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Die Niederlande

In vielen Hinsichten ist Kultur unstreitig naturfeindlich. Alte Geschlechter werden auf die Dauer klein und häßlich. In England müssen – oder müßten, falls sie ästhetisch empfänden – unverhältnismäßig viele Herzöge Barte tragen; die traditionellen schönen scharfgeschnittenen Züge trifft man heute am häufigsten im Volk. Um je jüngere Jahrgänge es sich handelt, desto öfter begegnet man unter Gebildeten schweinchenartigen Gesichtern, mit zurücktretendem Kinn und dem Gegenbild von Adlernasen. Anscheinend setzt die Natur es, wo immer Zucht statthat, wie aus malice oder ressentiment darauf an, sobald es irgend geht, das Minderwertige zu potenzieren. Daher, daß es nicht gleich gelingt, weil anfangs ursprünglich Bestes hochgezüchtet wird und die Menschen lieber Erinnerung wiederkäuen, als sich der Anstrengung unterziehen, Neues zu bemerken, rührt das Vorurteil, daß kulturelles Alter ohne Rücksicht auf Zeitgrenzen günstig sei. In Wahrheit bedeutet die Habsburger Lippe, als Sinnbild betrachtet, das für die Dauer Normale. Ohne Zweifel kann diesem Verhängnis, sowohl auf physischem wie auf geistigem und moralischem Gebiet, wo das gleiche Gesetz nur unter günstigeren Zeitbedingungen waltet – ich meine: Familien bleiben in der Regel länger anständig und gescheit als schön – in erheblichem Grade vorgebeugt werden; die Hoffnung ist sogar nicht unbegründet, daß dies in wachsend höherem Grad gelingen wird, da die Eugenik die Gesetze der Vererbung in größerer Vollständigkeit als irgendein früherer Zuchtgedanke berücksichtigt. Aber ganz wird dem Verhängnis nie zu steuern sein. Der Geist ist nun einmal nicht von dieser Welt, nur bei extrem takt- und verständnisvoller Behandlung läßt ihn Natur passieren. Wenn schon alle Taubenvarietäten, sich selbst überlassen, früh oder spät entweder aussterben oder aber in die simple Höhlentaube zurückschlagen; wenn schon veredelte Pferde und Kühe nur im Falle nie aussetzender supremer Menschen-Weisheit fortleben und selbst dann an Reproduktionskraft gegenüber Natur-, nicht Geistgewollten verlieren, so gilt gleiches im allerhöchsten Maße bei der Spezies Homo sapiens Linné, weil der Geist hier nicht nur von außen, sondern auch von innen her wirkt. Der letzte Mensch wird aller Wahrscheinlichkeit nach der größte Esel sein, Verjüngung bewirkt allemal nur frisches Blut. Wenn die meisten ganz großen Begabungen unvorbereitet auftreten, so hängt das damit zusammen, daß nur unverbrauchte Natur den Druck des Geists verträgt. Wenn die meisten unter diesen, andrerseits, keine gleichwertigen Nachkommen hinterließen, so liegt's an dem, daß Natur Geist nie lange verträgt und duldet. Hier fassen wir die ewige Bedeutung undifferenzierter Unterschichten: es versiege die Möglichkeit der Verjüngung aus reiner Natur, und die Manifestationsmöglichkeit des Geists auf Erden wäre hin. Gewiß hat Kulturblut vor naturnahem das voraus, daß es gegen die Gefahren zivilisierten Lebens besser immunisiert ist. Aber die bestimmunisierten Familien sind, bis auf seltene Ausnahmen, leider zugleich die dümmsten und die häßlichsten.

Soviel von dieser Seite des Problems. Andererseits liegt nun in der Häßlichkeit, diesem Racheprodukte der Natur, zuweilen eine wichtigste psychologische Wurzel von Kulturgestaltung. Irgendein Nicht-Haben muß vorliegen, damit der Mensch über das Gegebene hinausstrebe. Die Französin kleidet sich nicht zuletzt deswegen am besten, weil sie von allen Europäerinnen am schlechtesten gewachsen ist. Beispiele, die diese Deutung des Tatbestands bekräftigen, ließen sich häufen. Doch ich kenne nur einen Kulturkreis in Europa – das Wort ganz allgemein, ganz unorthodox, also nicht im Frobeniusschen Sinn verwendet – wo es eine Kultur der Häßlichkeit gäbe: das ist der niederländische.

