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Der bei Weitem bedeutendere Theil der dem Staate gehörigen Magazine und Vorräthe lagerte noch zu Point of Fork, wo sie indessen wegen der Ueberlegenheit des Feindes nicht sicher waren. Steuben beorderte deßhalb sämmtliche Boote von Richmond herauf nach dem Fork, um die Fluß-Passage zu sichern. Am 29. Mai postirte er sich dort selbst und deckte die Wegschaffung der Magazine. »Ich bin hier« – schreibt er am 3. Juni an Lafayette Steuben's Man.-Pap. Bd. XII. – »mit 550 Mann in einer Wüste ohne Schuhe, Hemden und was noch schlimmer ist, ohne Patrontaschen. Ich schreibe überall hin, sende Expresse nach allen Theilen der Welt, aber ich empfange keine Antwort. Wenn ich nicht Lawson mit Verstärkungen erwartete, so würde ich nach Charlotteville gehen, um meinen souveränen Gebietern eine Jereminade vorzusingen. Bitte, lassen Sie mir Nachrichten zukommen; ich bin hier vollständig abgeschnitten, als wäre ich in Kamschatka; ich weiß nicht, wo Sie sind, noch was aus Cornwallis geworden ist.«
An demselben Tage schrieb er an Herrn Carey, den Sprecher des Staats-Senates, und beklagte sich laut über den verzweifelten Zustand seiner Leute.
»Es ist der Zweck des Gegenwärtigen« – sagt er Steuben's Man.-Pap. Bd. XII. – »Sie mit dem Zustand der hier versammelten Leute bekannt zu machen. Die Meisten kamen hier ganz entblößt an. Auf meinen Befehl wurden sämmtliche Schuhe, Hemden und andere Artikel der Magazine unter sie vertheilt. Es schmerzt mich, die Zahl der Kranken täglich wachsen zu sehen, ohne daß ich's bessern kann; denn der Grund liegt darin, daß die Leute ohne gehörige Bekleidung der Nässe ausgesetzt sind. Häufige Desertionen sind eine weitere Folge dieses Uebelstandes. Der Soldat, welcher gern sein Leben in der Schlacht wagt, will nicht dem Elend und Mangel zum Opfer fallen.
Was die Kleidungsstücke insbesondere anbetrifft, so erwartete ich hier Hemden, Schuhe, Ueberzieher, leinene Jacken oder Jagdhemden und Decken zu finden, und zwar um so mehr, als alle diese Artikel hier im Staate fabrizirt werden. Ich hätte niemals geglaubt, daß der ganze Staat Virginien während des Monats Juni nicht im Stande gewesen wäre, diese Sachen für 500 Mann zu liefern, da sie den sechsten Theil der im November von der gesetzgebenden Versammlung notirten Anschaffungen ausmachen. Oberst Gaskin's Bataillon ist mit den von Philadelphia gesandten Waffen versehen worden; aber wir haben keine einzige Patrontasche vorräthig. Auf General Greene's wiederholtes dringendes Verlangen habe ich diesen Artikel in meiner Eingabe vom letzten November mit aufgeführt und dem Gouvernement später mehrere Male vorgestellt, wie durchaus nothwendig derselbe sei: Sättel für die Cavallerie und Patrontaschen für die Infanterie sollten zu den ersten Dingen gehören, für welche gesorgt wird, da zu deren Anfertigung die meiste Zeit erforderlich ist. Gleichwohl ist davon kein einziges Stück im ganzen Staate fertig, ja ich bezweifle, ob sie überhaupt jemals bestellt worden sind.
Ich ersuche Sie aufrichtig, mein Herr, der gesetzgebenden Versammlung Vorlage hierüber zu machen. Es ist unangenehm, sich über solch einen Zustand verbreiten zu müssen; aber für mich ist es von Wichtigkeit, in den Augen jenes ehrenwerthen Körpers und vor dem Volke dieses Staates gerechtfertigt dazustehen, damit der Verzug bei der Ausrüstung dieser Truppen nicht meiner Nachlässigkeit aufgebürdet werde. Denken Sie daran, wie dieses arme Truppencorps in den Wäldern kampiren und umkommen muß, ohne den Feind gesehen zu haben, ohne eingeübt zu sein, da ihm Hemden und Schuhe fehlen!
Ich bitte Sie inständigst, mir zu sagen, an wen ich mich um Abhülfe dieses traurigen Zustandes der Dinge wenden soll.«
Während Steuben in solcher Lage war, hatte Cornwallis den Marquis Lafayette bis in den Norden des Staates verfolgt. Da er jedoch einsah, daß er des Letztren Vereinigung mit Wayne nicht verhindern könnte, so beschloß er, die Virginische Staatsgesetzgebung zu Charlotteville aufzuheben und gegen Steuben, den er zu Point of Fork wußte, einen Streich zu führen. Zu ersterem Zwecke sandte er Tarleton mit 250 Mann nach Charlotteville; doch fielen diesem nur sieben Abgeordnete in die Hände. Gleichzeitig wurde Simcoe mit 500 Mann gegen Steuben detachirt; Cornwallis selbst folgte mit der Hauptarmee, während Tarleton von Charlotteville den Rivanna hinab ging, um erforderlichen Falls mit Simcoe zu cooperiren. Diese combinirten Bewegungen, welche Steuben's Lage sehr gefährdeten, wurden so geheim gehalten daß Steuben erst am 2. Juni davon erfuhr; und als er dann vernahm, daß der Feind zu Goochland Court House stehe und stromaufwärts rücke, dachte er, daß Lord Cornwallis mit der ganzen britischen Armee gegen ihn heran marschire. Indessen erhielt er keine bestimmte Bestätigung dieser Vermuthung. Um aber für alle Fälle vorbereitet zu sein, befahl er, daß der Rest der Vorräthe entfernt und die Boote beider Flüsse oberhalb und unterhalb seiner Stellung gesammelt würden, damit er, wenn's Noth thäte, sofort aufbrechen könnte. Am 4. Juni gegen 5 Uhr Morgens kam Major Call von Oberst Washington's Corps hergeeilt und benachrichtigte Steuben, daß der Feind seine Streitmacht in zwei Theile getheilt habe, deren einer über Lonisa Court House und deren andrer über Goochland Court House heranrücke; daß er, Call, beide Colonnen auf ihrem Marsche gesehen habe und ihnen nur mit knapper Noth entwischt sei. Dieser Bericht entfernte alle Zweifel über die Absicht des Feindes. Steuben