Denn brav, beim ew'gen Gott! wie er, ist auch sein Sohn.
Doch Zungenfechterei ist mir im Tod zuwider,
Und gern darin besiegt, leg' ich die Waffen nieder.
Sobald Ihr Sohn erscheint, bestimme man die Zeit!
Denn jeden Augenblick bin ich dazu bereit.
Es kocht das wilde Blut; ich kann es kaum erwarten,
Und käm' er jetzt schon an, man trifft mich in dem Garten.
Vater. Sobald er angelangt, soll er zum Kampfe gehn;
Bis dahin nur Geduld!
Sohn. Auf blut'ges Wiedersehn!
(Er geht durch die Haupttüre ab.)