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26.
Auf Leben und Tod

Um die günstige Gelegenheit möglichst auszunützen, die sich durch die Zersprengung der indianischen Heerhaufen darbot, ließ der Doktor zeitig früh schon das Lager wieder abbrechen und den Marsch fortsetzen.

Leider stellten sich bald von neuem dichte Waldungen entgegen. Doch ehe das Ringen mit diesen begann, wurde den kühnen Männern noch ein froher, ermutigender Anblick zu teil. Als sie um den Westabhang des Cerro Cristian herumgekommen waren und Ausblick nach Norden gewannen, sahen sie über das dunkle Grün der Wälder einen kahlen Felsgipfel emporragen, gleich der Spitze einer Pyramide mitten aus einer sandigen Ebene. Es war der Cerro San Miguel, das Ziel ihrer Beschwerden und Entbehrungen.

Die Entfernung zu ihm mochte in der Luftlinie noch dreißig Kilometer betragen, aber sie bildete das schwierigste Stück Weges, das ihnen bisher noch untergekommen war.

Eine Anzahl, zum Teil recht ansehnlicher Paat (Binnenseen) lieferte der Gegend auch während der trockenen Jahreszeit eine hinreichende Feuchtigkeit. Infolgedessen war dieser hügelige Landrücken, dessen Mittelpunkt der Cerro San Miguel bildete, von einer äußerst reichen Vegetation überdeckt, die sich von der tropischen Flora des eigentlichen Mato Grosso-Gebietes nur wenig mehr unterschied.

Da hieß es nun uralte Baumstämme fällen und zahllose glasharte Lianen beiseite räumen, um für die Karren und Wagen einen Weg zu schaffen. Trotzdem aber kam die Expedition jetzt viel rascher vorwärts als bei ähnlichen früheren Gelegenheiten; hatte sie doch die zehnfache Anzahl von Arbeitskräften zur Verfügung, denn die wackeren Grenzreiter wetteiferten förmlich mit den Peones in der Handhabung der Äxte und Sägen.

Doch war dies nicht die einzige Dankesschuld, die den Mitgliedern der Expedition gegen Kapitän Artigas und seine Leute erwuchs. Vielmehr zeigte sich jetzt erst die volle Wirkung der empfindlichen Niederlage, welche die Indianer durch die rechtzeitige Dazwischenkunft der Hilfstruppen erlitten hatten. Ohne diese hätte die Expedition nie daran denken dürfen, sich in Gegenwart der starken feindlichen Kriegshaufen noch einmal in die Wälder zu vertiefen; sie wäre trotz der Repetiergewehre und des Panzerwagens bis auf den letzten Mann niedergemetzelt worden. So aber brauchte Chiatzutak zum mindesten drei bis vier Tage, ehe er seine zersprengten Scharen wieder sammeln und die notwendigen Verstärkungen heranziehen konnte. Dadurch versäumte er wahrscheinlich die einzige Gelegenheit, welche die Ungleichheit der beiderseitigen Bewaffnung ausgleichen konnte.

Um diese kostbare Frist nach bestem Vermögen auszunützen, arbeiteten die Weißen Tag und Nacht und erreichten schon am vierten Tage wieder freies, offenes Land, das sich bis zum Cerro San Miguel hin ausdehnte. Dieser selbst bestand aus rötlichbraunem Porphyr und glich einem ziemlich regelmäßigen Kegel mit flacher Kuppe, auf dessen steiler Böschung nur vereinzelt ein spärlicher Graswuchs hatte Fuß fassen können.

»Jetzt noch zwei Tage Zeit,« rief der Doktor bei seinem Anblicke aus, »bis ich meine Maschine bis auf den Gipfel gebracht habe! Dann können von den Roten statt fünftausend meinetwegen auch fünfzigtausend kommen.«

»Caramba,« erwiderte der Oberst höchlich überrascht, »dann ist ja Ihre Maschine fast so viel wert als ein ganzes Armeekorps! Da muß ich mich wirklich erst mit meinen eigenen Augen überzeugen, Señor Bergmann, ehe ich das glauben kann.«

Der Doktor gab keine Antwort darauf, sondern lächelte nur geheimnisvoll.

