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Zweites Kapitel

Englands vergebliche Werbeversuche in Rußland und in Holland.
Übernahme von fünf hannöverschen Bataillonen in den englischen Dienst

Die Zahl der englischen Truppen, die bei Eröffnung der Feindseligkeiten über die amerikanischen Kolonien verstreut waren, reichte zur Führung des Krieges keinesfalls aus. Im Norden betrug die königliche Streitmacht etwas mehr als 8000 Mann, in den mittleren und südlichen Kolonien fanden sich deren höchstens 6000-7000, so daß sich der ganze Effektivbestand der englischen Armee in sämtlichen amerikanischen Provinzen, von Neuschottland bis Florida bis in den Sommer 1776 hinein auf allerhöchstens 15 000 Mann belief. Ihre Zahl mußte also wenigstens verdoppelt, wenn nicht verdreifacht werden, wenn man den Kampf mit Aussicht auf Erfolg führen wollte.

Die Hauptschwierigkeit bestand nun zunächst darin, woher man die für den Krieg erforderlichen Truppen nehmen sollte, da die im eigenen Land vorhandenen Mittel nicht genügend waren. Die geborenen Engländer wollten und sollten in Amerika nicht dienen. Der dortige Konflikt war namentlich in den unteren Volksklassen von Anfang an sehr unpopulär gewesen und wurde jetzt durch die Aussicht, möglicherweise selbst noch zur Niederwerfung der Revolution herangezogen zu werden, bei ihnen noch unpopulärer. Dann aber nahm die seit dem letzten Krieg in kolossalem Maße entwickelte Industrie die verfügbaren Kräfte der Nation mehr als je in Anspruch. Die Regierung, die im Parlament und in den höheren Klassen ohnehin schon genug Widerstand gegen ihre Unterwerfungspläne fand, war zudem einer Berufung an das Volk und an die öffentliche Meinung abgeneigt; es lag ihr deshalb auch von Anfang an der Gedanke fern, die Zahl ihrer Regimenter durch Werbungen in England voll zu erhalten oder zu vermehren. Irland und die Hochlande, Kanada und die amerikanischen Loyalisten konnten zusammen keine Armee auf die Beine bringen; sie kamen deshalb um so mehr erst in zweiter Reihe in Betracht, als man noch nicht sicher war, ob und wie weit sie den an sie gestellten Anforderungen entsprechen wollten und konnten. Die Indianer hatten sich bei früheren Gelegenheiten als so unzuverlässige Bundesgenossen erwiesen, daß man sie am liebsten gar nicht zu Hilfe gerufen hätte.

In der am 14. Juni 1775 abgehaltenen Kabinettssitzung – der ersten, die nach dem Eintreffen der Nachricht vom Gefecht bei Lexington stattfand – verhandelten König und Minister lange über die Frage, wie der jetzt unvermeidlich gewordene Krieg geführt werden könne. »History of the United States« by George Bancroft, VII, 347. Nachdem Vorschläge, wie Blockierung der amerikanischen Küste, Besetzung der bedeutendsten Häfen und Aushungerung (!) der Kolonien der Reihe nach durchgegangen und verworfen worden waren, kam man endlich zu dem Entschluß, im Einklang mit der seit fast einem Jahrhundert befolgten und bewährten Praxis unverzüglich fremde Hilfstruppen anzuwerben.

Am nächsten lag natürlich Deutschland. Die deutschen Fürsten waren zwar habsüchtige, aber pünktliche Truppenlieferanten, und ihre Soldaten galten seit Jahren als die willigsten und brauchbarsten; allein man wollte diesmal, um ja keine Zeit zu verlieren, möglichst schnell statt einzelner Korps eine ganze Armee haben und sich nicht mit einem halben Dutzend Fürsten in lange dauernde Verhandlungen einlassen.

