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Zwischen diesen beiden Welten standen die Thimigs und hatten die Wahl. Sie haben gewählt; nach ihrer Art: entschieden und unzweideutig. Aus keinem andern Grunde, als weil sie mußten. Weil diese klaren Menschen ihre innere Stimme deutlich verstanden. Ohne lockende Nebengeräusche, von nichts Äußerlichem verführt. Weil das Theater ihr Schicksal war. Und welches Theater? Die beiden Theater, die für das Schicksal der deutschen Bühne im 19. und 20. Jahrhundert die entscheidenden waren, das Burgtheater auf einem seiner stolzesten Höhepunkte und das Deutsche Theater Max Reinhardts, wurden es auch für das Schicksal der Thimigs.
Sie haben sich die Wahl nicht leicht gemacht. Es ging ein harter Kampf voraus, den jeder von ihnen einzeln für sich durchmachen mußte. Weil das Bürgertum in ihnen, ererbt und angeboren, sehr stark war. Die Thimigs sind unbestreitbares und unverkennbares Bürgertum, das sie weder verleugnen noch abstreifen, weder abstreifen können, noch wollen. Freilich Bürgertum in des Wortes bestem und edelstem Sinne, im Sinne des kategorischen Imperativs eines aufrechten und unbeirrten Lebensernstes. Und wenn sie sich für das Theater entschieden, so bedeutete ihnen auch 20 das Theater: Wille zur ernsten Arbeit im frommen Dienste ihrer Kunst. Diese Bürgergesinnung ist in ihnen so stark und eingewurzelt, daß sie, ohne Abbruch an ihrer Persönlichkeit, ohne Schaden an ihrer Kunst zu erleiden, sie auch in der unbürgerlichen Welt des Theaters aufrechterhalten können. So stehen die Thimigs zwischen den beiden feindlichen Mächten: Bürgertum und Theater als die große isolierte und geschlossene Ausnahme, der es aufgegeben ist, von beiden das Beste, nur das Beste zu nehmen und es vorbildlich und repräsentativ zu einem guten Neuen zu vereinigen.
Auf thimigisch. Wenn an den Thimigs und ihrer Kunst noch etwas Bürgerliches ist, so ist es die Art des guten alten Handwerks, von dem sie herstammen, das Altmeisterliche: zuverlässig, treu und wahr. Zuverlässig in der Gediegenheit des Metiers, treu im Heilighalten der Kunst und wahr in allen Dingen,
»Nichts verlindert und nichts verwitzelt,
Nichts verzierlicht und nichts verkritzelt;
Sondern die Welt soll vor dir stehn,
Wie Albrecht Dürer sie hat gesehn,
Ihr festes Leben und Männlichkeit,
Ihre innere Kraft und Ständigkeit.
Der Natur-Genius an der Hand
Soll dich führen durch alle Land,
Soll dir zeigen alles Leben,
Der Menschen wunderliches Weben.« 21