Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Steuben kehrte mit der Haupt-Armee nach dem Norden zurück und war fortan ausschließlich mit der Vervollkommnung der Disziplin derselben beschäftigt. Er hielt es zunächst für nothwendig, sein System zu vereinfachen. Da sämmtliche Offiziere mit einer gedruckten Vorschrift versehen waren und ihre Pflichten kannten, so handelte es sich nur noch darum, wie man die Ausübung derselben überwachen sollte.
»Als das Inspektions-Departement errichtet wurde,« – schrieb Steuben Anfangs Januar 1782 an Washington, Steuben's Man.-Pap. Bd. XII. – »war die Einführung einer gleichförmigen Disziplin in allen Armeecorps der Vereinigten Staaten der Hauptgesichtspunkt. Die Einführung eines Systems hat in jeder Armee, wo früher keins vorhanden war, mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen; in unsrer Armee war es nicht minder der Fall, und nahm die Disziplin die äußerste Thätigkeit ihrer zu diesem Zwecke angestellten Offiziere ausschließlich in Anspruch. Durch ihren Eifer und ihre Aufmerksamkeit ist dieser Zweck erreicht worden. Das System ist eingeführt und die Offiziere sind mit demselben so gut bekannt geworden, daß sie kaum noch einer Anweisung in den einzelnen Zweigen ihres Dienstes bedürfen. Alles was wir jetzt noch nöthig haben, ist deshalb eine General-Inspektion des Ganzen, damit die eingeführte Disziplin aufrecht erhalten wird und kein Theil der Armee im Geringsten von den festgesetzten Regeln abweicht.
Ich möchte deshalb vorschlagen, daß die Zahl der Offiziere dieses Departements in Zukunft auf einen General-Inspektor und zwei Inspektoren, einen für die Nord- und einen für die Süd-Armee, beschränkt würde; ihre Aufgabe im Allgemeinen wäre, daß sie die Truppen monatlich musterten und Alles, was sich auf ihre Ausrüstung bezieht, inspizirten. Sie hätten gleichzeitig darauf zu sehen, daß der Dienst im Einklang mit den bestehenden Vorschriften in ihren respektiven Armeen ausgeführt würde. Dies ist nur ein allgemeiner Umriß dessen was ich vorschlagen möchte. Sollte Ew. Exzellenz damit einverstanden sein, so würde ich einen genaueren Plan ausarbeiten, worin die Pflichten der Inspektoren bestimmter angegeben wären.«
Washington unterstützte Steuben's Vorschläge. Dieser arbeitete darauf einen Plan aus, welcher am 10. Januar 1782 vom Congreß angenommen und dann mit vollständigem Erfolg in Ausführung gebracht ward. Er enthält Steuben's ursprüngliche Ideen, die er bereits im Lager von Valley Forge ausgearbeitet und zu verwirklichen angefangen hatte, als die Eifersucht der übrigen Offiziere zu ihrem eigenen Schaden sein kaum begonnenes Werk unterbrach. Also volle vier Jahre hatte es gedauert, ehe die Armee einsehen lernte, daß die Einheit in der Disziplin, Inspizirung und Formirung der Truppen nur durch eine vereinfachte Einrichtung der General-Inspektion erreicht werden konnte. Als Steuben im Jahre 1778 nur einen einzigen General-Inspektor verlangte und diesen bloß vom Congresse, dem Oberbefehlshaber und Kriegsrath abhängig gemacht wissen wollte, verlästerte man seine im Interesse der Sache gebotene Forderung als ein ehrgeiziges Streben nach Macht und ging im souverainen Unverstand so weit, die General-Inspektion dem guten oder vielmehr schlechten Willen jedes beliebigen Obersten unterzuordnen. Jetzt nach vierjährigen Erfahrungen kam man endlich auf Steuben's ursprünglichen Plan zurück und gab ihm dadurch nicht allein Recht, sondern gestand auch das begangene Unrecht ein. Wäre dieser Plan vier Jahre früher in Wirksamkeit getreten, so würde die Inspektion unendlich mehr geleistet und größern Nutzen gestiftet haben. Fortan war Steuben General-Inspektor der ganzen (nördlichen und südlichen) Armee und General Stewart Inspektor der nördlichen, Oberst Ternant dagegen der südlichen Armee.
Der neue Congreß-Beschluß Journals of Congress VII. 265-268. hob nämlich alle früheren auf das Inspektions-Wesen bezüglichen Beschlüsse auf und bestimmte:
»Es soll ein General-Inspektor der Armeen der Vereinigten Staaten da sein, welcher durch den Congreß aus den General-Offizieren gewählt wird und welchem außer seinen Linien-Adjutanten ein Sekretair gestattet ist. Der Sekretair soll aus der Linie genommen werden und zu dem Gehalt und den Emolumenten eines Adjutanten berechtigt sein. Es soll ein Inspektor für jede separate Armee vorhanden sein, der aus der Reihe der Feldoffiziere der Linie genommen wird und zu seinem Gehalte und Nebeneinkünften in der Linie noch dreißig Dollars pro Monat erhält.
Der General-Inspektor oder Inspektor einer separaten Armee soll ein Mal in jedem Monat in dem vom Oberbefehlshaber oder dem Commandeur der separaten Armee zu bestimmenden Zeitpunkt, Ort und Modus die verschiedenen Truppengattungen revidiren und mustern. Bei dieser Revue soll die Zahl und der Zustand von Mann und Roß, sowie die Disziplin der Truppen, der Zustand ihrer Waffen, Armaturstücke, Munition, Kleidung und Feld-Equipage inspizirt werden. Sie haben darüber an den Oberbefehlshaber oder den Commandeur der separaten Armee Bericht zu erstatten und in diesem die Mängel, Vernachlässigungen und Mißbräuche und wo möglich die Art und Weise, wie sie entstanden und sich zutrugen, zu bemerken und gleichzeitig die ihnen in irgend einem Zweige des militärischen Systems nothwendig erscheinenden Aenderungen und Verbesserungen anzugeben. Von diesen Berichten soll der Oberbefehlshaber oder der Commandeur einer separaten Armee Duplikate an den Kriegs-Sekretair schicken.
Der General-Inspektor oder der Inspektor einer separaten Armee soll nach jeder Musterung sobald wie möglich einen Musterungs-Bericht über die ganze Armee, in der er dient, an den Commandeur derselben erstatten, worauf dieser ein Duplikat davon an den Kriegs-Sekretair zu senden hat. Nach jeder Revue soll der Inspektor sobald wie möglich an den Oberbefehlshaber oder den Commandeur einer separaten Armee über alle solche Soldaten berichten, welche wegen Unfähigkeit oder aus anderen Ursachen entlassen oder den Invaliden überwiesen werden müssen. Es soll in Zukunft keine Entlassung gültig sein, wenn sie nicht von dem Oberbefehlshaber oder dem Commandeur der Armee, wo die Entlassung stattfand, unterschrieben ist.
