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Die Antenne im fünften Stock
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3. Kapitel.
Unsere Hilfstruppen

Sigi regte sich nicht . . .

Starrte den Fremden nur an . . .

»Wer – sind Sie?« brachte sie nur mühsam über die Lippen.

Er verbeugte sich . . .

»Kennen Sie den Namen Harald Harst, gnädiges Fräulein?«

Und da leuchtete Sigis Gesicht förmlich auf . . .

»Ah – Herr Harst – Sie . . .!!«

»Ja – – ich!« Er lächelte liebenswürdig . . . »Sie werden mich nicht verraten . . . Ich bin beruflich hier. – Was hatten Sie auf dem Herzen?«

»Einen – Kognak . . .! Das heißt: zum Schein . . .! Mama erzählte mir soeben, daß –«

Im Flur jetzt die Stimme Frau von Laukens:

»Sigi . . .!!«

Und Sigi flüsterte dem berühmten Detektiv zu:

»Nachher . . .! – Oder nein – ich schreibe Ihnen alles auf einen Zettel . . . Den Zettel stecke ich durchs Schlüsselloch . . .«

Und sie huschte hinaus, während der verwandelte Haberlein sich eng an die Tür drückte, damit Ihre Exzellenz ihn nicht sähe . . .

Sieglinde beruhigte die Mutter . . .

»Alles schon wieder vorüber, Mama . . . Der Kognak tut Wunder . . .«

Sie gingen ins Eßzimmer.

»Scheint so!« meinte Frau von Lauken hier . . . »Du bist ja recht vergnügt, Kind . . .«

Sie musterte ihre Einzige etwas mißtrauisch.

»Herr Haberlein versteht es prächtig, einem derartige Nervenkrisen auszureden, Mama,« lachte Sigi harmlos. »Jetzt aber – an die Arbeit . . .«

Ihre Exzellenz ließ sich täuschen . . .

Gleich darauf saßen die Damen im Salon. Frau von Lauken hatte den Kopfhörer auf und stickte und genoß das Abendkonzert der Funkstunde. Sigi klapperte am Schreibtisch an der Maschine und – haute immer wieder daneben . . .

Ihre Gedanken waren anderswo . . . Und ihr Herz war leicht und frei . . . Ihre Angst, daß womöglich Thomas Eriksen die Frau ermordet haben könnte, war zerflattert. Sie hatte jetzt ja einen Harald Harst zum Verbündeten. Der würde diesen Mord schon aufklären.

Als es aber zehn Uhr geworden und das Voxhaus die Tagespresse »gab«, da machte Sigi eine Pause, stöpselte auch den zweiten Hörer ein und – wartete gespannt . . .

Endlich dann der Ansager:

»Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf Ersuchen des Polizeipräsidiums möchten wir Sie nochmals auf den in der verflossenen Nacht auf dem Dache des Hauses Winterfeldtstraße Nr. 43 verübten Raubmord aufmerksam machen. Die Person der Ermordeten hat bisher nicht festgestellt werden können. Wir geben daher nochmals eine genaue Personalbeschreibung . . .«

Und zum Schluß:

»Die Kriminalpolizei hat im übrigen nichts Neues ermittelt . . . Vielleicht haben die Täter – denn es müssen mindestens zwei Leute die Tote vom Dache in die leere Wohnung geschafft haben – auch nur einen Raubmord vortäuschen wollen und die Leiche deshalb so vollständig aller Schmucksachen beraubt. An den Fingern, den Armgelenken und am Halse der Toten ist zu erkennen, daß sie Ringe, Armbänder und Halskette getragen hat. – Die ausgesetzte Belohnung von tausend Mark sollte jeden anspornen, sein Gedächtnis zu durchforschen, ob ihm nicht eine hellblonde Dame im Zobelpelz und schwarzem Hütchen mit Reiherstutz irgendwo aufgefallen ist. Mitteilungen nimmt jedes Polizeirevier sowie Kriminalkommissar Köstlin, Polizeipräsidium, Zimmer 32a, Hausanschluß 563, entgegen . . .«

Sigi atmete erleichtert auf . . .

Wie hatte sie nur diesen Verdacht gegen Thomas Eriksen hegen können?! Wie sollte dieser feingebildete, schwermütige Mann zum Mörder werden?! Und wie sollte er noch dazu im Verein mit einem anderen die Tote dort in das leere Zimmer getragen haben?! Undenkbar . . .!

Arbeitsfreudig setzte sie sich wieder an ihre Schreibmaschine . . . – –

* * *

Inzwischen hatte der Detektiv Harst längst vorsichtig die Wohnung verlassen und war zu Fuß nach dem Café Viktoria Louise am gleichnamigen Schmuckplatz gewandert.

Hier erwartete ihn an einem abseits stehenden Tischchen ein kleiner korpulenter Herr mit Hornbrille und heiterem, freundlichem Gesicht . . .

Die beiden nickten sich zu. Harst gab dem Kellner Sportpelz und Hut und setzte sich neben seinen Intimus Max Schraut . . .

Sie drückten sich die Hände . . .

»Wie schaut's, mein Alter?« fragte Harst und nahm die Speisenkarte, bestellte Kaviarbrötchen und eine halbe Flasche Sekt . . .

Der Kellner verschwand.

Schraut meinte achselzuckend:

»Wie soll's schauen?! Alles dunkel, Harald – wie bisher . . .«

»Hm – hast Du die Abendzeitungen gelesen?«

»Welche Frage?!«

»Nun – da ist doch eine Frau ermordet worden . . .«

Schraut erlaubte sich zu lächeln . . .

»Und die Frau ist nicht Frau Lizzia Douglas, lieber Harald,« sagte er triumphierend.

»Nicht?!«

»Nein, denn Frau Lizzia Douglas ist vormittags neun Uhr mit Thomas Eriksen im Auto davongefahren . . . Leider, leider bekam ich so schnell kein anderes, um ihnen folgen zu können . . .«

Harst sann vor sich hin . . .

»War es bestimmt Frau Douglas?« fragte er dann.

»So sicher, wie Du hier neben mir sitzest . . .«

»Ja – aber die Tote war doch genau so gekleidet, wie wir nun die Douglas seit zehn Tagen kennen . . .«

Schraut machte eine großartige Handbewegung . . .

»Es gibt eben zwei Hütchen mit Reiherstutz und zwei Zobelpelze . . .

Harst wiegte den Kopf hin und her . . .

»Da stimmt irgend etwas nicht . . .

Der Kellner brachte den Sektkühler und die Kaviarbrötchen . . .

Als er wieder gegangen, meinte Harst:

»Dieser Fall ist eine harte Nuß, mein Alter . . . Jede Nacht auf der Lauer liegen – kein Vergnügen! Ich habe wieder drei Stunden auf dem Dache von Nr. 9 zugebracht . . . Und dann noch den Haberlein spielen müssen und von Eiern leben, weil das die einfachsten Gerichte ergibt . . .!!«

Der Kellner brachte die Sektgläser und schenkte ein. Verschwand . . .

Die Musik spielte einen Walzer.

Walzer waren ja wieder in Mode gekommen. Selbst die Halbwelt und die Lebewelt hatten anscheinend die exotischen Verrücktheiten satt.

»Prosit, mein Alter . . . Stärken wir uns zu neuen Taten . . .«

Und Harst trank das Glas mit Behagen leer . . .

Nachdem er noch zwei Kaviarbrötchen verzehrt hatte, kam die Mirakulum an die Reihe. Er rauchte, streckte sich . . .

»Nun ist mir wohl . . . Und nun laß uns die Sache nochmals in Ruhe durchgehen, mein Alter . . . – Vor zehn Tagen flatterte uns morgens der anonyme Brief ins Haus. Schreibmaschinenschrift . . . Da stand, wir sollten uns doch um Luitpoldstraße Nr. 9 so etwas kümmern . . . Da würde jede Nacht in der aufgestockten fünften Etage eine Antenne gespannt und gefunkt. – Wir hatten gerade nichts Besseres vor und prüften die Angaben. Es stimmte. Und wir erkundigten uns auch nach den Bewohnern der fünften Etage: Ehepaar Douglas aus Neuyork nebst Bruder der Frau Douglas, namens Eriksen, – keine Dienstboten, nur eine Aufwärterin trotz der fünf Zimmer, eingezogen am ersten Januar des Jahres, anscheinend reich. – Und dann zog ich zu Laukens, dann sah ich, auf Eriksens Fährte, im Blüthner-Saal Fräulein Sigi neben Eriksen – ein Zufall übrigens, wie sie mir heute eingestanden hat . . .«

»So?!«

»Ja – – so!! Sie lügt nicht. – Ein trauriger Zufall, denn sie hat sich in den Menschen verliebt, was ich begreiflich finde . . . Traurig deshalb, weil diese drei Amerikaner zweifelhafte Herrschaften sind . . . Mister Allan Douglas nennt sich hier Vertreter des Manhattan-Trust, und wir haben längst heraus, daß es einen solchen Trust nicht gibt . . . – Zehn Tage haben wir jetzt mit dieser Geschichte vertrödelt und noch nicht einmal die Depeschen entziffert, die die Leute jede Nacht heimlich ins Weite senden . . . Sieben Nächte hast Du, mein Alter, daheim bei uns am Empfänger gesessen und diese Telegramme notiert . . . Sieben Nächte habe ich Märzkater gespielt und bin auf Dächern umhergeklettert . . . Und nun, wo diese Frau ermordet worden ist, bilde ich mir ein, daß wir zupacken können: nichts davon! Du beweist mir, daß es offenbar zwei völlig gleiche Lizzia Douglas' gibt!«

Schraut sog an seiner Zigarre . . .

»Ja, wenn man nur die Depeschen enträtseln könnte!« meinte er grüblerisch.

»Ja, – wenn man nur wüßte, für wen sie bestimmt sind!« ergänzte der Detektiv in demselben Ton.

Dann füllte er die Sektgläser . . .

»Prosit . . .! Heute – brechen wir ein . . .

Der Dicke neben ihm machte ein sehr bedenkliches Gesicht. »Was versprichst Du Dir davon, Harald?«

»Mehr als von unseren bisherigen Taten, mein Alter. Ich will Schluß machen. Die Sache fällt mir auf die Nerven . . . Ich stehe wie ein Blinder da . . . Oder besser: ich liege! Denn dort auf dem neuen Dache von Nr. 9 liege ich wirklich zumeist und spähe hinab, sehe die Antenne, die Eisenstangen . . . Und – das ist dann alles . . .

»Hm – Du hoffst die drei belauschen zu können?«

»Ja. – Sie kommen regelmäßig erst gegen elf Uhr abends heim, sitzen bis dahin in irgendeinem Restaurant, wie Du längst ausspioniert hast . . . Wenn wir jetzt aufbrechen, können wir noch in aller Gemütsruhe uns einschleichen . . .«

Er sah nach der Uhr.

»Zehn vor zehn . . . – Bezahlen wir . . .!« –

Harst besaß einen Nachschlüssel für die Haustür von Luitpoldstraße Nr. 8. Da der Portier im Hintergebäude wohnte, war nichts zu befürchten. Die Freunde langten denn auch unbelästigt vor der Bodentür an, öffneten sie mit einem Dietrich und kletterten mit Hilfe der Leiter durch die Luke auf das Dach.

Das Nebenhaus Nr. 9 war durch dis Aufstockung vorn bedeutend höher. Die Hinterfenster der aufgestockten Wohnung lagen jedoch nur einen halben Meter über dem Pappdach, waren durch Rolljalousien und Eisengitter geschützt und eigneten sich daher kaum zum Eindringen.

Anders die sechs Vorderfenster.

Vor diesen zog sich noch ein ganz schmaler Balkon hin, den der Architekt mehr aus Schönheitsgründen angebracht hatte, damit die Dachwohnung nicht allzu sehr einem langen Vogelkäfig gliche.

Sich auf diesen Balkon hinabzulassen, war bei der geringen Höhe nicht weiter gefährlich.

Die beiden Detektive hatten bald festgestellt, daß die Vorderfenster sämtlich dunkel waren.

Harst wagte als erster den Sprung, indem er sich an der Dachrinne festhielt und diese dann losließ. Er landete wohlbehalten auf dem Balkon und schlich nun erst einmal die Fenster entlang.

Das dritte war gleichzeitig Tür – eine Doppeltür . . .

Sie stand . . . offen – – zwei Handbreit . . .

Harst zögerte . . .

Diese Entdeckung behagte ihm nicht . . .

Er machte kehrt, rief Schraut leise zu:

»Bleib oben . . . Die Balkontür ist offen. Besser, daß einer von uns dem andern den Rücken decken kann . . . Krieche mehr nach links – genau über die Balkontür.«

Der Dicke tat's.

Harst stieß die Doppeltür mit dem Fuße noch weiter auf . . .

Das machte einigen Lärm . . .

Minutenlang starrte er in das dunkle Zimmer hinein.

Dann von oben Schrauts Stimme:

»Sigi Lauken beobachtet uns von drüben . . .«

Der Detektiv drehte sich um . . .

Wirklich – da stand die schlanke Mädchengestalt am hellen Fenster – den Operngucker an den Augen . . .

Harst winkte – winkte absichtlich.

Sigi sollte ihn erkennen, damit sie nicht etwa Lärm schlüge . . .

Und – sie winkte zurück . . .

Trat ins Zimmer, ließ den Vorhang fallen . . .

Der Detektiv ahnte, daß sie jetzt an einem der Fenster des dunklen Speisezimmers sich aufstellen würde.

Er schaltete seine Taschenlampe ein, bückte sich . . .

Und so glitt er mit zwei – drei langen Sätzen durch die offene Tür, ließ ebenso rasch dann den hellen Leuchtkegel umherfahren.

Ein Damensalon . . . Zwei Türen . . . Alles sehr elegant . . . Nichts Verdächtiges . . .

Leise öffnete er die Tür, die in den Flur münden mußte . . .

Lauschte . . .

Alles still . . .

Und zehn Minuten darauf wußte er, daß er hier in der Wohnung allein war.

Nun holte er den Freund.

Auch Max Schraut landete glücklich auf dem Balkon.

Nochmals durchsuchten sie die Wohnung. Die Zimmer waren sämtlich ungeheizt, sämtlich mit Geschmack eingerichtet.

Die Flurtür, die auf den Vorboden führte, war von innen gepanzert und hatte ein dreifaches Stangenschloß.

Alles schauten die Freunde sich an . . .

Und in der schmucken Küche sagte Harst:

»Die sind – ausgekniffen, mein Alter . . .! Die kommen nicht mehr zurück. Die haben doch etwas mit dem Morde an dieser Doppelgängerin der Lizzia Douglas zu tun . . .! Immerhin – verbergen wir uns. Die Mädchenstube neben dem Bad dürfte der geeignete Ort sein . . .«

Hier stand ein Schrank, der bis auf einige Pappkartons leer war. Und in diesem Schrank machten die beiden es sich nun bequem. Die Schranktür ließen sie vorläufig weit offen . . .

Als Sitz diente ihnen eine kleine Küchenbank.

Bequem war das nicht. Und der allzeit ein wenig zu Spöttereien geneigte Schraut meinte denn auch nach einer halben Stunde: »Ein Klubsessel wäre mir lieber. Vielleicht holen wir uns die beiden aus dem Herrenzimmer.«

»Bitte, – es wird Dir aber kaum bekommen, mein Alter . . . Denn schon vorhin hörte ich im Flur das leise Knarren von Dielen . . .«

Auf diese Antwort war Schraut nicht vorbereitet . . .

Hier in der Finsternis des Schrankes tastete er nach dem Arm des Freundes und legte seine Hand mit schwerem Druck darauf.

»Also sind sie doch nach Hause gekommen, Harald?!«

»Nein . . . Das waren schleichende Schritte . . . Die rechtmäßigen Bewohner dieser Räume würden sich weniger vorsichtig bewegen . . .«

»Wer soll's denn sonst sein?!«

»Vielleicht Kollegen von der offiziellen Polizei . . .«

»Du meinst, die Polizei ist ebenfalls schon auf die drei aufmerksam geworden?«

»Beweise habe ich nicht . . . Es kann sein – kann! Schweige jetzt!«

Und nach dieser kurzen geflüsterten Zwiesprache streckte Harst den Kopf wieder zum Schranke hinaus und horchte aufs angespannteste . . .

Es war jedoch nichts mehr zu hören . . .

Wieder verging so eine Viertelstunde.

Dann wurde ganz plötzlich die Tür des Mädchenzimmers geöffnet.

Gleichzeitig schoß der dünne Strahl einer Blendlaterne hinein . . .

Harst konnte gerade noch den Kopf zurückziehen und ebenso schnell seine Pistole aus der äußeren rechten Pelztasche herausnehmen . . .

Der Lichtschein glitt umher . . . Die Schranktür war offen geblieben . . .

Dann erschien ebenso plötzlich im Sehbereich der beiden Freunde ein rotbärtiger, untersetzter Mensch in dunkelbrauner Lederjacke . . .

Harst hielt ihm die Waffe entgegen, war im Nu aus dem Schranke . . .

»Ruhe!!« befahl er flüsternd . . .

Der Mann war so völlig vertattert vor Schreck, daß er den Detektiv ganz blöde anstierte.

»Kennen Sie mich?« fragte Harst nun ebenso leise . . . »Mein Gesicht ist in gewissen Kreisen nicht gerade beliebt . . .«

»Herr – Harst . . .« nickte der unscheinbar, aber anständig gekleidete Mann . . .

»Stimmt. – Seid Ihr zu mehreren hier?«

»Noch einer . . .«

Schraut hatte jetzt gleichfalls den Schrank verlassen und seine Taschenlampe eingeschaltet.

»Sie brauchen keine Angst zu haben,« erklärte Harst. »Wir verlangen nur, daß Ihr beide den Mund haltet! – Schraut, bewache ihn!«

Und der Detektiv winkte, schlich in den Flur und sah linker Hand die zweite Tür geöffnet. Dort brannte Licht. Es war das Speisezimmer der Douglas.

Vor dem Büfett stand ein hagerer langer Mensch und packte das Silberzeug in eine große Handtasche . . .

»Guten Abend,« machte sich der Detektiv bemerkbar. »Legen Sie die Sachen wieder in die Schieblade zurück – auch alles andere . . .«

Der Einbrecher hatte gute Nerven . . .

»Pech!!« meinte er. »Verdammtes Pech . . .! Det jibt drei Jahre Knast . . .!« (Gefängnis)

»Nein, das gibt fünfzig Mark von Harald Harst, wenn Sie und Ihr Kollege uns ein paar Fragen beantworten wollen . . .«

»Mit Vajniejen, Herr Harst!«

Und dann saßen die vier am großen Eßtisch, und Harst nahm die jetzt durchaus beruhigten Gauner ins Gebet.

»Habt Ihr diesen Einbruch seit langem ausbaldowert?« begann er das Verhör.

Der Hagere, der ein reines Totenkopfgesicht hatte, war eine redselige Natur.

»Seit finf Tajen sind wir auf die Sache aus, Herr Harst . . . Wir hatten janz zufällij jehört, hier wohnen reiche Amerikaner . . . Und da haben wir sie eben beobachtet . . .«

»Und Ihr wußtet, daß die drei Leute in dieser Nacht nicht heimkehren würden?«

»Na ob, Herr Harst . . .« Der Mensch grinste überlegen. »Wat ick besonders bemerken möchte, Herr Harst: es sind nur zwee – zwee Herren . . .! Det Weib is Schwindel.«

Der berühmte Detektiv lächelte jetzt gleichfalls . . .

»Ihr versteht Euer Geschäft . . .! Ihr habt es also auch bemerkt . . .« Und er blickte seinen Freund Schraut etwas ironisch an und fügte hinzu: »Es gibt nämlich keinen Mister Douglas, mein Alter . . . Insofern befinden sich die beiden Herren hier doch im Irrtum . . . Die Frau hat stets den Mister Douglas gespielt . . . Man sah die drei ja nie gleichzeitig . . .«

Schraut lachte kurz auf. »Das kann nicht sein . . .! Ich habe noch gestern abend die drei im Siechen an einem Tisch zusammen gesehen . . .«

»Allerdings,« nickte Harst. »Der dritte war eben ein uns noch fremder Mitspieler . . .«

Da meinte auch der Hagere: »Da is nu nischt zu wollen, Herr Schraut: hier wohnten nur zwee! Und Herr Harst mag recht haben: die Dame hier hat sich denn also als Mann anjekluftet, wenn der anjebliche Douglas ufftrat . . .« –

Und ich, Max Schraut, der nun den zweiten Teil der »Antenne im fünften Stock« mit meinen eigenen Worten berichten will, – ich glaubte noch immer nicht an diese feine Komödie, die Lizzia Douglas und Thomas Eriksen hier aufgeführt haben sollten . . .

Harald sah's meinem Gesicht an, erklärte abermals:

»Ich hatte schon am zweiten Tage meiner Gastrolle als Haberlein festgestellt, daß Allan Douglas' Spitzbart falsch war . . . Dieser ›Mann‹ ließ sich ja auch stets nur nach Dunkelwerden sehen . . . – Wer aber der dritte ist, mit dem Lizzia und Eriksen sich stets abends erst trafen, das weiß ich nicht. Er entwischte mir regelmäßig . . . Jedenfalls war er aber äußerlich genau das Abbild der verkleideten Lizzia . . .«

Ich saß da und fuhr mir mit der Hand über die Stirn.

Das alles wollte erst einmal geistig verdaut sein . . .

Und wie ich mir nun meine Tätigkeit als Beobachter dieser Wohnung und dieser Leute so mit allen Einzelheiten ins Gedächtnis zurückrief, da wurde mir klar, daß ich . . . unglaublich blind gewesen! Es stimmte schon: die drei hatte ich stets nur abends in den verschiedenen Restaurants zusammen gesehen, und stets waren Frau Lizzia und Eriksen allein aus dem Hause getreten und in die Stadt gegangen . . .!

Mißmutig – denn ich fühlte mich vor den beiden Einbrechern geradezu blamiert! – sagte ich nun:

»Gut – mag sein!«

Und Harst dann zu dem Skelettgesicht:

»Habt Ihr etwa herausgebracht, wer der dritte ist?«

»Nee . . . Det war uns ooch ziemlich schnuppe, Herr Harst . . . For uns war die Hauptsache, det die Dame und der Schent heite vormittag nach Amsterdam abjereist sind und die Bude hier mithin leerstand . . .«

»So – seid Ihr ihnen denn bis zum Bahnhof gefolgt?«

»Ick hatte doch mein Rad da, Herr Harst . . . Von'n Bahnhof Friedrichstraße sind se abkutschiert, hatten noch zwee Handtaschen in de Friedrichstraße jekooft . . . Zweeter Klasse – Billjetts bis Amsterdam . . . – Nu, und da sind wir eben injestiegen hier in die Wohnung – übers Dach, Herr Harst . . .«