 

Um gleich ganz klarzumachen, was ich meine, erinnere ich zunächst an Volendam, jenes seltsame Fischerdorf, das da lebt von Fremdenindustrie. Dort werden die Trachten aus der Zeit der großen Maler weitergetragen, nur daß sie mit letzter Raffiniertheit darauf angelegt sind, nicht das Gefällige, sondern das Häßliche zu akzentuieren. Möglichst große Füße, möglichst breite Hüften, möglichst schmale Schultern, möglichst kleine Köpfe. Dazu kommen noch, dank einer beispiellos konsequent betriebenen Inzucht, raffiniert groteske Gesichter. Das Ergebnis nun ist nicht etwa ein unästhetisches, sondern, im Gegenteil, ein höchst ästhetisches Gesamtbild. Hier sieht man gleiche Schönheit als Leben dargestellt, die einem als Kunst bei den niederländischen Meistern entgegentritt. Denn auch diese bevorzugten überall das Häßliche. Sogar der mit allen Schönheiten des Auslands vertraute Rubens tat dies offenbar; sonst hätte er wenigstens manchmal weniger scheußliche Frauenleiber gemalt, als sie seine Bilder regelmäßig zieren.

Das Bedeutsame ist nun, daß kein Niederländer, von dem ich wüßte, je bis zum Gegenideal der beauté du diable vordrang. Die niederländische Kultur ist recht eigentlich einer Kultur der häßlichen Norm. Und das ist wohl verständlich, gerade insofern die Niederländer ein Kulturvolk sind. Kultur auf Grund des Natürlich-Schönen setzt dessen mögliches Normalsein voraus. Kein Volk verträgt als repräsentative Darstellung, was ihm seine eigene Minderwertigkeit zum Bewußtsein bringt, so wie der Wähler höchst ungern für einen Parlamentskandidaten stimmt, den er sich überlegen fühlt. Daher der Naturalismus des häßlichen 19. Jahrhunderts. Daher die Verherrlichung des Chaotischen seitens der Russen. Die Erfahrung an letzterem Volk zumal hat mir ganz klargemacht, um ein wie objektiv Wirkliches es sich bei Schönheit handelt: mit vollendet sicherem Instinkt zerstörten die Bauern während der Revolution an erster Stelle das Schönste; dessen Anblick ertrugen sie nicht. Doch ist Rußland aus Häßlichkeit kulturfeindlich, so haben die Niederlande auf der Basis noch größerer Häßlichkeit eine hohe Kultur erschaffen. Insofern stellen sie eine Stätte größeren Triumphs des Geists dar als Griechenland. Sintemalen dort das Häßliche allein natürlich scheint, haben die Künstler im Sinne des Natürlich-Häßlichen gesteigert und stilisiert. So sind sie zu geistigster Schönheit gelangt. Was immer an der Kunst der Niederländer wirklich schön ist, von den Werken der Teniers, Breughel, Höllenbreughel bis zu Rembrandts Altersbildern, beruht auf Kultur der Häßlichkeit.

Der Satz, daß die Naturbasis des niederländischen Menschentumes häßlich ist, gilt übrigens auf der ganzen Linie. Das psychische Äquivalent der äußeren Unschönheit ist eine Art Brutalität, die, weil sie sich zur preußischen nicht unähnlich verhält wie eine Tenierssche Kirmesse zu einer Exerzierstunde im alten Potsdam, deshalb nicht minder auffällt. Noch heute ist die holländische Hafenbevölkerung eine der wüstesten der Welt. Holländischen Huren nahte sich selbst Satan nicht ohne Umsicht. Nie werde ich's vergessen, wie ein mästodontischer Kolonialer aus Java einen Neger, weil er für Straußenfedern zu viel verlangt hatte, in Aden einfach vom Schiff ins Wasser warf, wobei der Arme sich, am Fallreep aufschlagend, fast das Genick brach, und dabei schmunzelnd meinte, dies sei die richtige Art, mit Farbigen umzugehen. Nirgends trat während des Weltkriegs die Fremdenfeindschaft häßlicher zutage als in den Niederlanden. Auch untereinander trauen sich deren nichtgebildete. Bewohner weniger als andere über den Weg. Noch immer gilt da der altenglische Vers:

In matters of commerce the way of the Dutch
Is giving too little and asking too much.

Wenn in Holland Untergebene noch selbstverständlich geduzt werden, wenn die Anrede »Mevrouw« nur Angehörigen des Adels und des höheren Bürgertums zukommt (alle anderen werden »Juffrouw«, Fräulein, angeredet, und empfinden es als Hohn, wenn man »mevrouw« zu ihnen sagt), so beweist dies in einem demokratisierten und höchstzivilisierten Lande ganz unzweideutig ursprüngliche Natur-Roheit. Ganz im gleichen Sinne sind mir unter höchstgebildeten Holländern Ausbrüche von Flegelhaftigkeit begegnet, die unter vergleichbaren Vertretern anderer Völker undenkbar wären und mich vollkommen desorientiert hätten, wäre mir nicht klar gewesen, daß es sich beim holländisch Häßlichen eben um die Naturgrundlage handelt, für welche Gott allein die ganze Verantwortung trägt. Wie steht es denn mit der Sprache? Der Deutsche, der sie nur oberflächlich kennt, kann nicht umhin zu denken, daß sie irgendeinmal in Herrengesellschaft gegen drei Uhr morgens erfunden worden sei. Ihre Grundanlage ist tölpelhaft. Wie tief dieses Tölpelhafte wurzelt, sieht man auch an der besonderen Art, wie Holländer falsch deutsch reden oder schreiben. Auch beim Häßlichen handelt es sich eben um ein objektiv Wirkliches, wie denn schon kleinste Kinder, intuitiv erfassen, welche Worte unpassend sind, und diese mit Vorliebe verwenden. – Aber mittels dieses ungefügen Natur-Materials haben die Niederländer, noch einmal, eine hohe Kultur erschaffen. Wie viele ihrer Bewohner von ihr unberührt bleiben mögen: sie besteht. Und darauf kommt es an.

 

Was ist es nun mit dieser Kultur? Daß sie etwas in ihrer Besonderheit Menschheitsbedeutsames sei, steht natürlich nicht in Frage. Die Niederlande sind germano-romanisches Grenzgebiet, gehören also kulturell in diesen weiteren Zusammenhang hinein. Sie können nur in ähnlichem Sinne Sonderbedeutung haben, wie ein ausgezeichnetes Individuum inmitten einer gleichmäßig gebildeten Kulturschicht. – Hier müssen wir zum ersten Male scharf zwischen Belgien und Holland scheiden, weil der Bedeutungsakzent innerhalb des germano-romanischen Zusammenhangs in beiden Reichen an verschiedenen Orten liegt.

Beginnen wir mit Holland. Über dessen Kultur wäre zunächst zu sagen, daß sie wesentlich das ist, was man cossu heißt; mit diesem Adjektiv kennzeichnet der Franzose Stoffe, deren Wert sehr groß, jedoch diskret, nicht auffallend ist. Wer keine Gelegenheit hatte, am Leben Amsterdamer Patrizier teilzunehmen – denn nur sie sind für Hollands Kultur repräsentativ, der Adel, der dort nichts bedeutet, ist es gar nicht –, merkt von Verfeinerung wenig. Wer hingegen in die besten Kreise jener eindrang, der lernte eine Atmosphäre kennen, aus der heraus das Mäzenatentum von Hollands großer Zeit ohne weiteres verständlich wird; denn ohne dieses hätte es wohl große Malertalente gegeben, jedoch keine große holländische Malerei. Diese Patrizier sind ungeistig, unproblematisch, weltzugekehrt in jedem Sinn, und doch durchaus Kulturtypen; überall, in allen Hinsichten erscheint der Stoff geformt. Dies schafft nun seinerseits eben deshalb den Eindruck besonders hoher Kultur, weil der Stoff ursprünglich besonders roh ist, weshalb nur starker Geist ihn überhaupt bändigen könnte. Aber das Sonderliche der holländischen Kulturgestaltung wurzelt doch nicht hier: sie wurzelt darin, daß ihre Form romanisch ist. Hier liegt denn der Schlüssel zum holländischen Kulturproblem: der Geist dieses kerngermanischen Volkes ist romanisch, und zwar in seiner heutigen Gestaltung vom Erz-Romanen Johann Calvin geprägt. Dies ergibt, bei seiner natürlichen Ungeschlachtheit, eine selten starke Spannung. Auf dieser beruht denn letztlich alle holländische Produktivität. Diese Spannung hat die großen Charaktere des niederländischen Protestantentums geformt (wobei einem einfällt, daß wohl auch der englische Charakter im gleichen Sinne vorwiegend romanischer Prägung sein dürfte); sie ist die Ursache des holländischen Formensinns. Waren die Griechen bewußt nur apollinisch wegen des immer dräuenden Dionysos in ihrer Brust, so bedeutet der holländische Schönheitskult recht eigentlich Abwehr gegen den inneren Tölpel.

