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Neunundzwanzigstes Kapitel

Nehmen wir jetzt den Faden unsrer Erzählung wieder auf und knüpfen wir an die Zeit an, wo die Armee sich auflöste und zu den friedlichen Beschäftigungen des bürgerlichen Lebens zurückeilte. Steuben war damals vierundfünfzig Jahre alt, von denen er den bedeutendsten Theil im Felde zugebracht hatte. Von der Ueberzeugung ausgehend, daß die Vereinigten Staaten nach dem Friedensschluß seiner Dienste nicht mehr bedürften, beschloß er nach Europa zurückzukehren und dort den Rest seines Lebens zu verbringen, sobald ihm der Congreß die im vorletzten Kapitel erwähnte Abfindungssumme gezahlt haben würde; allein da die Entscheidung dieser Angelegenheit von Tag zu Tag bis zum Jahr 1790 verschoben wurde, so war Steuben zuletzt wegen seiner Schulden nicht mehr im Stande, Amerika zu verlassen. Er beschloß daher zu bleiben und sein Land in Oneida County zu cultiviren.

Von dem ins Privatleben zurückgetretenen Steuben ist natürlich nur wenig Bemerkenswerthes zu erzählen. Seine geschichtliche Bedeutung hört mit dem Kriege auf.

Obgleich er volle sechs Jahre mit dem Congreß zu kämpfen und genug mit seinen eigenen Angelegenheiten zu thun hatte, so verlor er doch nicht das Interesse für die öffentlichen Zustände und nahm innigen Antheil an dem Glück und der Wohlfahrt der Vereinigten Staaten. Diese zehn Jahre von 1784-1794 theilen sich ganz natürlich in zwei bestimmt von einander geschiedene Perioden, deren eine mit dem Jahre 1790 aufhört, wo die vom Congreß ausgesetzte Leibrente Steuben wenigstens vor Noth und Hunger schützte, während die letzte mit seinem Tode schließend, den sorgenfreiesten Abschnitt seines Lebens bezeichnet und ihm endlich alle die bescheidenen Glücksgüter gewährte, die er in so hohem Grabe verdient und bisher vergebens erstrebt hatte.

Das vorliegende Kapitel ist der Beschreibung von Steuben's Leben von 1784-1790 gewidmet. Ganz im Gegensatz zur Langsamkeit, mit der die Vereinigten Staaten seinen Forderungen Gerechtigkeit widerfahren ließen, steht die Liberalität der Einzel-Staaten, welche seine Verdienste zu belohnen eilten. Steuben's Man.-Pap. Bd. X., welcher die Akten über alle Steuben gemachten Schenkungen enthält.

So hatte ihn Pennsylvanien noch vor dem Friedensschlusse im März 1783 zum Ehrenbürger des Staates gemacht und mit dieser Auszeichnung eine Landschenkung von 2000 Acker im Bezirke Westmoreland verbunden. Virginien hatte ihm als Zeichen der hohen Anerkennung für seine großen Verdienste und Anstrengungen 15,000 Acker geschenkt, die zwischen dem Muskingum und dem großen Miami (im heutigen Staate Ohio) ausgelegt werden sollten; New-Jersey »tief durchdrungen von dem Werthe der vielen und wichtigen Dienste, die Steuben den Vereinigten Staaten während des letzten Krieges geleistet, und von der Wunsche beseelt, das innige Gefühl der Dankbarkeit für die genannten Dienste vor der Welt an den Tag zu legen,« hatte ihm die lebenslängliche Nutznießung einer Besitzung übertragen, welche früher einem Tory John Zabriskie gehört hatte und vom Staate confiszirt war. Sie lag im Bezirke Bergen bei New-Bridge, ganz nahe bei New-York. Als Steuben aber hörte, daß Zabriskie in Folge der Confiskation der äußersten Noth preisgegeben war, verzichtete er nicht allein auf die Schenkung, sondern verwandte sich sogar zu Gunsten Zabriskie's, der durch Steuben's Edelmuth wieder zum Besitze seines Eigenthums gelangte. Die Städte Albany und New-York, die erstere am 23. Juli 1783, die letztere am 11. Oktober 1784, verliehen ihm ihr Ehrenbürgerrecht, und der Staat New-York schenkte ihm am 5. Mai 1786 eine viertel Sektion, ungefähr 16,000 Acker, die einen Theil der kürzlich von den Oneida-Indianern gekauften Ländereien bildeten. Sie lagen zwölf Meilen nördlich von dem alten Fort Schuyler, dem heutigen Utica, und in der Nähe des jetzigen Dorfes Remsen; sie wurden zu einer besonderen Sektion erhoben und nach Steuben benannt, als dieser sich dort niederließ.