gab deßhalb sofort Befehl zur Wegschaffung der Bagage auf die andere Seite des Flusses und stellte ein Piquet von 80 Mann an dem Punkte auf, welchem gegenüber, wie er erwartete, Cornwallis bald erscheinen würde, um Steuben's Aufmerksamkeit zu fesseln, während die andere feindliche Abtheilung etwas weiter oben über den nördlichen Flußarm setzen möchte, um ihn so in die Scheere, zu nehmen. Steuben rückte dann mit einem Bataillon nach der Straße vor, auf der die feindliche Abtheilung kommen mußte, die nach seiner Berechnung über den nördlichen Flußarm setzen sollte, und wartete hier, bis die ganze Bagage übergesetzt war. Alsdann ließ er ein Piquet von 50 Mann auf der Straße zurück und schaffte den Rest des Bataillons hinüber. Am selben Tage kam General Lawson und benachrichtigte Steuben, daß er 250 Mann Miliz, von denen 15 Mann beritten, bei sich habe und daß dieselben auf der andern Seite des Flusses ständen. Steuben befahl, daß diese Mannschaft mit seinen Rekruten, deren Zahl jetzt schon auf 420 zusammengeschmolzen war, vereinigt werden sollten. An demselben Abend kam Oberst Davies, um die Staats-Vorräthe in Sicherheit zu bringen, und empfing hierbei von Steuben soviel Beistand, wie dieser zu leisten im Stande war. Er ließ die Wagen des Regiments abladen, damit auf ihnen die Vorräthe fortgeschafft würden; doch wurde dieses Geschäft von den Staats-Offizieren sehr schlecht besorgt. Am Morgen des 5. Juni sandte Steuben den Lieutenant Verdier vom Armand'schen Corps mit vier Dragonern die nach Point of Fork führende Straße hinaus, um den heranrückenden Feind zu beobachten und ihm darüber zu berichten; Verdier aber fiel mit seinen Leuten in dessen Hände. Um 10 Uhr erfuhr Steuben, daß der Feind bis auf 4 Meilen vom Point of Fork stände, worauf er den Capitain Fairlie, einen seiner Adjutanten, abschickte, um das Piquet einzuziehen; Fairlie that dieses und wurde bei der Gelegenheit gefangen genommen.
Gegen Mittag sah Steuben, als er auf dem erhöhten Flußufer stand, den Feind heranziehen. Später erfuhr er, daß es Simcoe mit 4 bis 500 Mann Cavallerie und Infanterie gewesen sei, daß Tarleton nicht weit von ihm oberhalb stehe und daß sich Lord Cornwallis auf der andern Seite des Flusses ungefähr sechs Meilen unterhalb befinde. (In Wirklichkeit aber war letzterer noch viel weiter entfernt.)
Zum Beweise, wie wenig sich Steuben auf seine Leute verlassen konnte, erwähnt er, daß sie beim Erscheinen des Feindes nur einmal aus einem Dreipfünder, den sie bei sich hatten, feuerten und daß ein Piquet von 50 Mann, welches er an der Landung aufgestellt hatte, seinen Posten verließ und nur unter vielen Ueberredungen und Drohungen zurückgebracht werden konnte. Gegen Steuben's Befehl waren viele Canoes im nördlichen Flußarme gelassen worden und fielen sogleich in die Hände des Feindes; dazu kam, daß beide Flußarme an manchen Stellen durchwatet werden konnten. Steuben beschloß darum, sich nach Willis Creek zurück zu ziehen und begann mit der Ausführung dieses Vorsatzes, sobald es dunkel wurde.
Als Simcoe am Point of Fork ankam, fand er, daß nicht allein die Boote und Vorräthe in Sicherheit waren, sondern daß auch Steuben's ganze Streitmacht, mit Ausnahme von nur dreißig Mann über den Fluß gegangen war, welche letztere auf die Rückkehr einiger Boote warteten und bei dieser Gelegenheit zu Gefangenen gemacht wurden. So ward durch Steuben's Vorsicht der Hauptzweck der britischen Expedition vereitelt.
Das Erscheinen Simcoe's, dessen Truppen er in Ermanglung jeder Verbindung mit der Nachbarschaft für die Avantgarde von Cornwallis gehalten hatte, beschleunigte aber seinen Marsch nach Süden. Simcoe täuschte namentlich Steuben dadurch, daß er auf den Höhen zahllose Wachtfeuer anzündete und durch diese List denselben in seinem Irrthum bestärkte. Den schlagendsten Beweis dafür, daß Steuben nicht erst durch das Eintreffen Simcoe's zum Aufgeben seines Postens veranlaßt wurde, liefern aber einige von ihm um diese Zeit geschriebene Briefe. So meldet er am 5. Juni 1781 von der Südseite des Flusses, eine Meile oberhalb des Fork, an Lafayette: Steuben's Man.-Pap. Bd. XII. – »Gestern Morgen meldete mir Major Call, daß er selbst am vorhergehenden Morgen einen Trupp Cavallerie bei Goochland Courthouse und am Nachmittage einen andren großen Haufen von mindestens 1000 Mann bei Louisa Courthouse gesehen habe: beide Abtheilungen schienen ihren Marsch hierher zu nehmen. Da der nördliche Flußarm an verschiedenen Stellen furtbar ist, so wurde meine Stellung eine kritische, und ich änderte sie deshalb. Es geschah dieses sofort, indem ich zuerst die am Point of Fork befindliche Bagage und eine Quantität Staats-Vorräthe hierher schaffte und dann selbst nach folgte. Ich habe seitdem von der Abtheilung, welche zu Louisa war, nichts wieder erfahren, weiß aber, daß die zu Goochland befindliche gestern dort blieb. General Lawson ist mit 300 Milizen zu mir gestoßen und heute oder morgen erwarten wir 400 Mann mehr. Ich hatte befohlen, daß alle unterhalb dieses Platzes befindlichen Boote hergeschafft werden sollten; doch der zu reißende Strom erlaubte es nicht. Sobald das Wetter sich aufklärt, beabsichtige ich, von hier aufzubrechen und mich an der Mündung von Willis' Creek zu postiren, wo ich alle Flußbote sammeln werde und wo ich zugleich eine Verbindung nach allen Richtungen hin habe.«
An demselben Tage zeigte er dem Gouverneur Nash von Nord-Carolina an, daß er's unter den obwaltenden Umständen für zweckmäßig erachte, direkt nach diesem Staate zu marschiren.
