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Die Sandwichinseln besitzen ein außerordentlich mildes und gleichmäßiges Klima. Von den Passatwinden wird die tropische Hitze abgeschwächt, und selbst wenn diese nicht wehen, steigt das Thermometer selten über 85° F. (23,5 R.) im Schatten. Dabei ist der Wärmeunterschied zwischen dem feuchten Klima in den Küstenstrichen an der Windseite und dem trockenen Klima an der Leeseite der Inseln nur ein geringer. Steigt man höher in das Gebirge empor, so ändert sich dies natürlich. Während in Honolulu und überall an der Küste die Durchschnittswärme der Luft nahezu 75° F. (19,2 R.) im Schatten beträgt, ist dieselbe z.B. in Waimea, das auf der Insel Hawaii ungefähr 4000 Fuß über dem Meere liegt, 64° F. (14,2 R.). Dieser Platz wird von Leuten, die längere Zeit an der Küste gelebt haben, gern als Erholungsort aufgesucht, um die Nerven zu stärken. In dem Luftkurorte Mountain Retreat, der etwas landeinwärts von Lahaina auf der Insel Maui in einer Höhe von etwa 3000 Fuß über dem Meere liegt, schwankt das Thermometer zwischen 40 und 75° F. (3,5 und 19,1 R.), während es in Lahaina 54 bis 86° F. (9,8 bis 24 R.) zeigt. Für Kranke, namentlich für Lungenkranke, ist es von großem Vorteil, daß ihnen auf den Sandwichinseln ein wärmeres oder ein kühleres Klima zur Auswahl steht. Die weißen Feldarbeiter können dort, ohne ihrer Gesundheit zu schaden, in jeder Jahreszeit ihrer Beschäftigung im Freien obliegen.
In Honolulu ist der Unterschied zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Thermometerstand, wie gesagt, sehr gering, kaum 12 Grad Fahrenheit in 24 Stunden. Selbst im Sommer steigt dort die Hitze nur äußerst selten bis 85° F. (23,5 R.) im Schatten. Während meines Aufenthaltes in jener Stadt (Mitte Dezember bis Mitte Januar) betrug die Wärme tagaus, tagein 65 bis 75° F. (14 bis 19 R.), und sie stieg nur ein paarmal bis 80° F. (21,3 R.). Diese durchaus nicht übermäßig hohe Temperatur war aber infolge der feucht-warmen Luft oft recht drückend. Angenehm war dieselbe nur zur Zeit der Passatwinde, die leider damals, was in den Wintermonaten oft geschieht, mehrere Wochen lang ausblieben. Lange Zeit wehte mit seltenen Unterbrechungen der sehr erschlaffende Südwind, Kona genannt. Löste der Passat den Kona ab, so merkte ich dies sofort, selbst des Nachts unter dem Moskitonetz. Wurde das Wetter bei Tage in Honolulu zu unangenehm schwül, so pflegte ich mich etwa eine englische Meile weit landeinwärts zu begeben, wo das Klima frischer ist, als an der Seeküste. Die Passatwinde sind im Frühjahr und im Sommer vorherrschend. Das Wetter ist alsdann, namentlich wenn der erfrischende Nordostpassat weht, oft monatelang ganz prachtvoll. Aber mein ganzes Leben möchte ich doch nicht im »Paradiese der Südsee« verbringen. Noch nie war ich so arbeitsunlustig als dort. Jede geistige Thätigkeit erforderte eine nicht geringe Selbstüberwindung, während die kleinste körperliche Anstrengung mich außerordentlich ermüdete. Oft sehnte ich mich nach dem kühlen Lufthauch von San Francisco. Mitunter stellten sich aber wunderschöne Tage ein, wie man sie herrlicher sich nicht wünschen kann.