»Störte Euch die offene Balkontür nicht?«

»Nee . . .«

»Saht Ihr uns denn nicht?«

»Nee, Herr Harst . . . Sonst wären wir wohl scheenste fern jeblieben . . .«

»Habt Ihr noch etwas an diesen Leuten bemerkt?«

»Nischt . . . – Det heeßt: die beeden waren Schwarzhörer, Herr Harst . . . Jede Nacht haben sie 'ne Antenne . . .«

»Danke . . . – Sonst noch etwas?«

Der Hagere besann sich – schüttelte den Kopf . . .

»Nee – wirklich nich . . .«

Harald gab nun jedem einen Fünfzigmarkschein . . .

»Verschwindet jetzt! – Habt Ihr eine Leine oben an die Dachrinne geknotet?«

»Natierlich . . .«

»Dann laßt die Leine hängen, damit wir nachher bequem weg können . . .«

»Wird jemacht . . . Und besten Dank auch, Herr Harst . . .«

Sie erhoben sich . . .

Aber der Totenschädel schien noch etwas auf dem Herzen zu haben . . .

»Hm – – entschuldjen Sie, Herr Harst . . .«

»Bitte . . .«

»Ja – da steht doch heite abend in die Blätter, daß da in eene leere Wohnung Winterfeldtstraße eene kalt jemacht is – eene Dame . . . Und nach die Beschreibijung kennte man denken, es wär' die Frau Douglas . . .«

»Allerdings . . .«

»Hm – ne komische Jeschichte is das . . . Nicht wahr, Herr Harst?«

»Gewiß . . .«

»Hm – na ja, – und . . . dann muß es zwee Frau Douglasse mit 'n selben Pelzmantel und Hut jejeben haben . . .«

»Scheint so . . .«

Da grinste der Lange . . .

»Ick merke, Sie wollen nich reden, Herr Harst . . . Sie werden ja schon Bescheid wissen . . . – Juten Abend, die Herren! Und wenn Sie uns mal brauchen kennten . . . Man vadient jern 'n ehrlichen Jroschen. Det Jeschäft jeht schlecht . . . Die Leite haben heit alle Wachhunde, und – – na, es is wenij zu machen, Herr Harst . . .«

Harald schaute die beiden durchdringend an . . .

»Wenn Ihr das Maul halten könntet . . .

»Oh – unser Ehrenwort, Herr Harst . . . For Ihnen jehn wir jetzt durchs Feier . . .«

»Gut . . . – Wie heißt Ihr?«

»Ick bin der lange Benno, und mein Freind heeßt der schiefe Otto . . . von wejen den kleenen Buckel . . . Schuster war er frieher . . .«

»Janz frieher!« nickte der Rotbart.

»Dann hört mal zu . . . Ihr beide bleibt oben auf dem Dach und versteckt Euch hinter den Schornsteinen. Sollte jemand über die Dächer hier nach Nummer 9 kommen, so packt Ihr den Betreffenden . . .«

»Wird jemacht! – Und wenn etwa zwee kommen?«

»Dann warnt Ihr uns, turnt am Seil hinab und knotet es los . . . Ihr habt es doch auch sicher nur über den Rinnenhaken gelegt, so daß zwei Enden herabhängen?«

»Nee, daran haben wir nicht jedacht . . . Soll aber nu jeschehen . . . – Herr Harst, da oben uff det Dach wird's een bißken sehr kühl werden . . . Und hier ins Bieffett stehn so nette kleene volle halbe Flaschen Kohnjack . . . Wie wär's, wenn Sie uns jestatten mechten, so zur Erwärmung unseres sojenannten inneren Leibes . . .«

»Gut – eine halbe ist bewilligt . . .«

Sehr zufrieden zogen die beiden nun ab . . .

 


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