Was mich persönlich nun an Holland bei meinen verschiedenen Besuchen aus naheliegenden Gründen besonders beschäftigte, war die Ergründung des Sinns seines modernen Zustands im Zusammenhang mit der verlorengegangenen einstigen Großmachtstellung. Der Holländer ist dadurch nämlich nicht so provinziell geworden, nicht so eng, nicht so ausschließlich auf privaten Vorteil bedacht, wie bei der ungünstigen Grundanlage zu erwarten stand. Einerseits hängt dies gewiß damit zusammen, daß Holland eben doch noch Kolonien hat. Das holländische Volk ist dadurch im selben Sinne, im Vergleich mit anderen kleinen Völkern, weit geblieben, wie der Hanseate weit ist gegenüber Binnenlandkrämern. Dann hängt es damit zusammen, daß der Holländer darin durchaus deutsch ist, daß kleine und nicht große Kreise sein Element sind. In seiner größten Zeit war Holland extrem partikularistisch, recht eigentlich ein Land bestimmender Vereine; so entsprach das Weite nie dem besten Wesen der Allgemeinheit. Die aufgezählten Umstände fallen gewiß ins Gewicht. Aber daß der Verlust seiner Großmachtstellung Holland so wenig geschädigt hat, beruht doch vor allem auf dem Alter seiner Kultur. Hier nun liegt ein Vorbildliches, das in mir in Anbetracht der eingangs behandelten Geistfeindlichkeit der Natur und der besonderen Ungeschlachtheit der niederländischen Anlage neue Hoffnung für die Zukunft des Menschengeschlechts erweckt. Diese Kultur ist eine der ältesten der Erde. An dieser Landschaft brauste die Völkerwanderung vorbei. Schon zu römischer Zeit gehörten die Bataver zu den zivilisiertesten Barbaren. So besitzen die Niederlande fixierte Gefühle und kulturelle Instinkte, die sie von äußeren Zufällen in hohem Grade unabhängig machen. Damit gelangen wir denn zu einer Korrektur der Betrachtungen des Eingangs dieses Kapitels. Wird der Geist Fleisch, insofern seine Impulse sich den Gefühlen und Instinkten eingebildet haben, dann ist der Kultivierte dem Naturmenschen absolut überlegen. Hierauf beruht die universelle Überlegenheit des Adels. Eben hierauf die des echten Judentums. Auch die Juden sind alles eher als einseitig intellektuell – letzteres gilt nur von ihren entwurzelten Vertretern. Die Juden verdanken ihre Vitalität vielmehr der vollkommen richtigen Einschätzung des Bluts- und des Geistesmoments in ihrem optimalen Verhältnis zueinander. Kein westlicher Adel wüßte je so gut über die Tugend des Bluts Bescheid wie sie. Was an geistigen Werten an Blut gebunden ist, haben sie zu keiner Zeit verkannt. Kein Volk sprach je so viel vom Samen wie dieses. Aber es wußte zugleich wie kein anderes, daß die biologische Vererbung beim Menschen in Funktion zweier Reihen auf einmal erfolgt: des Blutes und der Tradition. So war das Judenleben durch geistige Gesetze regiert, wie kein zweites je. Kein Goj macht sich auch nur eine Vorstellung von der Rigidität der Lebensnormiertheit, der sich der armseligste polnische Jude unterwirft. Ich mußte die Juden heranziehen, um das Problem in seiner ganzen Spannweite hinzustellen: sind sie noch da und noch nicht degeneriert, obgleich sie Jahrtausende entlang unter schwersten Verhältnissen leben mußten, so bedeutet dies nur einen Beweis mehr, und zwar den extremsten, schlagendsten Beweis dafür, daß Kulturblut ein Vorzug sein kann. Es ist ein absoluter Vorzug dort, wo der Geist Fleisch geworden ist. Nur wo dies gilt, ist das Wort Kultur andrerseits überhaupt am Platz. Kultur nun hat ihren sichersten Gradmesser an dem, wieviel einer aushält, im Guten wie im Schlimmen. Im Guten: nur der geborene Herrscher verträgt überragende Machtstellung, nur der geborene Weise den Ruhm. Im Schlimmen: nur ein so hochkultiviertes Volk, wie es die Juden sind, konnte Jahrtausende der Knechtung ungebrochen überstehen. Während der Weltrevolution hat der Adel überall seinen Ruin weit besser überstanden als der Bürger. Vor allem aber verträgt nur der traditionell Kultivierte Niederlage – die ja, kosmisch betrachtet, eine genau so normale und positive Lebensform schafft wie Siegerstellung –, weil sein Selbstbewußtsein von der Meinung anderer nicht abhängt. So hat in großartigstem Sinne Spanien, so auch Holland das Ende seiner Weltmachtstellung überstanden. Denkt man von hier aus nun an Deutschland, so wird einem sehr klar, wie jung es als Volk noch – oder wieder – ist …

 

Holland ist interessant vor allem wegen der ihm wesentlichen Spannung zwischen ungeschlachter Natur und feiner Kultur. Diese Spannung verkörpert sich natürlich auch in den Gewohnheiten der verschiedenen Volksschichten. Wie alle Fremden wußte ich, bevor ich die besten Kulturträger kennen lernte, nur vom materiellen fetten Typus. Im Volk spielt dieser allerdings eine große Rolle, und ebenso im Adel. Bei den Gebildeten nun fiel mir, im Gegensatz dazu, an erster Stelle auf, wie wenig sie essen und zu essen geben; zu Mittag allenfalls soviel, wie man in nordischen Ländern zum ersten Frühstück bekommt; und abends auch sehr wenig. Da erfuhr ich, daß die Seehelden Ruyter und Tromp nur einmal die Woche Fleisch zu essen pflegten, überhaupt nahezu asketisch lebten. Und nun begriff ich den Sinn der niederländischen »Stilleben« – in Holland ist dieses Genre ja wohl erfunden worden: es wurde im Bilde gezeigt, was in natura vorenthalten blieb …