Unmittelbar, nachdem er seinen Abschied genommen hatte, kehrte Steuben nach New-York zurück und bezog zuerst ein in der Mitte der Insel gelegenes Landhaus. Mündliche Mitteilungen von John W. Mulligan. Dies gehörte einem Herrn Provost, zur Zeit besser unter dem Namen »Baar Geld Provost« bekannt (gegenwärtig gehört es einer Frau Schermerhorn) und lag etwa in der heutigen 70. Straße in Jone's Gehölz. Steuben nannte es den »Louvre« und lebte dort mit seinen alten Waffengefährten. Hier verbrauchte er den Rest seines Geldes mit North, Walker, W. S. Smith, Fairlie und Anderen. Diese verließen ihn jedoch bald, um sich selbstständig niederzulassen, und so blieb er einsam und verlassen zurück. Steuben stand mit seinen alten Freunden in regelmäßigen Briefwechsel, betheiligte sich an der Tagespolitik und schrieb damals Abhandlungen über Militärangelegenheiten und über die Milizen der Vereinigten Staaten. Eine der ersten Arbeiten, welche er nach seinem Abschied vornahm, war die Ausarbeitung eines Planes für die Verteidigung zu Lande. Von der Voraussetzung ausgehend, daß in einer Republik jeder Bürger waffenfähig und für die Verteidigung seines Vaterlandes bereit sein müsse, schlug Steuben in diesem Entwurfe vor, die ganze amerikanische Armee in Friedenszeiten aus einer Legion von 3000 Mann permanenter Continental-Truppen bestehen zu lassen, wozu dann noch ein Corps von Artilleristen, Sappeurs, Pionieren und Handwerkern von 1000 Mann käme, sodann wollte er sieben Legionen fester Milizen, deren jede aus 3000 Mann bestand, errichtet wissen, so daß sich die Gesammtzahl auf 25,000 Waffentragende beliefe.

Steuben theilte diesen Plan zuerst Washington mit, der ihn am 15. März 1784 von Mount Vernon aus dahin beantwortete: Washington's Writings IX. 25.

»Den von Ihnen entworfenen Plan zur Errichtung einer Continental-Legion habe ich mit großer Aufmerksamkeit durchgesehen. Sie wollen einen bestimmten Theil der waffentragenden Bevölkerung in der Union zu Milizen in Friedenszeiten ausbilden. Mit Ausnahme von ein paar kleinen Veränderungen billige ich Ihre Vorschläge unbedingt. Es war mir erfreulich und schmeichelhaft zu sehen, daß Ihr Plan eine so große Aehnlichkeit mit dem meinigen hat, den ich im vorigen Mai einem Congreß-Comite vorzulegen die Ehre hatte. Der meinige war jedoch nur eine flüchtige Arbeit, das Produkt einer plötzlichen Aufforderung und des Mangels an Zeit zur gehörigen Vorbereitung, der Ihrige dagegen die Frucht reifen Nachdenkens und besserer Verarbeitung. Während ich die Befugnisse von Continental-Milizen beschränkte, gerieth ich fast unwillkürlich auf das, was für unser Land der richtige Friedensfuß eher sein sollte, als sein wird. Eine Heeresverfassung für Friedenszeiten sollte immer zwei Punkte ins Auge fassen, einmal die gegenwärtige Sicherheit der Posten und Magazine, so wie der öffentlichen Ruhe, zweitens sollte sie, falls die letztre gewährleistet, doch stets gerüstet sein, den plötzlichen Angriffen eines auswärtigen oder innern Feindes mit Nachdruck Widerstand zu leisten. Wenn wir keine Truppen für den erstern Zweck brauchen, und sicher wären, ihrer nicht für den andern zu bedürfen, dann würden alle hierdurch veranlaßten Ausgaben, welcher Art sie auch sein mögen, gleich unnütz und unbillig sein. So lange aber das Volk einen Hang hat, sich zu widersetzen und den öffentlichen Frieden zu stören, sei es aus ehrgeizigen, politischen oder persönlichen Motiven, gebietet uns die Klugheit und Vorsicht die Errichtung einer solchen Macht, die uns für den Segen des Friedens einige Bürgschaft leistet, wenn auch das Unternehmen mit Schwierigkeiten und Kosten verbunden sein sollte. Und da scheint mir kein Plan zweckmäßiger zu sein als der von Ihnen vorgeschlagene. Er könnte, nachdem einmal seine Grundzüge festgestellt sind, je nachdem es die Umstände erheischen, nach Belieben erweitert oder beschränkt werden. Er hat daher meinen vollen Beifall und meine besten Wünsche für den Erfolg.«

