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In der Nähe der Caldéra des Kilauéa befinden sich mehrere erloschene kleinere Krater. Der größte von diesen ist der nahe am Nordostrande des Hauptkraters liegende Kilauéa-iki (der kleine Kilauéa), welcher einst mit jenem unterirdisch in Verbindung stand. Der Kilauéa-iki ist 1200 Fuß tief und hat an seiner Mündung einen Durchmesser von etwa 1600 Fuß. Er verengt sich nach unten und sieht aus wie ein ungeheurer Trichter. Die schrägen Seiten und der Boden desselben sind mit schwarzer glänzender Lava bedeckt, die im Jahre 1832 ans einer Spalte im Ostwall des Kilauéa strömte. Etwas mehr südlich als der Kilauéa-iki liegt ein zweiter kleinerer erloschener Krater, der Pelio-Keawe. Südlich von der Caldéra dehnt sich der sogenannte 16-Meilen-Spalt aus, eine etwa 15 Fuß weite gähnende Erdspalte, die genau 16 englische Meilen (25-½ km) lang ist und zahlreiche alte Aschenkegel trägt. Ähnliche Erdrisse, aus denen mitunter heiße Dämpfe emporsteigen, giebt es viele in der Umgebung des Kilauéa.
Die in längeren Zeitabschnitten sich wiederholenden Veränderungen im Krater des Kilauéa sind sehr bemerkenswert. Der Hauptkrater entleerte sich in geschichtlicher Zeit das erste Mal vollständig im Jahre 1840 durch einen tiefen Seitenausbruch. 40 englische Meilen (64 km) von der Caldéra erreichte der gewaltige Lavastrom das Meer bei Nanuwal im Puna-Distrikt, 17 Miles (27 km) südöstlich von Hilo, worauf das heftige Erdbeben von Kahuku in der Landschaft Kau stattfand. Im Jahre 1868 verschwand am 18. April, während eines furchtbaren Ausbruchs des Mauna Loa, die flüssige Lava plötzlich aus dem Krater des Kilauéa. Zur selben Zeit stürzte der Halemaumau vollständig ein.
Das letzte Mal verschwand die flüssige Lava aus dem Krater des Kilauéa in der Nacht vom 6./7. März 1886, während 43 heftige Erdstöße zwischen 930 abends und 730 morgens das aus Holz erbaute einstöckige Volcano-House dermaßen erschütterten, daß alles, was nicht niet- und nagelfest darin war, durcheinander geworfen wurde. Das als erdbebensicher angesehene Gasthaus schien ein Schiff auf stürmischer See zu sein. Herr Maby erzählte mir, er hätte damals geglaubt, der ganze Vulkan würde auseinander gerissen. Es hieß: Der Boden sei aus dem Kilauéa herausgefallen. An der Stelle des Halemaumau gewahrte man einen ein halbe englische Meile weiten, mehr als tausend Fuß tiefen Schlund, in welchen die 400 Fuß hohen Felsklippen sämtlich hinuntergestürzt waren. Was aus der ungeheuren Lavamasse geworden ist, wurde nicht ermittelt. Man nimmt an, daß sie einen unterirdischen Ausweg in das Meer fand. Am 8. Mai 1886 zeigte sich wieder die erste flüssige Lava im Schlunde des Halemaumau, und allmählich erhoben sich um denselben die Felsklippen, ähnlich wie zuvor. Bald darauf bildete sich, zuerst mit kleinen Anfängen, der vorhin beschriebene große neue Lavasee, der übrigens schon in früheren Jahren an derselben Stelle vorhanden war.
Es scheint eine Thatsache zu sein, daß der Kilauéa heute nicht mehr so thätig ist, wie vor zehn oder zwanzig Jahren, was aber durchaus nicht auf ein Erlöschen des vulkanischen Feuers hindeutet, das im Gegenteil in neuester Zeit an innerer Kraft wieder sehr gewonnen hat. Zeitabschnitte der Ruhe und Zeitabschnitte mächtiger vulkanischer Thätigkeit lösen dort einander ab. In früheren Jahren gab es gleichzeitig fünf und sechs Lavaseen im großen Krater. Dieselben lagen fünfzig Fuß höher als gegenwärtig der Fall ist, und überschwemmten oft die Caldéra. Die über die Größe der Lavaseen zu verschiedenen Zeiten von Reisenden veröffentlichten Berichte, welche sich scheinbar oft widersprechen, erklären sich durch die fast fortwährenden Veränderungen, denen die Feuerpfuhle unterworfen sind. Die ältesten Überlieferungen der Hawaiier reden von dem Herd des ewigen Feuers im Kilauéa, dessen Lavaseen also jedenfalls seit Jahrhunderten dort vorhanden gewesen sind.
Merkwürdig ist das sich in längeren Zeitabschnitten wiederholende Verschwinden der Lava aus den Feuerseen. Bei jedem in Neu Seeland oder in Kalifornien stattfindenden Erdbeben, namentlich bei jedem Ausbruche des nahe liegenden Mauna Loa, verschwindet die flüssige Lava auf kurze Zeit, meistens eine Woche lang, aus dem Kilauéa. Eine Ausnahme bilden die Jahre 1868 und 1886, als die flüssige Lava erst nach Monaten zurückkehrte. Jedenfalls findet eine Art Wechselwirkung zwischen dem Kilauéa und anderen vulkanischen Gebieten auf der Erde statt. Eine unmittelbare Verbindung zwischen dem 9600 Fuß höher liegenden Gipfelkrater des Mauna Loa und dem Kilauéa kann aber nicht vorhanden sein, denn dann müßte der ungeheure Druck der Lavasäule die flüssige Lava aus den Feuerpfuhlen emportreiben, oder, falls die neue Lava aus der Tiefe käme, diese zuerst aus dem Kilauéa hervorbrechen, was beides keineswegs der Fall ist. Im Gegenteil, jedesmal wenn die Lavaströme aus dem Mauna Loa, Tausende von Fuß über dem Kilauéa, hervorbrechen, verschwindet, wie bereits erwähnt wurde, aus diesem die flüssige Lava. Auch ist die Lava des Mauna Loa verschieden von der des Kilauéa. Letztere hat einen starken Beisatz von Olivin, was bei ersterer nur in sehr geringem Maße der Fall ist. Eine gleichfalls unerklärte Verbindung scheint der Kilauéa mit dem auf der anderen Erdhälfte liegenden Ätna zu haben. Nachdem z.B. das letzte Mal (März bis Mai 1886) der Boden aus dem Kilauéa herausgefallen war, begann vom großen sizilischen Feuerspeier ein heftiger Ausbruch, der bis Juni anhielt. 1868 fand dasselbe Ereignis statt, und es soll (nach Angabe des Herrn Maby) nur zehn Minuten Zeitunterschied zwischen einem verheerenden Ausbruch des Ätna und dem Einsturze des Halemaumau am 18. April jenes Jahres gewesen sein.
Daß der Mauna Loa und der Kilauéa die Sicherheitsventile der Sandwichinseln sind, leidet wohl keinen Zweifel. Sollten jene beiden Feuerberge ihre Thätigkeit einmal ganz einstellen, so würde die in der Tiefe eingeengte ungeheure Lavamasse sich höchstwahrscheinlich neue Auswege suchen. Je heftiger die Feuerseen im Kilauéa aufwogen, um so zufriedener sind deshalb die Bewohner des Inselreichs, und selbst ein Ausbruch des Mauna Loa auf Hawaii wird auf den anderen Inseln gern gesehn. In Honolulu blickt man auch durchaus nicht mit Vorliebe auf den in der unmittelbaren Nähe der Stadt liegenden alten Punch-Bowl-Krater, der vielleicht dazu bestimmt ist, einmal eine ähnliche Rolle zu spielen wie der Vesuv zur Zeit der Zerstörung von Herkulanum und Pompeji. Die Vulkane auf der Insel Hawaii sind die jüngsten Feuerberge auf den Sandwichinseln. Die ältesten, wahrscheinlich schon vor ungezählten Jahrtausenden erloschenen Vulkane lagen auf der Insel Kauai, dann der Reihe nach auf Oahu, Molokai und den kleineren Inseln, bis der gewaltige Haleakalá auf der Hawaii zunächst liegenden Insel Maui und der Mauna Kea und Huálalai die Rolle des Ventils übernahmen, welche jetzt dem Mauna Loa und Kilauéa gemeinschaftlich zugefallen ist. Daß die Insel Kauai die älteste Insel in der Gruppe ist, schließt man daraus, weil sich auf ihr die tiefste Humusdecke angesammelt hat.
