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Drittes Kapitel
Die Begharden

1. Die Anfänge der Begharden

Dasjenige Land nördlich der Alpen, welches im Mittelalter zuerst Warenproduktion und Warenhandel und damit die daraus entspringenden sozialen Probleme entwickelte, waren die Niederlande oder, genauer gesprochen, Flandern und Brabant. Die verschiedensten Handelsstraßen kreuzten sich dort. Nach den flandrischen Häfen zogen vom Süden her die Franzosen, namentlich aber die Italiener mit den Produkten des eigenen Landes und des Orients; sie kamen teils den Rhein herab über Köln, später aber zum großen Teil auch zur See. Zu ihnen gesellten sich bald auch Spanier und Portugiesen. Vom Westen kamen die Engländer, vom Norden die Kaufleute der mächtigen deutschen Hansastädte, die den Handel zwischen dem Osten und Westen des nördlichen Europa von Nowgorod bis London vermittelten und die flandrischen Häfen, vor allen Brügge (das im Mittelalter noch am Meere lag), zu ihren Hauptstapelplätzen machten.

Hand in Hand damit ging die Entwicklung der Industrie. Die niederländischen Heiden und Dünen begünstigten die Entwicklung der Schafzucht und damit der Wollenindustrie. Der Aufschwung des Handelsverkehrs reizte dazu, die Produktion über die Bedürfnisse des lokalen Marktes hinaus auszudehnen, der Handel brachte aber auch einen auserlesenen Rohstoff, die englische Wolle, die beste damals bekannte. Das Zusammentreffen aller dieser Umstände bewirkte, wie wir schon in einem früheren Kapitel bemerkt (S. 136), daß sich bereits frühzeitig (im dreizehnten Jahrhundert) in Flandern ein bedeutender Tuchexport entwickelte, das heißt aber nichts anderes, als daß dort schon frühzeitig die Weber vom Kapital abhängig waren, daß ihre Industrie eine kapitalistische wurde.

Es ist also kein Zufall, wenn sich nördlich der Alpen zuerst in den Niederlanden eine kommunistische Sekte von Bedeutung bildete, die der Begharden.

Ihr Ursprung ist dunkel, ebenso die Bedeutung ihres Namens. Am plausibelsten erscheint uns die Annahme Mosheims, der das Wort vom altsächsischen beg, betteln, ableitet; die Begharden waren also arme Teufel, Bettelbrüder. (Mosheim, Ketzergeschichte, S. 378.) Man nannte sie auch Lollharden, vom Lollen, Singen, Murmeln. Lollharden hießen Leichensänger. Beide Namen sind Spitznamen, die ihnen das Volk beilegte. Die Begharden selbst nannten sich einfach »Brüder«.

Schon im elften Jahrhundert sollen sich in den Niederlanden Gesellschaften frommer Frauen nachweisen lassen, die den Namen Beguinen und Begutten führten. Doch wissen wir über deren Tendenzen nichts Näheres. Zum Teil sollen die Beguinengesellschaften durch die Kreuzzüge hervorgerufen worden sein, welche die männliche Bevölkerung dezimierten und einen starken Frauenüberschuß schufen. Für viele wurde das Eingehen einer Ehe unmöglich, es bildete sich eine »Frauenfrage«, die »Frauenheime« der Beguinen sollten den Ehelosen eine Zuflucht gewähren. Vor den Klöstern hatten diese Organisationen den Vorteil voraus, daß sie freie Vereinigungen waren, aus denen man nach Belieben austreten konnte.

Ähnlich organisiert waren Gesellschaften von Männern, die sich seit dem Ende des zwölften oder Anfang des dreizehnten Jahrhunderts in den Niederlanden bildeten.

Es waren Brüderschaften unverheirateter Handwerker, meist Weber, Neben den Webern werden namentlich Bauleute als eifrige Mitglieder der beghardisch-waldensischen Bewegung in Deutschland genannt. Ludwig Keller hat in seinem Buche: »Die Reformation und die älteren Reformparteien« (Leipzig 1885) durch eine Reihe von Indizienbeweisen nachzuweisen versucht, daß den Gilden der freien Maurer der Hauptanteil an dieser Bewegung zukomme. Wäre ihm der Nachweis gelungen, so hätte er damit eine höchst wichtige Entdeckung gemacht. Aber direkte Belege für seine Hypothesen bringt er nicht vor, und seine Indizienbeweise sind keineswegs zwingend. die sich in eigenen Häusern zu gemeinsamem, kommunistischem Haushalt zusammentaten, von ihrer Handarbeit lebten und daneben Liebeswerken, namentlich der Unterstützung Armer und Kranker, oblagen. Für die Mitglieder war, wie bei jeder derartigen Gesellschaft, Ehelosigkeit vorgeschrieben.

Einen guten Einblick in das Wesen des Beghardentums bietet uns die Beschreibung, die ein gewisser Damhouder im dreizehnten Jahrhundert von den Anfängen des Beghardenhauses in Brügge gibt: »Vor dreißig Jahren«, erzählt er, »waren hier dreizehn Weber, unverheiratete Männer, Laien, die eifrigst nach einem Leben der Frömmigkeit und Brüderlichkeit trachteten. Vom Abt Eckhuten mieteten sie ein Grundstück mit einem großen, bequemen Gebäude nahe bei der Stadtmauer für einen jährlichen Zins von sechs Pfund Groschen (libris grossorum) und eine gewisse Menge Wachs und Pfeffer. Bald begannen sie dort ihr Weberhandwerk zu betreiben und in gemeinsamem Haushalt zu leben, den sie aus dem Ertrag der gemeinsamen Arbeit bestritten (ex communibus laboribus simul convivere coeperunt). Sie standen unter keinen strengen Regeln, noch waren sie durch irgendein Gelübde gebunden, nur trugen sie alle die gleiche Tracht von brauner Farbe und bildeten in christlicher Freiheit und Brüderlichkeit eine fromme Gesellschaft.« Zitiert bei J. L. v. Mosheim, De Beghardis et Beguinabus commentarius, Leipzig 1790, S. 177. Sie führten den Namen der »Weberbrüder«. Erst 1450 gaben die Begharden von Brügge die Weberei auf und schlossen sich den Franziskanern an, um sich vor Verfolgungen zu schützen.

Wie in Brügge waren die Beghardenhäuser auch anderswo eingerichtet. Innerhalb eines jeden herrschte das Gemeineigentum so weit, als das Wohl der Gesellschaft es verlangte. Außerdem durfte aber jedes Mitglied auch ein gewisses Privateigentum besitzen, das er entweder erarbeitet oder geerbt oder zum Geschenk erhalten hatte. Bei Lebzeiten durfte er frei darüber verfügen. Nach seinem Tode fiel es an die Gesellschaft.

