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Gutwitz tritt zu ihnen.
Gutwitz. Seid Ihr hier? Nun, Dauphine, ruf sogleich Deinen Onkel: ich habe meinen Theologen und Rechtsgelehrten angezogen, ihre Bärte gefärbt und alles. Die Kerls kennen sich selber nicht, so sind sie erhoben und verändert; Beförderung verwandelt alle Menschen. Du sollst eine Thür bewachen und ich die andre, und Clerimont stellt sich in die Mitte, so kann er auf keine Weise ihrem Zanken entrinnen, wenn sie erst warm geworden sind: dann brechen auch die Weiber (wie ich die Braut schon unterrichtet habe) auf ihr Stichwort herein. O es wird herrlich und lärmig vollauf werden! Nun geh' und hol' ihn her. – Dauphine geht ab: – Otter tritt herein als ein Geistlicher, und Bartschneider als ein Rechtsgelehrter verkleidet. Kommt, Herr Doktor und Herr Pfarrer, überlegt, was Ihr zu thun habt, und führt die Sache gut durch: Ihr seid gut angekleidet, richtet nur Euren Auftrag eben so gut aus. Wenn Ihr aus dem Zusammenhange kommt, so gesteht es nicht dadurch, daß Ihr still steht, oder hustet, oder das Maul gegeneinander aufsperrt; sondern fahrt dreist fort, sprecht laut und heftig, handthiert gewaltsam und besinnt Euch nur auf Eure Ausdrücke, so seid Ihr gerettet. Mag die Materie doch bleiben, wo sie immer will: sehr viele machen es so. Im Anfange seid aber feierlich und ernst, wie Eure Kleidung, wenn Ihr Euch auch späterhin gehn laßt. – Hier kommt er, legt Eure Gesichter in Ordnung und seht düster aus, wenn ich Euch vorstelle.
Dauphine kommt zurück, Morose mit ihm.
Morose. Sind diese die beiden gelehrten Herren?
Gutwitz. Ja, Sir: wollt Ihr sie nicht willkommen heißen?
Morose. Willkommen? Ich möchte lieber alles andre thun, als die Zeit so unnützer Weise verschwinden. Ich begreife nicht, wie die gemeinen Redensarten, als: Gott erhalte Euch; und: Ihr seid willkommen; in unserm Leben so gewöhnlich geworden sind! oder: Ich freue mich, Euch zu sehn! da ich nicht einsehn kann, welchen Nutzen diese Worte gewähren, so lange es mit dem nicht besser steht, dessen Sachen traurig und verdrüßlich sind, wenn er diese Begrüßung hört.
Gutwitz. Das ist wahr, Sir; wir wollen also gleich zur Sache schreiten. – Meine Herren, Herr Doktor und Herr Pfarrer, ich habe Euch hinlänglich mit dem Geschäft bekannt gemacht, zu welchem Ihr hieher berufen seid, es ist also nicht mehr vonnöthen, daß Ihr von der Lage der Sache unterrichtet werdet. Dieser ist der Herr, der Eures Rathes bedarf und deswegen fangt sogleich an, wenn es Euch gefällig ist.
Otter. Ist es Euch nicht gefällig, Herr Doktor?
Bartschneider Ist es Euch nicht gefällig, lieber Herr Pfarrer?
Otter. Ich möchte das weltliche Gesetz zuerst reden hören.
Bartschneider. Es muß durchaus dem geistlichen Rechte den Vorzug einräumen.
Morose. Nein, werthe Herren, verwickelt mich nicht in dergleichen Umständlichkeiten. Laßt mir den Trost, den ihr für mich habt, eiligst zukommen: theilt mir schnell meinen Frieden mit, wenn ich darauf hoffen darf. Ich liebe Eure Disputationen und Eure gerichtlichen Händel nicht, und daß Euch das nicht seltsam scheine, will ich Euch die Ursach kürzlich erzählen. Mein Vater gab mir bei meiner Erziehung immer die Lehre, daß ich beständig mein Gemüth sammeln sollte, es aber nicht unnütz herum schweifen lassen; ich sollte unterscheiden, welche Dinge im Laufe des Lebens nothwendig wären, und welche nicht, die erstern erwählen, die andern aber vermeiden; kurz, ich sollte die Ruhe lieben und die Unruhe vermeiden; und das ist mir nun auch zur andern Natur geworden. Deshalb komme ich nicht zu Euren öffentlichen Gerichten, oder an Oerter, wo es Geräusch giebt: nicht, daß ich diese Dinge verachten sollte, die zum Wohlbefinden des Staates unentbehrlich sind, sondern nur, weil ich gern das Schreien und Lärmen der Redner vermeide, die niemals schweigen können. Und eben in Ansehung des Geräusches ist es, warum ich mir jetzt Eure Hülfe erbitte. Ihr glaubt nicht, in welchem Jammer ich heute herumgetrieben bin, in welchem reissenden Strome von Unglück! Mein Haus ist von dem Tumulte drehend geworden; ich wohne schlimmer als in einer Windmühle!
Gutwitz. Nun, werther Herr Doktor, wollt Ihr das Eis brechen? der Herr Pfarrer wird Euch folgen.
Bartschneider. Sir, ich will, obgleich der Unwürdige und Schwächere, präsumiren –
Otter. Keine Präsumtion, Domine Doctor.
Morose. Schon wieder!
Bartschneider. Eure Frage ist nämlich die, aus wie vielerlei Ursachen ein Mann Divortium legitimum haben könne, eine rechtmäßige Ehescheidung. Zuerst müßt Ihr nun die Bedeutung des Wortes Divortium recht begreifen, a divertendo –
Morose. Keine Weitläuftigkeiten über die Wörter, lieber Doktor, wendet Euch gleich zur Frage.
Bartschneider^ So antworte ich also: das Gesetz erlaubt die Ehescheidung nur in wenigen Fällen, der hauptsächlichste von diesen Fällen ist im Fall des Ehebruchs: aber außerdem giebt es noch duodecim Impedimenta, zwölf Verhinderungen, wie wir sie nennen, welche alle nicht können dirimere contractum, aber irritum reddere matrimonium, wie wir uns im Gesetze ausdrücken: die den Kontrakt nicht aufheben, aber in ihm eine Ungültigkeit verursachen.
Morose. Ich verstand Euch sogleich, werther Herr, vermeidet die unnöthigen Uebersetzungen.
Otter. Er kann das nicht, mit Eurer werthen Erlaubniß, zu weitläuftig auseinander setzen.
Morose. Noch mehr!
Gutwitz. Ihr müßt doch die gelehrten Leute gewähren lassen. Nun zu Euren Hindernissen, Herr Doktor.
Bartschneider. Das erste ist impedimentum erroris.
Otter. Von welchem es wieder verschiedene species giebt.
Bartschneider. Ja, als error personae.
Otter. Wenn Ihr Euch mit einer Person verbindet, indem Ihr sie für eine andre haltet.
Bartschneider. Ferner, error fortunae.
Otter. Wenn sie arm ist, und Ihr habt sie für reich gehalten.
Bartschneider. Ferner, error qualitatis.
Otter. Wenn sie eigensinnig und starrköpfig ist, da Ihr sie für folgsam hieltet.
Morose. Wie? Ist das, Sir, ein gesetzmäßiges Hinderniß? Das noch einmal, meine Herren, ich bitte Euch.
Otter. Ja, ante copulam, aber nicht post copulam, Sir.
Bartschneider. Der Herr Pfarrer sagt recht. Nec post nuptiarum benedictionem. Dies kann nichts weiter, als irrita reddere sponsalia, die Verlobung aufheben, nach der Vermählung ist es von keiner Bedeutung.
Gutwitz. Ach, Sir, welche schöne Hoffnung ist uns wieder verloren gegangen!
Bartschneider. Das folgende ist Conditio. Wenn Ihr sie für frei hieltet, und es zeigt sich, daß sie eine Sklavin ist, das ist eine Hinderniß des Standes und der Eigenschaft.
Otter. Ja, aber Herr Doktor, dergleichen Dienstbarkeiten sind nun sublatae, unter uns Christen.
Bartschneider. Mit Eurer Erlaubniß, Herr Pfarrer –
Otter. Ihr müßt mir erlauben, Herr Doktor.
Morose. Nein, meine Herren, streitet nicht über diesen Fall, er betrifft mich nicht: geht zum dritten über.
Bartschneider. Nun also, der dritte ist votum, wenn einer von beiden das Gelübde der Keuschheit gethan hat. Dieser Umstand aber, wie der Herr Pfarrer auch vom vorigen behauptete, fällt unter uns Christen weg, Dank sei es der Erleuchtung. Der vierte ist cognatio, wenn die Personen in den verbotenen Graden der Verwandtschaft stehen.
Otter. Ja, seid Ihr mit diesen Graden bekannt, Sir?
Morose. Nein, sie kümmern mich auch nicht, denn ich weiß, sie können mir keinen Trost geben.
Bartschneider. Es ist aber noch eine Unterabtheilung dieses Hindernisses, nämlich cognatio spiritualis, wenn sie Eure Pathe ist, Sir, so ist diese Heirath unerlaubt.
Otter. Diese Auslegung ist abgeschmackt und abergläubisch, Herr Doktor, ich kann sie unmöglich gelten lassen. Sind wir nicht alle Brüder und Schwestern und eben so mit einander verwandt, wie Gevattern und Pathen?
Morose. O weh! Um den Streit zu enden, ich war niemals ein Gevatter, ich habe Zeit meines Lebens nicht Gevatter gestanden. Kommt auf das folgende.
Bartschneider. Das fünfte ist crimen adulterii, der bekannte Fall. Sechstens, cultus disparitas, die verschiedene Religion: habt Ihr sie schon examinirt, zu welcher Religion sie gehört?
Morose. Lieber wollt' ich, sie gehörte zu keiner, als daß ich mich damit beunruhigen sollte.
Otter. Es kann in Eurem Namen geschehn.
Morose. Nein, nein, werther Herr, nun das übrige. Meint Ihr, daß wir jemals zu Ende kommen?
Gutwitz. Ja, die Hälfte hat er schon, Sir. – Nun das übrige. – Seid geduldig, Sir, und hofft.
Bartschneider. Siebentens vis, wenn es durch Gewalt oder Zwang geschah.
Morose. O nein, es geschah von mir nur gar zu freiwillig, nur gar zu freiwillig.
Bartschneider. Das achte ist, ordo, wenn sie die geistlichen Würden empfangen hat.
Otter. Das ist auch abergläubisch.
Morose. Das schadet nichts, Herr Pfarrer, ich wollte, daß sie gleich in ein Kloster ginge.
Bartschneider. Neuntens ligamen, wenn Ihr schon vorher, Sir, mit einer andern verlobt wart.
Morose. Ich habe mich nur zu schnell in diese Fesseln begeben.
Bartschneider. Zehntens dann, publica honestas, woraus folgt inchoata quaedam affinitas.
Otter. Ja, oder affinitas orta ex sponsalibus, und ist außerdem nur leve impedimentum.
Morose. Noch weht aus allem dem kein Luft des Trostes auf mich.
Bartschneider. Eilftens dann, affinitas ex fornicatione.
Otter. Welches so gut wie die andre, Herr Doktor, als vera affinitas gerechnet wird.
Bartschneider. Freilich, quae oritur ex ligitimo matrimonio.
Otter. Ganz recht, ehrwürdiger Doktor, und nascitur ex eo, quod per conjugium duae personae efficiuntur una caro –
Morose. Hei! nun kommen sie in den Zug!
Bartschneider. Ich verstehe Euch, Herr Pfarrer, ita per fornicationem aeque est verus pater, qui sic generatur –
Otter. Et vere filius qui sic generatur –
Morose. Was nutzt mir das alles?
Clerimont. Nun werden sie hitzig.
Bartschneider. Das zwölfte und letzte ist endlich, si forte coire nequibis.
Otter. Ja, und dieses ist impedimentum gravissimum, es vernichtet und hebt gänzlich auf. Wenn Ihr manifestam frigiditatem habt, so seid Ihr glücklich, Sir.
Gutwitz. Nun, so ist ja endlich Trost herbei gekommen. Gesteht nur, daß Ihr ein unfähiger Mann seid, und sie wird selber zuerst die Ehescheidung suchen.
Otter. Ja, oder auch wenn morbus perpetuus et insanabilis da ist, als Paralxsis, Elephantiasis, oder dergleichen –
Dauphine. Ja, aber frigiditas ist immer besser, meine Herren.
Otter. Ihr habt recht, Sir, und so steht es auch im geistlichen Recht, Herr Doktor.
Bartschneider. Ich versteh, Euch, Sir.
Clerimont. Noch eh er spricht.
Otter. Denn ein Knabe oder Kind unter den Jahren kann keine Heirath vollziehn, weil es ihm unmöglich fällt, reddere debitum. So ebenfalls die omnipotentes –
Gutwitz. Die impotentes, Ihr dummer Kerl! Beiseit zu Otter.
Otter. Die impotentes wollte ich sagen, sind minime apti ad contrahenda matrimonium.
Gutwitz. Matrimonium? Ei, Ihr liefert uns un-matrimonisches Latein. Matrimonia! in's Teufels Namen.
Dauphine. Du bringst sie aus dem Text.
Bartschneider. Da wird aber in diesem Falle, Herr Pfarrer, ein Zweifel aufgeworfen werden können, post matrimonium; daß der frigiditate praeditus, Ihr versteht mich –
Otter. Sehr gut.
Bartschneider. Der nicht kann uti uxore pro uxore, mag habere eam pro sorore.
Otter. Abgeschmackt! abgeschmackt! abgeschmackt! und durchaus unzulässig!
Bartschneider. Ihr müßt mir vergeben, Herr Pfarrer, ich kann es beweisen.
Otter. Ihr könnt nichts beweisen, Herr Doktor, nichts! Sagt nicht der Vers Eures eignen Rechts: Haec socianda vetant connubia, facta retractant?
Bartschneider. Das geb' ich zu, aber wie ist dies retractare, Herr Pfarrer?
Morose. O, das hab' ich wohl befürchtet!
Otter. In aeternum, Sir.
Bartschneider. Das ist, mit Eurer Erlaubniß, falsch in der Theologie.
Otter. Es ist falsch, dies zu behaupten. Ist er denn nicht prorsus inutilis ad thorum? Kann er praestare fidem datam? Das möcht' ich wohl wissen.
Bartschneider. Ja, wie wenn es ihm gelingt convalere?
Otter. Er kann nicht convalere, das ist durchaus unmöglich.
Gutwitz. Nein, werther Herr, hört doch auf die gelehrten Leute; sie meinen sonst, Ihr verachtet sie.
Bartschneider. Oder wenn es ihm nun einfällt simulare frigidum, odio uxoris, oder aus ähnlichen Gründen?
Otter. So sag' ich, er ist dann adulter manifestus.
Dauphine. Sie setzen es wirklich sehr gelehrt auseinander.
Otter. Und prostitutor uxoris; so bringt es die Schrift mit sich.
Morose. Lieber Herr, laßt mich fort.
Gutwitz. Ihr werdet mich doch nicht so kränken, Sir?
Otter. Und deshalb, wenn er manifeste frigidus ist, Sir?
Bartschneider. Ja, wenn er manifeste frigidus ist, so geb' ich zu –
Otter. Nun, das war mein Schluß.
Bartschneider. Und auch der meinige.
Gutwitz. Hört doch den Schluß an, Sir.
Otter. Also, frigiditatis causa –
Morose. O meine Ohren!
Otter. Mag sie libellum divortii gegen Euch haben.
Bartschneider. Ja, divortii libellum wird sie gewiß bekommen.
Morose. Liebe Echo's, schweigt!
Otter. Wenn Ihr das gesteht –
Bartschneider. Was ich thun würde, Sir –
Morose. Ich will alles thun –
Otter. Ich würde in foro conscientiae bekennen –
Bartschneider. Weil es auch wirklich mangelt an –
Morose. Noch mehr?
Otter. Exercendi potestate.