Mit dem Vesuv und Ätna und mit anderen bekannten großen feuerspeienden Bergen hat der Kilauéa, wie schon gesagt wurde, gar keine Ähnlichkeit, und auch der Mauna Loa hat nicht die gewöhnliche Kegelgestalt eines Vulkans. Aschenregen und Bimsstein werfen die Feuerberge Hawaiis heute nicht mehr aus. Nur einmal fand in geschichtlicher Zeit ein Aschenausbruch des Kilauéa statt, wodurch im Jahre 1789 eine Truppenabteilung Hawaiier in der Landschaft Kau ihren Untergang fand. (Siehe Seite 43). Alte in jener Gegend stehende Aschenkegel bezeugen die Wahrscheinlichkeit dieses in allen hawaiischen Überlieferungen vorkommenden Berichts. Auch auf dem Mauna Kea und auf dem Huálalai befinden sich zahlreiche alte Aschenkegel. Mauna Loa und Kilauéa werfen seit Beginn dieses Jahrhunderts nur flüssige Laven aus. Unter diesen beiden Riesenvulkanen scheint eine unglaubliche Masse von geschmolzener Lava zu liegen, die mit ihren Feuerwogen gegen ihr Felsengefängnis antobt und sich gelegentlich durch die Krater Luft macht. Im Vergleich mit den ungeheuren Lavaströmen der beiden hawaiischen Feuerberge sind die Ausbrüche des Vesuv und des Ätna nur unbedeutend zu nennen. Förderte doch, nach der Berechnung des amerikanischen Geologen Wilkes, der Ausbruch des Kilauéa im Jahre 1840 mehr als 40 Mal so viel Lava zu Tage, als der Vesuv bei einem seiner größten Ausbrüche ausgeworfen hat! Und aus dem Mauna Loa sind wiederholt noch größere Lavamassen hervorgebrochen.
Unter den thätigen Vulkanen auf der Erde kommt der Skaptar in Island in seinen Erscheinungen dem Mauna Loa am nächsten. Aber die Ausbrüche des Skaptar wiederholen sich in hundert Jahren kaum einmal, während der Mauna Loa in den letzten 47 Jahren acht große Ausbrüche zu verzeichnen hat. Der größte Ausbruch des Skaptar fand im Jahre 1783 statt, als er soviel Lava auswarf wie Vesuv und Ätna zusammen seit Plinius' Zeit zu Tage gefördert haben; mehr als die ganze Masse des Mont Blanc! Die Asche flog über ganz Europa. Ein Fünftel der Bevölkerung von Island kam damals um!
