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Welche Staats-Verfassung ist die beste?
Diese prahlende Überschrift scheint anzukündigen, daß ich, Joseph von Wurmbrand, mich unterfangen wolle, von Bopfingen aus zu entscheiden, worüber bis jezt die grösten Staatsmänner noch nicht haben einig werden können, nämlich: welche von den bekannten Staats-Verfassungen das Glük der Völker am kräftigsten befördre? Allein so übel ist es nicht gemeint; ich hoffe im Gegentheil, die Art, wie ich diese Frage beantworten werde, soll den Lesern keinen so nachtheiligen Begriff von meiner Bescheidenheit beybringen.
Also kurz und einfach! Diejenige Staats-Verfassung ist, vorausgesezt, daß sie die übrigen Haupt-Erfordernisse habe, in jeder Periode die beste, welche erstlich mit dem dermaligen Grade der Cultur und den übrigen, der Veränderung unterworfnen Zeit-Umständen in der besten Harmonie steht, und zweitens, so wenig als dies mit Rüksicht auf die Bedürfnisse von Zeit und Umständen möglich ist, die natürliche Freiheit und die ursprünglichen Rechte jedes einzelnen Menschen einschränkt. Diese lezte Forderung ist wohl sehr billig, denn da die Menschen sich doch nur darum in Staaten vereinigt haben, damit ihnen, durch diese Verbindung, eine Summe von Glükseligkeit zu Theil werde, die sie im isolirten Zustande nicht erlangen können; so muß die bürgerliche Verfassung mehr Vortheil gewähren, als sie Aufopferung kostet, sonst ist sie nichts werth. Was aber den ersten Punkt betrifft; so ist auch dieser wohl keinem Widerspruche unterworfen. Denn so wie ein Vater das kleine Kind, das noch taub für die Stimme der Vernunft ist, mit der Ruthe züchtigt, oder (zwar billige ich diese Methode zu täuschen keineswegs) oder vorgiebt, ein unsichtbarer Genius sage ihm alles, was das Kind, auch wenn es nicht bey ihm sey, unternehme, bey dem erwachsenen Knaben hingegen bessere Bewegungsgründe anwendet; und wie ein kluger Erzieher sich nach der Verschiedenheit der Anlagen und Temperamente der Kinder richtet; so werden auch bey einem Volke, das noch in der Kindheit ist, seine Geistes-Fähigkeiten nicht entwikkelt hat und seine Kräfte nicht kennt, Täuschung und Zwangsmittel eine Wirkung thun, die bey einer cultivirteren und aufgeklärteren Nation verkehrten Eindruk machen würden. Ich glaube daher, daß Regierungskunst und Volks-Religion (oder besser zu sagen, Kirchensystem) nach Zeit und Umständen, nach dem Grade der Cultur und nach der Stimmung der Völker abgeändert werden müssen.Warum ich hier auf einmal die Volks-Religion mit einmenge, davon ist die Ursache leicht einzusehn. Leider! sind die Kirchensysteme so innig mit den Staats-Systemen verwebt, indem der geistliche Despotismus von je her, nach Gelegenheit, dem politischen entweder die Hand gereicht, oder die Stange gehalten hat, daß beyde Gegenstände nicht wohl zu trennen sind. Jedermann würde es unvernünftig finden, wenn es einem Gesezgeber in unsern Zeiten einfiele, die alten sogenannten Gottes-Gerichte wieder einzuführen, in welchen die Wahrheit einer Anklage durch einen Kampf begründet oder widerlegt wurde. Wen vor vierhundert Jahren der Pabst mit Kirchenbann belegte, der galt für einen verlohrnen Mann, und wenn er auch ein König war; heut zu Tage lacht man über die römischen Theater-Blizze; ein Philipp der Andre würde nebst seinem Herzoge von Alba auf dem Throne von Großbritannien eine kurze Rolle spielen; Numa Pompilius würde mit seiner Göttin Egeria auf dem polnischen Reichstage nicht viel durchsezzen, und der alte Gesezgeber der Lacedämonier mit seinen braunen Suppen in Venedig wenig Beyfall finden. Doch, so wie man in der Pädagogik, bey allen ihren Abänderungen, gewisse allgemeine, aus der Natur geschöpfte Regeln zum Grunde legt, die immer Stich halten; so geht es auch mit den politischen und religiösen Systemen immer gut, wenn nur jene heilige Haupt-Regel: so viel möglich Wahrheit und Freiheit zu respektiren, nie aus den Augen gesezt wird. Hiermit hat die Form nichts zu schaffen, die Regierung mag monarchisch, aristokratisch, demokratisch oder gemischt seyn; und was die Religion betrifft; so mag sie zu einer Angelegenheit des Staats gemacht, oder der Übereinkunft der Bekenner freygestellt werden; sie mag katholisch, oder protestantisch, oder anders heißen – Alle können, aber sie können auch nur dann sich sichre Dauer versprechen, wenn sie so beschaffen sind, daß sie mit Cultur, Zeit und Umständen in ein richtiges Verhältniß zu bringen sind.
Und welche Staats-Verfassungen, welche Volks-Religionen sind von dieser Art? Diese Frage läßt sich nun nach den obigen Voraussetzungen beantworten. Da alle Oberherrschaft entweder auf dem Rechte des Stärkern, oder auf Übereinkunft beruht, weil kein Mensch dem andern gehorcht, außer wenn er entweder muß, oder will; und dann die stärkere Parthey, an Zahl oder Kraft, nie muß, wenn sie nicht will; der Wille zu gehorchen aber bey ihr auf keine andre Weise erwekt werden kann, als indem man sie überzeugt, daß sie sich wohl dabey befinde, welches freylich auch auf eine Zeitlang durch Täuschung, dauerhaft aber nicht anders bewirkt werden kann, als wenn jeder Einzelne sich unter der Oberherrschaft eines Andern glüklicher und sichrer weiß, als, aller Wahrscheinlichkeit nach, in jeder andern Lage; so muß eine Staats-Verfassung, wenn sie nicht fürchten will, über den Haufen geworfen zu werden, sie sey nun monarchisch, republikanisch oder gemischt, das heißt: die Verwaltung sey in Einer Hand, oder in mehrern Händen, also beschaffen seyn, daß die Regierung:
Handelt eine Regierung nach diesen Grundsäzzen; so wird sie schwerlich eine Revolution, eine Umkehrung, zu befürchten haben.
Und nun, was das Religions-System betrifft! Da der Glaube der Menschen viel weniger wie ihre Handlungen dem Zwange unterworfen seyn, da nicht einmal jeder Einzelne sich selbst Gesezze über das, was er glauben oder nicht glauben will, vorschreiben, folglich das Recht, hierüber zu bestimmen, auch auf keinen Andern, noch auf den ganzen Staat übertragen kann; da ferner das Wesen der Religion einzig darin besteht, daß sie uns, aus den Begriffen, die wir uns von dem göttlichen Wesen machen, kräftigere Bewegungsgründe zu Erfüllung der, von allen vernünftigen Wesen anerkannten Pflichten der Tugend darbiethet; da endlich die äußre Art, der Gottheit unsre Verehrung zu bezeugen, zwar auch keinen eigentlichen obrigkeitlichen Verordnungen unterworfen seyn, ihr wohl aber, durch Übereinkunft, eine gewisse Grenze gesezt werden kann; so ist: