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Siebtes Kapitel

Erfolglose Verhandlungen mit dem Herzog von Württemberg.
Der Vertrag mit dem Fürsten von Anhalt-Zerbst.
Die Unmöglichkeit, in Deutschland mehr Truppen zu mieten

Je länger der Krieg in Amerika dauerte, desto größer wurden die Verlegenheiten des englischen Ministeriums; es hatte gar keine Wahl mehr, sondern mußte seine Truppen nehmen, wo sie nur zu finden waren. Der frühere Hochmut Suffolks machte deshalb auch seit der Gefangennahme der Hessen bei Trenton und namentlich seit der Übergabe Burgoynes bei Saratoga einer ebenso großen Verzagtheit Platz. Die Verwicklungen mit Frankreich und Spanien wurden besonders seit dem zuletzt genannten, für die englischen Waffen so traurigen Ereignis immer drohender, und täglich trat ein Krieg mit den bourbonischen Mächten mehr in den Vordergrund. Waren schon die Amerikaner, als sie noch ohne fremde Hilfe kämpften, nicht niedergeworfen worden, wie wollte man dann erst mit ihren europäischen Bundesgenossen fertig werden?

Außer in Deutschland waren aber nirgends Hilfstruppen für England aufzutreiben, und auch in Deutschland wurde die Aufgabe immer schwieriger. Das an Soldaten so reiche Land hatte sich kaum zwölf Jahre nach dem Siebenjährigen Krieg wieder einen Abfluß von etwa 20 000 Menschen gefallen lassen müssen; einen größeren Aderlaß konnte es kaum noch aushalten. Gleichwohl aber fiel Suffolk immer wieder auf Deutschland zurück, weil nirgend anderswo anzukommen war. Sir Joseph Yorke hatte ihm im September 1775 den Herzog von Württemberg als einen Fürsten genannt, der wohl imstande sein werde, einige tausend Mann zu liefern; auch der Herzog selbst hatte sich dem Minister angeboten. Es kam also zunächst auf den Versuch an, Verhandlungen mit ihm anzuknüpfen.

Das Herzogtum Württemberg zählte zu jener Zeit bei einer Größe von ungefähr 200 Quadratmeilen 514 575 Einwohner. Herzog Karl Eugen (1744-93), der berüchtigte Peiniger Schubarts und Mosers sowie später Gründer der Karlsschule, war zu jener Zeit noch der Landes- und Volksquäler, der nach dem von ihm zuerst öffentlich aus dem Französischen übersetzten zynischen Grundsatz handelte: »Was Vaterland! Ich bin das Vaterland!« und sich erst im Jahre 1778 unter dem Einfluß einer verständigen und sanften Frau zu einem besseren Lebenswandel bekehrte. Zwanzig Jahre früher nannte er die Beschwerde seiner Stände über den ohne ihr Wissen mit Frankreich abgeschlossenen Subsidienvertrag, der ihm drei Millionen Gulden einbrachte, aufrührerisch und unanständig und drohte der ständischen Vertretung mit dem Asperg. Herzog Karl Eugen hat übrigens die Ehre, durch seinen Exfeldscher Schiller der Nachwelt genauer bekannt geworden zu sein; so dankbar ist das deutsche Volk gegen seinen großen Dichter, daß es den kleinen Tyrannen, weil er fördernd und hemmend in dessen Jugend eingriff, sogar in Dichtung und Sage verherrlicht hat. Der Leser kann für die nähere Charakteristik dieses Mannes deshalb füglich auf die populären Lebensbeschreibungen Schillers von Palleske und Scherr verwiesen werden. Nur eine einzige, in Schloezers »Staats-Anzeigen« erzählte Anekdote möge hier als charakteristisch für den Geist des württembergischen herrlichen Kriegsheeres einen Platz finden. Am 24. Mai 1783 ließ ein Leutnant von Bohnen in Stuttgart einen an der Hauptwache vorbeigehenden Kammerrat, weil er den Hut nicht vor ihm gezogen hatte, in die Wachstube schleppen und ihm fünfundzwanzig Stockschläge aufzählen. Der Geprügelte erhielt einzelne Hiebe auf den Kopf und schwebte mehrere Tage in Lebensgefahr. Es sei der hochmütigen Schreiberseele schon recht geschehen, meinte das Hofgesindel. – Natürlich kam der adlige Leutnant so gut wie straffrei davon.

Der Herzog wußte zu gut aus eigener Erfahrung, daß man mit rebellischen Untertanen so leicht und schnell nicht fertig wird, und lächelte ungläubig über die Naivität Suffolks, als dieser die Revolution in einem Feldzug niederwerfen zu können erklärt hatte. Karl Eugen wartete deshalb auch seine Zeit ab. Kaum hörte er von den Siegen der Engländer auf Long Island, als er dem König zur glücklichen Niederwerfung der Rebellion Glück wünschte und ihm seine Truppen für den nächsten Feldzug anbot. Dieser Brief wurde von William Römer, dem württembergischen Agenten in London, am 9. Dezember 1776 überreicht. Bald darauf kam der Herzog selbst. Es scheint aber nicht, daß sein persönliches Erscheinen einen günstigen Eindruck auf Suffolk gemacht habe, wenigstens förderte es die Verhandlung nicht. Am 19. Januar 1777 bot Römer in aller Förmlichkeit 3000 Württemberger an, die gegen Mitte März in Heilbronn eintreffen und sich dort einschiffen sollten. »Ich erlaube mir«, schrieb Römer, S. P. O. German States, Vol. 106. »am Schluß zu versichern, daß der Herzog bei seiner hohen persönlichen Ehrerbietung von Seiner Majestät alles aufbieten wird, sich bei dieser Gelegenheit durch sorgfältig ausgewählte Mannschaften und gute Ausrüstung der Offiziere und Soldaten auszuzeichnen, und daß er den König, Ew. Lordschaft und den Oberbefehlshaber in Amerika zu befriedigen suchen wird.«

Als Suffolk am 14. Januar 1777 Faucitt seine Instruktionen für Ansbach gab, fügte er einen gleichlautenden Auftrag für Württemberg bei. »Der König«, sagte er, »will die 3000 Mann, die der Herzog ihm angeboten hat, annehmen. Die zu liefernden Truppen sollen aus 100 Mann per Kompanie mit je vier Offizieren und ebenso vielen Sergeanten, ein Sechstel des Ganzen aber aus Jägern bestehen, falls Sie so viele gute und erfahrene Jäger haben können. Je jünger die Offiziere, desto besser! Jedes Bataillon muß seine Geschütze mitnehmen und das ganze Korps am 10. März zur Einschiffung fertig sein.«

»Die Mitteilung mag Ihnen von Nutzen sein«, fügte Suffolk in einem vertraulichen Schreiben hinzu, Siehe Anhang sub XX. »daß der Herzog von Württemberg und der Markgraf von Ansbach besonders warm wünschen, ihre Truppen Seiner Majestät zu vermieten, und daß die diesbezüglichen Vorschläge nicht von uns ausgegangen, sondern von ihnen gemacht sind. Römer, des Herzogs hiesiger vertrauter Agent, hat mir zudem versprochen, daß die zu liefernden 3000 Mann möglichst auf den englischen Fuß gestellt und mit so wenig überflüssigem Zubehör versehen sein sollen, als nur möglich ist. Hoffentlich denkt der Herzog nicht daran, einem Offizier von höherem Rang als Generalmajor den Befehl über seine Truppen zu übertragen.«

Als Suffolk das Anerbieten des Herzogs annahm, war er von der falschen Voraussetzung ausgegangen, daß dessen stehendes Heer doppelt so groß als das versprochene Kontingent sei, in welchem Irrtum er durch einen im englischen Kriegsministerium befindlichen Bericht des Hauptmanns Pleydell bestärkt wurde. Dieser Offizier hatte nämlich Stuttgart Anfang September 1775 besucht und war offenbar durch die glänzende Außenseite der württembergischen Residenz, durch den Herzog und seine Minister geblendet worden; er hatte die auf dem Friedensfuß stehende Armee des Herzogs auf 5500 Mann geschätzt und sich äußerst anerkennend über die guten Eigenschaften der Truppen, die schönen Kasernen, die prächtigen Uniformen und die guten Pferde ausgesprochen.

Anders lautete die Lesart, die jetzt Faucitt bei genauerer Besichtigung gab:

»Ich wurde«, schreibt er am 7. Februar 1777 von Stuttgart, S. P. O. German States, Vol. 106, Nr. 7. »dem Herzog am Tag meiner Ankunft von Ansbach [3. oder 4. Februar] vorgestellt. Er versprach mir sofort, dem König die 3000 Mann zur festgesetzten Zeit zu liefern; die Minister versicherten aber, daß dieses Versprechen sich unmöglich erfüllen lasse. Ich bedauere, daß meine Verhandlungen an diesem Hof voraussichtlich zu nichts führen werden. Der Herzog ist nicht imstande, ein Drittel der in Aussicht gestellten Truppen zu liefern. Sein Kredit und seine Finanzen sind bei einer so niedrigen Ebbe angekommen, daß er, selbst wenn er die Truppen auszuheben vermag, unmöglich gute Waffen und Uniformen anschaffen kann, um sie fürs Feld auszurüsten. Seit ich in Deutschland bin, habe ich schon viel von den ruinierten Verhältnissen des Herzogs gehört; ich finde jetzt die weitgehendsten Schilderungen bestätigt, namentlich aber sind seine Mittel so erschöpft, daß er gar nicht an die Ausrüstung eines Korps für Amerika denken kann. Seine ganze Armee besteht aus 1690 Mann (Offiziere und Unteroffiziere nicht mit eingeschlossen). Die Kavallerie beträgt 410 Mann; die Infanterie 1060 und die Artillerie 220 Mann. Ein Infanterieregiment hat im Durchschnitt 240 Mann und ein Kavallerieregiment 120 Mann! Ein großer Teil der Soldaten ist beurlaubt. Was bei den Fahnen steht, ist der steif, alt und dekrepiert gewordene Überrest aus dem letzten Krieg. Um die Desertion zu verhindern, gibt man den Soldaten, deren Zeit längst abgelaufen ist, ihre fällig gewordene Löhnung nicht. Ihre Waffen stammen aus dem letzten Krieg, sie sind von allen Kalibern, dabei abgenutzt und wertlos.

Ihre Feldausrüstung und Zelte sind von noch schlechterer Beschaffenheit. Die Offizierszelte sind in Stücke geschnitten und in verschiedene Formen gebracht, um bei den ländlichen Festen des Herzogs zu dienen. Ohne neue Zelte können sie gar nicht marschieren.

Dieser entmutigende Zustand der württembergischen Armee erschreckte mich derartig, daß ich mir des Herzogs Geständnis, er könne nicht alle 3000 Mann in der vorgeschriebenen Zeit liefern, zunutzen machte und erklärte, ich müsse auf der ganzen Zahl bestehen, jedenfalls Ihnen aber erst Bericht erstatten. Der Herzog ernannte zwei seiner Minister und einen Major zur Unterhandlung mit mir, die keinen der bisherigen Verträge kannten. Ich entwarf einen nach dem Muster des braunschweigischen, da dieser der mäßigste von allen ist. Die Subsidien beschränkte ich auf sechs Monate, statt zwei Jahre wie in Braunschweig. Ebenso bewilligte ich vor dem Abmarsch nur sieben Tage Löhnung statt zwei Monate. Ich war natürlich bereit, bessere Bedingungen zu gestatten, falls es verlangt würde; die Herren machten aber nicht die geringsten Einwendungen.«

»Ich kann mich noch immer nicht«, fährt Faucitt von Kassel aus am 17. Februar 1777 fort, »über den Ärger der Enttäuschung in Stuttgart beruhigen. S. P. O. German Papers, Vol. 106 (Private). Ich fürchte, daß dieser bedeutende Ausfall an Truppen ernstliche Unannehmlichkeiten nach sich ziehen wird; ich bin mir aber bewußt, recht gehandelt zu haben. Alle Manöver schlugen bei mir fehl; weder die schmeichelhaften Höflichkeiten noch die ausgesuchteste Artigkeit und Aufmerksamkeit haben mich verlockt. Ich habe auch nicht für einen Bruchteil der Truppen abgeschlossen, da diese, ganz abgesehen von ihrer schlechten Equipierung und Bewaffnung, doch für den aktiven Dienst nicht getaugt haben würden. Der Herzog hat sich seit einigen Jahren so sehr weibischen Vergnügungen hingegeben, daß er das Militärwesen ganz vernachlässigt und in Verfall gebracht hat. Was ich in seinem Arsenal in Ludwigsburg sah, hat mich in meinem ersten ungünstigen Eindrücken nur bestärkt. Ich fand dort nur einen schönen Artillerietrain, den wir aber nicht brauchen können; die dort befindlichen Gewehre verschiedensten Kalibers sind alt, ihre Schlösser zerbrochen oder außer Ordnung, wenige Zelte und alte schäbige Überreste aus dem letzten Krieg. Ich zog mich deshalb so gut ich konnte aus der Schlinge, sprach von gegenseitigem Mißverständnis über Zahl und Lieferungszeit der Truppen und reiste ab.«

Suffolk gab Faucitt unbedingt recht und meinte nur, ob man nicht Malsburg einen Wink geben und die brauchbaren württembergischen Jäger nicht zur Vervollständigung der hanauischen Jägerabteilung benützen könne. Malsburg verstand den Wink, und fast ein Drittel der letzten drei Hanauer Jägerkompanien, die im April in Nimwegen ankamen, waren Württemberger.

Nach Fehlschlagen dieses Versuchs wandte sich Suffolk wieder an Sir Joseph Yorke, seinen Gesandten im Haag, dem er von allen auswärtigen englischen Diplomaten die genaueste Kenntnis der deutschen Verhältnisse zutraute.

»Ich habe Sie«, schrieb er ihm am 4. März 1777, S. P. O. Holland, Vol. 600 (Private and Confidential). »bereits am 1. September 1775 nach der Möglichkeit befragt, fremde Truppen für den amerikanischen Dienst zu erlangen. In Ihrer Antwort vom 5. September 1775 wiesen Sie mich auf den Landgrafen von Hessen-Kassel, den Herzog von Württemberg, den Herzog von Sachsen-Gotha, den Fürsten von Darmstadt und den Markgrafen von Baden als Mächte hin, die uns unter Umständen und bei richtiger Behandlung eine ansehnliche Truppenzahl zu liefern imstande sein dürften.

Seit jener Briefwechsel zwischen uns stattfand, hat Seine Majestät mit dem Landgrafen von Hessen-Kassel, dem Herzog von Braunschweig, dem Erbprinzen von Hessen-Kassel, dem Fürsten von Waldeck und jüngst mit dem Markgrafen von Ansbach Verträge abgeschlossen. Ich glaube kaum, daß wir mehr Mannschaften von diesen Fürsten erlangen können.

Der Herzog von Württemberg hat Seiner Majestät wiederholt seine Truppen angeboten. Es war auch unsere Absicht, einen Teil davon in Sold zu nehmen; indessen entdeckten wir bald die Unfähigkeit des Herzogs, uns irgendwelche zu liefern, so daß wir den Plan zu unserer großen Enttäuschung haben aufgeben müssen.

An die übrigen in Ihrem Brief genannten Fürsten, den Markgrafen von Baden, den Fürsten von Darmstadt und den Herzog von Sachsen-Gotha, haben wir uns weder gewandt, noch sind uns ihrerseits Eröffnungen gemacht worden. Der Zweck dieses vertraulichen Schreibens ist nur der, Ew. Exzellenz zu bitten, daß Sie sich darüber vergewissern wollen, welche Streitmacht diese Fürsten im Notfall zu stellen imstande sind. Natürlich dürfen Sie den Verdacht nicht aufkommen lassen, daß wir uns möglicherweise an sie wenden werden. Der Ausfall der 4000 Mann, die wir von Württemberg zu beziehen hofften, verringert in der Tat unsere Verstärkungen für den nächsten Feldzug erheblich. Es ist natürlich unmöglich, diesen Ausfall vor dessen Eröffnung wieder auszugleichen; allein vielleicht liegt es in unserer Macht, Sir William Howe zur Wiedereröffnung der Feindseligkeiten nach den heißen Augusttagen eine ansehnliche Truppenzahl zu senden, falls er deren überhaupt noch bedürfen sollte. Beschränken Sie sich in Ihren Nachforschungen ja nicht auf die genannten Fürsten, sondern dehnen Sie diese überallhin aus, wo Sie eine Verstärkung erwarten zu können glauben. Es ist von größter Wichtigkeit, schon im voraus zu wissen, wo weitere militärische Hilfe zu finden ist, sei es für Amerika oder für irgendeinen Punkt in Europa.«