Ähnliches, wie die 40 bis 60 englische Meilen (64 bis 96 km) langen Lavaströme auf der Insel Hawaii, findet man auf der Erde nur noch in Nordamerika, namentlich am Snake-Fluß in den nordwestlichen Gebieten der Vereinigten Staaten. Als ich in den sechziger Jahren jene entlegenen Gegenden durchstreifte und dort die alten ungeheuren Lavafelder anstaunte, dachte ich nicht daran, daß ich einst ihresgleichen im Inselreiche in der Südsee wiedersehen würde. Wenn die Ausbrüche der Riesenvulkane auf Hawaii bis jetzt verhältnismäßig so wenig Unheil angerichtet haben, so liegt die Hauptursache davon in der sehr dünnen Bevölkerung jener Insel. Daß nicht alle Lavaströme Hawaiis einen so gemütlichen Charakter haben wie der des Mauna Loa im Jahre 1880, welcher die Stadt Hilo beinahe erreichte, und an dessen Feuerufer man ohne Gefahr ein Picknick hätte abhalten können, werden die folgenden Berichte englischer Blätter in Honolulu über den Ausbruch des Mauna Loa im Jahre 1868 klar machen. Der Herausgeber des »Honolulu Advertiser«, der sich damals auf der Insel Hawaii aufhielt, schrieb am 12. April jenes Jahres aus Kealakéakua:
»Wir bestiegen die Bergkette westlich von Mamalu Pali bei Kahuku, wo sich ein überaus prächtiges Schauspiel vor unseren Augen aufthat. Das unter uns liegende Thal war zwanzig Fuß tief mit glühender Lava angefüllt, die aus einem Krater kam, der etwa zehn engl. Meilen (16 km) vom Gipfel des Mauna Loa lag. Dieser Krater hatte bereits seine Thätigkeit eingestellt. Ein neuer Krater hatte sich geöffnet, der nur einige Meilen von unserem Standpunkt entfernt war. Die Lava floß so rasch den Abhang herunter, daß sich die Bewohner einiger Farmhäuser nur mit äußerster Mühe vor dem fünfzig Fuß tiefen Feuerstrom zu retten vermochten, der, zehn Minuten nachdem die Wohnung verlassen war, diese verschüttete. Der neue Krater ist ein breiter Riß in der Bergwand von ungefähr drei englischen Meilen (5 km) Länge. Ununterbrochen speit er mit fürchterlicher Wut vier blutrote um sich kreisende mächtige Lavasprudel aus, von denen sich ab und zu je zwei in eine Lavasäule, oder alle vier in eine einzige Feuerwand von anderthalb engl. Meilen (2-½ km) Länge und einer Höhe von tausend Fuß vereinigen, die ungeheure Felsstücke, von der Größe eines Hauses, mit emporreißen. Mitunter ist die Luft ganz voll von riesigen Felsblöcken, die mit furchtbarem Getöse nach allen Richtungen fliegen. Die ganze Insel ist in Rauch gehüllt. Aus dem Qualm, der aus dem Krater hoch empor steigt, springen unausgesetzt Hunderte von Feuerflammen hervor. – – – –«
»Als die Nacht hereinbrach, ward das Bild des wütenden Lavaausbruchs noch tausend Mal großartiger. In einem Umkreis von 50 engl. Meilen (80 km) war das Land taghell erleuchtet. Das höllische Schauspiel kann keine Feder beschreiben; nur Personen, die es selbst gesehn haben, können sich eine richtige Vorstellung davon machen. Der 1500 Fuß breite und 20 Fuß tiefe blutrote Lavastrom, der mit einer Schnelligkeit von 10 bis 25 engl. Meilen (16 bis 40 km) in der Stunde über Abhänge, durch Thäler und Wälder mit dem Getöse des Niagara in grauenhafter Pracht den Berg herabstürmte, war entsetzlich anzuschauen. – – – – Denkt der Leser sich hierzu das Gebrüll des Kraters, die fortwährenden Blitze und die Donnerschläge, von denen die Erde erbebte, so wird er einen schwachen Begriff von diesem Ausbruche des Mauna Loa erhalten. Nach einem unausgesetzten Lauf von fünf Tagen stürzte sich der riesige Feuerstrom in das Meer und trieb dasselbe mit solcher Gewalt zurück, daß die Wogen sich aufbäumten wie in einem Orkan. Eine Lavabank von einer Meile Länge befindet sich jetzt dort, wo früher die tiefe See lag – u.s.w.«
Ein anderer Bericht des »Honolulu Advertiser« lautet folgendermaßen:
»In Waiohinu fanden in der Zeit vom 28. März bis zum 10. April 2000 Erdstöße statt. An mehreren Tagen zählte man 300 bis 400. Die heftigste Erschütterung ereignete sich am 2. April. Durch dieselbe wurden sämtliche Kirchen und fast alle Wohnhäuser und Steinwälle im Distrikt zerstört. Das früher ziemlich ebene Land ist jetzt ganz voll von Abgründen, Hügeln, Klüften und tiefen Spalten. Nicht ein Stein in dem ganzen Landstrich ist unverrückt an seiner Stelle geblieben. Das Erdbeben war so heftig, daß kein Mensch auf den Füßen stehn bleiben konnte; Pferde und Rinder stürzten wie tot zur Erde. Mehr als tausend Schafe, Rinder, Pferde und Ziegen erstickten in giftigen Gasen. Ein Erdstoß tötete 38 Eingeborene. Die Toten zählt man in dieser spärlich bevölkerten Gegend nach Hunderten. In vier Dörfern kamen 80 Menschen um – u.s.w.« »Zwei engl. Meilen (3 km) vom Lande erhob sich plötzlich eine kleine Insel, die 400 Fuß über dem Meeresspiegel emporragte. Bei Punaluu schien eine ungeheure Lavamasse in einiger Entfernung vom Ufer von unten herauf in die See geschleudert worden zu sein. Der Ocean befand sich dort in einem furchtbaren Aufruhr und kochte, als fände in seiner Tiefe ein gewaltiger Lavaausbruch statt. Erst zog sich das Meer zurück, als wollte es Kraft für einen Anlauf sammeln; dann stürzte sich eine 40 bis 60 Fuß hohe Woge auf die Küste von Kau und riß alles fort – Häuser, Bäume, Böte, Menschen und Tiere. Punaluu verschwand vom Erdboden, die große steinerne Kirche ist nicht mehr vorhanden. Hundert Menschen ertranken dort in den Wellen. Ganze Haine von prächtigen Kokospalmen wurden fortgerissen. Sechs Mal nach einander kehrte die Woge mit derselben Wut zurück. Nicht ein Haus von drei an der Küste liegenden Dörfern blieb stehn. Daß außer der Lava, welche aus der Nordseite des Mauna Loa brach, ein zweiter Lavastrom (wahrscheinlich aus dem Kilauéa) einen Ausweg in das Meer an der Küste von Kau suchte und gefunden hat, ist klar genug – u.s.w.«
»In der Nähe des Ortes Kapapala wurde die ganze Spitze eines 1500 Fuß hohen Berges abgehoben, stülpte sozusagen um, stürzte tausend Fuß weit in das Thal hinab und verschüttete den Ort vollständig. Nicht eine Menschenseele ist daraus entkommen! Eine Schlammmasse, ½ bis 1 engl. Meile breit und in der Mitte 30 Fuß tief, die viele Millionen Tonnen wog, wurde drei Meilen (5 km) weit in drei Minuten fortgeschleudert und bedeckte, als sie niederstürzte, einen Flächenraum von mindestens tausend Acker. Es war, als sei sie aus dem Munde von 10 000 schweren Geschützen geschossen worden; sie sauste mit einem ganz unbeschreiblichen höllischen Lärm durch die Luft – u.s.w.«
Ein Engländer mit Namen Lyman, der sich zur Zeit dieses Erdbebens ebenfalls in der Landschaft Kau aufhielt, schrieb:
»Die Erde schwankte erst von Nord nach Süd, dann von Osten nach Westen, dann kreiste sie, hob sich auf und ab und drehte sich nach allen möglichen Richtungen. Alles um uns krachte und taumelte, die Bäume wurden hin und her geschüttelt, als raste ein Orkan durch den Wald, wir mußten uns auf den Boden hinsetzen und hielten uns mit gespreizten Händen und Füßen fest, um nicht fortzurollen. Ein Erdstoß folgte rasch auf den anderen mit einem rasselnden, dumpfrollenden Getöse. Jeden Augenblick glaubten wir, daß die Erde sich aufthun und uns verschlingen würde, denn wir hörten die mächtigen Lavawogen ganz deutlich unter unseren Füßen dahinstürmen und gegen den Boden schlagen.«
Ähnliche Berichte von glaubwürdigen Augenzeugen, die sich zur Zeit des vulkanischen Aufruhrs auf der Insel Hawaii im Jahre 1868 an Ort und Stelle befanden, könnte ich leicht verzehnfachen. Eine Erzählung ist immer noch grauenvoller als die andere. Aber ich will dem Leser mit diesen haarsträubenden Einzelheiten nicht länger die Nerven erschüttern. Er möchte sonst glauben, daß die Erde einmal ganz aus den Fugen gehen könnte. Jedenfalls kann die vielgerühmte »Gemütlichkeit« der hawaiischen Vulkane nicht als Regel gelten!
