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Welche Art von Revolution in den Staats-Verfassungen zu erwarten, zu befürchten oder zu hoffen sey?
Man sage doch ja nicht, daß die französische Revolution das Feuer des Aufruhrs in allen Gegenden von Europa anblase, noch daß selbst die kühnsten und unvorsichtigsten Schriftsteller, welche den Rechten der Menschen und der Freyheit das Wort reden, ruhige Völker zu Empörungen verleiten! Ich werde mich bemühn, das Gegentheil solcher Behauptungen in diesem und den folgenden Abschnitten darzuthun.
Ich meine hinlänglich bewiesen zu haben, daß alle europäische Staats-Verfassungen von der Art, daß sie so, wie sie beschaffen sind, bey der jezzigen Stimmung des Zeitalters, nicht dauern können. In Frankreich nun war das Übel am ärgsten, der Despotismus auf den höchsten Grad gestiegen; zugleich hatte die gegen wirkende Cultur in allen Ständen zugenommen, indeß Armuth und Elend das Volk zur Verzweiflung brachte. Frankreich war also der Theil des Geschwürs, der zu seiner ganzen Reife gelangt war, und der daher zuerst aufbrechen oder durchgestochen werden muste. Statt darüber zu jammern, sollten wir uns freuen, wir andern Europäer, daß nicht zuerst uns die Reihe getroffen, daß wir, wenn wir es nur recht anfangen, uns den Schmerz einer ähnlichen Operation ersparen und durch zertheilende Mittel die materia peccans fortschaffen können. Das Beyspiel unsrer Nachbarn kann für Regenten und Volk heilsam werden. Jene mögen sich daran spiegeln und gewahr werden, was der große Haufen vermag, wenn man ihn aufs Äußerste treibt und wie wenig die alten Quaksalbereyen gegen ein so eingewurzeltes Übel wirken; das Volk aber mag durch den Anblik aller Greuel der Anarchie bewegen werden, sich zu keinen übereilten Schritten verleiten zu lassen, nicht, ohne die äußerste Noth, zu gewaltsamen Mitteln zu schreiten und einen leidlichen Zustand von conventioneller Ruhe und Glükseligkeit nicht gegen die ungewissen Folgen einer gänzlichen Umstürzung auf das Spiel zu sezzen!
Also ist es nicht die französische Revolution, welche den Ton von Unzufriedenheit unter den übrigen Völkern anstimmt, sondern umgekehrt, die allgemeine Unzufriedenheit ist zuerst in Frankreich ausgebrochen. Auch sind es nicht die Schriftsteller, die so genannten Aufklärer und Apostel der Freiheit, nach denen Hoffmann, elenden und jämmerlichen Andenkens, mit Gassenkoth wirft, diese Schriftsteller sind es nicht, welche Aufruhr erwekken; sondern die allgemeine Stimme des Volks ist es, die durch diese Schriftsteller redet. Noch nie haben Bücherschreiber große Weltbegebenheiten bewirkt, sondern die veränderte Ordnung der Dinge wirkt im Gegentheil auf den Geist der Bücherschreiber; Jeder fühlt dann dunkel das Bedürfniß zu reden, bis Einer endlich den Mund öfnet. Und wäre Er es nicht; so würde es ein Andrer seyn – Es ist aber Wohlthat, daß dergleichen zur Sprache komme und von allen Seiten beleuchtet werde, weil es noch Zeit ist. Geht die That vor dem Raisonnement her; so ist das Übel unendlich größer. Luther hat die Reformation bewirkt; aber was für eine Reformation? Eine solche, die nicht ausbleiben konnte, wovon das Bedürfniß in allen christlichen Staaten gefühlt wurde. Ohne dies allgemeine Bedürfniß würde sein Toben und Wirken ohne Nuzzen und ohne Schaden geblieben seyn. Man würde ihn wie einen Schwärmer behandelt, und seinen Reformationsplan, zugleich mit jenes französischen Abts Vorschlägen zu einem ewigen Frieden, belächelt haben.