Da alle rechtschaffen ermüdet waren, wurde schon am frühen Nachmittage Lager geschlagen, ungefähr in der Mitte zwischen dem glücklich überstandenen Urwald und dem Cerro San Miguel. Bei allen herrschte die heiterste Laune. Als dann der warme, sternenklare Tropenabend hereingebrochen war, ertönten allenthalben aus den verschiedenen Gruppen fröhliche kastilianische Weisen bis tief in die Nacht hinein.

Der glücklichste von allen war aber entschieden Sir Bendix; er hatte die reiche Ausbeute von Käfern, die er während der letzten Tage gemacht hatte, rasch gesichtet und gefunden, daß ihm zu der heiß ersehnten Zahl von hundert neu entdeckten Spezies nur mehr eine einzige fehlte!

Der nächste Tag sollte einen schweren Umschwung in die Verhältnisse bringen.

Die Wagen waren noch nicht eine Stunde unterwegs, Da kam einer der Grenzreiter herbei, die weit draußen in der Pampa herumschweiften, um nach Indianern auszuspähen, und meldete, daß sich die Wälder plötzlich wieder lebendig zeigten. In kurzen Zwischenräumen hatte er und sein Begleiter an verschiedenen Punkten indianische Kundschafter aus dem Gebüsch herauslugen sehen; sein Kamerad war deshalb zurückgeblieben, um diese noch weiter zu beobachten.

Bald stellte sich noch ein anderer Vorposten mit ähnlichen Berichten ein, bis um die zehnte Stunde einer die unzweifelhafte Nachricht brachte, daß die Indianer von neuem zum Kampfe anrückten. Er hatte im Westen mehrere ansehnliche Heerhaufen entdeckt, die in Eilmärschen herannahten.

»Nun heißt es siegen oder untergehen,« sagte der Doktor zu den beiden Offizieren, die mit ihm die Meldung entgegennahmen. »Chiatzutak hat gewiß aus dem letzten Kampfe die richtige Lehre gezogen und kehrt nun mit der doppelten oder dreifachen Anzahl von Streitkräften zurück. Wir konnten seine Horden das erste Mal abwehren, aber diesmal werden wir von ihnen erdrückt, wenn wir nicht noch rechtzeitig genug meine Maschine dort auf den Gipfel des Berges bringen.«

»Muß das geschehen?« fragte der Oberst.

»Unbedingt! Hier im Tale könnte sie kaum den hundertsten Teil ihrer Wirkung erreichen und würde wenig mehr sein als ein teures Spielzeug.«

»Hm,« brummte der Oberst, »das wird uns genug sauren Schweiß kosten, sie da auf den Cerro hinaufzuschaffen. Der Böschungswinkel mag im Durchschnitt vierzig Grad betragen; da haben die Pferde schon hinreichend Arbeit, wenn sie ledig aller Last hinaufklettern sollen.«

»Es muß gehen, und wenn es hundert Pferde kostet,« erwiderte der Doktor mit fester Stimme. »Und es wird auch gehen, wenn Sie mir die Indianer so lange vom Leibe halten. Helfen Sie mir nur noch dieses letzte Mal!«

»Wieviel Zeit brauchen Sie, Señor Bergmann?« fiel Kapitän Artigas ein.

Der Doktor überlegte einige Augenblicke.

»Zwölf Stunden werden das mindeste sein,« entgegnete er dann.

Der allzeit unerschrockene Soldat zog bei dieser Forderung die Stirn in ernste Falten.

»Sie verlangen wirklich keine Kleinigkeit, Señor,« rief er. »Ja, wenn wir wenigstens die trockene Jahreszeit hätten! Dann könnten wir im Notfalle die Pampa in Brand stecken und die Burschen damit zurückdrängen. Aber jetzt ist diese alte Wiese voll Saft und Kraft, so daß wir unsere Zündhölzer völlig nutzlos verschwenden würden. Unter solchen Umständen wird sich der Kampf bis in die Nacht hinein ausdehnen und da haben wir ausgespielt. Die Roten schleichen dann zu Dutzenden durch das hohe Gras heran und fallen über uns her, noch ehe wir einen Arm zur Abwehr heben können.«

»Nicht einmal Reisig gibt's hier,« grollte der Oberst in der gleichen mißmutigen Stimmung, »daß wir uns durch Feuer die notwendige Beleuchtung verschaffen könnten. Das wird ein harter Strauß werden! Für einen günstigen Ausgang hege ich nicht mehr die allergeringste Hoffnung.«