Damit gelange ich denn zum holländischen Puritanismus. Das Zeitalter eines produktiven Puritanismus ist überall auf Erden um. Nirgends mehr wird er von großem Glauben getragen, noch kann er es sein, denn erweitertes und vertieftes Wissen um die Zusammenhänge hat uns, grundsätzlich betrachtet, die Unbefangenheit wiedergegeben, die im Westen zuletzt das antike Heidentum besaß. So beruht die Herrschaft des Puritanismus, wo sie noch statthat, entweder auf bewußter Heuchelei, oder auf unbewußter, oder auf Erstarrtheit oder endlich Verkrampftheit. In Amerika, wo er noch krampfhaft hervortritt, trägt er alle Anzeichen der Primitivierung, die jede psychologische Funktion erleidet, die ihren Sinn im Zusammenhang verlor; um den Moralismus und Fundamentalismus amerikanischer Provinzstädte zu verstehen, muß man bedenken, daß die Tatsächlichkeit des Lebens der Jüngsten dem entspricht, was Judge Lihdsay in The revolt of modern youth geschildert hat (Deutsch bei der Deutschen Verlagsanstalt, Stuttgart). In England, bei der glücklichen Anlage dieser Nation, lebt er eigentlich nur noch in äußerlichen Konventionen fort, die niemand wirklich stören. In Holland liegen die Dinge, der Naturanlage entsprechend, grotesk – grotesk, so wie die Gestalten holländischer Maler grotesk sind. In einem Lande so schwerfälliger Natur und so alter Kultur wie Holland sind erstens Erstarrte extremster Art natürlich besonders häufig und die verhalten sich dann zu sonstigen Erstarrten, wie ein Mastodon zu einem Kolibri. In einem Lande so großer Gegensätzlichkeit von Natur und Geist kommen auch Verkrampfte besonders zahlreich vor – vielleicht wenige nicht geistlose. Holländer sind nicht analytische Fälle – und deren Abreaktionen evozieren dann ohne weiteres das Sinnbild des Klabautermanns. Die meisten männlichen Holländer heucheln als Puritaner. Hierzu gibt die Praxis der Steuerbehörde das beste Sinnbild ab: alles sichtbare Silber, was in einer Vitrine steht, wird versteuert; ist aber eine Gardine vorgezogen, so bleibt es steuerfrei: ich kenne keine sinnigere Nutzanwendung der Feigenblattidee. Nein, die holländischen Männer sind, bis auf seltene Ausnahmen, als Puritaner nicht mehr ernst zu nehmen. Desto ernster steht es, demgegenüber, noch heute mit dem Puritanismus der holländischen Frau. Ihre außergewöhnliche Reizarmut legte ihr von Instinkts wegen eine Weltanschauung nahe, welche die Not zur Tugend erhob. Dieselben Motive, aus denen heraus jede niederländische Kultur eine solche der Häßlichkeit werden mußte, erklären, warum die Niederlande eine ursprüngliche Kultur der Liebe nur in Form der Ausschweifung gekannt haben. Trunkenheit und scheußliche Weiber gehören ästhetisch, ja zusammen. Allein Orgien waren niemals Sache der Bürgersfrau. Selbst die »Regentinnen«, die Franz Hals' Pinsel verewigte, lassen nicht das leiseste Verständnis für die charmes de l'ivresse vermuten. So ist denn das holländische Frauenleben, im großen und ganzen betrachtet, im allerentsetzlichsten Sinne reine Pflichterfüllung. Pflichterfüllung gegenüber der Gattung, gegenüber dem Besitz, gegenüber der Gesellschaft. Ein Holländer, Adriaan van der Priel, der es wohl wissen muß, schrieb jüngst, der eine und einzige Zweck holländischen Frauenlebens sei Mutterschaft und Muttertum. Und weiter: »Von einer Krise der Weiblichkeit, wie eine solche etwa von Gertrud Bäumer in ihrer Schrift: ›Die Frau, in der Krisis der Kultur‹ festgestellt wird, ist in Holland nicht die Rede, wird nie die Rede sein. Es gibt eine Krisis der Generationen, in Holland so gut wie überall. Aber der Roman ›Die Frauen der Coornvolts‹ von Jo van Ammers-Küller zeichnet zwar aufständige Frauen in Scharen, doch der Aufstand richtet sich nur gegen die von der Konvention, nicht gegen die von der Persönlichkeit gezogenen Grenzen. Die Holländerin besitzt in ihrer Natur, nämlich im rein Körperlichen und Nervenmäßigen, ein Schwergewicht, dem sie gar nicht untreu zu werden vermag; sie ist denkbar weit entfernt von der Schweifelust der Slawin oder vom erotischen Spieltrieb der Gallierin, womit nicht gesagt sein soll, daß sie aus Überlegung die tugendhaftere wäre – gegenüber den genannten beiden Typen hat sie die größere seelische Massivität voraus, was negativ gewertet, vielleicht einem Mangel an weiblicher Genialität gleichkommt, was sie eben aber doch ganz weit von der Bohème abrückt und ihr in jedem Fall einen bürgerlich gefahrlosen Lebenslauf gewährleistet. Sie beherrscht der Trieb zur Sicherung im weitesten Sinn. Sie will die Sicherung ihrer selbst, ihres Mannes, der Nachkommenschaft. Sie wird als Frau oder als Geliebte den Mann nie zu wagehalsigen Unternehmungen anstacheln, und wenn derselbe einen kühnen Schachzug plant, wird sie diesen nur billigen, wenn dessen Endziel einen Zuwachs an Lebenssicherung einbegreift. Sie hat keinen Sinn für das Außerordentliche schlechthin, und so fungiert sie im Mannesleben zweifellos als gesunde Hemmung, oder sie würde als solche fungieren, wenn es dem holländischen Mann auf irgendwie Unerhörtes ankäme. Aber sie ergänzen sich, der Mann und die Frau; sie sind beide Pflichtmenschen. Achtbarkeit und Würde sind kardinale Begriffe, der Hochmut gegen Entgleiste kann harte, ja grausame Formen annehmen. Die Gesellschaft mag sich in Holland wohl sozialpolitisch umkrempeln, aber sie kann sich nie, wie in Rußland, geschlechtsmoralisch erschüttern. Und dies wesentlich dank der gesunden, nur nach ganz positiven Dingen sehnsüchtigen holländischen Frau. – Ihr Anteil am konstituierenden Leben der Nation ist dementsprechend ungemein groß. Die Wirkung wird nach außen hin nur wenig sichtbar. In der Kammer sitzen bloß drei weibliche Abgeordnete. Aber durch alle Verhältnisse zieht stark und spürbar jener weibliche Einfluß hindurch, der hier nicht wie in Frankreich der beherrschende, nicht wie in Rußland der anfeuernde ist, sondern sich als höchst phrasenloses, mütterliches Mithelfen, Mitstreben auswirkt. Die Literatur der Frauen hat nichts Revolutionäres, aber sie ist quantitativ beträchtlich. Nach der Ziffer der Landeseinwohner berechnet, besitzt Holland wahrscheinlich mehr Dichterinnen, Romanschriftstellerinnen, Sozial- und Kunstkritikerinnen als Deutschland. Am Gericht haben sich eine Anzahl weiblicher Rechtsanwälte etabliert, die Kinder- und Krankenfürsorge, die Friedensbewegung, die Jugendgymnastik sind getragen von der nüchternen, der mütterlichen Begeisterung der Frau. Wie die Männer der bürgerlichen Schicht beherrschen die Frauen mindestens drei Sprachen, und die Korrespondenz mit Anverwandten über See macht sie mit literarischen Neuerscheinungen in Italien oder Nordamerika früher vertraut, als bei ihren Schwestern in Deutschland oder Frankreich der Fall ist. Aber auch die aufregendsten Detektivgeschichten werden hier ohne affektive Beteiligung gelesen. Dostojewsky oder Pirandello werden zur Kenntnis, nicht zu romantischen Leitsternen genommen; man läßt sich nicht umwerfen; man bleibt unerschüttert in sich verankert; man bleibt Holländerin, man bleibt eine bereits erfüllte oder zukünftige Mutter.«