Eine solche kommunistische Gesellschaft war ökonomisch den einzelnen Handwerkern weit überlegen. Nicht nur, daß der Kommunismus, wie wir schon gesehen haben, nichts weniger als den Müßiggang förderte, der große Haushalt war auch ökonomischer als die zersplitterten kleinen Haushaltungen der einzelnen Handwerker. Dazu kam noch die Ehe- und Familienlosigkeit der Begharden. Kein Wunder, daß diese Arbeitergenossenschaften den zünftigen Webermeistern arge Konkurrenz machen konnten und bei ihnen nicht beliebt waren. Mosheim berichtet, daß in Gent und anderen Orten die städtischen Behörden sich öfters genötigt sahen, auf das Andrängen der Weberzünfte hin den »Fleiß der Begharden zu hemmen« und durch Vergleiche zwischen diesen und den Zünften den Frieden im Gemeinwesen wiederherzustellen. Mosheim, a. a. O., S. 182.

Bei der Masse der Besitzlosen aber wurden die Begharden sehr beliebt, denn der Überschuß, den ihre Arbeit über die verhältnismäßig geringen Unterhaltungskosten abwarf, diente zur Unterstützung von Armen und Kranken und zur Übung einer ausgedehnten Gastfreundschaft. Noch Bonifazius IX. rühmte es in einer Bulle an ihnen, daß sie »arme und unglückliche Personen in ihre Hospize aufnehmen und nach Vermögen auch andere Werke der Liebe üben.« Ebenda, S. 653.

Ähnliche kommunistische Genossenschaften bildeten die »Brüder des gemeinsamen Lebens«, die ebenfalls in den Niederlanden, jedoch erst zu Ende des vierzehnten Jahrhunderts entstanden, gegründet von Gerhard Groot von Deventer. Diese Stiftung ging nicht von Handwerkern aus, sondern von Mitgliedern der höheren Klassen, die dem bedürftigen Volke helfen wollten. Ihr Charakter war auch von dem der Begharden ganz verschieden. Waren diese vorzugsweise Weber, so erwarben die Brüder des gemeinsamen Lebens ihren Lebensunterhalt namentlich durch das Abschreiben von Büchern. Und während die Begharden ihre Überschüsse dazu verwendeten, der materiellen Not der Armen abzuhelfen, faßten die Brüder des gemeinsamen Lebens vorzugsweise die geistige Not derselben in die Augen und wandten sich der Bildung des Volkes zu. Sie förderten diese teils durch Verteilung von Schriften, an denen es vor der Erfindung der Buchdruckerkunst sehr mangelte, namentlich aber durch Einrichtung von Schulen. Auf diesem Gebiet haben sie Bedeutendes geleistet. »Selbst auf die ganze Einwohnerschaft einer Stadt wirkte mitunter ein Bruderhaus zur allgemeinen Erhöhung des Kulturstandes. In Amersford zum Beispiel wurde auf diese Weise um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts die Kenntnis des Lateinischen so gewöhnlich, daß die geringsten Handwerksleute Lateinisch verstanden und sprachen; die gebildeteren Kaufleute wußten Griechisch, die Mädchen sangen lateinische Lieder, und überall auf den Straßen hörte man zierliches Latein.« Ullmann, Reformatoren vor der Reformation, II, S. 111.

Diese Schilderung mag übertrieben sein, immerhin zeigt sie die Richtung an, in der sich die Tätigkeit der Brüder bewegte.

Ihre Organisation war eine kommunistische. Die Brüderschaft »war eine innig verbundene aber freie Genossenschaft ... Der Eintritt in die Korporation war nicht durch ein für das ganze Leben bindendes Gelübde bezeichnet, und in der Mitte der Brüder galten nicht strenge, bis ins einzelnste gehende Vorschriften wie im Mönchtum ... Die gewöhnliche Einrichtung eines Bruderhauses war diese. Es lebten ungefähr zwanzig Brüder in einem Hause beisammen und hatten gemeinsame Kasse und Speisung ... Der Aufnahme in die Brüderschaft ... ging ein Probejahr voran, währenddessen die Novizen eine sehr strenge Behandlung erfuhren ... Daß der Aufzunehmende sein Erbteil zum gemeinen Gebrauch gebe, wurde von ihm erwartet. Florentius (ein Freund und Schüler Gerhards) sagt in seinen Sprüchen: ›Wehe dem, der in Gemeinschaft lebend, suchet was sein ist oder sagt, irgend etwas sei sein.‹ ... Die Tätigkeit der Brüder war unter einzelne Personen wohl verteilt. Die verschiedenen Handwerke, die für das Ganze nötig waren, wurden von besonderen Personen betrieben. Unter den Gesetzen für die Bruderhäuser zu Wesel finden sich auch Bestimmungen für den Bruder Kleidermacher, Barbier, Bäcker, Koch, Gärtner, Kellermeister, ebenso wie für die Brüder Lehrer und Schreiber, den Bruder Buchbinder, Bibliothekar und Vorleser ... Trotz dieser Verteilung fand aber auch eine gewisse Ausgleichung statt. Die geistlichen und gelehrten Brüder unterzogen sich, soweit es anging, jeder Handarbeit (der Besorgung der Küche hatten sich alle der Reihe nach zu unterziehen), und die dienenden nahmen fast an allem teil, was den Klerikern zukam, so daß das Ganze immer einer in gegenseitiger Handreichung zusammenwirkenden Familie zu vergleichen war. Ein Haupteinigungspunkt war das Bücherabschreiben ... Für das Schreiben waren täglich gewisse Stunden bestimmt, namentlich einige Stunden, wo zum Besten der Armen geschrieben wurde.« Ebenda, S. 97 bis 102.

Zum Ausgangspunkt einer kommunistischen, oppositionellen Bewegung sind jedoch die Brüder des gemeinsamen Lebens nie geworden – vielleicht infolge ihres Zusammenhanges mit den besitzenden und gebildeten Klassen. Sie sind stets gut päpstlich geblieben. Die Stürme der Reformation im sechzehnten Jahrhundert machten ihrer stillen Wirksamkeit ein Ende.

Anders die Begharden. Anfangs freilich waren auch sie höchst harmloser Natur, die den Beifall manchen Papstes errangen. Sie richteten sich nicht im geringsten gegen die bestehende Gesellschaft und deren Autoritäten. Aber allmählich entwickelten sich in ihrer Mitte revolutionäre Elemente.

Sie bildeten keine privilegierte Klasse, wie die Mönchsorden, sie forderten und erhielten kein Privilegium von der päpstlichen Gewalt und blieben unabhängig von dieser, waren durch keinerlei Interesse mit ihr verbunden. Sie erhoben sich nie über die Besitzlosen, mit denen sie in engster Berührung blieben, da sie ja keine bestimmten Regeln hatten und keine lebenslänglichen Gelübde kannten. Jedes Mitglied konnte aus der Gesellschaft nach Belieben austreten und heiraten, ohne in Gegensatz zu ihr zu geraten.

Am ähnlichsten sind die Begharden darin den Tertiariern der Franziskaner, mit denen sie sich zeitweise an manchen Orten auch wirklich verschmolzen haben.

Aber waren die vom Papst anerkannten und privilegierten Franziskaner trotzdem wenigstens zum Teil in Konflikt mit ihm gekommen, so war das um so unvermeidlicher bei den völlig unabhängigen Begharden, deren proletarische Tendenzen von vornherein in Gegensatz zum Reichtum und zum Ausbeutungscharakter der bestehenden Kirche standen. So fromm und demütig sie auch auftraten, dem Papsttum erschien jede derartige Bewegung gefährlich, sobald sie größere Ausdehnung erlangte, und das war bei den Begharden seit dem dreizehnten Jahrhundert der Fall. Mit unglaublicher Schnelligkeit verbreitete sich damals ihr Anhang durch ganz Deutschland, Frankreich und England. Viel dürfte dazu beigetragen haben, daß in demselben Jahrhundert die verschiedensten Städte sich bemühten, flämische Weber zu gewinnen, um ihre Wollenindustrie zu heben. Bis nach Wien, nach Thüringen, nach Brandenburg, der Lausitz im Osten, nach England im Westen drangen sie vor.

Indessen braucht man die Bedeutung dieser Wanderungen nicht allzu hoch anzuschlagen. Ähnliche Zustände erzeugen von selbst Ähnliches. Die Leine- und Baumwollenweber entwickelten dort, wo ihr Industriezweig zur Exportindustrie wurde, den beghardischen sehr verwandte Tendenzen.

Die Ordnung der Ulmer Webergesellen vom Jahre 1404 erinnert »in ihrer streng religiösen, fast asketischen Richtung an die Brüderschaft der Begharden in den Niederlanden, welche zumeist Wollenweber waren«. (Hildebrand, Zur Geschichte der deutschen Wollenindustrie, Hildebrands Jahrbücher 1866, S. 110.)

Die rasche Ausbreitung des Beghardentums mußte sein Selbstgefühl entwickeln. Sie begünstigte aber auch die Bildung verschiedener Richtungen in seinem Schoße, da dieselbe Lehre, derselbe Ideengang nun in die mannigfaltigsten Verhältnisse versetzt wurde, denen er sich in der verschiedensten Weise anzupassen hatte. Blieben ein Teil der Begharden demütige Betbrüder, die für die eitle Außenwelt gänzlich abstarben, so begannen sich in einem anderen Teile kühnere Gedanken zu regen. Der Wunsch wurde wach, den Ungerechtigkeiten der bestehenden Gesellschaft nicht dadurch entgegenzuwirken, daß man sie floh, sondern dadurch, daß man in sie eindrang und dazu trieb, die Ungerechtigkeiten abzuschaffen. Aus den Beghardenhäusern gingen zahlreiche Agitatoren hervor, »Apostel«, die gleich den »Barben« der Waldenser von Ort zu Ort zogen, das Evangelium des Urchristentums verkündend und Gemeinden gründend. Neben den offenen Beghardenhäusern begann ein Netz von Geheimbünden mit radikaleren Tendenzen Deutschland (wozu die Niederlande noch gehörten) zu überziehen, keine Verschwörungsgesellschaften zur Vorbereitung gewaltsamen Losschlagens, sondern Propagandagesellschaften, aber auch als solche bei den bestehenden Autoritäten, namentlich der päpstlichen Kirche, mißliebig und daher gerne aufgespürt und verfolgt.

Das Konzil zu Bezières klagte sie schon 1299 an, daß sie chiliastische Hoffnungen auf den nahenden Untergang der Welt, das heißt der bestehenden Gesellschaft, im Volk erweckten, und am Rhein wurden um dieselbe Zeit Begharden als Ketzer verbrannt.

Die Verfolgung hatte jedoch nur teilweisen Erfolg. Die gemäßigtere und furchtsamere Fraktion der Begharden wurde allerdings eingeschüchtert, und die Beghardenhäuser dieser Richtung suchten sich dadurch zu schützen, daß sie sich an einen der bestehenden mächtigen Mönchsorden anlehnten oder sich ihm direkt anschlossen. Namentlich die Franziskaner, die ja mit dem muckerischen Teil der Begharden manche Verwandtschaft hatten, profitierten dabei und erwarben eine Reihe von Beghardenhäusern. In Antwerpen ging zum Beispiel das dortige Beghardenhaus bereits 1290 an die Franziskaner über. Im fünfzehnten Jahrhundert wurde es in ein vollständiges Männerkloster verwandelt.

Neue Beghardenhäuser wurden nach dem dreizehnten Jahrhundert nur noch selten gegründet.

Aber der energischere Teil der Begharden wurde durch die Verfolgungen zu noch größerer Heimlichkeit und entschiedener Opposition gedrängt. Dieser Prozeß wurde gefördert durch französische und italienische Emigranten, die seit den Albigenserkriegen gern nach Deutschland zogen, wo die Staatsgewalt keine solche Macht hatte und kein solches Interesse an der Aufrechterhaltung des Papsttums besaß, wie in Frankreich oder den italienischen Staaten, wo es daher leichter war, Schutz und Schirm in einer Stadt oder auf den Gütern irgendeines Grundherrn zu finden, dem die neuen Arbeiter oft sehr willkommen waren.

Aus Südfrankreich und Italien kamen Waldenser und Apostelbrüder. Aus dem nördlichen Frankreich kamen die Brüder und Schwestern des freien Geistes.

Von Flandern hatte sich die Tuchmacherei als Exportgewerbe rasch nach den Nachbarländern verbreitet, mit denen es regen Handelsverkehr unterhielt, so nach dem Niederrhein, so nach Nordfrankreich, namentlich der Champagne, wo sie im dreizehnten Jahrhundert blühte. Im vierzehnten Jahrhundert ging sie stark zurück, namentlich infolge der französisch-englischen Kriege, die die Handelswege sperrten und ihr den Rohstoff abschnitten.

Entsprechend dieser frühen Entwicklung der Wollenindustrie finden wir dort auch frühzeitig Weberbrüderschaften mit kommunistischen (oder wenigstens urchristlichen, was aber bei Proletariern auf dasselbe hinausläuft) Tendenzen, die Apostoliker (nicht zu verwechseln mit den italienischen Apostelbrüdern), die sich's zur Aufgabe stellten, die Lebensweise der Apostel wiederherzustellen. »Sie waren schon berühmt im zwölften Jahrhundert zu des heiligen Bernhard Zeiten, der sie in zweien seiner Reden über das Hohe Lied Salomonis scharf widerlegt hat ... Die Apostoliker hielten sich in Frankreich vornehmlich auf ... Die Apostoliker arbeiteten und erwarben ihr Brot durch die Werke ihrer Hände. Es waren Handwerksleute, sonderlich Weber, wie man aus dem heiligen Bernhard sehen kann, der ihnen, so heftig er sie auch straft, doch den Ruhm läßt, daß sie fleißig wären.« Mosheim, Ketzergeschichte, S. 380.

Indes bot Nordfrankreich im zwölften Jahrhundert für derartige Sekten doch noch keinen solchen Boden wie Südfrankreich oder Flandern. Die Apostoliker haben nie die Bedeutung erlangt wie die Waldenser oder Begharden. Wichtiger wurden die Brüder und Schwestern des freien Geistes, die dem dreizehnten Jahrhundert entstammten.

Gegründet wurde die Sekte durch Amalrich von Bena (geboren in Bena in der Diözese Chartres in Frankreich), der um 1200 Magister der Theologie in Paris war. Wegen seiner Lehren angeklagt, wurde er nach Rom vor den Papst Innozenz III. zitiert (1204), der ihn zum Widerruf zwang. Damit glaubte man auch die gefährlichen Lehren selbst unschädlich gemacht zu haben. Aber nach dem Tode Amalrichs (1206) entdeckte man, daß er einen großen Anhang hinterlassen habe. Der bedeutendste seiner Schüler war David von Dinant (bei Namur in Belgien). 1209 verdammte eine Synode zu Paris die Lehren Amalrichs, und eine eifrige Verfolgung der Amalrikaner begann.

Unter den kommunistischen Sekten jener Zeit bildeten sie die kühnste und radikalste. Sie proklamierten nicht nur die Gemeinschaft der Güter, sondern auch die der Weiber; sie verwarfen jede Ungleichheit, daher auch alle Obrigkeit. Sie erklärten endlich, daß Gott alles und überall sei. »Es läßt sich dies nicht stärker ausdrücken, als es die um 1339 im Bistum Konstanz eingezogenen Begharden taten, welche nach Johann von Winterthur lehrten: Die Macht der Güte Gottes offenbare sich ebensowohl in einer Laus als in einem Menschen.« (Ullmann, Reformatoren, II, S. 20.) Gott sei also auch im Menschen, was der Mensch wolle, wolle Gott, daher sei jede Gebundenheit des Menschen verwerflich und ein jeder berechtigt, ja verpflichtet, seinen Trieben zu gehorchen. Entkleidet man diese pantheistische Lehre ihrer mystischen Umhüllung, so stellt sie sich als eine Art von kommunistischem Anarchismus dar, eine Lehre, die für mißhandelte und niedergetretene Proletarier große Anziehungskraft haben mußte.

Sie fand auch rasch weite Verbreitung von Paris über das östliche Frankreich nach Deutschland. Ein großer Teil der Begharden nahm diese Lehre an. Zu Ende des dreizehnten Jahrhunderts war diese unter den Begharden am Rhein schon so verbreitet, daß die Begriffe »Brüder und Schwestern vom freien Geist« und Begharden dort fast identisch wurden.

Der Begriff des Begharden wurde nach und nach ein immer weiterer. Je mehr diejenige Richtung des Beghardentums an Ausdehnung gewann, die den Kampf gegen das Papsttum in den Vordergrund stellte, desto mehr Berührungspunkte mußte sie mit der bürgerlichen und bäuerlichen demokratischen Opposition gewinnen, die sich ebenfalls gegen die bestehenden Zustände richtete und ebenfalls im Papsttum den größten und gefährlichsten Gegner sah. Die beiden Richtungen konnten um so leichter ineinander verschwimmen, da sie sich auf die gleichen Argumente stützten, die dem Urchristentum entnommen waren, und da weder der mystische Nebel, in den die Lehren jener Sekten versenkt waren, noch die absichtliche Verhüllung, die ihnen die Agitatoren gaben, um sich vor Verfolgungen zu sichern, dazu angetan waren, prinzipielle Klarheit zu fördern. Eine schwere Schule der ›Heimlichkeit‹ hatte bei den ›Aposteln‹ allmählich eine förmliche Geschicklichkeit in der Verhüllung ihrer Ziele zuwege gebracht. Schon im dreizehnten Jahrhundert ist ein Hauptvorwurf des David von Augsburg gegen die ›Häretiker‹, daß sie mit der größten ›Schlauheit‹ sich in ihren Worten zu wenden wüßten, und von einem Apostel der Waldenser aus dem vierzehnten Jahrhundert sagt eine alte Quelle wörtlich: ›Er war ungemein scharfsinnig und verstand es, mit Worten seine Irrlehren zu färben und zu verschleiern‹ ... Die Symbolik spielt bei den ›Mystikern‹ eine ganz hervorragende Rolle. Ansichten, Ratschläge, Lehrsätze, die sie aus Furcht vor den Ketzergerichten nicht mit ihrem wirklichen Namen nennen durften, bezeichneten sie mit einer Art von Zeichensprache, welche meist nur den ›Brüdern‹ selbst bekannt war. Schnaase weist mit Recht darauf hin, daß sie absichtlich ihren Ratschlägen eine allegorische Einkleidung gegeben zu haben scheinen.« (L. Keller, Die Reformation, S. 184, 219.) So wurde im vierzehnten Jahrhundert in Deutschland der Name Beghard zur Bezeichnung für Ketzer überhaupt. In England, wo die Begharden Lollharden hießen, ging es mit dem letzteren Namen ebenso.

Wenn wir daher hören, daß es in der ersten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts in Deutschland, später in England von Begharden oder Lollharden wimmelte, so dürfen wir nicht annehmen, daß die kommunistische Bewegung so stark war, als die Ausdehnung dieser Sekten erwarten läßt. Immerhin kann sie nicht unbedeutend gewesen sein.

2. Ludwig der Bayer und der Papst

Eine gute Zeit für das Beghardentum, wie für die ketzerischen Bestrebungen überhaupt, brach in Deutschland heran, als sich der Konflikt zwischen dem Kaiser Ludwig IV. dem Bayer (1314 bis 1347) und dem Papsttum entwickelte. Auf diesen müssen wir etwas näher eingehen.

Nationalliberale Geschichtsschreiber lieben es, namentlich in populären Schriften, jeden Konflikt zwischen Kaiser und Papst von denselben Gesichtspunkten aus als einen »Kulturkampf« zu betrachten – einen Kampf zwischen der höheren Kultur des deutschen Kaisertums und der finsteren Barbarei des Papsttums –, einerlei, wann immer dieser Kampf spielt, ob im zehnten oder im neunzehnten Jahrhundert.

In Wirklichkeit haben nicht einmal die mittelalterlichen Kämpfe zwischen Kaiser und Papsttum immer denselben Charakter gehabt. Von den Ottonen bis zu den Hohenstaufen drehte sich der Kampf im wesentlichen um die Frage, wer der Beherrscher und Ausbeuter der Herrschaftsorganisation, Kirche genannt, und wer der Beherrscher und Ausbeuter Oberitaliens sein solle. Der letztere Streit endete damit, daß die Städte Oberitaliens sich freimachten von jeder Bevormundung und selbständige Staaten gründeten. Der erstere Streit endete, wie mancher andere auch, mit dem Siege der höheren Kultur – des italienischen Papsttums – über die Barbarei, das deutsche Kaisertum. Die Gier des letzteren nach den Schätzen Italiens hatte nur dazu geführt, daß es seine Kräfte zersplitterte und daß, als das Papsttum über das Kaisertum triumphierte, auch das deutsche Territorialfürstentum seinen Triumph feiern konnte. Die Entwicklung der Warenproduktion und des Warenhandels förderte überall das Aufkommen des fürstlichen Absolutismus; aber in Deutschland führte sie nicht zur Stärkung der Zentralgewalt, die vielmehr seit dem Untergang der Hohenstaufen zusehends verfiel, sondern zum Aufkommen der Reichsfürsten, die immer mehr zu souveränen Herren wurden, welche im Deutschen Kaiser nur eine Art Bundespräsidenten anerkannten.