Zur Regenzeit, die von Oktober bis März dauert, ist der atmosphärische Niederschlag sehr bedeutend, aber durchaus nicht stetig. Mitunter regnet es wochenlang gar nicht, dann wieder fast jeden Tag. Auch im Sommer regnet es häufig, aber nicht so oft und anhaltend wie in der Zeit zwischen Oktober und März. Die Regengüsse stellen sich nicht selten ganz plötzlich ein. Eine kleine vorüberziehende Wolke läßt zuerst einige große Tropfen herabfallen, der Himmel verdüstert sich rasch, und bald regnet es heftig. Ebenso schnell klärt sich der Himmel wieder auf, und es wechseln Regen und Sonnenschein in kurzer Zeit. Fast jeden Tag sah ich, wie schon öfters erwähnt wurde, die prächtigsten, meistens doppelten Regenbogen. Ich möchte Hawaii das Inselreich der Iris nennen, so bezeichnend sind für dasselbe die oft am Himmel strahlenden farbenfunkelnden Doppelbogen. Der Regenfall ist in verschiedenen Jahren in Honolulu sehr ungleichmäßig. Im Jahre 1885/86 betrug derselbe z.B. 2943, im darauf folgenden Jahre 5396 Zoll. Auf der Insel Oahu wurden bereits 95 Zoll Regen in einem besonders nassen Jahre verzeichnet.
Das Gebiet des Regenfalls hat auf den Sandwichinseln keine bestimmten Grenzen, mit Ausnahme auf der Windseite der Insel Hawaii, die man mit vollem Recht ein Regenland nennen kann. Die Stadt Hilo, welche wegen der Menge ihres Regens berühmt geworden ist (man vergleiche Seite 59), konnte im Dezember 1887 einen Regenfall von 41 Zoll verzeichnen. Es gab dort in jenem Monat nur sechs regenlose Tage. Man rechnet in Hilo mit Bestimmtheit auf einen Regenfall von 240 bis 300 Zoll im Jahr, und ich möchte die Behauptung eines meiner deutschen Freunde in Honolulu, der mir erzählte, es habe in Hilo schon 22 Zoll an einem Tage geregnet, durchaus nicht als ein Märchen bezeichnen. Regentage mit sechs Zoll Niederschlag sind dort etwas ganz Gewöhnliches. Honolulu und die Insel Oahu gelten eigentlich für trocken. Die 18 Zoll Regen, welche während meines Aufenthaltes in Honolulu in vier Tagen fielen, haben meinen Glauben an die Trockenheit jener Stadt aber etwas erschüttert. Wurden doch, als ich eines Abends zu einem Festschmaus fuhr, die Straßen von einem Platzregen dermaßen überflutet, daß die Kanakenkinder in ihnen mit heller Freude Schwimmübungen anstellten! Ich konnte mich glücklich schätzen, daß ich damals nicht in meiner Kutsche ersäuft wurde.
Merkwürdig ist es, wie verschieden die Witterungsverhältnisse in nahe beieinander liegenden Orten sind. Dieselbe Insel teilt sich in nasse und in trockene Distrikte. Während auf der einen Hälfte einer Insel sehr viel Regen fällt, verdorrt auf ihrer anderen Hälfte der Pflanzenwuchs unter einem ununterbrochen azurblauen Himmel. Auch verändert sich das Klima nicht selten in kurzer Zeit. Die Insel Kauai, die in früheren Jahren viel von anhaltender Dürre zu leiden hatte, ist in neuerer Zeit mit Regen vollauf gesegnet. Die sich immer weiter ausbreitende Bodenkultur hat unzweifelhaft viel mit dem Regenfall zu thun, denn Pflanzenwuchs und Feuchtigkeit beeinflussen bekanntlich einander gegenseitig. Aber ohne Ausnahme ist auch dies nicht, und es sind die meisten Zuckerpflanzungen noch immer auf eine künstliche Bewässerung angewiesen. Auf der großen Insel Hawaii bestimmen die Riesenvulkane Mauna Kea und Mauna Loa, die sich bis nahezu 14 000 Fuß über den Meeresspiegel erheben, die Grenzen des Regengebiets. Die Passatwinde, welche jene Gebirge treffen, können nicht über dieselben hinweg gelangen und verdichten dort die Feuchtigkeit, mit welcher die Luft geschwängert ist, zu Wolken, die sich dann in heftigen Regengüssen entladen. Als Folge davon sind die jenen Winden ausgesetzten Seiten dieser Insel außerordentlich regenreich und mit einem dichten Pflanzenwuchs förmlich überwuchert, während auf der entgegengesetzten Seite das Gegenteil davon der Fall ist. Ausgenommen davon sind einige genau begrenzte Stellen an der Leeseite des Mauna Loa, wo der Regen ebenso heftig wie an seiner Windseite auftritt. Der Gegenpassat, der dort den oberen Abhang des Mauna Loa trifft, beeinflußt den atmosphärischen Niederschlag auf dieselbe Weise, wie der Passat auf der anderen Seite jenes Berges.