Noth und Armuth zwangen Steuben bald, seinen schön gelegenen, aber verödeten und verfallenen Wohnsitz, den »Louvre«, aufzugeben. Er folgte der Einladung seines alten Freundes und Adjutanten, B. Walker, der sich inzwischen verheirathet, als Makler etablirt und in Maidenlane, dem Anfang von Libertystreet gegenüber, in New-York ein Haus genommen hatte. Er wohnte bei ihm, bis Walker nach Courtlandstreet zog. Steuben miethete dann Zimmer in der heutigen Fultonstreet im Hause eines Dr. Baché und speiste in dem damals besten und bekannten Boardinghaus des Fräulein Danbeny in Wallstreet, gegenüber Hanoverstreet. Nach einigen Jahren zog er zu einem Dr. Tillory an der südöstlichen Ecke von Broadway und Wallstreet, bis er endlich im Jahr 1791 gegenüber der St. Paulskirche ein Haus miethete, welches heute die No. 216 Broadway führt. Diese Wohnung bezog er jeden Winter und behielt sie bis zu seinem Tode bei.

Steuben war in geselligen Kreisen, besonders bei den Damen sehr beliebt. Er nahm an deren Vergnügungen Theil und trug durch seine witzige und angenehme Unterhaltung viel zur Belebung und Heiterkeit jeder Gesellschaft bei. Wir finden seinen Namen auf der Einladungsliste der Frau Jay während der Jahre 1787 und 1788. Er stand in sehr intimem Verhältniß zu Duer, Duane, Livingston, Jay, Varick, Hamilton, Fish und Anderen; überhaupt hatte er Umgang mit allen bedeutenden und hervorragenden Familien der Stadt und war unter allen Klassen des Volkes beliebt. Dietrich von Bülow, welcher im Jahr 1792 Steuben in New-York besuchte, sagt, daß Jedermann denselben als den Baron kannte und daß, wenn vom »Baron« die Rede war, alle Welt wußte, daß Steuben damit gemeint war. Bei jenem berüchtigten Doktor-Crawall, der im Jahr 1786 oder 1787 durch die leichtsinnige Bloßstellung eines Cadavers im Sezierzimmer des Hospitals herbeigeführt wurde, wollte es der Zufall, daß Steuben verwundet wurde. Als der Volkshaufe ihn erkannte, machte er ihm ehrerbietig Platz und brachte ihm ein »Hoch« aus, ohne sich aber in seiner Zerstörungswuth aufhalten zu lassen. Präsident Duer erzählt eine mit diesem Aufstande in Verbindung stehende artige Anekdote von Steuben. Refus W. Griswold: The Republican Court, New-York 1854, 4° pag. 102.

»Es wurde nothwendig« – sagt er – »zur Bewältigung der Aufrührer die Milizen aufzubieten. Viele der angesehensten Bürger beeilten sich deßhalb, der Civilbehörde Beistand zu leisten. Einige von diesen wurden gefährlich verwundet. Herr Jay erhielt eine gefährliche Kopfwunde, und Baron Steuben wurde von einem Steine getroffen, der ihn zu Boden warf, ihm an der Stirne eine Fleischwunde beibrachte und einen plötzlichen Wechsel in dem Mitleid hervorrief, welches er so eben noch gegen den Pöbel gezeigt hatte. Gerade in dem Augenblick, als er die Wunde erhielt, war er mit Gouverneur Clinton in ernstlichem Streit begriffen und eiferte dagegen, daß den Milizen Befehl zum Feuern auf ›das Volk‹ gegeben würde; aber kaum war er getroffen, als er sein Wohlwollen vergaß und im Fallen aus Leibeskräften schrie: ›Feuer‹, Gouverneur, ›Feuer!‹ Man trug ihn in das Haus von Duer. Da es an einem Wundarzte fehlte, wusch Lady Kitty seine Wunde und verband seinen Kopf.«

Obwohl er des Englischen nie vollkommen mächtig war, so verstand und sprach Steuben es doch ziemlich richtig. Bisweilen begegnete es ihm, daß er, sei es im Scherz oder unabsichtlich, Namen verwechselte, Worte entstellte oder vertauschte, die sich an Klang ähnlich, aber in der Bedeutung verschieden waren. Einst speiste er beim General Washington zu Mittag. Frau Washington fragte ihn, welcher Art von Vergnügungen er nachginge. »Ich lese und spiele Schach Madam, erwiederte Steuben, und gestern hatte ich eine Einladung zu einer Fischparthie. Es sollte ein sehr großes Vergnügen werden. Ich saß zwei Stunden trotz der großen Hitze im offenen Boot und fing zwei Fische.« Was für welche? fragte die Dame weiter. »Ich erinnere mich wirklich im Augenblicke nicht, aber einer von ihnen war ein Wallfisch« ( whale). Ein Wallfisch, Baron, im North River! »Jawohl, und ein sehr schöner Wallfisch, wie mir jener Herr sagte.« Nannten Sie ihn nicht einen Wallfisch, Major? Sie meinen einen Aal, ( eel) Baron. »Oh ich bitte tun Entschuldigung, Madam; aber der Herr sprach sicher von einem Wallfisch, indessen thut's nichts zur Sache, ich werde das Geschäft aufgeben, obgleich es so weit Vergnügen gewährt.« Bowen's Leben Steuben's, pag. 83, der die Anekdoten von Thacher hat.

Unter den in der Stadt New-York lebenden Deutschen nahm Steuben eine hervorragende Stellung ein. Seine Landsleute waren stolz auf ihn und bezeigten ihm bei jeder Gelegenheit ihre Hochachtung; er dagegen betheiligte sich gern an ihren geselligen Vergnügungen und wohlthätigen Gesellschaften. Bei der Gründung der deutschen Gesellschaft am 23. August 1784, welche den wohlthätigen Zweck hatte, arme Deutsche und deren Nachkommen zu unterstützen, war Steuben zwar nicht zugegen; sobald er aber zur Stadt zurückkehrte, ließ er sich als Mitglied derselben aufnehmen und wurde bald einer ihrer einflußreichsten Förderer. Am 7. Februar 1785 stellte Dr. Kuntze den Antrag, daß die Gesellschaft Steuben ihren Dank für die ihr durch seinen Beitritt erwiesene Ehre ausspreche. Am 3. Oktober 1785 wurde er einstimmig zum Präsidenten gewählt, Nach den Protokollbüchern der N.-Y. Deutschen Gesellschaft. welchen Ehrenposten er bis zu seinem Tode bekleidete. Diese Gesellschaft, welche noch heute besteht und ungefähr 1000 Mitglieder zählt, war hauptsächlich von Revolutions-Offizieren gegründet und aufrecht erhalten. Ihr erster Präsident war Oberst Heinrich Emanuel Lutterloh, ihr erster Vice-Präsident Oberst Friedrich von Weißenfels. Friedrich A. Mühlenberg, der erste Sprecher des Hauses der Abgeordneten des neuen Congresses, und General Peter G. Mühlenberg wurden auf Steuben's Antrag zu Ehrenmitgliedern ernannt, wie denn auch Steuben kurz vorher zum Ehrenmitglied der Philadelphier deutschen Gesellschaft erwählt worden war. Später ließ sich eine große Anzahl hervorragender Amerikaner, wie Major Duane, Gouverneur Morris, Edward Livingston, Stephan van Rensselaer, Peter Schuyler, Horatio Gates und Aaron Burr als Mitglieder der Gesellschaft aufnehmen. Zu jener Zeit befand sich die Einwanderung in ihrer Kindheit und nahm die Aufmerksamkeit der Gesellschaft weniger in Anspruch; hier und da kam einmal ein Schiff mit Deutschen an, die zur Arbeit gedungen waren. Da legte sich denn die Gesellschaft bisweilen ins Mittel, wie z. B. im Jahr 1792, als der Verwaltungs-Rath in Steuben's Hause eine Sitzung hielt, um die Deutschen zu beschützen, welche von der Gennessee-Land-Assoziation unter den nachteiligsten Bedingungen gemiethet waren. Es ergiebt sich aus dem Protokoll der Sitzung, daß die Landung von zwei Emigranten-Schiffen zur selben Zeit als ein außerordentliches Ereigniß betrachtet wurde. So beschränkte sich die Gesellschaft mehr darauf, wohlthätige Zwecke im Kreise der New-Yorker Deutschen zu verfolgen und die landsmannschaftlichen und freundschaftlichen Beziehungen unter ihren Mitgliedern zu pflegen. Am Jahrestage der Gesellschaft, der auf den Antrag des bekannten Edward Livingston am 11. August als dem Datum der deutschen Unabhängigkeit gefeiert wurde, weil an diesem Tage Hermann den Varus geschlagen haben sollte, wurde eine deutsche und englische Rede gehalten, und ein Mittagessen eingenommen. Edward Livingston hielt unter Anderen im Jahr 1789 die englische Rede und sagte in seiner Anerkennung des deutschen Charakters am Ende derselben: The N. Y. Daily Advertiser No. 1478 vom 14. Nov. 1789.

»Der Nächste ist ein Mann, den ich hier zu nennen mich scheue und kaum zu charakterisiren wage, um nicht jenen Würdigen zu beleidigen, der sich so wenig aufdrängt, daß er selbst dem wohlverdienten Ruhm ausweicht. Doch vergebens ist der Vorsatz, von ihm zu schweigen. Können wir, wo von deutscher Tüchtigkeit die Rede ist, den Namen Steuben unterdrücken, oder wird sich, wenn es sich von Verdiensten wie den seinigen handelt, die Bewunderung an schwache Formen binden? Nein, die Stimme der Wahrheit proklamirt ihn als den Schöpfer unsrer Macht, der aus einem Chaos von Unordnung unseren militärischen Ruhm gründete. Leider hat die Dankbarkeit bis jetzt unter uns noch nicht ihren Ausdruck gefunden; unser Land, meine Freunde, ist indessen nicht ungerecht. Es war bisher nur unter dem Lärm des Beifalls wie berauscht, und jener Dank, wenn bis heute auch schwach und kaum vernehmbar, wird bald überall gehört werden und Amerika lehren, Steuben's Verdienst würdig zu belohnen.« Nach Steuben's Tode hielt ihm die Gesellschaft zu Ehren einen Trauergottesdienst in der reformirten deutschen Kirche und legte für die Zeit von sechs Wochen Trauer für ihn an. Gleichzeitig veröffentlichte sie in den Zeitungen einen, seine Verdienste hervorhebenden Nachruf, der von D. Grimm, dem Vice-Präsidenten und Wilhelm Wilmerding, dem Sekretär, unterzeichnet war.