Das alles ist so gesund wie nur irgend möglich. Aber es ist entsetzlich. Es gibt dem Gesamtleben einen Grundton von Philiströsität, Banalität und Banausentum. In Holland fehlt ja – Ausnahmen gibt es gewiß auch dort, doch kein Land kennt seltenere Ausnahmen – das wesentlich freie sweet girl, welches die an sich ähnliche Moralitätskultur des englischen Mittelstandes letztlich nur umhegt; Holland hat ja auch kein adliges Nationalideal. Dort ist das Biderbe Sinn und Ziel an sich. So kann dort der Geist des Puritanismus, nachdem er als heroisches oder sonst beschleunigendes Motiv überall auf Erden ausgespielt, in der vollendeten Sicherung weiblicher Inkarnation – denn Frauen rottete noch keiner aus – in Holland noch Jahrtausende entlang ein unerschütterbares Philisterdasein führen. Der holländischnationale Frauentyp wird wohl der irdische Endausdruck dessen sein, was einst dem islamitischen Eroberer an herber Größe glich.

 

Wenden wir uns nunmehr Belgien zu. Die holländisch-belgische Gegensätzlichkeit spiegelt die deutsch-französische im Rahmen einer Familie in Miniaturformate wieder: daher ihre Schärfe. Deshalb mußten sich die nordöstlichen und südwestlichen Niederlande noch in letzter historischer Stunde endgültig voneinander scheiden. In der belgischen, und zwar gerade auch der vlamischen Natur dominiert das französische Element. Wer das nicht merkt, vergißt, daß Pentagruel und nicht Voltaire französischer Urtyp ist und daß die fränkische Einwanderung und Zumischung die Galloromanen nicht zu Deutschen, sondern eben zu Franzosen machte. Ich wüßte in der Tat nicht einen Unterschied zwischen belgischem und holländischem Wesen, der nicht en miniature den zwischen französischem und deutschem wiederspiegelte. Ist der Holländer brutal, so ist der Belgier grausam, nachtragend, rachsüchtig, schikanös. Schwelgten die belgischen Maler in ihrer großen Zeit wie keine anderen in der Schilderung von Foltern in der Hölle und auf Erden, so weigerte sich in Belgien allein zehn Jahre nach Weltkriegsende der größte Teil des Volks, die Patrioten, die nicht so dachten wie die siegreiche Mehrheit, zu amnestieren. Ist der Holländer reserviert, cossu, so ist der Belgier lärmend, scheinfreudig, farbenprächtig. Die ganze Herrlichkeit des Kolorits der vlamischen Kunst ist erst in Unterscheidung von der holländischen ganz zu würdigen. Auch die belgische Kultur ist wesentlich eine der Häßlichkeit – aber erhebt Holland feierlich die Not zur Tugend, so ästhetisiert Belgien lachend das Ungefüge zur Groteske. Wie sehr die lachende Roheit des Volksvergnügens, wie die vlamische Kunst sie offenbart, noch heute lebt, erlebte ich jüngst in einem belgischen Hotel. Ich zog mir eine sehr unangenehme Muschelvergiftung zu. Anstatt im Interesse des Geschäftes zu erschrecken, war das gesamte Personal entzückt von der bonne farce und jubelte: von zehn Gästen erkranken regelmäßig acht auf ähnliche Art. Von Belgien aus mußte ich in der Tat immer wieder an das Belgien des Ostens, meine baltische Heimat denken, wie sie in meinen Jugendtagen war. Wie ein junger Edelmann an der »spanischen Seuche« dahinsiechte, geriet ein alter Kurländer außer sich: »Was seid ihr für ein Geschlecht – zu meiner Zeit fragte man, wenn einer erkrankte: was fehlt ihm außer den ›Franzosen?