»Nun,« sprach Artigas dagegen und warf den Kopf mit einem festen Ruck in den Nacken, »was an uns liegt, wird geschehen, das Unheil so lange als möglich hinauszuschieben. Darauf können Sie sich verlassen, werter Señor Bergmann.«

»Davon bin ich im innersten Herzen überzeugt,« versicherte der Doktor und drückte den beiden Soldaten dankbar die Hände. »Übrigens gelingt es mir vielleicht doch noch, wenigstens Ihre Sorgen hinsichtlich der Beleuchtung zu zerstreuen.«

»Umso besser,« gaben die beiden zurück. »Jetzt sagen Sie uns nur noch, worauf wir hauptsächlich unser Augenmerk richten sollen.«

»Die Indianer dürfen sich vor allem nicht des Berggipfels bemächtigen.«

»Das wissen wir bereits.«

»Dann habe ich schon heute früh einen Mann an den Fuß des Berges vorausgeschickt, der mir die erwünschte Nachricht brachte, daß es dort einen kleinen Tümpel gibt. Den müssen wir uns sichern, wenigstens bis der Ballon wieder gefüllt ist, und ebenso die Verbindung von diesem Tümpel auf den Gipfel hinauf.«

»Verstanden,« antwortete Artigas. »Sobald also der Ballon wieder in den Lüften schwebt, können wir im Notfalle sogar den Panzerwagen im Stiche lassen?«

»Das können Sie beruhigt tun, denn dann wird seine Munition wahrscheinlich schon längst verschossen sein. Ich fürchte überhaupt, daß wir mit unseren Schießvorräten bereits recht knapp stehen.«

»Das ist leider wahr,« bestätigte der Hauptmann. »Wir haben dort drunten am Cerro Cristian viel in die Luft geknallt, um die Roten gehörig in Schrecken zu setzen, und müssen nun mit den paar Patronen, die uns geblieben sind, sehr haushälterisch umgehen. Doch,« fuhr er dann fort, und der alte Soldatenmut leuchtete wieder aus seinem kühngeschnittenen Gesicht, »diese Kleinigkeiten brauchen Sie eigentlich gar nicht zu kümmern, werter Señor. Sorgen Sie nur dafür, daß Ihre Maschine da hinaufkommt; an das übrige wollen schon wir denken!«

Sie reichten sich noch einmal die Hände zum stummen Versprechen, daß jeder bis zum letzten Atemzuge an seinem Posten ausharren werde, aber daß auch jeder in den anderen sein volles Vertrauen setze. Dann trennten sie sich, und jeder ging an seine Arbeit.

Kapitän Artigas pfiff seine Reiter zusammen, setzte ihnen in kurzen Worten ihre Aufgabe auseinander und stürmte dann mit ihnen davon, um den Anmarsch der Indianer so weit als möglich vom Lager entfernt zu hemmen. Es verstrich auch keine halbe Stunde, da hörten die Zurückgebliebenen von Süden und Westen her ein lebhaftes Kleingewehrfeuer. Mr. Bopkins, der in seiner Weltschmerzstimmung vorausgewandert war und bereits einsam und traurig oben auf der Höhe des Cerro San Miguel saß, konnte sogar in der Ferne die flinken, flüchtigen Gestalten durcheinanderjagen sehen. Es war ein echtes Reiterscharmützel im Gange.

Inzwischen brachte der Oberst alle Wagen und Karren bis an den erwähnten Tümpel, wo er sie um diesen herum in altgewohnter Weise zu einem Ringwalle auffahren ließ. Nur die Maschine Doktor Bergmanns blieb außerhalb, während der Ballonwagen dicht ans Wasser zu stehen kam.

Von den Grenzreitern waren dreißig zurückgeblieben, um den Peones zu helfen. Diese ließ der Oberst absitzen und von ihnen rings um die Wagenburg eine doppelte Reihe Schützengräben aufwerfen.

Die Peones spannten indessen alle verfügbaren Pferde in einer langen Doppelreihe zusammen und trieben sie dann in dieser Anordnung bis auf den Gipfel des Cerro San Miguel hinauf und wieder herunter, damit sie ihre Aufgabe begriffen und nicht etwa im wichtigsten Augenblick zu bocken anfingen. Wenn die kostbare Maschine umgeworfen wurde, konnte sie leicht so schweren Schaden nehmen, daß sie völlig unbrauchbar wurde. Damit wäre das Schicksal der Expedition besiegelt gewesen.