Die englische Regierung glaubte, was sie brauchte, am leichtesten und ersten in Rußland zu finden. Bancrofts »History«, VIII, 104-107. Sie stand mit der Zarin Katharina seit deren Thronbesteigung auf äußerlich sehr gutem Fuß, hatte sich ihren Plänen auf Polen nicht widersetzt, ja ihr sogar in dem eben beendeten Türkenkrieg durch Parteilichkeit gegen die Türken wesentlich genützt und ihre Allianz als ein Gegengewicht gegen die Bourbonen gesucht. Das russische Heer war seit dem im Jahre 1774 abgeschlossenen Frieden von Kudschuk Kainardsche zu stark, und in den Finanzen des Zarenreichs herrschte große Ebbe, während Katharinas Günstlinge für die stumme Beredsamkeit des Goldes durchaus nicht unempfindlich waren. Zudem hatte sich die russische Zarin bei früheren Gelegenheiten einem Bündnis mit England durchaus nicht abgeneigt erklärt, sofern sie im Falle eines neuen Krieges mit der Pforte auf Englands Hilfe rechnen konnte, bei welcher Erklärung sie freilich mehr an die europäische Politik als an die amerikanischen Verwicklungen dachte. Alle diese Gründe ließen auf eine günstige Aufnahme der englischen Vorschläge schließen.

Der englische Gesandte Gunning erhielt also bereits im Juli 1775 den Auftrag, die russische Regierung um Überlassung eines Hilfskorps von womöglich 20 000 Mann zu ersuchen. Bei der ersten Unterredung, die er nach Empfang dieser Instruktionen Anfang August mit Panin, Katharinas Premierminister, hatte, fragte er, nachdem er sich über die Unfehlbarkeit der zur Niederwerfung des amerikanischen Aufstandes ergriffenen Mittel ausgelassen hatte, diesen wie zufällig im Laufe des Gesprächs, ob der König von England, falls er fremde Hilfe zur Niederwerfung des amerikanischen Aufstandes brauchen sollte, auf ein Korps russischer Infanterie rechnen könne. Der Minister berichtete diese Frage der Zarin, deren Antwort Gunning am 8. August mitgeteilt wurde. Sie erwähnte kein Wort von Truppen oder russischen, an England zu überlassenden und über den Ozean zu versendenden Bataillonen, erklärte sich vielmehr nur in allgemeinen Redensarten bereit, König Georg III. aus Dankbarkeit für seine früheren Rußland geleisteten Dienste in irgendeiner ihm gut dünkenden Weise beizustehen, und sprach von ihrer angeborenen Vorliebe für die englische Nation.

Der leichtgläubige Gesandte nahm diese nichtssagenden Worte für ein feierliches Versprechen und berichtete unbegreiflicherweise sofort nach Hause, daß die russische Regierung der englischen mit 20 000 Mann Infanterie in Amerika zu Hilfe kommen wolle. Seine Depesche traf am 1. September in London ein und wurde hier mit Freude und Entzücken aufgenommen. Während der König einen eigenhändigen Danksagungsbrief an Katharina schrieb, wurde Gunning von Lord Suffolk, dem Minister des Auswärtigen, angewiesen, bei der Zarin in feierlicher Audienz um 20 000 Mann Infanterie zu bitten, die im Frühjahr bei Eröffnung der Schiffahrt in einen Ostseehafen und über England nach Kanada eingeschifft werden sollten. König und Minister waren im voraus ihres Erfolges so sicher, daß sie, obgleich die schnellste Reise von London nach Moskau damals dreiundzwanzig Tage dauerte, doch auf ein definitives Versprechen bis zum 26. Oktober, dem Beginn der Parlamentssitzungen, rechneten. Lord Dartmouth schrieb zu gleicher Zeit an die beiden in Amerika kommandierenden Generäle Howe und Carleton, daß die Zarin England die weitgehendsten Versicherungen für eine beliebige Anzahl Infanterie zur Bekämpfung des Aufstandes gegeben habe.

Am 8. September 1775 übersandte Suffolk seinem Gesandten durch einen zweiten Feldjäger den Entwurf eines Vertrages, der die Annahme eines Korps russischer Truppen in den englischen Dienst bezweckte. Dieser Vertrag sollte zwei Jahre dauern, da man innerhalb dieser Zeit des Aufstandes Herr geworden zu sein hoffte. Das Werbegeld wurde auf sieben Pfund Sterling per Mann festgesetzt, wovon die eine Hälfte bar, die andere bei der Einschiffung bezahlt werden mußte, und schließlich wurde eine Subsidie nicht ausgeschlossen.

Diese Instruktionen waren übrigens kaum abgegangen, als Gunning am 10. September während eines Hoffestes bei einer gelegentlichen Besprechung der amerikanischen Wirren von der Zarin auf die Notwendigkeit hingewiesen wurde, dem Kampf mit den Kolonien unter allen Umständen und am besten durch Milde ein Ende zu machen. Am 24. September traf der erste englische Kurier mit dem Brief Georgs in Moskau ein; Gunning sollte die zufällig abwesende Zarin aber erst am 30. nach ihrer Rückkehr sehen. Der Brief des Königs sprach ganz positiv von einem ihm seitens der Zarin gemachten Anerbieten von Truppen; Panin stellte in Abrede, daß es je gemacht worden sei, und Gunning räumte endlich ein, daß von einer Überlassung von Soldaten nicht ausdrücklich die Rede gewesen sei. Panin weigerte sich unter diesen Umständen, den englischen Gesandten zur Audienz bei Katharina einzuführen, und diese ließ ihr Bedauern darüber ausdrücken, daß sie ihre Truppen nicht an England vermieten könne.

Gunning bat dann um 15 000 Mann; allein auch diese wurden in den ersten Oktobertagen – ohne daß er die Kaiserin sehen konnte – von ihr als unverträglich mit der Würde Rußlands und seinem Verhältnis zu den übrigen europäischen Mächten verweigert. Der zweite Kurier kam am 4. Oktober mit dem Vertragsentwurf in Moskau an. Gunning las ihn Panin vor und wollte sich mit 10 000 Mann begnügen; allein der Kanzler übergab ihm statt aller Gegenäußerung Katharinas Antwort an den König von England und brach die Unterhaltung ab.

Natürlich waren diese Verhandlungen den fremden Diplomaten und Höfen kein Geheimnis geblieben. Als am 31. Oktober 1775 der französische Gesandte den russischen Premierminister nach der Wahrheit in der in dieser Angelegenheit umlaufenden Gerüchte fragte, antwortete dieser, die Annahme des englischen Antrages sei physisch unmöglich, und ebenso unvereinbar sei es mit der Würde Englands, fremde Mietstruppen gegen seine eigenen Untertanen zu gebrauchen. Die Zarin selbst war nach wie vor äußerlich sehr zuvorkommend und verbindlich gegen den englischen Gesandten und gegen König Georg, der ihr die abschlägige Antwort zwar nicht nachtrug, indessen aber nie vergessen konnte, daß sie seinen eigenhändigen Brief nicht selbst, sondern nur durch einen Privatsekretär hatte beantworten lassen.

Noch während die Unterhandlungen mit Rußland in Schwebe waren, hatte die englische Regierung anderweitige Schritte unternommen, um sich Hilfstruppen zu sichern; indessen war sie in Holland, wo sie zuerst anfragte, ebensowenig erfolgreich in ihren Bemühungen wie in Rußland.

In den Diensten der Generalstaaten stand schon seit länger als einem Jahrhundert die sogenannte »Schottische Brigade«, deren Ursprung auf die Zeiten Königin Elisabeths zurückging. Bancrofts »History«, VIII, 251-253. Die Niederlande hatten ihr im Jahre 1599 als Sicherheit für ein Darlehen drei wichtige Festungen verpfändet, die sie mit ihren eigenen Truppen besetzte. Im Jahre 1616 bezahlten die Holländer die Schuld, und sämtliche englischen Truppen wurden aus den besetzten Festungen zurückgezogen, mit Ausnahme einer englischen und einer schottischen Brigade, die in den Dienst der Generalstaaten übertraten. Als Jakob II. sie zur Verstärkung seiner Armee verlangte, wurden sie von den Generalstaaten verweigert. Man habe – so lautete die Antwort – die schottische Brigade zwar geschickt, als es sich darum gehandelt habe, die Rebellion des Herzogs von Monmouth zu unterdrücken; allein sie solle nie gebraucht werden, um die Freiheiten Englands zu vernichten. Wilhelm III. rief die englische Brigade zurück; so blieb denn nur die schottische Brigade, der im Jahre 1749 auch das Recht genommen wurde, in Schottland zu rekrutieren. Obgleich die Mannschaft des aus 2100 Mann bestehenden Regiments fortan aus Angehörigen aller Nationen, besonders aber Wallonen und Deserteuren gebildet wurde, so waren die Offiziere doch immer noch Schotten oder deren Nachkommen.

Diesen Umstand machte der König von England bei seinem Gesuch um Überlassung der schottischen Brigade geltend. Die Offiziere schuldeten ihm, so hieß es, infolge ihrer Geburt schon Treue und Gehorsam, zudem herrschten zwischen beiden Ländern schon lange intime Beziehungen und gemeinschaftliche Interessen, und endlich biete diese Gelegenheit dem Prinzen von Oranien den ganz besonderen Vorteil und die hohe Ehre, die Bande enger Freundschaft, die durch die Neutralität der vereinigten Provinzen während des letzten französischen Krieges mehr oder weniger geschwächt worden waren, wieder zu stärken.

Als Georg dieses Verlangen zum erstenmal stellte, wurde er vom jungen Statthalter kurzerhand abgewiesen. Als er aber sein Gesuch erneuerte, hatte er hauptsächlich mit dem Widerspruch der Generalstaaten zu tun. Seeland und Utrecht kamen dem Wunsch des Königs zwar nach; aber der bei weitem mächtigste der Generalstaaten, Holland, wandte ein, daß ein Handelsvolk sich nur im äußersten Notfall in einen fremden Streit mischen dürfe. Namentlich trat der Baron Johann Derk van der Capellen, Mitglied des Adels von Oberijssel, so entschieden gegen das Ansinnen der englischen Regierung auf, daß er, wenn auch nicht direkt, so doch indirekt dessen Annahme vereitelte.

»Es hieße an dem Kampf teilnehmen« – das ungefähr war der Inhalt von Capellens beredtem Protest –, »ja wir würden selbst mit in den Krieg verwickelt werden, wollten wir England Truppen überlassen und die Grundsätze unbedingter Neutralität aufgeben. Wir haben bisher England unser Wohl und Gedeihen geopfert, ohne irgendeinen Vorteil dafür erlangt zu haben. Frankreich wird sich voraussichtlich mit in den Kampf mischen – welche wird dann unsere Stellung sein? Bleiben wir neutral, so fällt uns für den Fall eines Krieges zwischen England und Frankreich der Handel des letzteren Staates zu, der unser natürlicher Bundesgenosse in der Verteidigung der Handelsfreiheit ist. Zudem hat England uns stets so übermütig behandelt, als ob wir gar kein selbständiges Volk wären, und, während wir gewissenhaft die mit ihm geschlossenen Verträge befolgten, gegen den Grundsatz der Freiheit der Ware in freien Schiffen gehandelt und willkürlich unsere Schiffe durchsucht und konfisziert. Statt also die Truppen eines freien Volkes zur Niederwerfung der sogenannten Rebellion zu verlangen, sollte England lieber Janitscharen mieten. Wie gehässig würde eine solche Rolle für uns sein, für uns, ein freies Volk, das selbst unter dem Joch der Tyrannei geseufzt und sich mit dem Schwert davon befreit hat, das ebenfalls den stolzen Namen Rebellen geführt hat, doppelt gehässig den Amerikanern gegenüber, die uns niemals beleidigt haben, die sich der Achtung der ganzen gebildeten Welt würdig zeigen und mit Mäßigung und Würde ihre Rechte verteidigen. Aus diesen Gründen muß der Wunsch des Königs von England abgeschlagen werden.«

Obgleich die Staaten von Oberijssel beschlossen, die England beleidigende Motivierung des Antrags van der Capellens aus den Protokollen ihrer Sitzung zu streichen, so verfehlte Capellens Beredsamkeit doch nicht ihre Wirkung. Die Generalstaaten willigten zwar ein, um jeden Schein der Unhöflichkeit gegen den mächtigen Nachbarn zu vermeiden, die schottische Brigade an England zu überlassen, fügten aber die Bedingung hinzu, daß sie nicht außerhalb Europas verwendet werden dürfe. Diese Bedingung kam beinahe einer abschlägigen Antwort gleich. England faßte sie auch als eine solche auf und ließ – vielleicht auch deshalb, weil sich ihm im langgedehnten Laufe der Verhandlungen andere Bezugsquellen eröffnet hatten – die ganze Angelegenheit fallen.

Weniger Schwierigkeiten verursachte die Verlegung von fünf hannoverschen Bataillonen nach Gibraltar und Port Mahon, weil der König von England hier als Kurfürst von Hannover handelte und höchstens mit dem Widerspruch des eigenen Parlaments zu kämpfen hatte. Übrigens war die ganze Maßnahme schon ausgeführt, als sie den Lords und Gemeinen vorgelegt wurde, wie denn überhaupt in jener Zeit die Regierung die Genehmigung des Parlaments als eine bloße Formsache auffaßte und in allen wichtigen Dingen so handelte, als ob gar kein Parlament existierte.

Oberst William Faucitt, der den Siebenjährigen Krieg in Deutschland mitgemacht hatte und Volk und Fürsten dort kannte, wurde bereits Anfang August 1755 von Georg III. nach Hannover geschickt, um die Übernahme der dortigen Bataillone in den englischen Dienst zu besorgen. »Da wir« – so lauteten die vom 11. August 1775 datierten königlichen Instruktionen S. P. O. German States, Vol. 101. – »unter dem Beirat unseres Geheimen Rates beschlossen und für tunlich erachtet haben, fünf Bataillone unserer kurfürstlichen Infanterie in englische Dienste zu nehmen und sie in unseren Garnisonen von Gibraltar und Minorca zu verwenden, um desto besser imstande zu sein, eine gleiche Anzahl englischer Trappen, die jetzt dort Garnisonsdienste tun, nach England zurückzuverlegen und auf Grund dessen unsere Streitkräfte zu vermehren, die zur Unterdrückung des unnatürlichen Aufstands eines Teils unserer nordamerikanischen Kolonien verwendet werden; da ferner besagte Truppen sich in Stade sammeln sollen, um nach den genannten Garnisonsplätzen eingeschifft zu werden, so haben wir es für ratsam befunden, Sie zu unserem Kommissär zu ernennen, um diese Truppen in Empfang zu nehmen und in den Dienst zu mustern.«

Faucitt reiste also sofort über den Haag – wo er vom englischen Gesandten Sir Joseph Yorke, einem langjährigen Kenner und Beobachter deutscher und kontinentaler Politik, Rat und Auskunft erhielt – nach Hannover ab und kam dort am 20. August an. Die Truppen waren zwar für den 1. September segelfertig, erhielten aber Gegenbefehl, weil die Lords der Admiralität die erforderlichen Transportschiffe nicht früh genug hatten absenden können. Der hannöversche General Spörken war beauftragt, die fraglichen fünf Bataillone marschfertig zu machen, so daß Oberst Faucitt nichts zu tun blieb, als sie vor ihrer Annahme in den englischen Dienst zu mustern und einzuschwören. S. P. O. German States, Vol. 101. Indessen wurde auch von der letzteren Bedingung abgesehen, weil die Soldaten eine Abneigung gegen die See hätten, sich also möglicherweise weigern könnten, zu marschieren, dann aber, weil die Verführung zur Desertion sehr groß sei, da die ganze hannöversche Grenze von preußischen und anderer Fürsten Werbern umringt sei, die alle auf die Unzufriedenheit dieser Soldaten spekulierten und sie für sich zu gewinnen hofften.