Wollt Ihr aber wissen, welche Schriftsteller das Volk zum Aufrühre reizen könnten? Solche Scribler, solche Schmeichler, wie HoffmannDoch dieser unwissende Schwäzzer, welcher Professor des teutschen Styls ist, und keine Seite ohne grammatikalische Fehler schreiben kann, der mit beyspielloser Frechheit sich rühmt: der Kayser sey Mitarbeiter an seinem albernen Journale – der wird nun wohl von seinen langöhrichten Mitbrüdern am wenigsten Nachtheil stiften. und seines Gleichen, die sind es, welche, indem sie gegen die gesunde Vernunft und den freyen Untersuchungsgeist zu Felde ziehen, jedem bessern Manne, der noch gern geschwiegen hätte, den Mund öfnen. Sie misleiten und verblenden schwache Fürsten, die sonst im Begriffe sind, über ihre misliche Lage erleuchtet zu werden, erbittern durch leidenschaftliche Grobheit und machen jede Sache verdächtig, die solcher verächtlichen Vertheydiger bedarf.
»Aber was für Beruf« fragt der Furchtsame »was für Beruf habt Ihr Schriftsteller, Euch in diese Händel zu mischen? Was gehen Euch die Regierungen der Welt an? Wandelt doch Euren Gang in Frieden fort und schreibet über« – Nun? worüber? Über was für Gegenstände, wenn man nicht über die schreiben soll, die der ganzen Menschheit interessant und wichtig sind? Hat nicht jeder Bürger im Staate Beruf, sich in Angelegenheiten zu mischen, wovon die Wohlfahrt Aller abhängt? Und wenn Dein eignes Haus nicht brennt; folgt daraus, daß Du Deinen Nachbar nicht warnen dürfest, vor Unvorsichtigkeit mit Feuer und Licht? – Wahrlich! eine schöne Lehre! Also, wenn Millionen über die Mishandlungen eines Einzelnen seufzen; so soll Keiner das Recht haben, die allgemeinen Klagen vor den Richtstuhl zu bringen? »Ja! vor den Richtstuhl« – Und vor welchen? Etwa vor den Richtstuhl Derjenigen, die selbst die Beklagten sind? – Nein! vor den Richtstuhl des Publikums, des gesammten Volks! Dahin gehören solche Klagen, und diese Publicität allein ist das sicherste Mittel, heimlichen Meutereyen und den Einwirkungen im Finstern schleichender Rotten vorzubeugen.
»Aber man darf gewisse Wahrheiten eben so wenig laut predigen, als man kleinen Kindern Messer und Scheeren in die Hand geben darf.« – Wer hat Euch das glauben gemacht? Ächte Wahrheiten können unbrauchbare Werkzeuge für Unmündige, aber nie, in keines Menschen Hand gefährliche Waffen seyn. Das Gegentheil haben von jeher nur solche Leute behauptet, die ihren schändlichen Vortheil bey der Verfinsterung finden. Schade um die elende Glükseligkeit, die auf Lügen und Vorurtheilen beruht! Täuschung – selige Täuschung! Das ist eine Dichter-Phrasis und mag beym Liebeln und Empfindeln gar angenehme Dienste thun; aber wo es heilige Menschenrechte und zeitliche und ewige Glükseligkeit gilt; da hat kein Mensch, kein Engel das Recht, uns zu täuschen.