‹« Mir selbst begegnete in meiner Studentenzeit das Folgende. Wir zechten in einem Kruge auf dem Lande schwer. Darauf schlief ich ein. Ich erwachte von seltsam schaukelnder Bewegung und Choralgesang. Die Augen öffnend sah ich, daß meine Kommilitonen mich auf meinem Bett zu einem lodernden Scheiterhaufen trugen, auf dem schon ein Teil des Gasthausmobiliars verbrannte. Ohne daß die andern es merkten, schwankte ich aus dem Bett heraus, das nun tatsächlich, unter fortdauerndem Choralgesang verbrannt wurde … Solche bonne farce wäre sicher auch belgischen Studenten nach dem Herzen gewesen; zu Jordaens Zeiten jedenfalls hätte keiner an ihr ein Sonderliches gesehen; wie denn die wahre Geschichte der niederländischen Freiheitskriege gegen Spanien, zu Anfang wenigstens, nichts anderes war als eine Fronde baltenähnlicher Baronie. – Ja, Belgien ist wirklich wesentlich französisch, von Holland aus gesehen. Und nichts beweist die politische Unbegabung der Deutschen schlagender, als daß sie auf die Abstraktion des germanischen Rassegedankens hin dem überrannten Land germanische politische Orientierung aufzwingen wollten. Schon das dem Blute nach kerngermanische Holland wäre wie ein Mann aufgestanden, hätte ihm Deutschland Ähnliches zugemutet. Für die Niederlande ist eben wesentlich, daß sie germano-romanisches Grenzland sind, und folglich von sonderlicher Seele. Hieraus ergeben sich denn wichtige Erkenntnisse für die germanoromanische Grenzscheide überhaupt und, allgemeiner, das Wesen und die Grenzen des nationalen Gedankens. Elsaß-Lothringen ist sprachlich zum größeren Teile deutsch – aber das Französische ist so stark mitbeteiligt an seiner Seele, daß ein Lothringisches Reich allein noch heute, wie vor tausend Jahren, eine endgültige Lösung bedeuten würde. Zu dem kommt es nun wohl nicht mehr. Aber wird ein deutsch-französischer Krieg einmal wirklich unmöglich, weil als Idee verjährt, – und bald sind wir so weit –, dann wird der regionalistische Gedanke zusammen mit dem der Kulturautonomie, so oder anders, den Sinn eben jenes Reiches wieder auferstehen lassen. Was für Belgien, was für Luxemburg gilt, gilt genau so für Elsaß-Lothringen. – Und nun die Rheinlande. Als die Franzosen auf Grund des rheinischen Separatismus Politik zu machen suchten, irrten sie sich, wie ihnen so oft geschieht, um über ein Jahrhundert. Vor 1815, wo Preußen sie übernahm, wäre es nicht unmöglich gewesen, auch aus dessen nördlichen Teil ein ähnlich Besonderes zu machen wie aus Belgien. Dies wäre dann gewiß im selben Sinne immer deutscher geworden, kulturell, wie Belgien immer französischer wird, aber es hätte doch zu einem lebendigen Sonderorganismus erwachsen können. Denn der Nord-Rheinländer war nicht nur zur Zeit der niederrheinischen Kunst dem Vlamen und Burgunder verwandter als dem östlichen und südlichen Deutschen, er ist es heute noch. Er ist für einen Deutschen phantastisch ungeistig. Sein Materialismus einerseits, sein Karnevalsgeist andererseits ist dem belgischen ähnlich. Aber da auch dieser Rheinländer eben doch wesentlich Deutscher ist, so ergibt das, was sich beim Belgier so oder anders positiv auswirkt, im Gesamtbild Minderwertigkeit. Es fehlt die Kraft sichtbarer Formung. Ist die belgische Gartenlandschaft schön, so ist die um Köln herum meist kitschig. Nicht ohne Sinn, so scheint es, gehen Kölner Hauptbahnhof und Dom nahezu ineinander über: diesem fehlt es an Atmosphäre. Der kölnische Nationalgeist ist der reinste Schiebergeist, den ich in Europa traf. Nur wo das Rheinland des 18. und früherer Jahrhunderte irgendwie noch fortlebt, gibt es da noch Kultur. Sonst wirkt dieser gesegnete Landstrich, und zwar desto mehr, weil die Erinnerungen schöner und großer Tage noch stehen, kulturloser als Ostpreußen. Der niederrheinische Charakter wird dann erst eine rein positive Form gewinnen oder vielmehr wiedergewinnen, wenn er nur deutsch geworden ist. Und das wird dank der Torheit der Mächte, die das Land besetzten, demnächst wohl endgültig geschehen.