Anders im benachbarten Frankreich. Dort stieg vom dreizehnten Jahrhundert an die Macht des Königtums, namentlich seitdem die Dynastie in den Besitz des reichen südlichen Frankreich gelangt war (vgl. S. 204). Gerade um dieselbe Zeit, als der jahrhundertelange Kampf zwischen dem deutschen Kaisertum und dem Papsttum mit dem Siege des letzteren endete, wurden die Könige Frankreichs so mächtig, daß ihnen gelang, was die deutschen Kaiser vergeblich erstrebt: die Päpste zu ihren Werkzeugen, die Kirche sich dienstbar zu machen. Bonifaz VIII., dessen Bekanntschaft wir in der Geschichte Dolcinos gemacht haben, ging an dem Versuch zugrunde, sich der Botmäßigkeit Philipps IV. von Frankreich zu entwinden (1303). Um jedem päpstlichen Selbständigkeitsgelüste ein Ende zu machen, zwang Philipp den zweiten Nachfolger Bonifaz', den 1305 erwählten Klemens V., einen Franzosen, Rom zu verlassen und im südlichen Frankreich seinen Wohnsitz aufzuschlagen, wo dieser nach längerem Umherziehen sich endlich in Avignon niederließ (1308). Dieses sollte nun für zwei Menschenalter die Residenz der Päpste bleiben.

Die päpstliche Gewalt war damit vollends von Frankreich abhängig geworden. Schon bei seiner Wahl hatte Klemens dem französischen König eine Reihe wichtiger Versprechungen machen müssen, und dieser sorgte dafür, daß sie ausgeführt wurden. Sogleich nach seiner Krönung überließ Klemens dem König den Zehnten von allen geistlichen Gütern in Frankreich. Am wichtigsten aber wurde die Aufhebung des ungemein reichen Ordens der Tempelherren, die in Südfrankreich ihren Hauptsitz hatten und nach deren Schätzen Philipp schon lange lüstern war. Ebensowenig wie andere Orden gaben sich die Tempelherren bloß mit frommen Übungen ab, sondern verstanden sich sehr gut auf das Geschäft. »Unbestritten war den Tempelherren«, sagt Prutz, »der Ruhm kriegerischer Tapferkeit, laut aber auch der Tadel ihrer selbstsüchtigen Politik, welche den Vorteil des Ordens alle Zeit dem der gesamten Christenheit voranstellte. Man wies dafür namentlich hin auf des Ordens vielfache bedenkliche Beziehungen zu den Ungläubigen; selbst auf Kosten christlicher Großen und Fürsten suchte er seinen Besitz zu mehren; frühzeitig zieh man ihn der Geldgier. Auch verfügte er über kolossale finanzielle Mittel und war schließlich eine Art finanzieller Großmacht. Zur Zeit der Katastrophe wurde sein Besitz an liegenden Gütern auf 25 bis 62 Millionen Franken veranschlagt, während er aus Renten, Zehnten, Zinsen usw. nicht unter zwei Millionen jährlich zog, eine Summe, die nach dem heutigen Geldwert etwa das Fünfundzwanzigfache repräsentieren würde. Dieser mehr als königliche Reichtum stimmte freilich schlecht zu der statutenmäßigen Armut der ›armen Brüder vom Tempel‹, zumal er nur in einem kleinen Teil zu dem Ordensberuf entsprechenden Zwecken und zum Besten des Heiligen Landes verwendet wurde. Der Orden trieb zudem nicht bloß Reederei, sondern machte auch große kaufmännische Geschäfte. Auf seinen Galeeren führte er jährlich Tausende von Pilgern nach und von Palästina, und das Privileg zollfreier Einfuhr abendländischer Artikel zu eigenem Bedarf ermöglichte ihm gewinnbringende Spekulationen im großen Stil. Als Hauptvermittler des Verkehrs zwischen Ost und West erlangte er hervorragende Bedeutung für den gesamten Geldverkehr; auf seinen sicheren und schnellsegelnden Schiffen sandten die Päpste das für das Heilige Land bestimmte Geld dorthin, ließen es im Ordensschatz verwahren und durch die Ordensbeamten verwalten. Auch für andere finanzielle Operationen hat der Orden den Vermittler gemacht. Sein Haupthaus in Paris, der Tempel, wurde geradezu zu einer internationalen Börse, die räumlich weit voneinander getrennte Geschäftsleute sich bei ihren Abmachungen bezogen; selbst Fürsten taten dies: die französischen Könige hatten dort ihren Schatz deponiert, ließen dort Zahlungen leisten und in Empfang nehmen. Rein aus Nächstenliebe aber, ohne Gewinn für sich selbst, machte der Orden solche Geschäfte natürlich nicht. Eine Militärmacht und ein Großgrundbesitzer, mit dem niemand konkurrieren konnte, wurde der Tempelherrenorden auf diesem Wege schließlich auch noch eine finanzielle Großmacht. Könige warben um seine Gunst und wurden seine Schuldner; gerade Philipp IV. hat diese Bedeutung des Ordens zu erfahren gehabt.« (H. Prutz, Staatengeschichte des Abendlandes im Mittelalter, Berlin 1887, II, S. 49, 50.) Der Tempel der christlichsten aller christlich-germanischen Ritter eine Handelsbörse! Diese Wirklichkeit ist für die Antisemiten noch schmerzhafter als die Lessingsche Fiktion des Tempelherrn, der sich mit dem Juden Nathan befreundet. Klemens mochte sich drehen und wenden wie er wollte, es nützte ihm nichts. Er mußte in den sauren Apfel beißen und den Orden nach einem skandalösen Scheinprozeß wegen seiner Irreligiosität und Sittenlosigkeit verdammen und aufheben. Was anderswo die Fürsten nur durch Lossagung vom Papsttum erreichen konnten: die Einziehung reicher Kirchengüter, das besorgte für Frankreich der Papst selbst. Kein Wunder, daß die französischen Könige gut katholisch und päpstlich blieben und die Ketzerei eifrig verfolgten.

Auch in der äußeren Politik mußten die Päpste den französischen Königen zu Willen sein, die in ständigem Zwist mit England waren und auf Deutschlands Kosten ihr Land zu vergrößern suchten. Sie drängten daher die Päpste zu Konflikten mit den englischen Königen und den deutschen Kaisern.