Doch unter den festen, geübten Händen der Peones machten die Pferde ihre Sache zu hinreichender Zufriedenheit; man durfte sie an den Wagen spannen. Sie führten ihn erst noch einmal in einem Bogen durch die Pampa, um den notwendigen Anlauf zu bekommen; dann ging es wie im Flug den Abhang des Cerro San Miguel hinauf.

Zwar war der Weg auch hier nicht besonders rauh und uneben. Durch die rasche Bewegung wurde aber der Wagen doch heftig hin und her geschleudert, und der Doktor, der von unten dem Schauspiele zusah, fürchtete alle Augenblicke, daß seine Maschine umschlage und in tausend Trümmer gehe. Doch gerade dieses Fortreißen bewahrte sie vor einem Unfalle; trotz Schleudern und Stoßen kam sie schließlich glücklich auf der Höhe an, wo der Peon, der neben ihr einherlief, rasch mit dem Falkon die Stränge des letzten Pferdepaares zerhieb, damit sie nicht auf der anderen Seite wieder zu Tal sauste.

Hurtig stieg nun der Doktor mit seinen beiden Ingenieuren nach und schraubte mit ihnen die hölzernen Schutzwände los, welche die Maschine verkleideten, um zu sehen, ob ihr Inneres noch in Ordnung sei. Es ließ sich nichts Auffälliges entdecken. Jetzt ging er endlich daran, den beiden Gehilfen seine Erfindung zu erklären.

Unterdessen saß Schani mit Sir Bendix und John bei einer Arbeit, über der wir ersteren schon einmal gesehen haben; sie verfertigten wieder einen Kastendrachen, der aber diesmal weit größer und womöglich leichter als jener erste werden sollte. Als sie damit zu stande waren, kam der Doktor herunter und befestigte die Empfängerdrähte daran.

Nun verging aber leider eine kostbare Stunde, ehe eine Brise aufstieg, die stark genug war, den Drachen in die Höhe zu tragen. Während dieser Zeit hatte sich die Gefechtslinie dem Berge schon ziemlich genähert; augenscheinlich war den tapferen Grenzreitern eine überwältigende Übermacht entgegengetreten, und sie mußten sich vor ihr trotz der hartnäckigsten Verteidigung langsam zurückziehen.

Besorgt schaute der Doktor des öfteren zu ihnen hinaus, während er langsam wieder auf den Gipfel stieg. Aber er konnte vorläufig noch nichts zu ihrer Unterstützung tun, sondern mußte seine ganze Aufmerksamkeit dem Drachen zuwenden, mit dessen Fangseil in Händen einige Peones nachgeklettert kamen.

Endlich standen sie wieder oben. Das Fangseil wurde an das eine Hinterrad des Wagens gebunden und der Leitungsdraht mit dem Funkentelegraphen verbunden. Dann setzte sich der Doktor auf den Feldsessel davor und sandte mit klopfendem Herzen und bebenden Händen die inhaltschwere Depesche in den Raum hinaus: »Glücklich auf dem Cerro San Miguel angelangt. Können Sie mir schon Strom senden?«

Eine bange Minute verstrich noch, dann kam die Antwort zurück: »Alles bereit; in fünf Minuten sind Sie bedient.«

Ein lauter Jubelschrei brach aus dem Munde der drei Ingenieure, die allein den wechselnden Anschlag der Glocke verstanden, und alle Sorge war aus ihren Herzen wie fortgeblasen.

Rasch schraubte der Doktor die Luftleitungsdrähte in andere Klemmschrauben seiner Maschine. Dann hingen die Augen aller drei voll Spannung auf der Skala des Voltmessers.

Es dauerte nicht lange, da sprang der Zeiger dort aus seiner Ruhelage und blieb nach einigen Schwankungen auf der Zahl fünftausend stehen.