In seinen politischen Ansichten war Steuben ein entschiedener Föderalist und nahm großen Antheil an der Tagespolitik. Wir finden unter seinen Papieren eine Abhandlung über die Nationalschuld der Vereinigten Staaten und verschiedene Artikel über die Prärogative des Präsidenten, und eine geschichtliche Uebersicht der Pflichten der obersten Beamten in den Republiken der alten und neuen Zeit. Alle diese Arbeiten gehören, um sie mit einem Worte zu charakterisiren, zur politischen Schule Alexander Hamilton's und verrathen eine große Belesenheit, so wie ein sehr richtiges und reifes Urtheil in politischen Dingen.

Als einmal vor der Annahme der gegenwärtigen Constitution in einem Kreise von Freunden die Frage der Regierungsform verhandelt wurde und es noch nicht entschieden war, ob der Präsident bloß mit den Befugnissen des höchsten bürgerlichen Beamten oder mit den mehr fürstlichen Privilegien eines Statthalters bekleidet werden sollte, wandte sich einer der Anwesenden an Steuben mit der Frage: ob der Prinz Heinrich von Preußen wohl ein guter Regent sein und in wie weit er einem Rufe hierher Folge leisten würde? »O nein,« antwortete Steuben, »so weit ich den Prinzen kenne, wird er nie daran denken, hierher zu kommen, um sich zu Eurem Herrn machen zu lassen, ich habe ihm längst geschrieben, was für ein Völkchen Ihr seid, er würde es keine drei Tage unter Euch aushalten.« Mündliche Mittheilung John W. Mulligans. Als im Jahr 1792 John Jay zuerst als Gouverneurs-Candidat auftrat, präsidirte Steuben der Versammlung, die in Crosby's Wirthshaus in Waterstreet abgehalten wurde und am 24. März an die unabhängigen Wähler einen Aufruf erließ, worin ihnen die Ernennung von John Jay als Gouverneur und Stephan von Neusselaer als Vice-Gouverneur empfohlen ward. An der Spitze der Unterschriften zu dieser Adresse stand Steuben's Name. Die anti-föderalistischen Tagesblätter und Anhänger Clinton's fielen u. A. deswegen über den Ausruf her, weil er von »einem Pensionär« der Vereinigten Staaten unterzeichnet sei. Steuben fand natürlich sofort die Anspielung auf sich heraus und wurde wüthend. »Sie müssen diesen Gesellen antworten« – sagte er zu Armstrong, der zugegen war, als der Artikel zuerst gelesen wurde. Armstrong, der Verfasser der Newburgh-Adressen und Schwager des Kanzlers Livingston, vermuthete, daß der Letztere, der gerade kurz vorher in das Lager der Antiföderalisten übergegangen war, den Artikel gegen Steuben geschrieben habe und antwortete ihm mit schneidender Schärfe unter dem Pseudonym Timotheus Tickler. Livingston ließ sich als Aristides dagegen vernehmen. So brach ein heftiger Zeitungskrieg aus, der so lange dauerte, bis die Wahl zu Gunsten Clinton's entschieden wurde. Steuben's Candidat, Jay, dagegen trug bei der nächsten Wahl im Jahre 1795 den Sieg davon.

Bei der Amts-Einführung Washington's am 30. April 1789 befand sich Steuben unter den Begleitern des Präsidenten, als dieser auf dem Altan des Stadthauses den Eid auf die Verfassung leistete. Wenige Tage nachher wohnte er einem Balle bei, der in den City Assembly Rooms zu Ehren dieses Ereignisses gegeben wurde. Am 4. Juli machte er dem Präsidenten seine Aufwartung, um ihn im Namen des Ordens der Cincinnati zu begrüßen und deren Glückwunsch darzubringen. Refus W. Griswold: The Republican Court, 140, 154 und 157.

Bereits am 13. April 1787 war Steuben durch Beschluß der Legislatur zu einem Regenten der New-Yorker Staats-Universität ernannt worden. Laws of New-York Jones a Varick's Edition II. 143. Dies Institut ist eine Art Ober-Aufsichtsbehörde für alle Akademien und Collegien des ganzen Staates, es hat das Unterrichtssystem und die Disziplin in dessen sämmtlichen Schulen zu überwachen und über das Resultat der Gesetzgebung seinen jährlichen Bericht einzureichen. Regent der Universität ist also etwa gleichbedeutend mit Oberschulrath und ein Ehrenposten, der nur den durch ihre Verdienste und angesehene bürgerliche Stellung hervorragenden Bürgern verliehen wird.