»Ich bedaure unendlich«, antwortete Yorke umgehend am 7. März 1777, S. P. O. Holland, Vol. 600 (Private). »daß der Herzog von Württemberg sein Anerbieten nicht ausführen konnte, und bin doppelt überrascht, da die Schweizer Offiziere im holländischen Dienst, die von hier aus ihre Heimat besuchen, eine ganz andere Sprache führten und mir oft Glück wünschten, daß wir in den Württembergern die besten deutschen Truppen in unsere Dienste nehmen würden. Ich werde es mir natürlich zur Aufgabe machen, Ew. Lordschaft Befehlen nachzukommen. Der Herzog von Sachsen-Gotha könnte uns, glaube ich, leicht Truppen liefern. Der Landgraf von Darmstadt ist, wie ich seit meinem damaligen Brief herausgefunden habe, zu verliebt in seine Soldaten, als daß er sie außer Sicht ließe; vielleicht dürfte er sich aber doch in Versuchung führen lassen. Der Fürst von Anhalt-Zerbst hat mich und Oberst Faucitt oft mit seinen Truppenanerbietungen geplagt; aber ich habe ihn immer höflich abgewiesen. Er will, glaube ich, zwei Bataillone, vielleicht kann er aber mehr stellen. Sie sollen in guter Ordnung sein. Es hängt von Ihren Befehlen ab, ob ich den Fürsten auf Privatwegen sondieren und mir bei ihm ein Verdienst daraus machen soll, mich ihm nützlich zu zeigen.«

»Tun Sie ja, was Sie können«, erwiderte Suffolk am 11. März, »um dem Fürsten von Anhalt-Zerbst in nicht offizieller Weise auf den Zahn zu fühlen. Wenn ich weiß, wieviel, wie und wo er liefern kann, werde ich ermessen können, ob es ratsam ist, in dem Geschäft fortzufahren.«

Auf diesen Briefwechsel hin wurden die Verhandlungen mit dem Fürsten von Anhalt-Zerbst eröffnet.

Friedrich August, der letzte Fürst dieses Landes (1747-93), gebot über ein Territorium von etwa 15 Quadratmeilen mit ungefähr 20 000 Einwohnern, das – 1793 bei seinem Tod unter die drei Vettern von Dessau, Bernburg und Kothen verlost – infolge der seit dem Dreißigjährigen Krieg dort erblichen Mißwirtschaft zu den ärmsten und ausgehungertsten Deutschlands gehörte. Seit 1716 wurden in Zerbst weniger Menschen geboren als starben! Das unglückliche Fürstentum hatte in den letzten hundert Jahren alle nur denkbaren Landplagen ausgestanden: Überschwemmungen und Hungersnot, Auswanderung und Krieg. Es besaß keine Industrie und keinen Handel, litt dagegen desto mehr Mangel an Nahrung. Nirgends in Deutschland gab es verhältnismäßig mehr Hagestolze, namentlich unter den Beamten, weil die im 17. Jahrhundert festgesetzte Besoldung kaum halb zum standesgemäßen Haushalt ausreichte. Seit 1698 war kein Landtag mehr berufen worden. Die Fürsten herrschten despotisch, und Friedrich August, mit dem wir es tun haben, übertraf selbst seine Vorgänger in launenhafter Willkür und frechem Souveränitätsdünkel. Er ist, was viel heißen will, die Karikatur des Landesvaters des 18. Jahrhunderts, die komische Figur unter seinen Kollegen und verdient der Held eines tragikomischen Gedichts zu werden.

Friedrich August war der Bruder der berühmten Zarin Katharina II. von Rußland. Ob in den winzigen Verhältnissen der Heimat Verrücktheit wurde, was bei der großen Schwester auf einem mächtigen Thron des Auslands Genialität des Denkens und Handelns war, läßt sich schwer entscheiden; jedenfalls aber wäre bei Katharina – wenn wir uns überhaupt einen so gewaltigen, hochstrebenden Geist auf dem Zerbster Thrönchen denken können – vieles Karikatur gewesen, was wir jetzt als groß und imponierend an ihr bewundern. Natürlich mußte ein so angelegter Mann wie Friedrich August aus ganzer Seele seinen mächtigen Nachbarn, Friedrich den Großen, hassen, der Leben schuf, wo noch keines vorhanden gewesen war, der mit alten Vorurteilen, und Mißbräuchen unbarmherzig umging und sich in seinem revolutionären Vorgehen am allerwenigsten durch ein gebildete Größen hindern ließ. Der König behandelte den Fürsten wie einen unbedeutenden Landjunker, in dessen Rechte er allerdings sehr gewaltsam eingriff, wie er denn z. B. einen seiner Schützlinge im Jahre 1758 ohne weiteres im Zerbster Schloß verhaften ließ.

Nach dem Frieden von 1763 ging der Fürst nach Basel, um nur nicht in der Nähe des verhaßten Königs zu sein, und regierte bis 1780 von hier und von 1780 an von Luxemburg aus sein Ländchen durch Reskripte und Befehle in einem Stil, den in neuerer Zeit ein anderer deutscher Potentat, Fürst Heinrich LXXII. von Reuß-Schleiz-Lobenstein, glücklich nachgeahmt hat. Als seine Untertanen sich einst wegen Abstellung eines Unrechts an ihn wandten und um seinen Schutz baten, antwortete er ihnen, derartige Lappalien gingen ihn gar nichts an und er wünsche sehr, in seiner Zurückgezogenheit nicht mit ihren elenden Klagen belästigt zu werden. Da diese gleichwohl fortdauerten, verbot er durch einen auf Querfolio gedruckten Anschlag vom 1. März 1788, daß ihm ferner niemand mehr nachlaufe noch ihn behellige, bei Vermeidung unausbleiblicher Ahndung und Absetzung der Dienerschaft. Siehe Anhang sub XXI und XXII. Auf der Insel Wangerooge, die ihm damals als Teil der Herrschaft Jever gehörte, errichtete er einen großen Galgen, an dem die beim Austernsammeln ertappten Fischer gehängt werden sollten; es wurde aber keiner gefaßt.

Anstelle Serenissimi regierte in Zerbst ein Geheimer Rat, dessen zwei oder drei Mitglieder sämtliche Instanzen bildeten. Bekannt ist die von dem pädagogischen Schriftsteller Sintenis erzählte Anekdote, wonach er von dem Geheimen Hofrat Haase durch den Geheimen Hofrat Haase nochmals an denselben Geheimen Hofrat Haase appellieren mußte.

Der Französischen Revolution muß zu den vielen Sünden, die sie bereits auf dem Gewissen hat, auch der Tod dieses Fürsten zugeschrieben werden. Als er von ihrem Ausbruch hörte, wurde er unruhig und erließ lange, sehr schwer verständliche Schreiben an seine Untertanen, in denen er sie im Namen der heiligen Dreieinigkeit ermahnte, treu und gehorsam zu bleiben, ihnen aber im Falle des Ungehorsams mit den himmlischen Strafen drohte. (Warum wohl nicht mit den irdischen?) Friedrich August starb aus Kummer über die Hinrichtung Ludwigs XVI. Auf die erste Nachricht von diesem Ereignis hin weigerte er sich, weiter Speise und Trank zu sich zu nehmen – und einige Wochen später war der Märtyrer der Legitimität tot. Dieses fürstliche Prachtexemplar hatte es in österreichischen Diensten bis zum Feldmarschalleutnant gebracht, hielt sich aber auch selbst eine »Armee« von 2000 Mann mit nicht weniger als elf Obersten. Seine Werbeplätze waren über ganz Deutschland verstreut; einmal gab es deren nicht weniger als sechzehn. Gleichwohl bezahlte sich das Geschäft, denn er fand fast immer Verwendung für seine Truppen.

Schon bei Eröffnung der englisch-amerikanischen Feindseligkeiten war Friedrich August mit seinem Angebot in den Markt gekommen; indessen nahm man anfangs nicht die mindeste Notiz von ihm, und ohne Yorkes Empfehlung würde er voraussichtlich wohl nie berücksichtigt worden sein. Er hatte sich zunächst unmittelbar an Georg III. gewandt, aber keine Antwort auf seinen Brief erhalten, weil der König seinen Inhalt nicht entziffern konnte. Um direkt zu seinem Ziel zu gelangen, ließ der Fürst im Mai 1776 durch den Erbprinzen von Hanau seine Vorschläge an Suffolk machen. »Wenn Sie je«, schreibt der Minister Malsburg am 27. Mai 1776 an Faucitt, S. P. O. German States, Vol. 105. »von der sonderbaren Denk- und Handlungsweise dieses Fürsten gehört haben, so werden Sie über die Unregelmäßigkeit dieses Schrittes nicht erstaunt sein. Da Sie aber möglicherweise ein Regiment mehr brauchen können, so hat mein Herr mir befohlen, Ihnen den Brief des Fürsten vertraulich im Original mitzuteilen. Die Verwirrung, die in seinem Stil und in seinen Ausdrücken herrscht, hat mir nicht erlaubt, eine französische Übersetzung davon zu machen. Zudem werden Sie wohl jemanden haben, der ihn lesen kann und, soweit dies überhaupt möglich ist, seinen Sinn erklärt. Der Fürst will also ein Regiment von 627 Mann an England überlassen. Mein Herr möchte übrigens in der ganzen Sache nicht genannt sein. Der Brief an den König ist in einer so merkwürdigen Art geschrieben, daß es mir ein Problem scheint, ob er überhaupt dem hohen Adressaten übergeben werden kann.«

Faucitt legte in seinem Bericht an Suffolk den Originalbrief des Fürsten nicht einmal bei, um dem König die Unbequemlichkeit der Beantwortung eines in so befremdender Weise gemachten Anerbietens zu ersparen. Suffolk billigte sein Verfahren und ließ den Zerbstschen Antrag auf sich beruhen.

Übrigens war der Fürst nicht so leicht abgeschreckt; er suchte Ende November 1776 durch den Herzog von Braunschweig seine Absicht zu erreichen. »Der Fürst von Anhalt-Zerbst«, schreibt Feronce am 17. November 1776 an Suffolk, S. P. O. German States, Vol. 105. »hat den Herzog inständigst ersucht, durch Ihre Vermittlung dem König 800 Mann Infanterie für Amerika anzubieten. Das Regiment ist gut einexerziert und ausgerüstet; es kann sich, sobald es gewünscht wird, mit zwei Geschützen in Marsch setzten und, falls der König noch mehr fremde Truppen anwerben sollte, mit unseren Rekruten einschiffen. Die einzige Gunst, um die ich bitte, besteht darin, daß der Herzog in die Lage versetzt wird, dem Fürsten eine Antwort zukommen zu lassen.«

Suffolk lehnte am 26. November aber auch wieder ab, weil der König bei der günstigen Wendung, die die Dinge in Amerika genommen hätten, keine fremden Truppen dort mehr nötig zu haben glaube.

Friedrich August war jedoch nicht der Mann, den ein zweimaliger abschlägiger Bescheid entmutigt hätte; er empfahl sich also dem englischen Gesandten im Haag, Sir Joseph Yorke, noch einmal zur gefälligen Berücksichtigung. Yorke hatte offenbar Mitleid mit dem Zerbster und wollte seine Standhaftigkeit belohnen. Er verfehlte also nicht, ihm die durch Suffolks letztes Schreiben in Aussicht gestellte günstige Wendung der Dinge mitzuteilen. Als Antwort auf diese freudigen Eröffnungen empfing er daraufhin eine wahre Sündflut von fürstlichen Briefen, Plänen und Vorschlägen, die sich sogar bis auf die Vermehrung der englischen Marine erstreckten.

Bei dem dunklen und verworrenen Stil dieses fürstlichen Don Quixote ist es leider nur ausnahmsweise möglich, seine Gedanken ganz zu erraten – ein Prozeß, der durch ein barbarisches Französisch bedeutend erschwert wird, da es die abgerissenen Sentenzen noch verrückter erscheinen läßt. Doch der Leser möge selbst nach der im Anhang mitgeteilten Probe urteilen. Siehe Anhang sub XXIII und XXIV.

Der Fürst schien also endlich am Ziel seiner Wünsche zu sein, und seine kühnsten Hoffnungen schwelgten jetzt schon in einem Kreuzzug für die von den amerikanischen Rebellen bedrohte Legitimität. »Vier Brüder in Dessau«, schreibt er an Yorke in dem im Anhang vollständig mitgeteilten Brief vom 29. April 1777, »besaßen gemeinsam mehr als sechshundert Hetzhunde, die bei den Dessauer Bürgern einquartiert waren. Schöne Garnison! Und beim ersten Peitschenknall oder Hörnerschall eilten diese Hunde zusammen wie die Soldaten beim Klang der Trompete. Teufel – wenn man die Amerikaner wie diese Hunde laufen machen könnte! Das wäre herrlich! Aber dazu braucht man Truppen.«

Inzwischen hatte Faucitt am 29. April 1777 auch von Suffolk Auftrag erhalten, sich von der Beschaffenheit der Zerbster Bataillone zu unterrichten, um beurteilen zu können, ob sie des Königs weitere Aufmerksamkeit verdienten. Er sollte nicht weniger als 500 und nicht mehr als 800 Mann nehmen und seinen Verhandlungen mit Zerbst den Ansbacher Vertrag zugrunde legen. Kaum war aber Aussicht für die Vermietung der Landmacht vorhanden, so faßte der Fürst auch schon den Plan, die Vorteile seiner an der Nordsee gelegenen Grafschaft Jever zu verwerten. »Wenn England«, schrieb er am 23. Juni 1777 an Yorke, S. P. O. Holland, Vol. 602. »an der deutschen Küste gegen die Rebellenkaper zwei Fregatten von je zwölf und zwanzig Kanonen und zwei kleinere Fahrzeuge von je acht und zehn leichten Geschützen wünscht, so kann ich ihm diese überlassen. Meine Schiffe sind Schnellsegler und aus folgenden Gründen für Sie unentbehrlich: 1. stellen sie die Verbindung zwischen mir und meinen Truppen her; 2. vermitteln sie die von Deutschland abzusendenden Verstärkungen; 3. erlangen sie dadurch so viele Schiffe und Matrosen mehr, was bei der Frechheit der Rebellen, die ›leur canaille de pirates‹ überallhin schicken und sogar imstande sind, die deutschen Küsten heimzusuchen, gar nicht gering anzuschlagen ist.«

Komischerweise nahm Yorke diesen letzten Vorschlag im Ernst auf und meint am 15. Juli 1777 in dessen Bevorwortung bei Suffolk, daß er deshalb Beachtung verdiene, weil England durch ihn eine große Zahl von Seeleuten erlangen könne, die sonst vielleicht gegen dieses vom Feind verwendet werde. Als wenn der Fürst außer vielleicht ein paar Fischerbooten ein einziges seetüchtiges Fahrzeug gehabt hätte! Der Mann lebte in Basel und wollte von hier aus eine Flottille ausrüsten!

Suffolk hatte nur unter der Voraussetzung mit dem Fürsten angeknüpft, daß sein Regiment bis zum April marschfertig in Jever sein und bis zur Eröffnung des Herbstfeldzugs in Amerika eintreffen könne. Als aber der Geheime Rat Haase, der von Zerbster Seite mit Faucitt den eventuellen Vertrag in Braunschweig abzuschließen bestimmt war, dort nicht zur verabredeten Zeit erschien, und als Faucitt außerdem noch Anfang Juni 1777 nach Hause meldete, daß das Zerbster Regiment, statt wie versprochen schon in Jever, noch in Zerbst sei, nahm Suffolk unmutig seinen Befehl für Annahme der zerbstischen Truppen zurück. Die Jahreszeit, erklärte er, sei zu weit vorgerückt, als daß sie noch im Laufe des Sommers in den englischen Dienst genommen werden könnten. Der Fürst hatte in der Person der »Barone« von Oppeln und von Wietersheim zwei »Gesandte« nach London geschickt, um durch sie den Vertrag zwischen den Kronen Zerbst und Großbritannien abschließen zu lassen. Suffolk sagte ihnen kurzerhand, London sei nicht der Platz für ein derartiges Geschäft, und empfahl ihnen die sofortige Abreise.