Es bedurfte jedoch nicht allzu großen Drängens dazu. Seitdem die Päpste unter französischer Oberhoheit waren, gingen sie der besten Einnahmen aus Frankreich verlustig. Aber dank ihrer Abwesenheit von Rom wurden auch die Einnahmen aus dem Kirchenstaat immer unsicherer, blieben oft gänzlich aus. Gleichzeitig stiegen am päpstlichen Hofe, wie an jedem anderen Hofe jener Zeit, mit der Entwicklung von Handel und Industrie der Luxus, das Bedürfnis und das Verlangen nach Geld. Je weniger in Frankreich und Italien – und bald auch Spanien – zu holen war, desto mehr mußte aus den nordischen Ländern herausgeschunden werden. In Avignon haben die Päpste jenes System fiskalischer Ausbeutungen der deutschen Kirche ersonnen, das schließlich zum Abfall Deutschlands von Rom, zur Reformation, führen sollte. Das oben zitierte Werk von Hans Prutz enthält auch eine anschauliche Schilderung der päpstlichen Finanzmethoden: »Frühzeitig waren die finanziellen Künste der päpstlichen Kurie zu hoher Entwicklung gediehen und das Tax- und Sportelwesen entsprechend der vielfachen Abstufung des geistlichen Amtes und der unendlichen Mannigfaltigkeit der Geschäfte zu einem wohldurchdachten System ausgebildet worden, welches sich keine Gelegenheit entgehen ließ, auf irgendeinen Rechtstitel hin Gewinn zu machen. War darüber schon früher geklagt worden, so hatten sich die Übelstände ins Ungemessene gesteigert, seit dem Papsttum die Einnahmen fehlten, die es früher aus der Stadt Rom und dem Kirchenstaate gezogen hatte, während das Zuströmen ihr Glück suchender Abenteurer zu der Avignoner Kurie und die Lockerheit des in der lustigen Provence geführten Lebens den Bedarf an baren Mitteln bedeutend gesteigert hatte. Unter dem Zusammenwirken dieser Umstände war die kuriale Finanzkunst zu einer geradezu raffinierten Vollkommenheit ausgebildet worden, um, was an Einnahmen auf der einen Seite verloren gegangen war, auf der anderen doppelt und dreifach zu ersetzen. Vornehmlich waren es die reich dotierten kirchlichen Würden, an denen die Kurie sich schadlos hielt, nicht allein die Spitzen derselben, als vielmehr das Heer der Unter- und Hilfsbeamten, die Notare, Kanzlisten, Schreiber usw. durch deren habgierige Hände die auf die Besetzung eines hohen Kirchenamts bezüglichen Schriftstücke gingen, ehe sie an den dazu Berufenen oder seinen Beauftragten gelangten. Zum Abt, zum Bischof, zum Erzbischof aufzusteigen, legte dem Beförderten zunächst große pekuniäre Opfer auf, ganz abgesehen von dem, was er, um so weit zu kommen, an verschiedenen einflußreichen Stellen an Handsalbe hatte reichen müssen. Natürlich suchten diese Leute nachher sich für die gebrachten Opfer schadlos zu halten, indem sie den ihnen untergeordneten Instanzen gegenüber ein ähnliches Taxen- und Sportelsystem durchführten, wie man eben gegen sie in Anwendung gebracht hatte. In dieser Weise wurde dann weiter abwärts fortgefahren, und die Tiefergestellten mußten aus ihren beschränkten Mitteln den Oberen den gemachten Aufwand nicht bloß ersetzen, sondern sie auch durch Gewährung entsprechenden Gewinnes schadlos halten. Eine hervorragende Rolle in dem Etat der Kurie spielten die Konfirmationsgebühren, das heißt die Abgaben, welche die neu in das Amt gekommenen kirchlichen Würdenträger für die päpstlichen Bestätigungen entrichten mußten. Schon zu Ende des dreizehnten Jahrhunderts hatten dieselben für das Bistum Brixen 4000 Goldgulden betragen, ungerechnet 200 Goldgulden Trinkgelder an die päpstlichen Beamten. Nachmals waren die Taxen beträchtlich gesteigert: für die Erzbistümer von Mainz, Trier und Salzburg war eine Konfirmationsgebühr von je 10 000 Goldgulden zu entrichten, für Rouen gar 12 000; das Bistum Langres war mit 9000, Cambrai mit 6000, Toulouse und Sevilla mit je 5000 Goldgulden geschätzt, und selbst für ein so armes Bistum wie Minden mußten 500 Goldstücke gezahlt werden. In ähnlicher Weise stuften sich die Konfirmationsgebühren für die verschiedenen Abteien nach ihren Vermögen ab. Seitdem nun Johann XXII. die glückliche Idee gehabt hatte, alle geistlichen Würden, die durch Beförderung des bisherigen Inhabers zu einer höheren erledigt wurden, den päpstlichen Reservationen zuzuzählen, so daß ihre Wiederbesetzung durch den Papst direkt erfolgte, und damit die Möglichkeit gewonnen war, jederzeit eine Art von Avancement durch eine ganze Reihe von Stellen eintreten zu lassen, wurden diese Konfirmationsgebühren eine der reichsten und sichersten Einnahmequellen der Kurie. In Verbindung damit stand das kolossale Anwachsen des Ertrages aus den Annaten, das heißt den ersten Jahreseinnahmen, welche jeder neue Bischof der Kurie zu überlassen hatte. Ferner gehören hierher die › fructus medii temporis‹: solange eine kirchliche Pfründe unvergeben war, fielen ihre Einnahmen ebenfalls der Kurie zu, die also auch hier durch Verzögerung der Neubesetzung ihre Einnahmen erheblich vermehren konnte. Das Spolienrecht, nach welchem beim Tode eines Bischofs seine bewegliche Habe der Kurie zufiel, wurde konsequent geübt. Besonders rentabel war das mit dem Kommenden betriebene Geschäft, das heißt die Gewährung der Anwartschaft auf eine Pfründe an zum Empfang derselben zur Zeit noch nicht berechtigte Unmündige, sowie die Erteilung von Expektanzen, das heißt die Zusage künftiger Nachfolge in ein dermalen noch besetztes Amt. Dazu kamen die Einnahmen aus den Unionen und Inkorporationen, das heißt der Erlaubnis zur Vereinigung mehrerer Pfründen in einer Hand, und endlich der schwunghafte Handel, der nach einer bis in die untergeordnetsten Kleinigkeiten ausgegebenen Taxe mit den Indulgenzen (Ablässen) und Dispensen der verschiedensten Art getrieben wurde.
»Durch dieses Finanzsystem erhob die Kurie von den reich ausgestatteten großen Würdenträgern ungeheure Summen, welche von diesen mit Gewinn auf die Tieferstehenden abgewälzt wurden, bis sie schließlich auf den wehrlosen kleinen Mann liegen blieben.« (A. a. O., II, S. 330 ff.)
Deutschland, dessen Zentralgewalt so schwach war, durften die Päpste im vierzehnten Jahrhundert alles bieten. Immer höher stiegen die Anforderungen, die sie unter den verschiedensten Titeln an die Bischöfe und Klöster Deutschlands stellten, immer frecher daneben die Methoden direkter Ausbeutung, zum Beispiel durch den Ablaßhandel, und Erpressung, namentlich durch Exkommunikation.

»Durch die fortwährenden päpstlichen Forderungen«, sagt ein guter Katholik, »durch die kostspieligen Romreisen, durch die ewigen Kriege waren die meisten deutschen Stifte tief in Schulden geraten (im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert) und mußten den italienischen Bankiers die enormsten Wucherzinsen zahlen. Diese Bankiers in Siena, Rom, Florenz benützten die päpstliche Autorität, um die deutsche Kirche auszusaugen. Wollte ein Bischof nicht punktuell zahlen, so wußten sie päpstliche Befehle auszuwirken, durch welche die Bischöfe durch Androhung von Exkommunikation und Absetzung zur Zahlung der Wucherzinsen gezwungen wurden.« (Ratzinger, Geschichte der kirchlichen Armenpflege, S. 304 ff.)