Bestürzt wandten sich bei diesem Anblick die beiden jüngeren Ingenieure zu ihrem Chef. Doch dieser sah ihnen lächelnd in die Augen und sagte mit ruhiger Zuversicht: »Es kommt genau so, wie ich voraussetzte. Unsere jetzige Auffangvorrichtung ist viel zu bescheiden, um alle uns zugesandte Energie in Empfang nehmen zu können. Aber was sie liefert, reicht hin, um neuen Wasserstoff für unseren Ballon zu erzeugen. Der wird dann meine eigens konstruierten Empfänger in die Höhe tragen, die mir hinreichend Strom für meine Zwecke zuführen sollen.«

Mit diesen Worten öffnete er den unteren Kasten des Wagens und zog eine Rolle mit einem Starkstromkabel heraus, dessen eines Ende in den Apparat gespannt wurde. Dann ließ man die Rolle über den Abhang hinabrollen; sie erreichte in lustigen Sprüngen bald den Fuß des Berges. Der Doktor folgte ihr und schraubte unten das andere Ende des Kabels an den Wasserzersetzungsapparat, der alsogleich zu arbeiten begann; in lebhaftem Wallen stieg der Wasserstoff in den Gasfänger und von dort in den Ballon, der sich langsam aufzublähen begann.

Aber es war auch höchste Zeit! Schon ziemlich in der Nähe wogte jetzt das Gefecht. Die dreißig Peones, die sich nun wieder mit ihren Kameraden vereinigten, wurden von diesen als eine hochwillkommene Verstärkung begrüßt.

Unbekümmert um alle Verluste, welche die nie fehlenden Kugeln von Kapitän Artigas' tapferen Reitern in ihre Reihen schlugen, stürmten die Indianer immer wieder zum Angriff vor und legten eine Tapferkeit und Todesverachtung an den Tag, die selbst den Hauptmann mit Staunen und Bewunderung erfüllte. Seine eigenen Leute hingegen waren schon recht erschöpft, und voll Sorge fragte er sich, ob sie so lange würden standhalten können, als es der Doktor wünschte.

Doch noch einmal konnte das Gefecht zum Stillstand gebracht werden. Die roten Krieger kamen allmählich in den Schußbereich des Maschinengewehres. Der Oberst, der diesmal im Panzerturm saß, wußte die Vorteile, die ein so überlegenes Verteidigungsmittel bot, noch besser wahrzunehmen als der Doktor. Mit scharfem Auge erkannte er sofort jede schwache Stelle in der Schützenlinie und richtete sein Feuer dorthin, um das Durchbrechen von seiten der Feinde aufzuhalten. So wogte der Kampf unentschieden bis in den späten Nachmittag.

Wir wollen nun einige erklärende Worte über die Maschine des Doktors einfügen.

Wie bekannt, wies der Physiker Hertz nach, daß jede elektrische Entladung durch einen Funken zum Ausgangspunkt von Wellen wird, die sich wie Lichtwellen und nach den gleichen Gesetzen überall durch den Raum hin ausbreiten. Aus den an diese Entdeckung anknüpfenden Versuchen ging um die Wende des zwanzigsten Jahrhunderts die hochwichtige Erfindung der drahtlosen Telegraphie hervor.

Sofort knüpfte die stets zu neuem Fluge bereite Phantasie der Laienschaft daran die Hoffnung, es werde nun bald auch gelingen, elektrische Energie ohne Zuhilfenahme metallischer Leitungen durch die Luft an entfernte Orte zu übertragen. Aber bis dahin war es noch ein weiter Weg. Beinahe ein Menschenalter verstrich, ehe der deutsche Gelehrte Doktor Bergmann eine äußerst geniale Methode erfand, um auch hochgespannte Ströme in die Ferne zu übertragen. Diese Erfindung sollte nun für die Matto-Grosso-Plata-Bahn ausgenützt werden.

Die mannigfachen natürlichen Wasserkräfte in der bolivianischen Provinz Cochabamba wurden in elektrische Energie umgewandelt und auf eine Bergspitze südlich von Santa Cruz geleitet. Dort wurden sie nach dem System Doktor Bergmanns in Schwachströme von außerordentlich hoher Spannung transformiert und deren Entladungswellen vermittels eigens konstruierter elektrischer Reflektoren in der Richtung des Cerro San Miguel fortgesandt, wo sie im Stromkreis der Bergmannschen Maschine mit nur geringem Energieverlust einen hochgespannten Parallelstrom erzeugten. Die ofterwähnte Maschine bestand zunächst aus einem äußerst empfindlichen Empfänger, der die zugesandte Energie in Empfang nahm. Letztere konnte dann je nach Bedarf entweder in einem zweiten Teile der Maschine, dem Transformator, in Starkstrom zurückverwandelt werden oder sie erlitt in dem dritten Teil der Maschine eine weitere Umwandlung, die den Glanzpunkt in Doktor Bergmanns Erfindung bildete. Die Wirkung dieses dritten Teiles werden wir bald kennen lernen.


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