»Allein habe ich nicht selbst gesagt, daß der gröste Theil des Menschengeschlechts in allen Zeitaltern unmündig und der Täuschung unterworfen bleiben werde?« – ja, werde, leider! werde; aber nicht solle, nicht müsse. Giebt denn das uns das Befugniß, ihn muthwilligerweise zu betrügen, ihm sein Eigenthum an Wahrheit und Weisheit zu schmälern? Wer hat uns zu Vormündern auf ewige Zeiten von gewissen Volks-Classen gemacht, ohne Unterschied, ob unter Diesen nicht vielleicht Menschen sind, deren Verstandskräfte die unsrigen weit übertreffen? Noch einmal! unmündig und schwach bleibt freylich der gröste Theil aller Lebendigen; aber dieser Theil besteht nicht grade aus Bauern. Das wäre ja erschreklich, wenn ein ganzer Stand, und zwar der nüzlichste im Staate, verurtheilt seyn sollte, ewig dumm und unwissend zu bleiben; und es ist thöricht, zu sagen, man werde an ihm zum Wohlthäter, wenn man ihn in einer Täuschung erhält, bey welcher er sich so übel befindet.
Allein nicht nur ist keine Befugniß, es ist auch keine Möglichkeit da, die Aufklärung zurükzuhalten; und wenn sie nun einmal, ohne unser Gebet, ihre Fortschritte macht; so ist es die Pflicht Derer, die über so wichtige Gegenstände reiflicher nachgedacht haben, ihren Mitbürgern den Leitfaden zu bessrer Anordnung ihrer Gedanken zu geben – das ist wahrer Schriftsteller-Beruf. Auf diese Weise kann der Gelehrte, wenn er das Bedürfniß seines Zeitalters richtig kennt, sehr nüzlich werden. Schaden stiften kann er, wenn das, was er sagt, wirklich ächte Wahrheit ist, nie. Kömmt diese Wahrheit zur Unzeit, das heist: calculirt er das Bedürfniß unrichtig; so wird sie nicht erkannt, nicht verstanden, zieht ihm vielleicht Verfolgung zu; aber Unglük kann Der nie stiften, der ächte Wahrheit geltend macht. Sehr viel mehr Unglük stiftet halbe Aufklärung; Verworrenheit in Begriffen. Und jezt leben wir in einem Zeitalter, das sehr viel Licht verträgt, in welchem man gewisse Wahrheiten nicht zu oft sagen kann. Alle Classen der Bürger lesen, lesen Geschichtsbücher, lesen Zeitungen; sie erfahren dann, daß Tristan l'Hermite mehr als viertausend unschuldige Menschen, unter Ludwig des Eilften Regierung, in der Bastille umkommen ließ; sie erfahren, daß nun die Bastille nicht mehr ist, daß das Volk sie, und mit ihr den Despotismus, zerstöhrt hat. Sie sehen also, daß man so etwas thun kann; sie lesen auch, daß Viele behaupten, man dürfe so etwas thun; sie fangen auch wohl an, zu ahnden, man habe von je her sich angemaßt, alles thun zu dürfen, was man thun konnte – und so ist denn freylich leicht abzusehn, daß auch sie so etwas thun werden, wenn sie wollen.
Hier ist also kein andres Mittel, als den Willen zu lenken und die Vernunft, welche den Willen regiert, zu überzeugen. Jenes ist in der Regenten Hand, dieses ein Geschäft der Schriftsteller. Wenn die Regierungen ihre Pflichten so treu erfüllen und dabey solche, zu dem Zeitalter passende Mittel wählen, daß die Bürger im Staate sich glüklich fühlen; so entsteht kein Misvergnügen, kein Bedürfniß, folglich auch kein Willen, die Ordnung der Dinge zu verändern. Und wenn dann die Schriftsteller die ächten Grundsäzze entwikkeln, worauf die Rechte aller Menschen und ihre Verbindlichkeiten gegen einander beruhen; die Vortheile der bürgerlichen Gesellschaft und die daraus entstehen den Pflichten; die Notwendigkeit einer gewissen Ordnung und der Unterwürfigkeit gegen die Gesezze; wenn sie dies mit Freymüthigkeit und Klarheit thun; so wird das auf alle Stände gesegneten Einfluß haben; die Regenten werden die Unvermeidlichkeit einer Veränderung in ihren Systemen erkennen und zwekmäßige Mittel wählen, allen Klagen abzuhelfen; das Volk aber wird vorsichtig werden und sich zu keinen tumultuarischen Schritten verleiten lassen.