Aber das genügte den Päpsten nicht. Johann XXII., seit 1316 Nachfolger Klemens' V., erklärte, daß nach dem Tode eines Kaisers dessen Gewalt auf den Papst übergehe, daß dieser, der Sklave Frankreichs, der Oberherr Deutschlands sei. Das konnte sich ein Kaiser, wenn er überhaupt Kaiser sein wollte, doch nicht bieten lassen. Ungern, mit Widerstreben und ohne Entschiedenheit nahm Ludwig den Kampf auf. Das war ein ganz anderer Konflikt als jener, den noch die Hohenstaufen mit den Päpsten ausgefochten hatten. Nicht mehr um Italiens Beherrschung und Ausbeutung handelte es sich, sondern um die Deutschlands. Nicht mehr darum, wer der Herr der Kirche sein solle, sondern ob der geistliche Herr der Kirche auch Herr über die weltlichen Gewalten sei. Das Papsttum hatte Deutschland gegenüber die Offensive ergriffen, und zu einer Zeit, wo sich überall die monarchische Gewalt mächtig regte und anfing, sich die Kirche dienstbar zu machen, kämpfte das deutsche Kaisertum um seine Selbständigkeit gegenüber dem Papst.

Dieser Kampf ging parallel mit einem anderen. Die Reichsfürsten begannen, sich zu souveränen Herren zu entwickeln, sie suchten die kaiserliche Gewalt zu schwächen. Dagegen sahen jene Elemente, die von dem aufstrebenden Fürstentum bedroht wurden, vor allem die freien Städte, in der kaiserlichen Macht ihren besten Bundesgenossen. Sie waren auch die kräftigsten und zuverlässigsten Verbündeten des Kaisers im Kampfe gegen das Papsttum. Der höhere Adel dagegen neigte zumeist auf die Seite des Papstes. Mitunter war freilich des letzteren Anmaßung so groß, daß selbst die Fürsten sich dagegen auflehnen mußten. Aber in der Regel betrachteten sie doch den Kaiser als ihren nächsten Gegner und halfen dem Papste bei seinem Bestreben, dessen Macht zu schwächen und herabzudrücken.

Der Papst gebrauchte seine schärfsten Waffen gegen den Kaiser; er verdammte und exkommunizierte ihn. Aber die Städte lachten darüber. »Um diese Zeit«, erzählt ein Chronist jener Tage, »war der Klerus in großer Verachtung bei den Laien, und man hielt die Juden höher als ihn.« L. Keller beschreibt in seinem bereits mehrfach erwähnten Buche über die älteren Reformparteien (S. 114) sehr anschaulich das Verhalten der Städte gegenüber dem Papst: »Die Stadt Straßburg war in diesem Kampfe insofern vorangegangen, als sie die Priester, welche gemäß dem päpstlichen Befehle den Gottesdienst eingestellt hatten, zwang, die Stadt zu räumen. Die Stadt Zürich hatte schon seit 1331 keine päpstlichen Kleriker mehr geduldet. In Konstanz forderte der Magistrat von seinen Geistlichen, daß sie ihre Funktionen wieder aufnehmen sollten, und gab ihnen eine Frist zur Überlegung. Als diese abgelaufen war (6. Januar 1339), mußten alle, welche nicht fungieren wollten, die Stadt verlassen. Zu Reutlingen ließ der Rat öffentlich ausrufen, daß niemand bei einer Strafe von fünfzehn Pfund einen Priester aufnehmen dürfe, der dem Papste gehorsam leiste. In Regensburg zwang die Obrigkeit ihre Priester durch Hunger zur Abhaltung des Gottesdienstes. In Nürnberg, wo die städtischen Oligarchien eine Zeitlang mit dem römischen Klerus gemeinsame Sache gemacht hatten, kam es hierüber mit den Zünften zum offenen Kampfe, der mit der Niederlage der Geschlechter und der Priester endigte. Kaum war dieser Sieg erfochten, da schloß sich Nürnberg der Partei des gebannten Kaisers an. Überhaupt kann man beobachten, daß alle deutschen Städte, welche nicht von dem Patriziat regiert wurden, unbedingte Gegner Roms und treue Anhänger Ludwigs gewesen sind.«

Unter diesen Umständen gedieh natürlich die beghardische Ketzerei gewaltig. Ganz Deutschland erscholl vom Kampfgeschrei gegen den Papst, und den bürgerlich und kaiserlich Gesinnten war jeder willkommen, der mit einstimmte.

»Die Beförderung der Schismatiker zu den höchsten Ehrenstellen durch Kaiser Ludwig«, sagt ein Chronist der Franziskaner, den Mosheim aufführt, »und die Straflosigkeit ihrer Verbrechen vermehrte die Frechheit und den Trotz anderer aus allen Orden, die bei der geringsten wirklichen oder angeblichen Veranlassung vom Papst abfielen und zum großen Schaden der katholischen Sache die Sekte der ›Brüder‹ (eben die Begharden) vermehrten, welche sich unverschämt aus ihren Schlupfwinkeln hervorwagten und die Handlungen des Petrus Corbarius (den Ludwig zum Gegenpapst unter dem Namen Nikolaus V. gemacht hatte) und Ludwigs billigten.« Mosheim, De Beghardis, S. 320.

Auch ausländische Ketzer, die nach Deutschland flüchteten, fanden Schutz bei Ludwig. 1324 bezeichnete Johann XXII. den Kaiser in einer Bulle als Beschützer und Beförderer von Leuten, die der Ketzerei überwiesen worden, namentlich lombardischer Ketzer, worunter wohl Waldenser oder Apostelbrüder zu verstehen sind.

Aber Kaiser Ludwig nahm sogar die kommunistische Idee in seine Dienste, allerdings nicht in der beghardischen, sondern in der ungefährlicheren franziskanischen Form. Wir haben bereits früher (S. 163) auf den Kampf hingewiesen, der innerhalb des Franziskanerordens über die Frage entstanden war, ob er Eigentum erwerben dürfe oder nicht. Seitdem sich der Papst Innozenz IV. (1245) auf Seite der eigentumslüsternen Fraktion der Franziskaner gestellt hatte, nahm die strengere Richtung eine immer feindlichere Haltung gegen das Papsttum ein. Dessen Konflikt mit den strengeren Franziskanern, den Spiritualen oder Fraticellen, wurde akut, als Johann XXII., der Gegner Ludwigs, 1322 ihre Lehre, daß Christus und seine Apostel kein Eigentum besessen hätten, für ketzerisch erklärte, nachdem er schon 1317 die Inquisition gegen sie aufgeboten hatte. 1328 setzte Johann sogar den Ordensgeneral Michael von Casena ab, der sich auf die Seite der strengeren Richtung stellte. Diese trat entschieden auf Ludwigs Seite, die strengen Franziskaner wurden seine eifrigsten und unerschrockensten Agitatoren. Aus ihren Reihen entnahm Ludwig seinen Gegenpapst, den schon erwähnten Nikolaus V., den er 1328 von den Römern wählen ließ, freilich nur, um ihn bald wieder im Stiche zu lassen. Nikolaus unterwarf sich schon 1330 dem Avignoner Papst und schwor reuig allen seinen »Irrtümern« ab.

Dieses Los der kaiserlichen Kreatur deutete bereits an, welches Ende der Konflikt zwischen Papst und Kaiser nehmen werde. Der letztere unterlag.