Steuben hat sich also bei seinem Rückzüge nicht von Simcoe überrumpeln lassen. Dagegen ist es wie gesagt richtig, daß er, als er eine ganze Reihe von Wachtfeuern auf dem linken Flußufer erblickte, seinen Rückzug beschleunigte und einen Theil der nicht transportablen Magazine im Stiche lassend, sie in die Hand des Feindes fallen ließ. Wenn man aber bedenkt, daß Steuben die Annäherung eines feindlichen Corps unter Tarleton gegen seinen linken Flügel bestimmt erfahren hatte und daß Cornwallis' Vorrücken an den James River höchst wahrscheinlich in Verbindung damit stand, wenn man ferner bedenkt, daß Steuben gar keine Cavallerie und nur 500 rohe eingeschüchterte Rekruten hatte, die noch nie einen Feind gesehen und vor Simcoe's Ankunft zur Verstärkung Greene's bestimmt waren, so wird man es in der damaligen Lage Steuben's nicht allein begreiflich, sondern sogar gerechtfertigt finden, daß er lieber einen Theil seiner Vorräthe als seine ganze Mannschaft opferte und sich zurückzog.
Gleichwohl wurde Steuben wegen dieses Rückzuges auf's Maßloseste angegriffen und namentlich von der Regierung des Staates Virginien verleumdet; seine zahlreichen Feinde freuten sich offenbar, daß er sich endlich einmal eine Blöße gegeben hatte. Wir müssen im folgenden Kapitel auf diese Angelegenheit noch einmal zurückkommen. Hören wir deßhalb, um Steuben's Fehler strategisch zu beleuchten, statt alles ungereimten Geschwätzes der virginischen Solone und Großwürdenträger hier den Triumph seines tüchtigen und dies Mal erfolgreichen Gegners, des englischen Oberstlieutenants Simcoe. Er sagt in seinem militärischen Journale über diese Affaire: »Der Oberstlieutenant Simcoe, der von seiner Jugend an gewohnt war, die Taktik als die größte und tiefste aller Wissenschaften zu betrachten, besorgte nie etwas vom Talente solcher Offiziere, die ursprünglich für einen andern Beruf erzogen und nur durch Zufall an die Spitze von Armeen gestellt waren. Er hatte deßhalb stets das Prinzip aufgestellt, daß er bei der Ueberlegenheit der königlichen Offiziere und Truppen seines Erfolges über den Feind immer sicher sein würde, sobald ihm nur eine Truppengattung, sei es Infanterie oder Cavallerie, überlegen sein sollte. Baron Steuben hatte keine Cavallerie; allein damals war doch großer Grund zu Befürchtungen vorhanden, denn Simcoe konnte seine gut disziplinirten und unbesiegbaren Trupps Cavallerie bei der Stellung des englischen Corps schlecht verwenden, und zudem war der Feind nicht von einem amerikanischen, sondern von einem preußischen Offizier commandirt. Die militärischen Instruktionen seines Königs bildeten bessere Offiziere, als irgend eine Theorie und zehn Feldzüge unter einem unfähigen Feldherrn es vermocht hätten. Eben so hatte sich der Baron Steuben in dem Einexerziren der rebellischen Armee als einen ausgezeichneten Offizier bewährt und zugleich bewiesen, daß er die Kriegswissenschaft dem von ihm zu unterrichtenden Heere und Lande sehr gut anzupassen wußte. Er hatte bereits den Fluvanna überschritten, um dem vom General Greene erhaltenen Befehle gemäß zu dessen Armee zu stoßen; ein Expreß, der ihm Gegenbefehl bringen sollte war, wie Simcoe wußte, ein paar Tage vorher vom Obersten Tarleton aufgefangen worden; allein es lag doch die Vermuthung nahe, daß Steuben inzwischen weitere Nachrichten erhalten haben könnte, und mit der Stärke seiner Gegner bekannt, diese anzugreifen beabsichtigte. Simcoe fürchtete deßhalb, daß Steuben, nachdem er seine werthvollen Magazine in Sicherheit gebracht und sich in den Besitz aller Boote gesetzt hatte, in der Nacht an einem höher gelegenen Punkte wieder über den Fluß setzen und das englische Corps überfallen möchte, so daß dieses im Falle einer Niederlage zwischen zwei Flüsse geklemmt, sich nicht zurückziehen könnte, während die Amerikaner, falls sie zurückgeschlagen werden sollten, deßhalb nicht verfolgt werden könnten, weil die ohnehin ermüdete englische Cavallerie nicht in die von ihnen besetzten waldigen Höhen zu dringen vermochte. Simcoe würde sich aus diesem Grunde nach einer günstigeren Stellung umgesehen haben, wenn ihn nicht die Ermüdung seiner Truppen daran verhindert und wenn er nicht gehofft hätte, daß Steuben ihn für die Avantgarde von Lord Cornwallis halten würde. Dieser Irrthum war um so wahrscheinlicher, als Simcoe das 71. Regiment bei sich hatte, das rothe Uniform trug.«
Wie wir gesehen, bestätigte sich Simcoe's Hoffnung. Die zahlreichen Lagerfeuer, welcher dieser auf den Höhen angezündet hatte, bestärkten Steuben in seinem Irrthum, er wähnte sich von der ganzen englischen Armee verfolgt und zog sich zurück.
Ein andrer Tadel, der in Verbindung mit diesem Rückzug und in Bezug aus den Verlust der Vorräthe gegen Steuben gemacht wird, ist in gleichem Maße ungerecht. Stedman behauptet, daß Steuben bei seinem Rückzuge das linke, dem Point of Fork gegenüber liegende Ufer, welches mit Waffen und Vorräthen bedeckt gewesen sei, im Stich gelassen habe; einige Amerikaner behaupten dasselbe, und auf diese Angabe gestützt, hat man den Verlust sehr übertrieben. Lafayette dagegen berichtet, daß bei dieser Gelegenheit kein bedeutender Schaden verursacht sei (» quelques effets peu importants sont detruits«). Mémoires du Général de Lafayette, Tome I. 272 und 478. Lee erwähnt, II. Lee's Memoirs of the War in the Southern Department of the United States (Forces edition) 8° II. 294. daß die meisten vom Feinde daselbst gefundenen Waffen alte unbrauchbare Musketen gewesen seien. Steuben selbst sagt in einem Bericht an Greene, daß nur wenige Artikel und zwar durch Nachlässigkeit der Commissaire und Magazin-Verwalter in die Hände des Feindes gefallen seien. Zugegeben übrigens, daß Steuben seinen Verlust unterschätzt habe, so bleibt es doch eine Thatsache, daß der hauptsächlichste Theil der Vorräthe bereits vor der Ankunft des Feindes in Sicherheit gebracht worden war. Alles ließ sich unmöglich retten; Steuben aber rettete so viel wie möglich war. Daß die Gebäude und Laboratorien zu Point of Fork zerstört wurden, war bei der feindlichen Uebermacht nicht zu verhindern. Oberst William Langborn schreibt, daß der Feind nur zwanzig Faß Pulver und nur wenige Canoes erbeutet habe, da fast alle auf Steuben's Befehle in den Grund gebohrt seien. Die Vorräthe an Kleidern und sonstigen Manufakten wurden durch die Energie des unermüdlichen Davies nach Stanton gebracht, von welchem Platze derselbe am 23. Juni Folgendes an Steuben schreibt: Steuben's Man.-Pap. Bd. VIII. – »Die Gesetzgebung war anfangs sehr entrüstet über die Verluste, welche wir durch die feindlichen Einfälle erlitten hatten, und machte ihrem Unmuth in wirklich maßloser Weise Luft; sie hat sich aber seitdem gemäßigt, nachdem sie herausgefunden, daß der vom Feinde angerichtete Schaden unbeträchtlich war verglichen mit den Plünderungen der Bewohner, von denen wir jedoch einen großen Theil wieder zu erlangen hoffen.«
Nachdem Steuben seinen Rückzug nach Willis-Creek bewerkstelligt hatte, sandte er einen Offizier zur Beobachtung der feindlichen Bewegungen zurück. Dieser berichtete, daß der Feind am Morgen des 6. zwei Flöße von einer Tragkraft für je 80 bis 100 Mann gebaut und daß er eine Brücke über den nördlichen Flußarm geschlagen habe und dadurch mit seiner andern Truppenabtheilung, welche sich Elk Island gegenüber befinde, in Verbindung getreten sei. In einem hierauf bezüglichen Memorial sagt Steuben: Ebendas. Bd. XIII. »Ich konnte nicht einsehen, was den Feind hätte hindern sollen, ein hinreichendes Detachement zur Zersprengung meiner Streitmacht und zur Erbeutung der Vorräthe zu Prince Edward, Charlotte und Halifax Court Houses abzuschicken. Ich hielt es für abgeschmackt, mit einer kleinen Zahl schlechter Truppen gegen solch eine Macht prahlhansig Front zu machen, während der Marquis beinahe 100 Meilen von mir entfernt war und keine Diversion zu mir her machen konnte. Ich befahl deßhalb, daß die Vorräthe an verschiedenen Punkten in solcher Weise gelagert würden, daß immer nur ein Theil derselben in die Hände des Feindes fallen konnte und sandte drei Offiziere nach einander an den Marquis ab, um ihn von meiner Lage zu unterrichten. Durch Circularschreiben forderte ich die Bezirks-Lieutenants auf, die Miliz einzuberufen und, während ich den General Lawson zu Charlotte Court House zurückließ, marschirte ich mit den Rekruten nach Coles Ferry am Stanton ab.«
Steuben kam am 9. Juni an Charlotte Court House und am 10. zu Coles Ferry an. Hier machte er auf seinem Marsche nach dem Süden Halt, um weitere Nachrichten vom General Greene, dessen letzter Brief nur bis zum 1. Mai ging, oder um Ordres von Lafayette zu erwarten. Da der Feind nicht die Absicht zu haben schien, ihm unmittelbar auf der Ferse zu folgen, so ließ er die Miliz zu Charlotte Court House zurück und befahl, daß sie zur Vertheidigung des Staates verwendet werden solle. Gleichzeitig ließ er durch den General Lawson die Vorräthe in Sicherheit bringen, die dem James River zunächst befindlichen nach Albemarle Court House schaffen und die übrigen weiter landeinwärts an verschiedenen Punkten in paralleler Linie mit dem Fluß niederlegen, so daß der Feind, wenn er auf dem Marsche nach Süden nur eine Straße nähme, immer nur einen Theil zerstören könne. In einem an die Bezirks-Lieutenants gerichteten Rundschreiben, worin er Prince Edwards, Cumberland und Amelia Court House als Rendezvous-Plätze für die Miliz bestimmte, sprach er die Erwartung auf Vermehrung seiner Streitkräfte aus und suchte die Nothwendigkeit darzuthun, daß jeder Mann, der bewaffnet werden könnte, einberufen werden müßte. »Ich ersuche Sie,« – sagte er Ebendas. Bd. XII. – »in der ernstesten Weise, daß Sie in Ihrem Bezirk unverzüglich Alle, welche bewaffnet werden können, zusammenrufen und erlauben Sie mir zugleich, Sie darauf aufmerksam zu machen, daß Ihre eigenen Bemühungen so wie die Ihrer Offiziere nothwendig sind, das Volk zum Mitbringen von Waffen, was gewöhnlich nicht geschieht, zu überreden. Es hängt viel vom Offizier ab, den Leuten die Ueberzeugung beizubringen, wie höchst verbrecherisch es in der jetzigen unglücklichen Zeit sei, die Waffen zu Hause zu lassen. Wenn es uns gelingt, so viel Milizen zusammen zu bringen als zum Widerstand gegen den Feind erforderlich sind, so zweifle ich nicht im Geringsten daran, daß wir nicht allein diesen Theil des Staates vor feindlichen Verwüstungen bewahren, sondern daß wir auch den Feind binnen Kurzem auf seine Schiffe zurückzwingen und ihn wahrscheinlich davon überzeugen werden, daß es unmöglich sei, ein von freien Männern verteidigtes Land zu erobern.«
Um besser vor einem Versuche des Feindes, durch den südlichen Theil des Staates zu passiren, gesichert zu sein, ersuchte Steuben den Gouverneur Nash von Nord-Carolina, ihn mit möglichst viel bewaffneten Milizen aus den an Virginien gränzenden Bezirken zu verstärken, und zugleich möglichst viel Pferde aufzutreiben: denn die feindliche Ueberlegenheit an Cavallerie war für Steuben sehr nachtheilig gewesen.
Da Steuben, als er diese Anordnungen traf, noch ohne Nachrichten von Greene war, so benachrichtigte er ihn am 9. Juni von Charlotte Court House, daß er mit ungefähr 550 Rekruten und einer Quantität Vorräthe auf dem Marsche zu ihm begriffen sei, während er den General Lawson mit 600 Milizen zurückgelassen habe, damit dieser das Land vor den Verwüstungen kleiner feindlicher Streifpartien bewahre. Am 12. Juni empfing Steuben jedoch vom General Summer die Nachricht, daß er Befehl habe, mit der Linie von Nord-Carolina nach Virginien zu rücken und zu ihm zu stoßen. Dieser Befehl setzte Steuben in den Stand, sich über Greene's Lage und Absicht eine ungefähre Vorstellung zu machen. Er folgerte daraus mit Recht, daß Greene's Streitkraft für seine Pläne ausreichte und daß er für dieselbe kaum Proviant genug auftreiben könne. Aus diesem Grunde beschloß er, nach dem James River zurückzugehen und mit Lafayette zu operiren. Es ergab sich bald darauf, daß diese Entscheidung die richtige war, da vom Feinde aufgefangene Briefe Greene's vom 14. und 23. Mai 1781, so wie ein Schreiben Lafayette's ihn schon früher angewiesen hatten, sich mit Letzterem gegen Cornwallis zu vereinigen, und da später diesen Befehl bestätigende Briefe wirklich an Steuben gelangten.
Um diese Zeit schrieb er an den Capitän Kirkpatricke, welcher ihm den Tadel der Herren von Nord-Carolina über seinen beabsichtigten Marsch nach dem Süden mitgetheilt hatte, folgenden charakteristischen Brief. »Es ist das Schicksal eines Generals in diesem Lande, daß Jedermann über seine Handlungen aburtheilt, ohne weder die Gründe noch die Befehle dazu zu kennen. Ich kann mich glücklicher Weise damit trösten, daß mein Verhalten eine Untersuchung vertragen kann. Ich habe hier zwei Tage lang auf General Greene's Ordres gewartet und mich inzwischen bemüht, eine genügende Anzahl Milizen zusammen zu bringen, um diese Seite des James River zu decken. Ich habe ihnen versprochen, daß, wenn sie sich mit Entschlossenheit in's Feld stellten, ich's wagen würde, im Staate zu bleiben und meine kleine Macht mit der ihrigen zu vereinigen. Um (da ich finde, daß ein General einem jeden Bürger für sein Verhalten Gründe angeben muß) Ihnen meine Gründe für den Marsch nach dem Süden anzugeben, so waren es bestimmte Befehle des Generals Greene und meine Hoffnung, daß diese Bewegung den Lord Cornwallis beunruhigen und ihn veranlassen werde, mir einen Theil seiner Armee nachzuschicken, was für den Marquis von wesentlicherem Vortheil sein würde, als wenn die fünffache Zahl meiner Rekruten zu ihm stieße.«
Am 13. Juni traf Steuben zu Prince Edwards Court House ein. Nachdem er dem General Sumner befohlen, mit der ganzen Mannschaft, die er auftreiben könne, sei es bewaffnet oder nicht, zu ihm zu stoßen, und nachdem er den Gouverneur Nash von Nord-Carolina ersucht hatte, ihn mit der ganzen Miliz von der virginischen Gränze, soweit er sie bewaffnen könne, zu verstärken, sandte er ein Detachement Miliz nach Carters Ferry, während er sich selbst mit dem Rest der Miliz und mit der Linie an einem den Seven Islands und James River gegenüber liegenden Punkte zu postiren gedachte, um hier die ganze sich einstellende Miliz zu versammeln.
Auf seinem Marsche nach dem James River empfing Steuben Lafayette's Ordre, unverzüglich zu ihm zu stoßen. Lafayette hatte sich vor Cornwallis bis nach Racoon Ford am Rappatannoe zurückgezogen; am 7. Juni aber war er durch 800 Pennsylvanier unter General Wayne verstärkt worden, und nun im Stande, durch einen nächtlichen Eilmarsch die am Rivanna befindlichen Magazine gegen einen Angriff der Briten zu schützen. Cornwallis gab darum seine Verfolgung auf und kehrte nach Richmond zurück, während ihm Lafayette hart auf der Ferse folgte.
»Ich ersuche Sie« – schrieb Letzterer von Mechunk Creek aus am 13. Juni an Steuben H. Gate's Man.-Pap. Bd. XIX. pag. 44. – »daß Sie unverzüglich nach dieser Richtung zurückkehren und sich beeilen, mit den unter Ihrem Commando befindlichen Continentalen und Milizen zu mir zu stoßen. Ich fürchte, daß General Greene's Brief, worin er Sie ersucht, bei uns zu bleiben, Ihnen noch nicht zur Hand gekommen ist; aber wenn Sie nach der Zeit von General Greene's Marsch nach Ninety Six und Augusta keine Ordres empfangen haben, so kann ich Sie versichern, daß er Ihre Vereinigung mit uns wünschte.
Sollte der Feind über den James River setzen, was ich indessen nicht glaube und was er auch bis jetzt noch nicht versucht hat, so muß es in der Absicht geschehen, Carolina wieder zu erobern. In diesem Falle würden Sie auf seinem Wege sein und ihm jedes mögliche Hinderniß entgegenstellen, während ich selbst ihm so rasch wie möglich nachfolgen würde. Sollte der Feind hingegen die Eroberung dieses Staates zu seiner Hauptaufgabe machen, so würde unsere vereinte Macht zum Widerstande nicht zu groß sein. – Vom Norden nichts Neues; es wird übrigens berichtet, daß General Washington mit französischen und amerikanischen Truppen nach Virginien kommen wolle; ich selbst hatte keinen Brief von ihm.«
Steuben machte lange und anstrengende Märsche, um Lafayettes Befehle nachzukommen. Am 16. Juni setzte er bei Carters Ferry über den Fluß, marschirte dann quer durch Goochland County und bewirkte am 19. Juni in Hanover County, ungefähr 25 Meilen nordwestlich von Richmond, seine Vereinigung mit Lafayette. Diese Operation veranlaßte Cornwallis, Richmond zu räumen und sich nach dem Küstenlande zurückzuziehen. Am 25. Juni kam er in Williamsburg an, wo er von Clinton Befehl erhielt, einen Theil seiner Truppen nach New-York zu senden, da der britische Obercommandeur sich durch Washingtons Scheinmanöver zu der Annahme verleiten ließ, daß der letztere Platz bedroht werde. Die Verringerung seiner Macht würde Cornwallis zu sehr geschwächt haben, als daß er in Williamsburg hätte bleiben können. Er beschloß deßhalb im Einklang mit seinen vom Ministerium erhaltenen Instruktionen, einen dauernden Posten an der Chesapeake-Bay zu errichten, der als Mittelpunkt für See- und Land-Operationen dienen sollte. Er ersah sich Portsmouth für diesen Zweck aus. Beim Uebergang über den James River verlockte er den Lafayette bei Jamestown zum Kampf. Derselbe würde ohne die Tapferkeit des General Wayne und ohne den Einbruch der Nacht, welche Cornwallis an der Verfolgung seines Vortheils verhinderte, mit der Vernichtung der ganzen amerikanischen Armee geendet haben.
Die nach New-York bestimmten Truppen waren schon eingeschifft, als Cornwallis Contreordre von Clinton erhielt, weßhalb die Mannschaft wieder ausgeschifft ward und in Virginien blieb. Gleichzeitig wurde ihm von Clinton befohlen, an der Südseite des Flusses einen zum Schutz der Linienschiffe günstigen Posten zu errichten. Da Cornwallis fand, daß Portsmouth dem Zwecke nicht entsprechen würde, so räumte er diesen Platz und befestigte sich zu Yorktown und Gloucester, wo seine ganze Streitmacht bereits am 22. August 1781 concentrirt war.
Inzwischen trug Washington dafür Sorge, daß Clinton in dem Glauben verblieb, der amerikanische Oberfeldherr beabsichtige einen Angriff auf New-York. Vom Ende Juni an traf er alle Scheinanstalten, um Clinton in seiner Täuschung zu befestigen, und, während letztrer sich auf eine lange Belagerung vorbereitete, verließ er mit seiner Armee und den französischen Hülfstruppen heimlich den Hudson und war bereits in der unmittelbaren Nähe von Cornwallis, ehe Clinton überhaupt eine Ahnung vorn Abmarsch des amerikanisch-französischen Heeres hatte. Die französische Flotte traf rechtzeitig in der Chesapeake-Bay ein, um die Belagerung, welche am 25. September begann, zu unterstützen. Cornwallis erkannte sofort, daß für ihn kein Rückzug möglich war; er befestigte sich daher in der Hoffnung auf Verstärkung von Clinton, so viel er konnte, gegen die vereinigten Operationen der amerikanisch-französischen Armee. Letztere rückte am 28. September von Williamsburg gegen Yorktown vor und eröffnete am 1. Oktober die regelmäßige Einschließung dieses Platzes. In der Nacht des 6. Oktobers wurde die erste, am 12. Oktober die zweite Parallele fertig, und am 19. desselben Monats kapitulirte Cornwallis mit seiner ganzen Streitkraft.
Die obige Skizze dieser wichtigen Campagne mußten wir nothwendigerweise vorausschicken, um den Leser nach Yorktown zu führen, an dessen Belagerung Steuben wieder aktiv Theil nahm.
Wenige Tage nach seiner Vereinigung mit Lafayette empfing er den bestimmten Befehl von Greene, sich mit den Virginischen Rekruten unter die Befehle des Marquis zu stellen. So trat also keine Aenderung in Lafayette's Dispositionen ein; allein Steuben, der durch das Clima, Anstrengungen und Aerger angegriffen war, warf gleich nach seiner Ankunft im Hauptquartier ein heftiger Gichtanfall nieder. So mußte er nach einem Landsitz bei Charlotteville gebracht werden, wo er bis zum Anfang des Septembers unter freundlicher Pflege und Gesellschaft wieder gesundete und erstarkte. Hier traf ihn Ende Juli General Greene's Ordre vom 18. Juli, worin er ersucht wurde, sich sobald wie möglich, selbst ohne einen einzigen Mann mitzubringen, zu ihm zu begeben. Am 13. August antwortete Steuben: Greene's Man.-Pap. – »Ich habe Ihr Geehrtes vom 19. Juli, worin Sie mich zu sich entbieten, empfangen. Wenn es Gott gefallen hätte, mein lieber General, daß ich diese Ordre einige Monate früher erhalten hätte, so würde ich vielem Aerger und Verdruß entgangen sein; aber über dieses Thema will ich schweigen, bis ich Sie zu sehen das Vergnügen habe. Meine Pflicht und Neigung würden mich veranlaßt haben, sofort nach Empfang Ihres Briefes zu Ihnen zu eilen, wenn nicht mein schlimmer Gesundheits-Zustand mich daran verhindert hätte. Zahllose Blutgeschwüre, welche sich über meinen ganzen Körper verbreiteten, zwangen mich, mich nach einem Landhause zurückzuziehen. Es ist nicht weit von dem des Herrn Walker, den Sie in Philadelphia als Kongreßmitglied sahen, und seines Vaters, welcher mein Arzt ist. Das heiße Wetter, Gemüthsverstimmung und tausend andere Dinge haben mir dermaßen zugesetzt, daß ich die Strapazen einer Reise noch nicht aushalten kann. Ich werde mich jedoch anschicken, um Ende dieses Monats meinen Marsch anzutreten und hoffe vor Beginn Ihrer Operationen bei Ihnen zu sein.
Ueber unsere politischen oder militärischen Angelegenheiten vermag ich Ihnen nichts zu sagen; ein kranker Mann sieht, wie Sie wissen, die Dinge schlimmer an als sie wirklich sind. Ich hege übrigens die tröstliche Hoffnung, daß ich bald bei dem General sein werde, für den ich die größte Hochachtung, und bei dem Freunde, für den ich die innigste Zuneigung habe.«
Gegen Ende August besserte sich Steuben's Gesundheit. Er war eben im Begriff sich nach dem Süden zu Greene aufzumachen, als er die Kunde von der Ankunft der französischen Flotte vernahm und einen Brief von Lafayette empfing, worin dieser ihn bat, zu seiner Unterstützung zu ihm zu kommen, da er sonst fürchte, Schaden zu nehmen oder ruinirt zu werden. H. Gate's Man.-Pap. Bd. XIX. pag. 66.
Die folgenden Briefe theilen wir unverkürzt mit, da sie ein scharfes Bild von dieser wichtigen Epoche geben und deßhalb von ganz besonderer Wichtigkeit sind.
»Im Augenblick meiner Abreise zu Ihnen,« – schreibt Steuben aus King Williams County am 9. September 1781 an Greene Greene's Man.-Pap. – »erhalte ich die glorreiche Nachricht von der Ankunft der französischen Flotte. Das ganze Land fliegt zu den Waffen. Ich hatte Grund zu fürchten, daß meine Abreise in diesem Augenblicke zu meinem Nachtheile von Leuten ausgelegt werden würde, welche den guten Ruf jedes ehrlichen Mannes zu zerstören suchen. Sie wissen ohne Zweifel, mein lieber General, wie sauer man mir das Leben in diesem Staate gemacht hat. Das größte Opfer, welches ich dem öffentlichen Interesse bringe, ist dieses, daß ich meine Bemühungen um Genugthuung bis nach dem Schluß des gegenwärtigen Aktes verschiebe. Wenn ich früher den Staat verließe, so würde ich meinen Feinden Waffen gegen mich in die Hände geben. Zwei Tage vor Ankunft der französischen Flotte schrieb mir der Marquis, ihm zu Hülfe zu eilen; aber Ihre Befehle und meine Wünsche zu Ihnen zu kommen, machten, daß ich mich für den Süden entschied. Ich bitte Sie, mir zu erlauben, daß ich diese sich jetzt vorbereitende Expedition mitmache. Bei der geringen Zahl Ihrer Leute denke ich, werden Sie ohne mich noch einige Zeit fertig werden, erachten Sie es jedoch für nothwendig und halten Sie die Motive, welche mich zum Hierbleiben veranlassen, für unzureichend, so werde ich mich in demselben Moment, wo ich Ihre Befehle empfange, auf die Reise zu Ihnen begeben. Morgen gehe ich zum Marquis und werde demselben jeden in meinen Kräften stehenden Beistand leisten.«
Am 19. September, als Steuben sich bereits bei Lafayette in Williamsburg befand, schrieb er an Greene: Greene's Man.-Pap.
»Zwei Tage nach meiner Ankunft bei Lafayette (hatte ich das Vergnügen, den General Washington und den Grafen Rochambeau zu sehen. Alle Vorbereitungen für unser großes Unternehmen sind im Gange und bisher hat das Glück unsrer Arbeit zur Seite gestanden. Die Flotte des Grafen de Grasse hat sich mit der des Herrn Barras vor den Augen von Graves und Hood vereinigt; zwei britische Fregatten wurden von unseren tapfern Verbündeten genommen, worauf sich die feindliche Flotte entfernte. Cornwallis befestigt sich wie ein tapferer General, der fallen muß; aber ich denke, er wird mit Ehren fallen. Vorgestern begaben sich General Washington und der Graf Rochambeau zum Admiral an Bord; wir erwarten heute ihre Rückkehr. Der Ankunft unserer Truppen nebst den der Verbündeten aus dem Norden sehen wir stündlich entgegen. Sie schifften sich am 15. d. zu Baltimore ein. Sobald sie ankommen, werden unsere Operationen beginnen. Dies, mein lieber General, ist der entscheidende Moment, die glücklichste Zeit, welche ich in Amerika verbracht habe. Jeder Vortheil scheint sich auf die Seite der guten und gerechten Sache zu neigen. Der junge Oberst Laurens besuchte mich gestern; er ist so eben von Frankreich zurückgekehrt und bringt Alles mit, was zur Beendigung des Krieges nothwendig ist. Der französische Hof hat dem Kaiser auf seinen Vermittelungsvorschlag geantwortet, daß er sich ohne Zustimmung seiner Verbündeten in keine Negotiationen einlassen könne, und da der hochmüthige Brite diesen Verbündeten nicht als eine unabhängige Macht ansehen will, so sind die Verhandlungen abgebrochen. Ich bin überzeugt, daß der Erfolg dieser Campagne unsre Feinde gefügiger machen wird.«
Als die Operationen gegen Yorktown begannen, bat Steuben den Obergeneral um ein regelmäßiges Commando. Washington gab ihm dies Mal sehr gern die combinirte Division von Virginien, Pennsylvanien und Maryland. Sie zählte im Ganzen 2309 Mann, von denen 1346 auf Wayne's Brigade und 953 auf die Brigade Gist kamen. Am 3. Oktober hatte laut einem vor uns liegenden Rapport Wayne indessen nur 781 Mann und Gist bloß 445 Mann kampffähig, nicht weniger als 617 Mann waren krank. Steuben war von allen amerikanischen Offizieren der Einzige, welcher schon mehrere regelmäßige Belagerungen mitgemacht hatte und sogar bei der berühmten Eroberung von Schweidnitz als Adjutant Friedrich's des Großen thätig gewesen war. – Seine Dienste waren deßhalb um so unschätzbarer, als das Hauptquartier und der Generalstab Washington's gemeinschaftlich mit dem französischen Generalstab berathen und handeln mußte und als ein mit der Theorie und Praxis der Belagerungskunst vertrauter General wie Steuben auch auf diesem, seinen Kameraden unbekannten Felde die Ehre der amerikanischen Waffen am Nachdrücklichsten wahren konnte.
