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XI. Der Ehemann im Theater mit seiner Frau

Madame hat Lust in's Vaudeville zu gehen; der Herr sagt zu ihr im Augenblick, wo man sich in's Theater verfügen will: »Meine Theure, was man heute Abend im Vaudeville gibt, scheint mir nicht sehr ergötzlich werden zu wollen. Gehen wir in's Théâtre français, das scheint mir bei Weitem den Vorzug zu verdienen.« – Was gibt man dort? – »Figaro's Hochzeit.« – Die haben wir schon Xmal gesehen und wieder gesehen. – »Macht nichts, man kann sie noch einmal sehen, sie ist immer ergötzlich; und dann wird dort so gut gespielt! Kurzum, wir gehen in's Théâtre français

Madame dringt nicht weiter in ihren Mann; da er die Güte gehabt hat, sie ins Theater führen zu wollen, so ist das bereits eine große Anstrengung, die er gemacht; sie will ihm daher ihre Dankbarkeit dadurch beweisen, daß sie ihm die Wahl des Theaters überläßt.

Man langt daselbst an und setzt sich in eine Loge.

Madame ist in der ersten Reihe, der Herr neben ihr; aber statt auf die Bühne zu sehen, richtet er seine Lorgnette auf alle im Saal anwesenden Damen, und wendet der Scene und seiner Frau den Rücken.

Das Stück hat seinen Fortgang. Der Herr lorgnettirt in Einem fort, wobei er von Zeit zu Zeit ausruft: »Jene Frau dort ist nicht übel ... aber die Beleuchtung ... dadurch wird man oft getäuscht! Jene dort hat sehr schöne Zähne ... wenn sie ächt sind ... aber welch' ein Kopfputz! ... welche Landpomeranzenmiene! ... Hier ist man schlecht daran, man weiß nicht, wohin mit seinen Knieen ... Diese Logen sind zu eng ... man hat den Wahnwitz, Logen für Zwerge zu machen ... ich setze mich weiter zurück ...«

Der Herr setzt sich zurück: er fährt fort zu lorgnettiren.

Seine Frau macht ihm bisweilen Bemerkungen über Spiel und Gesang; er antwortet ihr: »He? ... wie? ... ah, meiner Treu', ich habe nicht aufgemerkt!«

Nach einigen Augenblicken setzt sich der Herr wieder vorn hin, indem er ausruft: »Da hinten sieht man gar nichts; diese Logen sind sehr schlecht gemacht.«

Damit fährt er fort, in dem Saal umher zu lorgnettiren, und seiner Frau, welche lieber das Stück anhören möchte, seine Beobachtungen mitzutheilen.

Während des folgenden Akts hat der Herr einen seiner Freunde am Eingang in die Loge der Vorderbühne erblickt, und geht, sich mit ihm zu unterhalten.

Nach Vollendung des Akts kommt er zurück und geht bald wieder aus der Loge hinweg, um im Vorsaal auf und ab zu spazieren.

Diesmal bleibt er noch länger außen; bei seiner Rückkehr hat schon der vierte Akt begonnen.

Seine Frau sagt etwas ärgerlich zu ihm: »Woher kommst Du denn?« – Aus dem Foyer ... Ich habe mit einigen Bekannten geplaudert. – »Und ich muß allein sitzen bleiben.« – Ei, zum Kuckuk, liebe Frau! ich kann nicht den ganzen Abend an dem gleichen Platz geschmiedet bleiben; da schlafen mir die Beine ein. – »Wenn Du bei mir bist, schläft Dir gewöhnlich Alles ein.« – Und zudem, wenn ich mit Dir reden will, antwortest Du mir nicht. – »Ich höre dem Stück zu.« – Dem Stück! ... Du lieber Gott! Wir können es ja auswendig, haben es schon zwanzigmal gesehen ... – »Man spielt es aber sehr gut ... und zudem hast Du mich ja selbst veranlaßt, herein zu gehen!« – Ja doch ... aber konnte ich wissen, daß ich Alle, die darin auftreten, schon gesehen habe. – »Soll man Dir für Deine fünf Franken jedesmal das Stück neu besetzen?« – »Ach! was ... Schließerin! Schließerin! ...«

Die Schließerin erscheint an der Logenthüre.

»Geben Sie mir das Abendjournal, den Moniteur, den Messager ... Gleichgültig, welchen von beiden ... daß ich Etwas zu lesen habe.«

Die Schließerin gibt dem Herrn das Journal.

Unser Ehemann liest sich in die Zeitung hinein und der Vorhang fällt wieder, ohne daß er ein Wort mit seiner Frau gesprochen, oder nur eine Scene von dem, was man spielt, angehört hätte.

Während des nun folgenden Zwischenakts, des letzten an diesem Abend, will er schlechterdings hinausgehen, um Orangen zu kaufen; seine Frau erklärt ihm aber entschieden, daß sie keine will. Er muß daher in der Loge bleiben. Jeden Augenblick steht er auf und setzt sich wieder; jetzt nimmt er seine Lorgnette wieder vor und richtet sie auf eine ziemlich hübsche Person, welche er in einer ihm gegenüber befindlichen Loge bemerkt hat, und um sie besser zu betrachten, wendet er seiner Frau gänzlich den Rücken.

Der fünfte Akt beginnt und Madame kann sich nicht enthalten, ihrem Manne zu bemerken: »Wahrhaftig, Sie haben eine sonderbare Art, sich im Theater zu benehmen! ... Wenn Jemand von unserer Bekanntschaft sieht, wie Sie mir den Rücken kehren, so muß das eine traurige Idee von dem Glück unseres ehelichen Lebens bei ihm erwecken.«

Der Herr kehrt sich um und schickt sich an, auf die Bühne zu sehen, indem er vor sich hin murrt: »Ah! Wenn Du Dich ärgerst, so ist das etwas Anderes.«

Der Akt wird abgespielt ... unser Ehemann rührt sich nicht; nachdem das Stück ausgespielt ist, wendet sich die Frau nach ihrem Manne, um zu sehen, ob er befriedigt ist; jetzt bemerkt sie, daß ihr Gatte in tiefem Schlafe liegt.

Die Frau stößt den Herrn an, welcher die Augen öffnet und ganz wach zu scheinen versucht, indem er ausruft: »Bravo! Bravissimo! sie haben ausgezeichnet gespielt; ich bin sehr zufrieden.«

Damit geht man nach Hause. Die Frau aber denkt in ihrem Herzen: »Es scheint, er hätte mich eben so gut in's Vaudeville führen können.«


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