Die Ausbrüche des Mauna Loa kommen nicht immer aus dem großen Gipfelkrater, dem Makuawéowéo, einer Caldéra, die der des Kilauéa ähnlich ist, die aber keine Feuerseen, sondern unergründliche Spalten enthält. In den meisten Fällen strömt die Lava sozusagen aus Wunden, die sich an den Seiten des Riesenvulkans aufthun. Der gewaltigste Ausbruch aus dem Makuawéowéo fand im Jahre 1855 statt. Eine Lavasäule, mindestens 100 Fuß im Durchmesser und 500 bis 1000 Fuß hoch, erhob sich ununterbrochen Tag und Nacht volle sechs Wochen lang aus dem fast 14 000 Fuß über dem Meere liegenden Berggipfel, ergoß ihre Feuerfluten die Abhänge hinunter und erhellte die ganze Insel Hawaii. Der Lavastrom floß unausgesetzt dreizehn Monate lang und überschwemmte eine Bodenfläche von 300 engl. Q Meilen (769 qkm) mit 38 Billionen Kubikfuß Lava: eine Masse, aus welcher der Vesuv mit seinen sämtlichen Lavaströmen und Aschenausbrüchen aufgebaut werden könnte. Kaum minder furchtbar war der Ausbruch des Mauna Loa im Jahre 1859, der aus der Nordseite des Vulkans hervorbrach und eine noch größere Lavamasse zu Tage förderte. Aus drei Kratern erhoben sich wochenlang Lavasäulen von 250 bis 500 Fuß Höhe.
Während der letzten 100 Jahre fanden 13 größere vulkanische Ausbrüche, mehrere derselben mit furchtbaren Erderschütterungen verbunden, auf der Insel Hawaii statt:
Wie dies Verzeichnis deutlich beweist, ist der Mauna Loa während der letzten hundert Jahre bei weitem der thätigste Vulkan auf der Insel Hawaii gewesen. Die letzten acht großen Ausbrüche sind allein auf seine Rechnung zu schreiben. Zwischen den Jahren 1789 und 1832 fanden höchstwahrscheinlich noch mehrere Ausbrüche des Mauna Loa und des Kilauéa statt; aber es fehlen die Nachrichten darüber. Vom Kilauéa ist freilich seit 1840 kein Ausbruch nach außen bekannt geworden, dagegen haben die Lavaseen seine Caldéra seitdem oft überschwemmt; auch kann man mit ziemlicher Sicherheit annehmen, daß dieser Vulkan sich häufig durch unterirdische Kanäle in die See entleert hat. Daß der Huálalai seine vulkanische Thätigkeit wieder erneuern wird, ist durchaus nicht unmöglich. –Der große Ausbruch des Huálalai wird von verschiedenen Schriftstellern in verschiedene Jahre (1801 – 1806 – 1811 und 1815) verlegt; da aber in jedem Fall nur von einem einzigen Ausbruch die Rede ist, so muß auch immer derselbe gemeint sein. Jarves (dessen Angaben ich gefolgt bin) giebt in seinem sehr zuverlässigen Buch »History of the Hawaiian Islands« (Honolulu 1872) mehrere Male das Jahr 1801 an und nennt den Engländer Turnbull als Augenzeugen. – Nicht minder verwirrt sind die Höhenangaben über den Huálalai. Auf allen Landkarten steht 6275 Fuß. Dutton giebt 8600, Wilkes 10 000, das neueste Höhenverzeichnis hawaiischer Berge 8275 Fuß (2523 Meter) an. Bei den sonst vorzüglichen topographischen Aufnahmen des Königreichs Hawaii sind diese weit von einander abweichenden Zahlen bemerkenswert.