Der General-Inspektor oder der Inspektor einer separaten Armee soll befugt sein, sich von dem General-Quartiermeister, dem General-Kleidungs-Commissair und dem Feld-Commissair der Militair-Vorräthe oder deren Stellvertretern Berichte über die Artikel, welche sie an die einzelnen Corps gegeben und von denselben zurückerhalten haben, erstatten zu lassen, damit die Inspektoren sehen, ob jeder abgelieferte Artikel regelmäßig und richtig notirt und den Regulativen gemäß dem Corps belastet ist.
Der General-Inspektor oder der Inspektor einer separaten Armee soll ermächtigt und verpflichtet sein, die Militär-Hospitäler der Vereinigten Staaten von Zeit zu Zeit zu besuchen, den allgemeinen Zustand derselben und die Behandlung der Kranken zu prüfen und darüber dem Armee-Commandeur zu berichten; und der Direktor, Vice-Direktor oder beaufsichtigende Wundarzt irgend eines Hospitals soll ihnen solche Berichte geben, wie sie's behufs besserer Ausübung ihres Amtes für nöthig erachten.
Der General-Inspektor soll selbst vor der Eröffnung und am Schluß jeder Campagne oder so oft es der Oberbefehlshaber für angemessen hält, jeden Theil der Armee besuchen und danach sehen, daß Gleichförmigkeit in den Armeen der Vereinigten Staaten herrscht.
Der General-Inspektor und die Inspektoren der separaten Armeen sollen in der Ausübung ihres Amtes nur den Befehlen des Congresses, des Kriegs-Sekretairs, des Oberbefehlshabers oder des Commandeurs einer separaten Armee unterworfen sein. Und damit die Inspektoren den Pflichten ihres Amtes besser nachkommen können, sollen sie von allen anderen Pflichten entbunden sein, ausgenommen, wenn der Oberbefehlshaber oder der Commandeur einer separaten Armee es anders beschließt.
Alle Inspektions-Berichte müssen nach den Formularen, die der General-Inspektor vorschreibt, gemacht werden.
Jedem Inspektor einer separaten Armee wird gestattet, sich aus der Reihe der Capitaine einen Gehülfen zu nehmen und diesem letzteren soll außer seinem regelmäßigen Gehalt eine Zulage von zehn Dollars pro Monat gewährt werden.
Es sei hiermit beschlossen, daß der General-Major Baron Steuben General-Inspektor der Armee dieser Vereinigten Staaten bleibe und daß er die Macht habe, alle zur Ausführung des obigen Planes nöthigen Offiziere unter vorhergegangener Zustimmung des Oberbefehlshabers anzustellen.«
Steuben befand sich zu dieser Zeit im oder beim Hauptquartiere Washington's. Da manche seiner alten Bekannten, namentlich viele französische Offiziere, ihm hier Besuche abstatteten, so setzte er nicht geringen Stolz darin, ihnen die militärische Disziplin und Gewandtheit zu zeigen, welche die amerikanischen Truppen unter seiner Leitung erlangt hatten. Er hielt deshalb viele Paraden ab, und die französischen Offiziere sprachen ihre Bewunderung aus über die Geschicklichkeit und namentlich über die Ruhe, womit die Manöver ausgeführt wurden. Diese Ruhe setzte sie um so mehr in Erstaunen, als die französischen Truppen bei ihren Märschen und Evolutionen sehr geräuschvoll waren. »Geräusch?« rief der Baron gegen den General Montmorency gewendet aus, der sich über diesen Punkt aussprach: »ich wüßte nicht, woher das Geräusch kommen sollte, wenn sogar meine Brigadiers nicht wagen, ihren Mund zu öffnen, außer um meine Befehle zu wiederholen.« Bei einer andern Gelegenheit, wo ein heftiger Sturm eine große Revue verhindert hatte, wurde Steuben von einem der französischen Generale, die sich mit ihm in sein Zelt zurückgezogen hatten, gefragt, welche Manöver er auszuführen beabsichtigt habe. Nachdem Steuben ihm geantwortet, erwähnte der Offizier eines schwierigen Manövers, welches er die Preußen in Schlesien hatte ausführen sehen. »Aber, fügte er hinzu, wir erwarten nicht, daß Ihre Truppen es der Veteranen-Armee des Königs von Preußen gleich thun sollten. Alles hat seine Zeit!« ›Die Zeit wird nächste Woche kommen,‹ sagte Steuben, als sich seine Gäste zurückgezogen hatten und, fügte er hinzu, ›ich werde den Herren, welche nicht in Schlesien gewesen sind, die Mühe sparen, zu ihrer Belehrung weiter als Verplank's Point zu gehen.‹«
Die Ordre zur Revue erschien und am bestimmten Tage wurden die fraglichen Evolutionen im Beisein einer großen Anzahl von Offizieren mit großer Präcision ausgeführt. North in seiner Broschüre und Bowens Life of Steuben pag 46 u. 47.
»Ach! wenn ich an den Tag denke,« sagt North, »und nach jener Höhe hinschaue, auf der General Washington's Zelt aufgeschlagen war, vor dem dieser große, sich seiner Tugend bewußte Mann stand, umgeben von französischen Edelleuten und den Chefs seiner eigenen Armee, – wenn ich dieses Anblicks gedenke, dann thut mir das Herz weh! Wie Wenige dieser glänzenden Schaar sind jetzt noch unter den Lebenden, und diese Wenigen kraftlos wankend am Rande des Grabes!« Das Zelt des Barons war an jenem Tage von Franzosen überfüllt. »Ich freue mich,« sagte er, »daß wir unserm Alliirten einen Theil der Schuld für empfangenes Mittagessen abtragen können.« Bei der Belagerung von York oder unmittelbar nachher hatte er das zu seiner Feld-Equipage gehörige und von Europa mitgebrachte Silberzeug verkauft, um für den Erlös ein Fest zu veranstalten. »Ich kann es nicht länger ertragen,« – hatte er bei dieser Gelegenheit geäußert – »daß wir stets mit diesen Leuten zu Mittag essen und ihnen nicht mal ein Stück Bratwurst dafür wieder geben können – sie sollen ein großes Diner haben, sollte ich auch später meine Suppe stets mit einem hölzernen Löffel essen müssen.«
Uebrigens verging das ganze Jahr ohne ein wichtiges Ereigniß. Die amerikanische Armee lagerte in der Nachbarschaft von Neuburg am Hudson und in Jersey, um für die beabsichtigten Operationen gegen Newyork bei der Hand zu sein. Die Zuversicht auf den Friedensschluß war indessen allgemein und es geschah wenig oder nichts, um alte Verpflichtungen zu erfüllen oder neue Opfer zu bringen. Die Armee blieb unvollständig, ihre Bedürfnisse wurden vernachlässigt, der Sold ward vorenthalten, und nichts wurde gethan, um selbst den dringendsten Forderungen zu entsprechen. Steuben fühlte die schlimmen Folgen dieser Vernachlässigung sowohl für sich wie für sein Departement und die ganze Armee. Am 1. März 1782 schuldeten ihm die Vereinigten Staaten die baare Summe von 6850 Dollars, und da er nicht mehr im Stande war, Geld mit Verlust von 38 bis 40 pCt. auf Wechsel zu erlangen oder sonst wie zu borgen, so ersuchte er den Oberbefehlshaber, sein Verlangen nach Bezahlung dessen, was er gut hatte, zu unterstützen. »Ohne Ew. Exzellenz mit einer detaillirten Schilderung meiner mißlichen Lage zu belästigen« – schreibt er am 1. März 1782 an Washington Steuben's Man.-Pap. Bd. XII. – »bitte ich Sie, meine amtliche Thätigkeit gegen die der übrigen Offiziere zu erwägen. Die jetzt eben in Kraft tretenden Arrangements für die Vertheilung des Proviants, der Fourage ec. werden für mich nicht vortheilhaft sein: denn ich habe auf meinen Reisen von einem Staate zum andern doppelte Ausgaben und muß in den Gasthäusern mit baarem Gelde nicht allein für mich, sondern auch für meine Adjutanten und die zur Reise nöthigen Pferde bezahlen. Es würde mich freuen, wenn die vom Congreß ausgesetzte Summe meine Auslagen deckte. Ich verlange nicht von meinem Gehalte etwas zu sparen, aber ich erkläre, daß ich meinen Dienst nicht verrichten kann, wenn nicht mein Gehalt für Januar und Februar, sowie für die Zukunft regelmäßig bezahlt wird. Hinsichtlich meines rückständigen Guthabens werde ich damit zufrieden sein, daß davon Dll. 6000 im öffentlichen Fond verbleiben, vorausgesetzt, daß man mir die übrigen Dll. 850 bezahlt, da ich dieses Betrags unbedingt bedarf, um meine hiesigen Ausgaben zu bestreiten und die nöthigen Anschaffungen für die nächste Campagne zu machen.«
Auf besondere Verwendung des Oberbefehlshabers und anderer persönlichen Freunde erhielt Steuben diese Dll. 850 und außerdem noch Dll. 500 für Januar und Februar. Dieses war Alles, was er bis dahin während seiner ganzen Dienstzeit empfangen hatte.
In der Armee herrschte allgemeine Unzufriedenheit: man kann sich nicht darüber wundern, daß die Offiziere entrüstet und mißtrauisch wurden und daß der Geist der Meuterei unter den Soldaten täglich ungestümer hervortrat, wenn man den Bericht liest, welchen Steuben am 25. Mai 1782 an den Kriegsminister, General Lincoln, erstattete.
»Gestern« – sagt er Ebendas. Bd. XI. – »sind es drei Tage, seitdem unsere Armee keinen Proviant erhalten hat; für die Pferde der Offiziere ist bereits seit einigen Tagen keine Fourage mehr geliefert worden. Alle Departements sind ohne Geld und ohne Credit; daß des General-Quartiermeisters ist an allen Gliedern gelähmt. Unsere Armee wird nicht im Stande sein, einen Tagemarsch zu machen, da wir ohne die nothwendigen Mittel und Vorräthe sind. Offiziere und Soldaten sind im höchsten Grade unzufrieden. Ihr Murren ist durch das letzte Arrangement, wonach ihnen die Rationen ohne die geringste Compensation entzogen wurden, bedeutend gesteigert. Sie haben zweifelsohne schon von der beabsichtigten Versammlung der Connecticut-Linie gehört; der Plan wurde am Tage vor der Ausführung entdeckt. Der Rädelsführer ist mit dem Tode bestraft worden. Einige Tage später überreichten die Sergeanten der Massachusetts-Linie dem Oberbefehlshaber eine Denkschrift, worin sie ihre Löhnung verlangen. Ueberall wohin ich gehe, höre ich Klagen, die mich die unheilvollsten Folgen fürchten lassen. Die Stabs-Offiziere der Armee, denen beides, Bediente und Bedienten-Rationen entzogen sind, werden sämmtlich resigniren. Der Ober-Auditeur und verschiedene Andere haben bereits ihre Entlassung eingereicht. Unser Land hat den höchstmöglichsten Grad des Elends erreicht. Die Offiziere können es nicht länger aushalten: sollen wir sie durchaus zur Verzweiflung treiben?
Was ich Ihnen berichte, bezieht sich nicht eigentlich auf mein Departement und es ist, wie ich glaube, nur ein Duplikat dessen, was Ihnen der Oberbefehlshaber mittheilen wird; aber ich halte es für meine Pflicht, Ihnen die Calamität in der Armee vorzustellen und meine Befürchtungen für die Folgen auszusprechen.«
Unter solchen Umständen war es ein Glück für die amerikanische Armee, daß der Feind ohne Kunde ihres traurigen Zustandes blieb; denn sonst hätte er sich die günstige Gelegenheit, sie gänzlich zu vernichten, wahrscheinlich nicht entgehen lassen. Die Briten beschränkten sich nach wie vor auf die Beobachtung Washingtons und hielten sich in dem alten Geleis ihrer bisherigen Kriegsführung. Ihre geschwächte Streitmacht schien ihnen keinen entscheidenden Schlag zu erlauben.
Zu Anfang des Jahres 1782 beabsichtigte Washington einen Angriff auf Newyork und fragte unter Anderen auch Steuben um seine Meinung. Da die letztere ein klares Bild von dem Zustande der beiden Armeen giebt, so theilen wir sie hier mit: Ebendas. Bd. IX.
»Ehe ich die mir von Ew. Exzellenz vorgelegten Fragen beantworte, halte ich's für nothwendig, einen vergleichenden Blick auf die Truppen zu werfen welche der Feind jetzt auf dem Continent hat und welche wir für die nächste Campagne wahrscheinlich ins Feld zu stellen vermögen. Eben so wenig wie ich bei der feindlichen Streitmacht die Truppen in Quebeck und Halifax berücksichtige, bringe ich bei der unsrigen die Miliz in Anschlag, welche wir im Fall der Noth auftreiben könnten. Die Bilanz stellt sich dann wie folgt:
Britische Truppen | Alliirte Armee | ||
Reguläre in Newyork | 9000 | Nördliche Continentalarmee | 10000 |
Miliz | 3000 | Französische Truppen | 4000 |
Garnison in Charleston | 3000 | Südliche Armee | 2000 |
do. in Savannah | 700 | ||
_____ | _____ | ||
15700 | 16000 |
Diese Bilanz wird zur Genüge beweisen, daß die numerische Uebermacht uns nicht zu einem energischen offensiven Feldzuge veranlassen kann, noch viel weniger aber zur Belagerung von Plätzen, die wie New-York und Charleston durch Natur und Kunst gleich stark befestigt sind.
Die drei Propositionen weisen einfach auf das Unternehmen gegen New-York hin. Die erste nimmt die feindliche Macht in dieser Garnison als so stark an, wie ich sie oben geschätzt habe, und setzt voraus, daß der Feind im Besitz des Hafens bleibt und eine uns überlegene Küstenflotte hat; die zweite nimmt an, daß der Feind die obige Landmacht habe und im Besitz des Hafens bleibe, ohne indessen die Uebermacht zur See zu besitzen. In beiden Fällen erscheint mir ein Versuch gegen die Garnison absolut unthunlich, selbst wenn unsere Zahl durch die Miliz verdoppelt würde.
Der Feind hat sich auf drei Inseln befestigt. Wenn wir eine derselben angreifen, so müssen die andern beiden in Schach gehalten werden. Sollten dann die Belagerten 12,000 Mann und die Belagerer 24,000 Mann stark sein, so müßten die letzteren in drei Abtheilungen von je 8000 Mann getheilt werden. Die Angriffspunkte sind: die Passage bei Kingsbridge, die Höhen von Brooklyn und die Werke auf Staten Island. Die kürzeste Communications-Linie zwischen ihnen ist 20 bis 24 Meilen, während ein Fluß sie von einander trennt. Wie soll nun die eine die andere unterstützen, falls der Feind einen überlegenen Angriff macht, den er durch seine vorteilhafte Wasserverbindung leicht bewerkstelligen kann? Und gesetzt auch, daß wir in den Besitz einer der Inseln gelangten, auf welche Weise sollten wir unsere Flanken vor einem feindlichen Angriff von der Wasserseite her decken? Und wenn wir gar das Unglück hätten, daß eine unserer Divisionen eine Niederlage erlitte, welcher Rückzug bliebe dann, so lange der Feind Herr des Wassers wäre?
Diese Gründe allein beweisen die Unangemessenheit eines Unternehmens, so lange der Feind im Besitz des Hafens und des Wassers ist, von dem die Inseln umgeben sind.
Sobald eine überlegene Flotte den äußern Hafen blockirt hat, wird, denke ich, unser Hauptaugenmerk auf Long Island gerichtet sein, in welchem Falle der größere Theil unsrer Macht nothwendigerweise dazu verwandt werden muß, die Werke in Brooklyn entweder durch Sturm oder regelmäßige Approchen zu nehmen, dann Batterien zu errichten und die Stadt und die Flotte in der Bay zu bombardiren. Aber auch dann wird es nothwendig sein, daß unsere Fregatten im Besitz des Sundes sind und daß Batterien auf unseren Flanken zur Beherrschung des Flusses errichtet werden.
Die letzte Präposition nimmt an, daß wir im Besitz des Hafens sind und die Uebermacht zur See haben. In diesem Falle wären wir sehr zu tadeln, wenn wir nicht den Versuch machten; doch auch dann würde ich vorschlagen, daß wir die bestimmtesten Versicherungen hätten, daß die für diesen Dienst bestimmte Flotte lange genug dabliebe, um mit uns zu operiren. Auch würde es nothwendig sein, eine genaue Schätzung der Truppenzahl und der uns bei dem Versuche zu Gebote stehenden Mittel vorzunehmen.
Wenn der Feind die südlichen Staaten verließe und seine ganze Macht in New-York concentrirte, so beliefe sich diese auf 16,000 Mann, die unsrige würde aber durch Zurückrufung unsrer Truppen von dorther auf beinahe dieselbe Stärke gebracht werden. Wenn der Feind den Besitz von Charleston und Savannah behält, dann muß auch General Greene dort bleiben und wir bleiben dann zum Feinde im selben Verhältnis von 14,000 zu 14,000.
Es würde nicht weniger schwierig als gewagt sein, wenn wir den Feind in seiner gegenwärtigen Stellung mit weniger als der doppelten Anzahl oder mit 28,000 Mann angriffen. Wenn die Staaten New-Hampshire, Massachusetts, Rhode Island, Connecticut, New-York und Jersey 4000 Mann zur regulären Armee stellen könnten, so würde sich diese auf 11,000 Mann continentaler Truppen, 4000 Franzosen und 10,000 Milizen belaufen. Bei dieser, aber nicht bei einer geringeren Stärke möchte ich für den Versuch stimmen. Außerdem aber sollte ein genauer Ueberschlag über die Artillerie, das Ingenieurwesen, das Quartiermeister- und Commissariats-Departement gemacht werden, damit wir nicht in Schwierigkeiten verwickelt werden, die stets aus dem Mangel an den für die einzelnen Theile der Armee nöthigen Mitteln entstehen.
Dieses ist meine Meinung über den Gegenstand, den Sie meiner Erwähnung zu unterbreiten mir die Ehre erwiesen haben. Ich kann übrigens nicht umhin, Ew. Exzellenz meine Befürchtung darüber auszudrücken, daß die Voraussetzungen, auf denen die Fragen beruhen, niemals verwirklicht werden. Die letzte unglückliche Niederlage der Flotte in West-Indien, die Unwahrscheinlichkeit, eine zur Belagerung hinreichende Streitmacht aufzubringen und die Schwierigkeit, ich möchte fast sagen, die Unmöglichkeit, sie zu unterhalten, giebt dieser Vermuthung nur allzu gerechten Grund.
Doch obgleich unsre eigentümliche Lage es gewagt erscheinen läßt, eine Operation zu unternehmen, welche mehr Streitkräfte und größere Hülfsquellen verlangt, als wir gegenwärtig besitzen so bin ich doch nicht der Ansicht, daß wir die Campagne hingehen lassen sollten, ohne die erreichbaren Vortheile zu erstreben. Die Armee sollte weiter hinunter rücken und eine vortheilhafte Stellung in oder nahe bei Whiteplains einnehmen; und wenn es unsre Stärke erlaubte, daß die beiden New-Yorker Regimenter nebst Hazen's Regiment sich mit den beiden jetzt an der nördlichen Grenze stehenden New-Hampshire-Regimentern verbänden und unter Hazen's Commando auf dem kürzlich durch ... Im Manuskripte offen gelassen. angelegten, oder auf irgend einem anderen Wege nach St. Johns in Canada marschirten, so würde diese Diversion, wenn sie auch sonst keine Vortheile hätte, doch wenigstens die Einfälle der Wilden verhüten und dadurch von der größten Wichtigkeit werden.
Sollte es deßhalb gerathen sein, die französischen Truppen aus Virginien zurückzurufen, so würde ich der Ansicht sein, daß die Armee stark genug wäre, hinunter zu rücken und eine vortheilhafte Stellung in oder nahe bei Whiteplains einzunehmen; – und wenn unsere Lage nach Verstärkung durch Rekruten und Miliz eine Diversion der beiden New-York- und New-Hampshire-Regimenter unter Hazen nach der Garnison zu St. Johns in Canada erlaubte, so bin ich überzeugt, daß die heilbringendsten Folgen daraus entstehen würden.«
Aber auch diese Diversionen wurden nicht einmal ausgeführt. Steuben fuhr indessen fort, die Armee zu revidiren und zu inspiziren und seine Monatsberichte an den Oberbefehlshaber und den Kriegssekretair zu erstatten. Wir greifen hier aus gut Glück einen Bericht heraus, welchen wir in dem vor uns liegenden sorgfältig geschriebenen und redigirten Inspektionsbuche Steuben's finden. Dasselbe enthält die in derselben Weise geführten Berichte für die nördliche Armee vom März 1782 bis Dezember 1783 und liefert den schlagendsten Beweis für den Fortschritt der Ordnung und Disziplin im Heere, so wie für den endlichen Erfolg Steuben's in seinen Bemühungen. Ebendas. in Utica.
Stärke der nördlichen Armee
Inspektions-Rapport vom Monat Juni 1782
Wie groß übrigens Washingtons Befriedigung über die Fortschritte des Inspektionswesens war, geht aus der folgenden General-Ordre hervor: General-Ordres des General Washington vom 1. Juni 1782 bis zum 10. August 1782 in den Steuben'schen Papieren in Utica.
»Hauptquartier Newburg, den 18. Juni 1782.
Der General benachrichtigt die Armee, daß er durch die Revue der zweiten Connecticuter Brigade sehr befriedigt worden ist und daß er sich gestern insbesondere über die Veteranen-Haltung der Leute und über die Pünktlichkeit, womit das Feuern von statten ging, gefreut hat. Die Sauberkeit und Festigkeit des zweiten Regiments gewährte ihm besonderes Vergnügen; die Gewandtheit aber und der Eifer, den das Artillerie-Detachement bei der letzten Revue bethätigte, verdient Ermunterung und Beifall.
Nachdem die Armee-Revue brigadenweise nun beendigt ist, freut sich der Oberbefehlshaber, daß sich diese Gelegenheit ihm darbietet, dem General-Major Baron von Steuben für den unermüdlichen Eifer und die besondere Aufmerksamkeit, die er bei der letzten Inspektion und Revue bewiesen hat, so wie für seine hervorragenden unablässigen Dienste in der Hebung der Disziplin der Armee seinen Dank abzustatten; und zur selben Zeit über die gegenwärtige lobenswerthe Stimmung und das militärische Ehrgefühl, welches jetzt in der ganzen Armee zu herrschen scheint, seinen Beifall auszudrücken. Aus dem Geist des Wetteifers und dem erstaunlichen Contrast des vergangenen und des gegenwärtigen Zustandes der Truppen schließt der General auf die erfreulichsten Folgen. Aber da er überzeugt ist, daß das Aeußere allein nicht genügt, um Ehre zu erwerben und den Waffen Erfolg zu sichern, und daß häufig wiederholte Ezerzitien zur Herstellung einer vollkommenen Disziplin durchaus nothwendig sind, so verlangt er auf's Bestimmteste, daß die commandirenden Divisions- und Brigade-Offiziere die Truppen pünktlich abwechselnd einen um den andern Tag in Brigaden und einzeln exerziren lassen. Es ist den Offizieren bei diesen Uebungen gestattet, mit den Manövern nach Zeit, Umständen und Neigung abzuwechseln, vorausgesetzt, daß sie nicht von den festgestellten Prinzipien abweichen.«
Indessen war es nicht Steuben's Fehler, daß es mit dem Inspektionswesen nicht so gut vorwärts ging, wie er selbst wünschte. Es lagen Hindernisse in seinem Wege, die er nicht entfernen konnte; vornehmlich fehlte es an jenen allernothwendigsten Mitteln, die zu jener Ordnung und Genauigkeit erforderlich sind, welche er vom ersten Tage seines Amtsantrittes an erstrebte. »Je mehr,« – schreibt er am 2. Juni 1782 an den Kriegssekretair Steuben's Man.-Pap. Bd. IX. – »ich von der Nothwendigkeit überzeugt bin, daß Ihnen regelmäßig der Bestand der Armee vorgelegt werden sollte, um so größer war gestern mein Erstaunen, als ich fand, daß die Berichte vom Monat März noch im Hauptquartiere lagen, und zwar wegen Mangels an baarem Gelde zur Bezahlung der Beförderungskosten nach Philadelphia. Aus demselben Grunde sind die unausgefüllten Musterrollen für die New-Hampshireschen Regimenter zwei Monate lang auf dem General-Quartiermeisters-Amte liegen geblieben. Es ist vergeblich, mein Herr, es ist absurd, in unsrer gegenwärtigen Lage von Ordnung, Disziplin und Arrangement zu reden, denn Musterungen und Inspektionen sind gänzlich nutzlos, wenn nicht ein Fond zur Deckung der nothwendigen Ausgaben der verschiedenen Armee-Departements gestiftet wird. Ich für mein Theil gebe die Hoffnung auf, daß ich die Truppen in einem für sie und das Vaterland ehrenvollen Zustande sehen werde, so lange uns die Mittel fehlen, die Mängel und Fehler denen vorzulegen, welche allein die Macht besitzen, ihnen abzuhelfen. Dieses, mein Herr, ist nur eine Wiederholung von dem, was ich Ihnen persönlich mitzuteilen die Ehre hatte und ich nehme mir jetzt die Freiheit, es offiziell zu berichten, damit Sie Gelegenheit haben mögen, zur Wahrheit darüber zu gelangen.«
Die Armuth der Offiziere war, weil sie keinen Gehalt empfingen, in der That so groß, daß, als der Congreß befahl, es sollten keine Briefe mehr frei sein, als die in »öffentlichen Geschäften« zu befördernden verschiedenen Regimentsberichte, auf denen die vorgeschriebene Angabe nicht bemerkt war, auf dem Postamt zu Newburg nicht eingelöst werden konnten. Der General-Adjutant wollte keine sechs Cents (2 Sgr. 6 Pf. Preuß.) für Porto bezahlen und die übrigen Adjutanten konnten es nicht: der Kriegsminister erhielt deshalb nur einen Theil der Armee-Berichte. »Verschiedene Departement-Chefs,« – sagt Wm. North, Steuben's Man.-Pap. Bd. IX. der diese Thatsachen aufbewahrt hat, – »konnten aus Mangel an Geld nicht in den Besitz der für sie angekommenen Briefe gelangen, weshalb man es für wahrscheinlich hielt, daß der Congreß seinen Akt widerrufen würde.«
Für den Major Barber und den Capitain Popham, welche Steuben zur Truppen-Inspektion nach Saratoga schickte, mußte er die Reisekosten aus seiner eigenen Tasche bezahlen. Als Oberst Steward im Begriff war, sich zur Inspektion des Hazen'schen Regiments nach Lancaster zu begeben, erklärte der Kriegsminister, es sei nicht der Mühe werth, deshalb dahin zu reisen. »Es ist meine Meinung,« – bemerkt Steuben hierüber mit Recht, – »daß wenn die Inspektion eines Regiments nur für einen Monat unterbleibt, mehr Kosten dadurch für die Vereinigten Staaten verursacht werden können, als die Inspektion der ganzen Armee für ein Jahr kostet.«
»Wenn mein Leben, meine Ehre davon abgehangen hätte,« – schreibt Steuben um dieselbe Zeit Ebendas. Bd. XIV. – »so würde ich nicht im Stande gewesen sein, zehn Dollars auf Credit zu erlangen. Das Certificat für 6000 Doll., welches ich von den Vereinigten Staaten in Händen hatte, bot ich vergebens für den zehnten Theil des Nennwerths an. Es bleibt mir jetzt nicht die geringste Hülfsquelle mehr. Ich habe bereits sechs Pferde verloren, seit ich im Dienst bin, und zwar hauptsächlich aus Mangel an Fourage; die zwei besten wurden gestohlen, als ich sie während meines Aufenthalts in Westpoint zwanzig Meilen von dort entfernt auf die Weide schicken mußte; außerdem wurde mir, da ich keine Riegel und Schlösser an meinem Hause hatte, sämmtliches Silbergeschirr und Leinenzeug gestohlen, so daß ich jetzt an Allem Mangel leide.«
Inzwischen hatte sich die Unzufriedenheit unter Offizieren und Soldaten wegen des rückständigen Soldes und der schlechten Aussichten in die Zukunft zu einer beunruhigenden Höhe gesteigert und wuchs noch mehr, als die Truppen ihre Winterquartiere in der Nähe von Newburg bezogen hatten und mehr Muße zum Nachdenken und Besprechen ihrer wirklich elenden Lage fanden.
»Die Armee« – schrieb Walker aus Newburg am 20. November 1782 an Steuben – »ist kein so ruhiges Volk wie Sie denken, und sobald sie sich erst in ihren Hütten eingerichtet haben, werden sie, fürchte ich, es noch weniger sein. Ein sehr gefährlicher, Unheil drohender Geist schien sich unter ihnen zu regen, aber die Klugen haben ihm eine bessere Richtung gegeben als er hatte. Die Linien-Offiziere haben bereits ein Comite niedergesetzt, um eine Denkschrift abzufassen und Mitteilungen von anderen Linien zu erhalten. Ich vermuthe, es wird mit einem Memoriale der ganzen Armee an den Congreß enden.«
Die General-Offiziere waren in keiner besseren Lage als die übrigen. Auch sie erhielten keinen Gehalt, und Hunger und Elend starrte ihnen in's Gesicht; sie ergriffen indessen andere Maßregeln, um ihre Ansprüche anerkannt und befriedigt zu sehen. In Betreff Steuben's erwähnten wir bereits, daß er zu Anfang der Campagne 850 Doll. auf Abschlag und seinen Gehalt für Januar und Februar empfangen hatte. Dieses Geld hatte er während der folgenden vier Monate verausgabt. Im Juni 1782 wandte er sich wieder an den Congreß, indem er dem Sekretair des Kriegs und dem der Finanzen unter Hinweisung auf seine besondere Stellung in der Armee die absolute Notwendigkeit, seine gewöhnlichen Ausgaben gedeckt zu sehen, vorstellte.
»Während andere Offiziere« – sagt er in seinem Memorial vom Juni 1782 Ebendas. Bd. IX. – »in ihren betreffenden Divisionen, Brigaden und Corps stationirt waren und mit ihren gewöhnlichen Lieferungen auskommen konnten, hielt mich die Natur meiner Amtspflichten in steter Bewegung von einer Division und sogar von einer Armee zur andern und unterwarf mich nothwendiger Weise allen beim Reisen vorkommenden Ausgaben. Ich bin, wie bisher, so auch für die Zukunft gern geneigt, gleiches Loos mit jenen wirklich braven Männern zu theilen, deren Leiden schon lange und laut um rasche Abhülfe gerufen haben; mit ihnen habe ich häufig die Annehmlichkeiten des Lebens und sogar die nothwendigen Mittel zum Leben entbehrt, und wenn mich meine Pflicht an das Lager oder Quartier fesselte, so würde ich mich nicht zu einer außerordentlichen Forderung für berechtigt halten. Bis hierher habe ich niemals eine Requisition irgend einer Art an den Congreß gemacht, und ich ersuche Ew. Exzellenz, überzeugt zu sein, daß es mich außerordentlich schmerzt, jetzt eine solche machen zu müssen; aber die Pflicht gegen mein eigenes Gefühl und die Achtung, die ich gegen jenen hohen Körper hege, verlangen, daß ich mich so ausführlich ausdrücke.«
Steuben's Erwartungen blieben indessen unerfüllt: der Congreß that nichts, obgleich er versprach, daß seiner Lage die geziemende Beachtung geschenkt werden solle. Sogar die 84 Dollars pro Monat, welche ihm im Jahre 1779 als Extra-Zahlung zur Deckung seiner Reise-Ausgaben festgesetzt waren, wurden bei dem neuen Plan des Inspektionswesens übersehen und ihm deßhalb nicht ausbezahlt. So hatte Steuben für seine Dienste als General-Inspektor weiter nichts als das Einkommen eines General-Majors. Ebendas. Bd. IX. Er beschloß deßhalb, bei Gelegenheit einer Inspektionstour zu der New-Yorker und Jerseyer Linie nach Philadelphia zu gehen. Am 7. Juli richtete er behufs besserer Geltendmachung seiner Ansprüche die folgenden Fragen an Washington: Washington's Writings VIII. 315, und Steuben's Manuscr.-Papiere Bd. VIII. »Ist das Departement des General-Inspektors in der Armee nothwendig oder nicht? Ist dieses Departement während des Verlaufs von fünf Jahren Ihren Wünschen gemäß geführt worden und haben die Erfolge meiner als des Departements-Chefs Bemühungen Ihren Erwartungen entsprochen?«
Auf diese Fragen erwiderte der Oberbefehlshaber:
»Es ist meine klare Meinung, daß das Departement vom größten Nutzen gewesen ist und fortfährt von größter Wichtigkeit zu sein, aus Gründen, die zu handgreiflich sind, als daß sie der Erwähnung bedürften; aber besonders besteht seine Hauptwichtigkeit darin, daß durch dasselbe ein gleichförmiges System von Manövern und Regulativen in einer Armee eingeführt wurde, die aus Truppen von dreizehn Staaten (deren jeder seine lokalen Vorurtheile hat) besteht und wegen häufiger Wechsel und Auflösungen beständigen Unterbrechungen und Störungen unterworfen war. Es ist ebenfalls nur ein Akt der Gerechtigkeit, wenn ich erkläre, daß das Departement unter Ihren Auspizien mit Intelligenz, Thätigkeit und Eifer und nicht weniger wohlthätig für das Allgemeine als ehrenvoll für Sie geleitet wurde, und daß ich reichliche Gründe habe, mit Ihren Fähigkeiten und Ihrer Aufmerksamkeit auf die Pflichten Ihres Amtes während der vier Jahre, die Sie im Dienst waren, zufrieden zu sein.«
Doch der Congreß that abermals nichts und Monate vergingen, ehe Steuben die Sache wieder aufnahm.
