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Siebentes Kapitel

Eisenhut und Grau kamen rasch über die Brücke gegangen. Eisenhut war in Graus Mantel eingehüllt und hatte Graus Hut auf dem Kopfe, er gab sich Mühe Grau zu folgen, der zur Eile trieb. Er zitterte und die Kälte schüttelte ihn am ganzen Körper. Zuweilen weinte er leise vor Erschöpfung.

»Eines begreife ich nicht,« begann Eisenhut zitternd, es war das erste Wort, das er sprach, »wie konnten Sie mich finden, wie soll das ein Mensch begreifen?«

Grau lächelte. »Das ist sehr einfach, Herr Eisenhut. Ich habe gesehen, was vorfiel. Sie waren sehr erregt und deshalb folgte ich Ihnen. Das war kein Kunststück, ich konnte ja Ihre Spuren im Schnee sehen. So einfach ist das. Nur vorwärts!«

Eisenhut nickte, er lächelte und schüttelte den Kopf. »Ich habe von einem großen Feuer geträumt,« sagte er, »daran wärmte ich mich – ein helles, großes Feuer. Ich streckte die Hände hinein. Nun fällt mir alles ein – oh, wie schrecklich, ich hatte so furchtbar getrunken! Das große Feuer schrie meinen Namen. Eisenhut, schrie es, tanze, tanze! Ich tanzte und das Feuer lachte – hahaha – Eisenhut tanze! – da waren Sie es, der mich schüttelte! Nun fällt mir alles ein, ich bin nicht mehr betrunken – ich lief im Schnee, durch den Schnee – haha – ich wollte sterben, ja, aber nun lebe ich noch. Ich wollte sterben, als ich zur Brücke hinabrannte. Stürze dich ins Wasser, kopfüber – kopfüber, genau so dachte ich, kopfüber – aber das Wasser in der Mitte des Flusses glitzerte so kalt – all das Eis – vielleicht unter dem Eise schwimmen – niemals – ich lief weiter. Ich lief und warf mich in den Schnee, auf einer Anhöhe, da lag ich und es wurde kalt und ich fühlte wie ich einschlief. Nein! Ich sprang auf. Ich hatte alle Lust zum Sterben verloren. Sterben, warum? Aber ich konnte ja doch nicht mehr zurückgehen, konnte ich mich denn wieder sehen lassen? Ich hatte ja Abschied genommen – hatte ein großes Geschrei gemacht – also mußte ich wohl oder übel sterben. Das ist kein Vergnügen, das ist ein schauderhaftes Gefühl, sterben zu müssen und nicht zu wollen. Ich lief in die Nacht hinein, vorwärts, fort und schrie: Du bist zum Tode verurteilt, Eisenhut – es geschieht dir recht – zum Tode bist du verurteilt. Dieser Professor mit seinem Duell – ich hatte mich verabschiedet – von allen – lebewohl für immer – also vorwärts, vorwärts! Wie ich doch gefroren habe – eine fürchterliche Kälte – ich lief um warm zu werden. Ich wollte auch nicht mehr denken. Du bist zum Tode verurteilt, sagte ich und hatte wahnsinnige Angst. Ich wurde müde und setzte mich in den Schnee – nur ein bißchen ausruhen, ein klein wenig – aber ich hatte furchtbare Angst. Ich wurde schläfrig und alles wurde mir gleichgültig. Einerlei, einerlei, sagte ich, es geht dahin mit dir, Eisenhut, in die Hölle hinein. Ich lachte. Ich hatte eine Menge von Gedanken – wie ich im Schnee liegen würde, lang und steif – man wird dich finden, dachte ich. Alle würden es erfahren – man hat ihn gefunden – alle, aber nein, jetzt war nichts mehr zu ändern – es konnte ihnen leid tun – es war nichts mehr zu ändern, haha! Dann würde ich beerdigt werden und Sie – Sie werden die Rede halten. Ich dachte an alles und auch daran, daß die jungen Damen vom Tennisklub kämen. Aber da kam die Angst zurück. Nein! Ich werde nicht sterben. Ich hatte Angst! Wie dumm nicht zu wissen, was morgen ist. Nicht zu wissen, wie das und jenes enden wird – schon aus Neugierde konnte ich ja nicht sterben. Nein, nein – hihihi! Du gehst nach Hause, stellst dich ans Fenster und lachst, ja! Alles ist einerlei! Also ging ich nach Hause, ich rannte – im Nu war ich zu Hause – ah, ich war ja gar nicht weit gegangen gewesen – in meinem Zimmer saß eine Katze. Ich machte ein großes Feuer und setzte mich davor und wärmte mich – und ich vergaß alles, fühlte mich so wohl – aber plötzlich erwachte ich, ich richtete mich auf: Da lag ich ja im Schnee! Ich war gar nicht zu Hause? Das ist ja schrecklich, sagte ich mir, und zitterte und konnte nicht denken. Du bist ja gar nicht zu Hause. Bei allen Teufeln in der Hölle! Das ist toll, sagte ich, das ist – ich kroch ein wenig vorwärts, ich stand auf – ich laufe wieder – ich glaube immerzu zu laufen, ich sehe die Brückenlampe – ich erwache wieder und finde mich wieder im Schnee. Das ist entsetzlich! sage ich und schreie.« – Hier begann Eisenhut wieder vor Erschöpfung leise zu weinen. – »Ich laufe und glaube ich laufe nach Hause und immer, immer finde ich mich wieder im Schnee. Da verzweifelte ich, ich schrie, ich schrie – aber ich hörte nicht mehr, ich hörte mich nicht schreien – ich lief, lief, lief – oh, wie schrecklich lief ich doch –«

Eisenhut lachte und weinte in einem und Grau hörte wie seine Zähne klapperten.

»Ich habe Sie beleidigt, Herr Grau, neulich, heute abend, ich wollte –«

»Lassen wir die alten Geschichten ruhen!«

Der »weiße Elefant« war noch immer hell beleuchtet, die Musik wiegte sich in der Ferne, Lachen und Singen drang aus dem Torweg. Eisenhut hielt sich die Ohren zu.

»Ich darf doch ein wenig mit Ihnen eintreten?« sagte Grau. »Nur, bis Sie ganz in Ordnung sind, Herr Eisenhut.« Er sah Eisenhut lächelnd ins Gesicht.


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