Herr Maby erzählte uns beim lodernden Kaminfeuer noch einige recht interessante Abenteuer von Fremden, die sich nachts im Krater verirrt hatten, und unterhielt uns über die Eigentümlichkeiten der Lavaseen, die wir aus den Fenstern der Gaststube bald heller, bald matter durch die finstere Nacht aufleuchten sahen. Wir erfuhren, daß bis jetzt merkwürdigerweise noch nie jemand im Krater des Kilauéa verunglückt sei. Mehrere Male sei es jedoch vorgekommen, daß sich an derselben Stelle, auf welcher eine Gesellschaft Vulkanfahrer längere Zeit verweilt und Umschau gehalten hatte, kurz nachdem jene von dort fortgegangen waren, plötzlich eine Lavaspalte oder ein Abgrund aufthat. Besonders schlimm erging es vor einigen Jahren einer größeren Gesellschaft Vulkanfahrer, von denen ein Teil in stockfinsterer Nacht längere Zeit im Krater verweilte, um das Schauspiel des tobenden Lavasees bis nach Mitternacht zu genießen, während der Führer die übrigen nach dem Volcano-House zurückbrachte. Trotzdem der Führer sie warnte, nicht von der Stelle zu gehen, bis er wieder da sei, versuchten es jene, als es nach einer Stunde heftig zu regnen begann, den Rückweg allein zu finden, verirrten sich und wurden erst nach vier Stunden von dem Kanaken an der anderen Seite des Lavasees entdeckt. Die waghalsigen Touristen, welche stundenlang im Finstern zwischen Feuerlöchern und Abgründen auf den Lavaschollen im Regensturm umherstolperten, hatten fast die Hoffnung auf ihre Rettung aufgegeben, als der Kanake sie endlich fand. Eine junge Amerikanerin verlor beim Rückmarsch sogar den Verstand und riß sich die Kleider in Fetzen vom Leibe, als man sie den Abhang nach dem Volcano-House hinauftrug. Ein helles Wunder war es, daß die Verirrten nicht sämtlich im Krater des Kilauéa umkamen!
Im Februar 1886 hatte Herr Maby den prächtigen Gedanken gefaßt, in der Nähe des Halemaumau einen Pavillon zu erbauen, in welchem die Fremden übernachten könnten, um diesen den äußerst unangenehmen Rückmarsch durch den großen Krater im Finstern zu ersparen. Das Bauholz befand sich bereits an Ort und Stelle, als in der Nacht vom 6./7. März der Boden aus dem Kilauéa herausfiel, und auch der Felsen, auf dem das Häuschen stehn sollte, mit in den Abgrund stürzte. Die Überraschung für eine Gesellschaft von Touristen, die, falls der Pavillon einige Wochen früher erbaut worden wäre, dort ihr Nachtquartier aufgeschlagen hätten und plötzlich mit ihren Betten so an tausend Fuß in die Erde gesunken und geradeswegs in die Hölle gefahren wären, möge sich der Leser selbst ausmalen! – Erdbeben finden in der unmittelbaren Nähe des Kilauéa nur selten statt; weiter unterhalb, im Halbweg-Haus, verspürt man sie dagegen fast jede Woche mindestens einmal. Von den Bewohnern der Sandwichinseln werden die Lavaseen verhältnismäßig nur selten besucht. Weitaus die meisten Besucher sind Engländer und Amerikaner.