»Ihre Dienste gegen mein undankbares Vaterland« – schrieb North am 29. Oktober 1782 an Steuben Steubens Man.-Pap. Bd. IX. – »sind mit einer Nachlässigkeit behandelt worden, die jeden Mann von Gefühl empören muß. Die Armee, welche Sie gebildet haben, fühlt allein, wie viel Amerika Ihnen schuldig ist und ihre ehrlichen Wangen glühen vor Entrüstung über die Undankbarkeit ihrer Landsleute. Die Armee, die Vereinigten Staaten wissen, was Sie gethan haben, Ihre näheren Freunde wissen allein, was Sie gelitten haben, seit Sie die herkulische Arbeit, die amerikanischen Armeen zu formiren, übernahmen. Es sind jetzt fünf Jahre, seit Sie dieses Werk begannen. Wie guten Erfolg Sie gehabt haben, das wird der gegenwärtige Zustand der Armee erklären; aber zum Unglück für unsere Ehre besteht Ihre Belohnung allein in dem Bewußtsein, eine gute und große Rolle gespielt zu haben. Der Krieg, mein lieber General, naht sich vielleicht seinem Ende, er ist glücklicher Weise erfolgreich gewesen, und Sie haben unbedingt dauernde Ehre durch Ihren Antheil daran errungen. Aber Ehre allein wird Sie niemals für Ihre Opfer in Europa, für Ihre Opfer in Amerika entschädigen; eine Belohnung andrer Art ist man Ihnen schuldig, und es weist Sie die Gerechtigkeit gegen sich selbst und gegen Ihre Freunde auf die Nothwendigkeit hin, sich um Erlangung derselben zu bemühen.«
Steuben verlangte jedoch keine Belohnung, sondern erwartete nur, das zu erlangen, was er zu fordern ein Recht hatte. Endlich konnte er die Hinhaltung nicht länger ertragen; am 4. December 1782 richtete er folgenden Brief an E. Boudinot, den Präsidenten des Congresses: Steubens Man.-Pap. Bd. IX.
»Mein Herr! Es sind jetzt fünf Jahre, seit ich mit der Stelle eines Generalmajors im Dienst der Vereinigten Staaten beehrt worden bin. Da ich eine respectable Stellung und bemittelte Verhältnisse in Europa aufgab, um diesem Lande nützlich zu werden, so würde es doppelt kränkend für mich sein, meine Bemühungen unwirksam zu finden.
Die Journale des Congresses werden zeigen, daß dieses Gesuch das erste ist, welches ich in meinen Privatangelegenheiten an diesen ehrenwerthen Körper mache. Aus denselben wird gleichzeitig hervorgehen, daß während ich meiner Pflicht nachkam, ich meine Privatverhältnisse gänzlich vernachlässigte. Ich fühle diese Genugtuung, daß, wenn ich jemals an der Ehre Antheil hatte, ich gleicherweise die Unannehmlichkeiten, Mühen und Gefahren theilte, denen die Armee ausgesetzt war.
Da meine Privatmittel erschöpft sind, so ersuche ich Ew. Exzellenz dem Congreß zu empfehlen, daß er ein Comite beauftragt, meine Lage zu prüfen und über die Angemessenheit meiner Forderung zu berichten. Es wird mir zur Freude gereichen, das Comite davon zu überzeugen, daß die innere Verwaltung der Regimenter und Corps unter meiner Leitung von den wohlthätigsten Folgen für das Land war, indem dadurch so viel wie möglich die Verwahrlosung der Mannschaft, der Waffen, Armaturstücke, Munition und Feldequipage verhütet wurde. Die Zeugnisse des Oberbefehlshabers und der Commandeure der getrennten Armee, sowie die der Stabs- und übrigen Offiziere werden diese Behauptung außer allen Zweifel setzen.
Es gereicht mir zur besondern Freude, diesen Brief eben jetzt an Sie zu richten, wo unsre Armee wegen ihrer Ordnung und Disziplin mit dem Beifall der alliirten Truppen beehrt worden ist. Gestützt auf ihr Zeugniß wage ich die Versicherung, daß Ihre Feinde Ihnen keine Infanterie, die der Ihrigen gleich ist, entgegenstellen können, es käme denn bloß auf die Zahl an. Sie haben Offiziere, deren militärische Kenntnisse ihrem Muthe gleichkommen und Soldaten, welche jedes mögliche Commando ausführen können. Mit solch einer Armee werden Sie kühn einem Frieden entgegen sehen können, der rühmlich für Ihr Land und heilbringend für Ihre Nachkommen sein wird.
Als ich mein Schwert zur Vertheidigung dieser Staaten zog, that ich es mit dem Entschluß, daß nur der Tod mich zwingen solle, es niederzulegen, bevor Großbritannien die Unabhängigkeit Amerika's anerkannt habe, und dieser Entschluß steht jetzt noch bei mir fest. Ihre eigenen Gefühle mein Herr, und die des Congresses werden Sie befähigen, die eines alten Soldaten zu beurtheilen, der sich gezwungen sieht, Thatsachen, wie die Ihnen vorgelegten zu erwähnen. Der Congreß wird mir die Gerechtigkeit widerfahren lassen, zu glauben, daß es höchst peinlich und unangenehm für mich ist, von mir selbst zu sprechen, indem ich den Eifer und die Fähigkeit der Offiziere und die Gelehrigkeit der Soldaten der Bundes-Armee gebührend hervorhebe.«
Am 30. Dezember 1782 beschloß der Congreß, Resolutions of Congress VIII. 51 und 52. daß Steuben, um ihn in den Stand zu setzen, sich für die nächste Campagne auszurüsten, auf Abschlag seiner beträchtlichen Forderungen und zur Bestreitung seines augenblicklichen Unterhalts die Summe von 2400 Dollars gezahlt werden, und daß er ferner in Zukunft 300 Dollars pr. Monat statt Extra-Vergütung nebst Proviant und Fourage für sich und seine Begleitung erhalten sollte.