»Trotz Ihrer Versprechungen«, schreibt der Fürst am 25. Juni 1777 an Yorke, S. P. O. Holland, Vol. 602. »hat man in London meine Truppen abgelehnt; man will bis zum nächsten Jahr warten. Das ist unmöglich; ich werde mich dann nicht wieder ähnlicher Behandlung aussetzen. Andere Mächte werden diese schönen Truppen (ohne Eitelkeit!) mit offenen Armen aufnehmen. Ich hoffe, Sie werden aber noch alles arrangieren.«

Yorke suchte denn auch die Sache bei Suffolk wieder in Gang zu bringen. »Ich sende Ihnen«, schrieb er ihm am 15. Juli 1777, »durch den hannöverschen Kurier verschiedene Briefe, die ich von meinem merkwürdigen Korrespondenten, dem Fürsten von Zerbst, erhalten habe. In seinem letzten ist er über den eingetretenen Zeitverlust aufgebracht. Ich lege meine eigene Korrespondenz nicht bei, da sie nur ermüdend für Sie sein würde; ich habe mich übrigens genau an meine Befehle gehalten. Ich habe dem Fürsten heute geschrieben und mich bemüht, ihn guten Mutes zu erhalten und zu besänftigen. Bei allen seinen Verrücktheiten ist er doch ein guter Kerl, der besser handelt, als er schreibt. Ich wünsche, seine Truppen möchten in diesen schwierigen Zeiten doch noch genommen werden.«

Die Ereignisse auf dem Kriegsschauplatz ließen es denn auch Suffolk noch im Laufe des Sommers wünschenswert erscheinen, die englische Armee in Amerika – sei es auch nur durch ein oder zwei zerbstische Bataillone – zu verstärken, ja er mußte froh sein, daß sich ihm wenigstens eine Aussicht auf ein sofort bereites Hilfskorps bot. So beauftragte er denn im Herbst 1777 Faucitt, für zwei Regimenter mit dem Zerbster Ministerium abzuschließen. Dieses unterwarf sich ohne jeden Widerspruch den vom englischen Kommissar gestellten Bedingungen und begnügte sich sogar mit der bloßen Punktation eines Vertrags, die gegen Ende Oktober 1777 zustande kam, die es aber England freistellte, seine endgültige Genehmigung so lange zu verschieben, bis die zerbstischen Truppen von Faucitt im Einschiffungshafen in den englischen Dienst gemustert sein würden. Jedes der beiden zu liefernden Regimenter sollte aus 614 Mann, einschließlich der Offiziere, bestehen, jedes aber nur zwei Stabsoffiziere, Oberst und Major, haben und im Frühjahr marschfertig sein.

England übernahm also nicht die mindeste Verantwortung; diese fiel vielmehr ausschließlich der Zerbster Regierung anheim, die, wie wir im nächsten Kapitel sehen werden, in der Folge hart genug daran zu tragen hatte.

»Ich bin«, schreibt Faucitt am 15. November 1777 aus Braunschweig an Suffolk, S. P. O. German States, Vol. 108, Nr. 5. »soeben von Zerbst zurückgekehrt, wo ich das eine der beiden uns angebotenen Regimenter sah. Es besteht aus lauter schönen und jungen Leuten, die indessen ihre Waffen nicht so gut handhaben und nicht so gut exerzieren, wie ich erwartet hatte. Ihr Oberst, Herr von Rauschenplatt, versicherte mich aber, daß sie erst vor drei bis vier Tagen von ihrem Urlaub einberufen worden seien, nachdem sie den größten Teil des Jahres abwesend gewesen seien, und daß er sich anheischig mache, sie bis zur Zeit ihres Abmarsches gut auszuexerzieren. Es scheint mir, daß der Oberst das wohl fertigbringen wird; er ist ein gebildeter und tätiger Offizier, der während des ganzen letzten Krieges im österreichischen Heer gedient hat. Es fehlte den Leuten überhaupt nicht an gutem Willen. Zu jedem Regiment gehören zwei Grenadierkompanien.

Das eine Regiment ist marschfertig, während das andere, das in einiger Entfernung von Zerbst liegt, es vor nächstem Februar nicht werden kann. Ich werde sie die Elbe hinunter bis Stade verschiffen. Die Reise dauert acht bis zehn Tage. Rauschenplatt sagte mir, er werde sofort nach Eintreffen der Erlaubnis der Uferstaaten marschieren und zur Not gar nicht auf die Antwort der Fürsten warten.«

Dieser Plan war an sich ganz gut und leicht ausführbar, wenn nur Friedrich der Große sein Veto nicht eingelegt hätte.

Während die Verhandlungen mit Zerbst noch schwebten, regte Faucitt selbst im April 1777 von Kassel aus wieder den Plan an, wenigstens 1000-1500 Mann vom Herzog von Württemberg zu mieten, der nach wie vor vor Ehrerbietung gegen den König von England überströmte und es sich als besondere Gnade ausbat, daß seine Truppen einigen Anteil an der Niederwerfung der amerikanischen Rebellion nehmen dürften. Suffolk meinte zwar, diese Dienstwilligkeit ziele mehr darauf hin, eine bedeutende Summe Geldes nach Stuttgart zu ziehen, als Sr. Majestät Streitkräfte bedeutend zu verstärken, allein er bevollmächtigte Faucitt, die Verhandlungen mit Karl Eugen wieder anzuknüpfen und ihm die den Hessen gewährten Bedingungen einzuräumen, wenn er bis zum Frühjahr zwischen 1500 und 4000 Mann erhalten könne. Indessen hatte der englische Minister immer noch Mißtrauen in die Tüchtigkeit der württembergischen Truppen und brach im Dezember die schwebenden Unterhandlungen ganz ab, als infolge der vom König von Preußen gegen die deutschen Hilfskontingente ergriffenen Maßnahmen ihre Verschiffung den Rhein hinunter vorläufig unmöglich wurde.