3. Die katholische Reaktion unter Karl IV.

Der Papst Klemens VI., der zweite Nachfolger Johann XXII., fand einen Kandidaten für die deutsche Kaiserkrone, der dem Papsttum und Frankreich unbedingt ergeben war, Karl, den Sohn des Königs Johann von Böhmen.

Die Schwäche des deutschen Kaisertums bewirkte nicht bloß, daß die Reichsfürsten anfingen, zu souveränen Herren zu werden, sie bewirkte auch, daß Reichsgebiete, die an den Grenzen lagen, selbständig wurden, so die Schweiz, so die Niederlande. Auch Böhmen löste sich immer mehr vom Reiche ab. In ihrem Gegensatz zur Reichsgewalt suchten die böhmischen Könige eine Stütze in Frankreich. Der Luxemburger Johann von Böhmen war mit Karl IV. von Frankreich verschwägert, der seine Schwester geheiratet hatte. Johanns Sohn, Wenzel, wurde am französischen Hofe erzogen, wo er, da der Name Wenzel daselbst nicht gefiel, bei der Firmung den Namen Karl annahm, den er behielt. Erziehung und dynastische Interessen machten ihn zu einem vollkommen verläßlichen Bundesgenossen Frankreichs und des Papstes. Sobald Karl sich bereit zeigte, die Kaiserkrone anzunehmen, erklärte Klemens den regierenden Ludwig für abgesetzt und forderte die Deutschen auf, sich einen neuen Kaiser zu wählen. Dank der kirchlichen Unterstützung und seinen gefüllten Geldsäcken fand Karl vier Kurfürsten, die ihn wählten (1346). Sein Sieg wurde ihm leichter, als er dachte, denn ehe es zu einem ernstlichen Kampfe zwischen den beiden Kaisern hatte kommen können, starb Ludwig der Bayer.

Karl war kein Gefühlspolitiker. Er hatte die neuere Staatskunst in Frankreich und Italien gründlich gelernt. Er wußte daher auch sehr wohl, daß die Tage der kaiserlichen Herrlichkeit für immer dahin seien und daß die Wurzeln seiner Macht in seinem Stammlande, nicht in der Kaiserkrone lägen. Seine Hauptsorge war Böhmen. Aus der Kaiserkrone suchte er so viel Profit als nur möglich herauszuschlagen, jedoch hütete er sich, um ihretwillen einen Kampf zu wagen, etwas zu opfern. Der Rest des kaiserlichen Ansehens aber erschien ihm fest zusammenhängend mit dem Ansehen der päpstlichen Kirche; Kaiser und Papst waren darauf angewiesen, Hand in Hand miteinanderzugehen, was Karl allerdings durch seine persönlichen Neigungen und Beziehungen sehr erleichtert wurde.

So wurde Karl der »Pfaffenkaiser«, wie die Italiener ihn nannten, der eifrige Vertreter aller Ansprüche des Papsttums, die nur irgendwie mit seiner Machtstellung vereinbar waren. Am meisten litt darunter natürlich die demokratische und damit auch die kommunistische Ketzerei. Unter Ludwig hatte die Verfolgung der Begharden in Deutschland fast ganz aufgehört oder sie war doch unwirksam geworden. Jetzt brach eine Periode blutiger Verfolgungen über sie herein.

Schon aus dem Jahre 1348 werden Verfolgungen von Ketzern erwähnt. Aber mit voller Macht wütete die Reaktion erst im letzten Drittel des Jahrhunderts, als der Aufschwung der Ketzerei in England, von der wir gleich reden werden, die römische Kirche zu besonderer Wut anstachelte. Ein Dekret Karls gegen die Begharden folgte dem andern, am furchtbarsten wohl das am 10. Juni 1369 in Lucca erlassene, das den Inquisitoren besondere Vollmachten verlieh.

Schon im Jahre 1367 hatte der Papst Urban V. zwei Inquisitoren nach Deutschland gesandt, aber bald wurde ihnen die Arbeit zu viel. Der nächste Papst, Gregor IX., sandte weitere fünf zu ihrer Unterstützung (1372). Allenthalben loderten nun die Scheiterhaufen, zu Hunderten wurden die Ketzer verbrannt.

Am 30. Januar 1394 endlich erließ Papst Bonifazius IX. ein Edikt, in dem er alle bisherigen Bestimmungen der Päpste zur Ausrottung der Ketzer, unter Bezugnahme auf die Erlasse Kaiser Karls IV., zusammenfaßt. Er berief sich auf ein Gutachten der deutschen Inquisitoren über die Ketzer Deutschlands, die das Volk Begharden, Lollharden und Schwestrionen nenne, die sich selbst mit dem Namen »Arme« und »Brüder« bezeichnen. Er jammerte, daß diese Ketzerei seit mehr als hundert Jahren bestehe, ohne daß es gelungen sei, ihrer Herr zu werden, trotzdem man mit den Scheiterhaufen nicht gespart habe. Nun gelte es, der Ketzerei den Garaus zu machen.

1395 berichtete denn auch der Inquisitor Petrus Pilichdorf triumphierend, es sei gelungen, der Ketzerei Herr zu werden. Aber 1399 sah sich Bonifazius schon wieder genötigt, die Zahl der Inquisitoren um sechs zu vermehren.

Die Sekte fand ununterbrochen neue Nahrung in den Verhältnissen, die ihr immer wieder neue Anhänger zuführten. Aber immerhin wurde sie durch die blutige Verfolgung zu völliger Unbedeutendheit herabgedrückt.

Das öffentliche, selbständige Beghardentum verschwand gänzlich. Wir haben gesehen, daß schon die erste Verfolgung im dreizehnten Jahrhundert zu der Annäherung eines großen Teiles der gemäßigten Begharden an die Bettelorden führte. Jetzt wurde dieser Prozeß vollendet. Die selbständigen Beghardenhäuser hörten völlig auf. Sie verwandelten sich in Klöster, die teils in den Besitz von Bettelmönchen übergingen, namentlich von Franziskanern, teils den alten Namen beibehielten, aber tatsächlich sich auf den Boden des Mönchtums stellten. Papst Nikolaus V. nahm diese Konvente schließlich 1453 offiziell in den Schoß der Kirche auf und verlieh ihnen die Rechte der Tertiarier.

Die geheimen Gemeinden konnten weder völlig vernichtet noch auch zur Unterwerfung gebracht werden. Aber all ihr Heldenmut und ihre ganze Hingebung war für mehr als ein Jahrhundert lang nicht imstande, mehr zu erzielen, als daß sie eine endlose Reihe von Märtyrern lieferten.

Wie jede Art ketzerischer Opposition, so konnte auch die kommunistische – und sie vor allen als die weitaus schwächste – in Deutschland erst dann wieder ihr Haupt erheben, als es daselbst zu einem neuen großen Konflikt der weltlichen Machthaber mit dem Papsttum kam, als ein erheblicher Teil der deutschen Fürsten stark genug geworden war, es auf einen Kampf mit Kirche und Kaiser zugleich ankommen lassen zu können.

Nach Ludwigs IV. Tode fand die Ketzerei bis zur großen deutschen Reformation nur noch zwei Freistätten in Europa: zuerst England und dann – eine sonderbare Wendung – Böhmen, jenes Land, von dessen Herrscher die katholische Reaktion in Deutschland ausgegangen war.


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