»Ich bin glücklich,« – schreibt Davies am 6. Oktober aus Richmond an ihn Steuben's Man.-Pap. Bd. VIII. – »daß Sie noch in Virginien sind und gratulire Ihnen zu unseren erfreulichen Aussichten. Sie hatten sich schon lange für die Nothwendigkeit ausgesprochen, daß uns mehr Aufmerksamkeit und Hülfe aus dem Norden werden müsse, und ich zweifle nicht, daß Ihre Vorstellungen dazu beigetragen haben, daß uns jetzt endlich die ersehnte Hülfe zukommt.«
Von Steuben's Thätigkeit während der Belagerung sind uns mir wenige Züge aufbewahrt. Wir wissen bloß, daß er mit seiner Division am 11. Oktober die zweite Parallele eröffnete und am anderen Morgen vollendete, John C. Hamilton: History of the Republic of the United States, N. Y. 1858, II. 267. nachdem er sie während der Nacht bis innerhalb dreihundertundsechzig Yards ( à 3 Fuß) von der feindlichen Batterie gebracht hatte. Bei dieser, wie bei allen anderen Gelegenheiten stand ihm sein Brigade-General Wayne energisch zur Seite. »Einst fiel« – so erzählt North – »in der unmittelbaren Nähe der beiden Generale eine feindliche Bombe nieder. Steuben warf sich in dem Laufgraben zur Erde und Wayne fiel in der Eile auf ihn. Der Baron wandte seinen Kopf und sah, daß sein Brigadier auf ihm lag. ›Ich wußte,‹ – sagte er lächelnd – ›schon lange, General, daß Sie ein tapfrer Offizier sind, aber ich wußte bisher noch nicht, daß Sie Ihrer Pflicht in jedem Punkte so gewissenhaft nachkommen: Sie decken den Rückzug Ihres Generals in der bestmöglichsten Weise.‹«
»Der Baron de Vioménil« – erzählt Steuben Steuben's Man.-Pap. (Sprague in Albany). – »commandirte am 10. Oktober mit vier Uhr Abends in den Laufgräben und ließ mir durch den Grafen von Deuxponts sagen, daß er bei dem Besuche derselben meine Division sehr schwach gefunden habe. Da nun aller Wahrscheinlichkeit nach der Feind in der kommenden Nacht einen Ausfall machen würde, so wolle er, wenn er es für nöthig halten sollte, meinen linken Flügel mit 500-800 Mann verstärken. Ich antwortete dem Grafen Deuxponts in Gegenwart des Generals Wayne, daß ich keine Verstärkung nöthig zu haben glaubte, daß ich aber, falls der Feind gegen mich ausfallen sollte, ihm dafür stände, meine Batterie zu behaupten, bis mir Baron Vioménil zu Hülfe kommen könnte. Uebrigens sollte er sich darauf verlassen, daß ich, falls er selbst angegriffen würde, ihn mit 800 Mann in zwei Colonnen sofort unterstützen würde. Als Graf Deuxponts sich entfernt hatte, bemerkte Wayne, daß ich nur 1000 Mann in meiner ganzen Division hätte. Allerdings, antwortete ich, das ist auch meine Rechnung, allein wenn jener Fall eintritt, so werde ich 200 Mann zur Vertheidigung der Batterie auf meiner Rechten lassen und mit den übrigen 800 werden wir sofort in zwei Colonnen ausfallen. Wenn ich aber den Gascogner in Betreff der Zahl meiner Leute spiele, so geschieht es nur zu Ehren Ihres Landes. Wayne nahm mich darauf bei der Hand und sagte sich an die anwesenden Offiziere wendend: ›Jetzt, meine Herren, ist es unsere Pflicht die Uebertreibung des Baron Steuben wahr zu machen und ihn gerade so zu unterstützen, als wenn er die doppelte Truppenzahl hätte.‹« –
Steuben hatte gerade in den Laufgräben das Commando, als Cornwallis die ersten Capitulations-Eröffnungen machte. North a. a. O. Zur Ablösungszeit am nächsten Morgen erschien, wie North berichtet, der Marquis de Lafayette mit seiner Division; Steuben wies aber die Ablösung zurück und gab als Grund für seine Weigerung die in Europa herrschende Etiquette an, wonach der Offizier, während dessen Commando's die Kapitulation angeboten werde, die Ehre habe, mit seinen Truppen so lange in den Laufgräben zu bleiben, bis entweder die Bedingungen der Uebergabe festgesetzt oder die Feindseligkeiten wieder erneuert seien. Steuben betrachtete es deßhalb als einen Ehrenpunkt, nicht von der Stelle zu weichen. Lafayette dagegen hätte gern den Ruhm für sich gewonnen und ausgebeutet, daß der stolze Cornwallis gerade ihm sich übergab. Er brachte daher den Streit vor Washington, welcher indessen Steuben Recht gab. Dieser hatte somit die Genugthuung, daß er auf seinem Posten bleiben konnte, bis die englische Flagge gestrichen und damit für die amerikanisch-französischen Waffen der stolzeste und entscheidendste Akt des ganzen Krieges geschlossen war.
Mit Cornwallis' Gefangennahme hörte natürlich auch der Feldzug auf, und die verbündeten Armeen kehrten an den Hudson zurück.
Unter den amerikanischen Generälen, deren Namen Washington in dem am Tage nach der Uebergabe erlassenen Armeebefehle besonders hervorhebt, wird Steuben neben Lincoln, Knox, Lafayette und Duportail auf's Ehrenvollste erwähnt.