Faucitt fand sämtliche fünf Bataillone, die, aus je 473 Mann bestehend, im ganzen 2365 Mann ausmachten und von den Regimentern von Reden, von Goldacker, de la Motte, Prinz Ernst und von Hardenberg genommen waren, gut bewaffnet und gekleidet und die Mannschaften mit wenigen Ausnahmen kräftig und diensttüchtig, dabei willig und gehorsam. Trotz aller Verführung desertierte nicht ein einziger Soldat. Es verging übrigens noch der ganze September mit den Vorbereitungen zur Verschiffung, die mit Bewilligung des Hamburger Senats über Ritzebüttel stattfand, anstatt – wie anfangs beabsichtigt war – über Stade. Die beiden für Minorca bestimmten Bataillone, Prinz Ernst und Goldacker, wurden am 2. Oktober, die für Gibraltar bestimmten am 6. Oktober eingeschifft. Der Wind war jedoch während des ganzen Monats so ungünstig, daß die aus siebzehn Transportschiffen bestehende Flottille erst am 1. November 1775 in See ging.

Die Frage, ob die Regierung das Recht habe, ohne Genehmigung des Parlaments fremde Truppen in irgendeinen Teil der englischen Besitzungen einzuführen, rief in beiden Häusern ernste Debatten hervor. Der König hatte am 26. Oktober 1775 bei Eröffnung des Parlaments in seiner Thronrede u. a. die Mitteilung gemacht, daß er einen Teil seiner kurfürstlichen Truppen nach Gibraltar und Port Mahon beordert habe, um eine größere Zahl englischer Truppen zur Aufrechterhaltung der königlichen Autorität zur Disposition zu haben. Die Opposition beider Häuser stützte sich darauf, daß dieses Verfahren, einen häuslichen Streit beizulegen, eine gefährliche und schimpfliche Maßnahme sei, daß sie den anerkannten Landesrechten zuwiderlaufe und daß die fremden Truppen möglicherweise gegen die englische Freiheit verwendet werden könnten. Das Ministerium wandte ein, daß es weder dem Geist noch dem Buchstaben nach gegen die Konstitution verstoße, da die Bill of rights und Aufstandsakte nur bestimmte, daß in Friedenszeiten keine stehende Armee im Königreich ohne Genehmigung des Parlaments gehalten werden dürfe. Nun befinde man sich aber im Krieg, und eine Dependance wie Gibraltar und Minorca sei nicht das Königreich Großbritannien. Der betreffende Paragraph verdanke seine Entstehung König Jakob II., der in Friedenszeiten ohne Genehmigung des Parlaments eine stehende Armee in England gehalten habe. Die Garnisonen in Dünkirchen, Calais und Tangiers seien ohne jede Genehmigung des Parlaments gehalten worden, und nie habe dieses daraus dem König den Vorwurf der Ungesetzlichkeit gemacht. Zudem sei es zweckmäßiger, fremde Truppen in Sold zu nehmen, weil diese leichter und wohlfeiler beschafft werden könnten und weil die waffenfähige Bevölkerung Englands fast ausschließlich mit den Manufakturen und den Künsten des Friedens beschäftigt sei.

Die Debatte über diese Frage beschäftigte die Lords am 26. Oktober und am 1. November und das Haus der Gemeinen am 3. November 1775. Dieses erklärte sich jedoch schließlich mit 203 gegen 81 Stimmen und jenes mit 75 gegen 32 Stimmen mit dem Verfahren der Regierung einverstanden. Parliamentary Register, III, 111, and V, 35. Die fünf hannöverschen Bataillone blieben während des ganzen amerikanischen Krieges als Besatzung in Gibraltar und Minorca und verloren deshalb auch so wenige Leute, daß sie erst Anfang des Jahres 1778 die ersten Rekruten erhielten; sie kehrten erst im Sommer 1784 über England nach Deutschland zurück.


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