Als während des Jahres 1788 sich die pekuniären Verhältnisse Steuben's sehr trübe gestalteten und als das damalige politische Interregnum seine Zukunft in den Vereinigten Staaten noch Ungewisser machte als bisher, beschäftigte sich Steuben mit einem Plane, dessen Verwirklichung einen entscheidenden Einfluß auf die politische Entwicklung dieses Kontinents ausgeübt und die Ausbreitung der Vereinigten Staaten nach Westen hin bedeutend beschleunigt haben würde. Er beabsichtigte nämlich Steuben's M.-Pap. in Utica. innerhalb der Besitzungen des Königs von Spanien am Mississippi eine Ansiedelung zu gründen, die theils Ackerbau treibend, theils militärisch organisirt, sowohl den König von Spanien gegen etwaige Einfälle seiner Nachbarn schützen, als mich den amerikanischen Ansiedlern auf der westlichen Seite der Alleghanies eine freie Ausfuhr für ihre Bodenerzeugnisse gewähren sollte.

Die Hauptpunkte dieses interessanten Planes sind:

1) Baron Steuben beabsichtigt eine Colonie von Landleuten und Handwerkern, welche die Zahl von 4200 Personen nicht übersteigen soll, innerhalb der spanischen Provinz Louisiana zu gründen;

2) zu diesem Ende werden dem besagten Baron Steuben und Genossen daselbst 200,000 Acker Landes in einer solchen Gegend bewilligt, deren Lage später aus militärischen Gründen und im Einklange mit den Grundsätzen des Planes bestimmt werden wird;

3) als eine fernere Vergünstigung gewährt die spanische Regierung jedem Ankömmling, Ackerbauer oder Handwerker, der die feste Absicht hat, sich innerhalb des Gebietes der Schenkung niederzulassen, ein Handgeld von hundert spanischen Thalern;

4) Baron Steuben und Genossen werden jedem Ansiedler 230 Acker guten und bestellbaren Landes innerhalb der besagten Schenkung kostenfrei als Eigenthum übertragen;

5) die Ansiedler des also geschenkten Gebiets werden aus den Vereinigten Staaten oder anderen fremden Ländern eingeführt; es darf aber kein jetziger spanischer Unterthan aus seinem gegenwärtigen Wohnort zu dem Anschluß an die neue Colonie angenommen werden;

6) die spanische Regierung gestattet den neuen Einwanderern die Ausübung jeder Art religiösen Gottesdienstes und hebt alle dawiderlaufenden Strafbestimmungen auf;

7) den neuen Einwanderern wird gestattet, die Gesetze der Vereinigten Staaten für den Besitz und Uebertrag von Eigenthum einzuführen und ihnen zugleich erlaubt, zur Ausführung derselben alle ihnen geeignet erscheinenden Prozeß-Verhandlungen und Gerichtshöfe in's Leben zu rufen, jedoch unter der ausdrücklichen Bedingung, daß dies auf ihre eigenen Kosten geschieht und daß in allen Fällen, wo die Parteien sich der Entscheidung eines spanischen Gerichtshofes zu unterwerfen vorziehen, die betreffende Landesgesetze Gerichtsbarkeit über sie haben sollen.

8) In allen übrigen Beziehungen sind aber die Ansiedler durchaus und ohne Unterschied den spanischen Gesetzen und Vorschriften unterworfen.

9) Die Kolonie wird ein Milizsystem erhalten und ist zum Dienste verpflichtet, sobald die Regierung ihrer innerhalb der Provinz bedarf.

10) Außer dieser Kolonie verpflichtet sich der Baron ein Corps von 800 Mann aufzubringen, aus denen er 4 Bataillone bilden wird, von denen drei aus Musketieren und eins aus Scharfschützen bestehen soll. Dieses Corps wird in jeder Hinsicht der Disziplin und dem Dienste der Truppen Sr. katholischen Majestät unterworfen sein, mit dem Vorbehalt, daß in Eigenthums- und Religions-Sachen ihnen die dem übrigen Theil der Kolonie eingeräumten Vorrechte zu Gute kommen.