Während Steuben seine Angelegenheiten in Philadelphia ordnete, hatte sich die Armee bei New-Windsor für den Winter eingerichtet. Hören wir darüber den Bericht des General Gates, welcher kürzlich erst wieder im Lager eingetroffen war und die Fortschritte der Armee seit fast drei Jahren ganz aus den Augen verloren hatte. Sein Brief an Steuben ist darum doppelt interessant. Steuben's Man.-Pap. Bd. IX.
»Der Oberstlieutenant Howard« – schreibt er am 22. November 1782 aus New-Windsor – »ist so gütig diesen Brief zu überbringen. Es freut mich, eine so gute Gelegenheit zu haben, um Sie meiner aufrichtigsten Freundschaft versichern zu können.
Am Samstag, nachdem Sie das Lager verlassen hatten, marschirte der linke Flügel unserer Armee in die Winterquartiere und am Sonntag folgte der rechte. Seit unserer Ankunft auf dieser Seite der Gebirge waren wir stets beschäftigt, Hütten zu bauen und alle nöthigen Vorbereitungen zu treffen, um uns während der Strenge des herannahenden Winters warm und gesund zu erhalten. Ich denke, in einer Woche wird das Geschäft beendet sein. Unsere Leute sind so geschickt in der Kunst des Hüttenbau's geworden, daß sie in ihren selbstgebauten Quartieren bequemer und besser wohnen werden, als in irgend einer Stadt des Continents. Diese Art und Weise, eine Armee im Winter unterzubringen, ist neu in der Kriegskunst und ich wünsche zum Wohl der Menschheit, daß die Fürsten und Generäle Europa's sie nicht adoptiren: denn dann hört selbst die Unterbrechung des Blutvergießens auf, welche bisher der Winter den Europäischen Armeen gebracht hat.
Wir haben so eben vernommen, daß der Feind eine große Einschiffung vorbereitet; es kann sein, daß die ganze Flotte nach Westindien abgeht. Ich bin der Meinung, daß sie dieses thun müssen, da sie hier wenig zu gewinnen, dort aber Alles zu verlieren haben. Jener Handel, der ihre große Hülfsquelle ist, muß ruinirt werden, wenn Jamaika fällt. Ich glaube deßhalb, daß sie Alles hier aufgeben werden, um es zu retten. Wenn meine Vermuthung richtig ist, so ist der Krieg zwischen uns und Britannien binnen einem Jahre aus; aber glauben Sie mir, mein lieber Baron, meine große Achtung gegen Sie wird mit dem Kriege nicht aufhören; die Ordnung, Regelmäßigkeit und Pünktlichkeit, die Sie der amerikanischen Armee beigebracht und der Gehorsam, die Genauigkeit und der wahre Geist militärischer Disziplin, welche Sie ihr eingeflößt haben, hat mich mit Erstaunen erfüllt und gereicht Ihnen zur höchsten Ehre. Dankbarkeit veranlaßte mich, Ihnen dieses zu erklären; und ich bin gewiß, daß unsere regierende Macht, sowohl die bürgerliche, wie militärische, Ihr Verdienst laut verkünden und die Welt davon überzeugen wird, daß die Republiken Amerika's wenigstens die Tugend der Dankbarkeit besitzen.«
Um dieselbe Zeit schrieb auch General Robert Howe an Steuben einen Brief, der Gates Angaben über dessen Verhältniß zur Armee bestätigt, indessen den Zustand der letzteren in rosigerem Lichte zeigt, als unsere obigen Schilderungen. Er nimmt aus diesen Gründen ein allgemeineres Interesse in Anspruch.
»Ich habe schon lange, mein lieber Baron, darauf gehofft« – schreibt Howe am 30. November 1782 aus New-Windsor – »daß sich irgend ein Ihrer Berücksichtigung würdiges Ereigniß hier zutragen möchte; allein die letzte Zeit ist so unfruchtbar daran gewesen und wird wahrscheinlich noch wohl länger so bleiben, daß ich heute nur die Feder ergreife, um das Vergnügen zu haben, einem Manne zu schreiben, den ich so aufrichtig und warm verehre, und um Sie zu fragen, was Sie in Philadelphia machen. Sie versprachen mir beim Abschiede, daß ich bei Ihrer Ankunft von Ihnen hören sollte, aber entweder die Vergnügungen oder die Unannehmlichkeiten, die Ihnen begegnet, haben Sie veranlaßt, die Erfüllung Ihres Versprechens zu verschieben. Ihr Glück liegt mir zu sehr am Herzen, als daß ich nicht ernstlich wünschen sollte, daß der Aufschub eher durch erstere als durch letztere verursacht wäre. Aber in beiden Fällen bitte ich Sie, mich von Ihnen hören zu lassen; im ersteren Falle werde ich glücklich sein, im zweiten werde ich Sie mit der ganzen Kraft meines Herzens, das voll von Liebe und Sympathie für Sie ist, zu trösten suchen. – Ihre Kinder – denn so nenne ich unsre Armee, – haben Nacht und Tag an ihren Hütten gebaut und eine Wildniß bereits in eine Stadt umgewandelt. Schriebe ich an einen Mann, der weniger mit unseren Truppen bekannt wäre als Sie, so würde ich mich vielleicht weiter darüber auslassen, wie sie die Strapazen aushalten, wie sie unter den größten Leiden geduldig sind, wie treu sie ihrem Vaterlande ohne Belohnung und beinahe ohne Hoffnung darauf dienen, wie sie die grausamen und wiederholten Enttäuschungen ohne Murren ertragen, der tausend anderen Tugenden nicht zu gedenken, die sie, wie Sie wissen, besitzen und von denen ich deßhalb hier nicht reden will. Ich kann diesen Brief nicht schließen, ohne Ihnen zu sagen (was Ihnen bei Ihrer Liebe zur Armee gewiß sehr erfreulich sein wird), daß sämmtliche Soldaten überall voll Liebe, Vergnügen, Dankbarkeit und Beifall von Ihnen denken und reden; und ich bin überzeugt, daß Sie sehr bald von ihnen hören werden.«
Steuben kehrte übrigens erst im März 1783 ins Hauptquartier zurück.