Das Klima der Sandwichinseln ist im allgemeinen ein gesundes. Sehr leicht kann man sich dort aber eine Erkältung zuziehen, die schwer wieder los zu werden ist. Am meisten kommen Fieber verschiedener Art und Dysenterie vor. Wer sich mit essen und trinken in acht nimmt und sich vor Ausschweifungen hütet, der wird in Hawaii nur selten von einer schweren Krankheit befallen werden. Unangenehm, aber nicht gefährlich, ist ein heißes Fieber, von den Eingeborenen das Boho-Fieber genannt, das zwei bis fünf Tage dauert und fast jeden Fremden, der längere Zeit auf den Inseln verweilt, ergreift. Die mit Krankheiten behafteten Fremden, welche man in Honolulu antrifft, sind fast alle krank dorthin gekommen. Die Mehrzahl von ihnen besteht aus Lungenkranken. Von den Ärzten werden Lungenleidende gern nach Kona auf der Insel Hawaii geschickt, falls sie die rauhe Seefahrt dorthin vertragen können. Unter den Eingeborenen haben Masern, Syphilis und Blattern öfters entsetzlich aufgeräumt (man vergleiche Seite 15). Sobald die Kanaken von den Blattern ergriffen werden, stürzen sie sich in das kalte Seewasser und sterben alsdann massenhaft. Die Regierung thut ihr Möglichstes, um das Einschleppen dieser Krankheit zu verhindern. Alle Schiffe, die aus Häfen kommen, wo die Blattern herrschen, und selbstverständlich solche Schiffe, welche Blatternkranke an Bord haben, werden unter strenge Quarantäne gestellt. Der Aussatz, diese schrecklichste Plage in Hawaii, wird in dem folgenden Kapitel ausführlich behandelt werden.
Die sehr hohe Durchschnittszahl der Sterbefälle in Honolulu ist nicht maßgebend für den Gesundheitszustand der Stadt, denn dort liegen nicht nur die Hospitäler, darunter eins für Aussätzige, es pflegen auch die Kanaken gern ihre Schwerkranken nach der Hauptstadt des Landes zu bringen, damit diese daselbst ihr Leben beschließen. Im Dezember 1887 starben in Honolulu 66 Personen. In demselben Monat, von 1883 bis 1886, kamen 63-42-49 und 72 Todesfälle vor; für eine Bevölkerung von annähernd 20 000 Seelen gewiß ungewöhnlich hohe Ziffern. Das Sterbeverhältnis auf den hawaiischen Inseln wird für die Jahre 1878 bis 1884 auf 3862/100 in 1000, für das Jahr 1884/85 auf 2675/100 in 1000 angegeben. Im Gesundheitsbericht wird aber ausdrücklich bemerkt, daß jene Angaben auf Genauigkeit keinen Anspruch machen können, namentlich deshalb, weil es unmöglich sei, die richtige Zahl der Todesfälle von den Chinesen und von den Kanaken zu erfahren. Honolulu ist für die Ärzte ein wahres Paradies. Die Rechnungen, welche jene unentbehrlichen Menschenfreunde den vielen wirklichen und eingebildeten Kranken in Hawaii ausstellen, sind allemal in Fraktur geschrieben.