11) Das Recht der Ernennung aller Offiziere des regulären Corps steht ausschließlich dem General desselben zu; der König aber behält sich das Recht der Bestätigung vor und erst, nachdem diese erfolgt ist, werden ihnen Patente ausgefertigt. Vakanzen werden in derselben Weise ausgefüllt.

12) Den Soldaten wird dasselbe Handgeld wie den Ackerbauern und Handwerkern gegeben.

13) Diejenigen Ansiedler und Rekruten, welche in Deutschland angeworben werden, erhalten Lohn und Verpflegung auf des Königs Kosten vom Tage ihres Eintritts an, und um sie sicher und leicht an ihren Bestimmungsort zu liefern, werden die Höfe von Madrid und Versailles einen Vertrag abschließen, in Folge dessen diese Auswanderer frei und ungefährdet von St. Esprit in Frankreich nach Carthagena in Spanien reisen können; von letzterem Hafen aus werden sie in königlichen Schiffen nach New-Orleans in Louisiana abgehen.

Steuben überreichte diesen Plan dem damaligen spanischen Minister in Philadelphia Don Diego Guardaqui. Dieser sandte ihn sofort nach Madrid; aber es scheint nicht, daß der Hof irgendwie näher darauf eingegangen ist. Diese Abweisung ist nur zu natürlich, wenn wir die absolute Staats-Verfassung Spaniens in Betracht ziehen. Es durfte gar nicht zugeben, daß eine seiner Kolonien freier und selbständiger als die übrigen dastand, und wenn es nicht die volle Einsicht und Würdigung dieses Verhältnisses war, so warnte doch wenigstens der Selbsterhaltungs-Instinkt das spanische Ministerium vor der Zulassung amerikanischer Gesetze selbst im anscheinend kleinsten Maßstabe. Es gehörte in der That auch wenig Voraussicht dazu, den Entwicklungs-Prozeß, der sich an diese Prämisse knüpfen mußte, genau zu erkennen. Die amerikanischen Gesetze zogen die amerikanischen Ansiedler in Masse nach sich und, diese einmal im Besitz des reichen Missisippi-Thales und im Rücken gedeckt, verdrängten zuletzt die Spanier aus ihrer eigenen Colonie. Texas lieferte ein Menschenalter später den Beweis für den politischen Verstand der spanischen Minister. Die mexikanische Regierung erlaubte zu Anfang der zwanziger Jahre dieses Jahrhunderts den ersten amerikanischen Ansiedlern, sich unter ähnlichen Bedingungen wie den von Steuben aufgestellten in Texas niederzulassen. Dieser Ausnahmezustand gab bald den Vorwand zu Mißhelligkeiten, später zu offenen Feindseligkeiten ab und führte zuletzt zur Unabhängigkeit der Provinz und zu kostspieligen und verlustvollen Kriegen.

Aus diesem Grunde ist selbst der für die Gegenwart Steuben's nicht verwirklichte Plan interessant. War er doch, wenn auch gegen den Willen des Verfassers, der Vorläufer der heut zu Tage mehr als je blühenden Flibustierbewegungen! Gleichzeitig ist es erfreulich wahrzunehmen, daß Steuben das Geheimniß des Wachsthums des jungen amerikanischen Reiches richtig auffaßte, indem er es mit Recht einzig und allein in der Selbstregierung der Gemeinden, in der Autonomie seiner Bürger erblickte. Kann es wohl ein der starren Autorität der spanischen Monarchie feindlicheres Prinzip geben?

Da sich im folgenden Jahre Steuben's Aussichten besserten und er einer endlichen Befriedigung seiner Ansprüche sicher entgegen sah, so gab er den Gedanken au eine Auswanderung in den fernen Westen auf, und widmete seine ganze Aufmerksamkeit der Urbarmachung und dem Anbau seiner eigenen Ländereien im Oneida County.


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