Übrigens verschmähte es Suffolk zu gleicher Zeit nicht, mit dahergelaufenen Abenteurern, alten Werbeoffizieren und prahlenden Landsknechten direkt zu verhandeln, sofern sich ihm nur eine Aussicht bot, ein paar tausend Mann mehr für den Dienst in Amerika zu gewinnen. So ließ er sich u. a. monatelang in einen ausführlichen Briefwechsel mit einem schwäbischen Baron Eichbegg ein. Dieser Mann bot seine Dienste in London selbst an und fand dort, wo man seinen Aufschneidereien und abenteuerlichen Plänen anfangs ein gläubiges Ohr schenkte, eine äußerst freundliche Aufnahme. »Da ich glaube«, schrieb er in einem noch barbarischeren als zerbstischen Französisch am 12. Juli 1777 an Suffolk, S. P. O. German States, Vol. 108. »daß der Hof von Wien und das ganze Reich neue, für Amerika bestimmte Truppenaushebungen in Deutschland mit keinem günstigen Auge ansehen werden, so erlaube ich mir, Mylord, Ihnen einen Vorschlag zu machen, über den kein Mensch Lärm schlagen kann. Mein Geheimnis besteht darin, daß ich eine Rekrutenniederlage auf der Insel Minorca bilde, dort eine beträchtliche Anzahl Deutscher sammle und von da aus stets die deutschen in Amerika dienenden Regimenter vervollständige. Ein geborener Schwabe, habe ich die letzten beiden Kriege in Deutschland mitgemacht und kenne nicht allein besser als jeder andere das Land, sondern auch die Mittel und Wege, auf denen man, ohne Skandal zu machen, alle möglichen Rekruten zu zwanzig Pfund pro Stück nach Genua und von da nach Minorca schafft. Ich würde natürlich meinen Wohnsitz in Minorca aufschlagen.«

Suffolk fand diesen Plan denn doch etwas zu weitgehend; aber der erfinderische Herr von Eichbegg machte ihm bereits am 8. August 1777 einen neuen, verbesserten Vorschlag. Er hatte diesmal nichts Geringeres vor, als Slowaken und Kroaten nach Amerika zu schaffen und aus diesem Gesindel zugleich nach beendetem Krieg eine für die Amerikaner furchtbare Niederlassung zu bilden. »Meine alten Waffengefährten«, schreibt Eichbegg unter jenem Datum, »wollen niemand anderem dienen als England; ich erneuere deshalb meine Bitte um Prüfung meines sehr beachtenswerten Vorschlags. Ich weiß nicht, was für Gründe Sie bestimmen, diesen abzulehnen. Meine Leute sind tapfere Slawonen, die ich im Krieg gegen Türken und Russen kommandiert habe; sie folgen mir, wohin ich gehe, bis ans Ende der Welt; zugleich sind sie gute Matrosen. Es wäre aber wichtig, nicht allein Soldaten und Matrosen nach Amerika zu schaffen, die sich während des dortigen Krieges nützlich machen könnten, sondern zugleich von höchster Bedeutung, später aus ihnen eine den Amerikanern furchtbare Kolonie zu bilden. Sie würden in ihnen eine natürliche Garnison gewinnen und die Transportkosten doppelt und dreifach wieder herausschlagen.«

Es schien aber selbst Suffolk vor dieser Bande bange zu werden; er lehnte deshalb den Antrag am 12. September 1777 definitiv ab und beharrte bei seiner Weigerung, als Eichbegg am 6. Januar 1778 sein Anerbieten von Hamburg aus erneuerte. So blieben denn die armen Rebellen vor der Gesellschaft der Halsabschneider, Rattenfallenhändler und Militärgrenzler verschont.

Übrigens schlugen in derselben Weise alle zur gleichen und späteren Zeit bei den kleineren deutschen Fürsten gemachten Versuche zur Erlangung von mehr Truppen fehl, da sich bei näherer Prüfung der Verhältnisse ergab, daß entweder die angebotene Zahl nicht vorhanden war oder daß sonst ein Hindernis im Weg stand. So schien sich schon im Frühjahr 1777 eine Aussicht auf Gewinnung von zwei Hildburghauser Bataillonen zu bieten. Am 9. April 1777 schrieb der englische Gesandte in Wien, Robert M. Keith, an Suffolk, S. P. O. Vienna, Vol. 365 (Private). daß der Feldmarschall Prinz von Sachsen-Hildburghausen ihm als Vormund seines Neffen, des regierenden Fürsten, für den nächsten Feldzug zwei Bataillone unter den dem Landgrafen von Hessen bewilligten Bedingungen angeboten habe und daß die Truppen in sechs Monaten marschfertig sein könnten. Der Marschall hielt sein Gesuch sehr geheim und ließ es nur durch die Hände der englischen Gesandtschaft in Wien gehen. Ob er sich seiner schämte? So viel steht aber fest, daß er sein Anerbieten nicht ausführen konnte, denn Suffolk, der es so gern angenommen hätte, kommt nie wieder darauf zurück. Dagegen wies der englische Minister im Dezember 1780 kurzerhand das letzte ihm gemachte größere Angebot ab. Gotha und Darmstadt hatten dem englischen Gesandten in Regensburg durch ihren dortigen Residenten, einen Herrn von Gemmingen, erklären lassen, daß sie froh sein würden, wenn der König von England 4000 Mann für den amerikanischen Dienst von ihnen nehmen wollte. S. P. O. German Princes, Vol. 45, Nr. 50. Es ergab sich später, daß der Suffolksche Agent zuviel gehört oder das Gehörte nicht recht verstanden hatte.

Somit blieb es für die ganze Dauer des amerikanischen Krieges bei den bereits erzählten sechs mit Braunschweig, Kassel, Hanau, Waldeck, Ansbach und Zerbst abgeschlossenen Truppenlieferungsverträgen.


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