Aber aus dem Rheinland hätte allerdings, noch bis vor hundert Jahren, ein besonderer Staat werden können. Da sieht man denn, um ein wie »Zufälliges«, von irgendeinem einseitigen Gesichtspunkt aus beurteilt, es sich nicht nur bei politischen, sondern auch bei nationalen Gebilden handelt. Weder die Rasse entscheidet noch auch die Kultur. Das beste über das, was wahrhaft Nationen bildet, hat meines Wissens immer noch Renan gesagt: »Une nation est une âme, un principe spirituel. Deux choses, qui, à vrai dire, n'en font qu'une, constituent cette âme: l'une est la possession en common d'un riche legs de souvenirs; l'autre est le consentement actuel, le désir de vivre ensemble, la volonté de continuer à faire valoir l'héritage qu'on a reçu indivis.« Diese Bestimmung erklärt nicht allein alle Vergangenheit, sie weist zugleich den Weg zu immer neuen Völkerschöpfungen die kommenden Jahrtausende entlang. Auf Grund des ungeheuren Erlebnisses des Weltkriegs entstehen zweifelsohne neue Nationen. Zum Teil sind es die, die die Verträge noch so künstlich erschufen. Zum Teil sind es sehr unbeabsichtigte: Groß-Deutschland wird seine Wiege einmal im Versailler Vertrage anerkennen. Nur die unerhörte innere und äußere Isolierung, die es von 1914 bis …? erlebte, konnte dieses einerseits mehr pathische als ethische, andererseits a-nationale Volk zur starken Volkseinheit zusammenschweißen. Nicht viel anders steht es mit dem neuen Rußland, dem neuen Italien. Nein, noch vieles kann sehr anders werden, und dazu noch viele, viele Mal. Kein Volksgebilde stellt eine definitive Größe dar. Zwar glaube ich nicht, daß in der neuentstehenden Welt kleine Völker an sich besonders bedeutsam sein werden. Auf dem mitteleuropäischen Kontinent gibt es tatsächlich nur zwei große Kulturformen, die deutsche und die französische; was die anderssprachigen kleinen Völker darum herum hervorbringen, wird immer mehr Dialektabwandlung bedeuten. War Belgien einmal nicht nur ein selbständiges, sondern ein bestimmendes Kulturzentrum, so geht es in den modernen weiteren Verhältnissen zwangsläufig immer mehr im französischen Kulturkreis auf. Aber als Dialekt-Abwandlungen sind die kleinen Völker desto bedeutsamer. Sie allein können das erhalten, was nur im Rahmen des Regionalismus und Partikularismus lebensfähig ist. Heute erwarten viele ein »neues Mittelalter«: das »alte« war ganz vom Prinzip des Partikularismus bestimmt. So ist es denn schön, daß in der neuentstehenden Welt Belgien und Holland alle Aussicht haben, weiterzubestehen. Denn wirkt Provinzialismus immer sterilisierend, so ist Regionalismus, umgekehrt, schöpferisch.


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