Ben Jonson
Epicoene oder Das stille Frauenzimmer
Ben Jonson

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Fünfte Scene.

(Zimmer bei Morose.)

Morose, Epicoene, Bartschneider, Stumm.

Morose. Willkommen, Bartschneider; komm näher mit Deiner schönen Begleitung, und flüstre ihr die Bitte in's Ohr, daß sie die Maske abnehmen möge. (–) So. Ist die Thür verschlossen? (–) Genug. Nun, Bartschneider, will ich mit Dir auf die nämliche Weise sprechen, wie ich es in meiner Haushaltung eingeführt habe. Wie ich merke, Bartschneider, so ist jenes Frauenzimmer die nämliche, die Du mir besorgt hast, und in der Hoffnung hieher gebracht, um bei mir die Stelle und Person einer Gemalin zu vertreten? Antworte mir nicht, nur mit dem Bein, es müßte sich denn anders verhalten. (–) Sehr gut gemacht, Bartschneider. Ich glaube außerdem, Bartschneider, Du hast Dich in Ansehung ihrer Geburt, Erziehung und Eigenschaften vorher unterrichtet, sonst würdest Du sie mir nicht in einer so hochwichtigen Sache auserwählt haben, als es die Ehe ist. (–) Dieses ist mein Glaube, Bartschneider, antworte nicht, als mit dem Beine, es müßte sich denn anders verhalten. (–) Sehr gut, Bartschneider. Jetzt begieb Dich ein wenig von ihr weg, damit ich untersuchen möge, in wie fern sie für meine Neigungen paßt. – Sie ist außerordentlich schön und von einer besonders angenehmen Gestalt, eine liebliche Vereinigung und Harmonie aller Glieder, die Temperatur ihrer Schönheit hat gerade den rechten Einklang mit meinem Blute. Der Kerl hat im Aeußern ganz außerordentlich mein Gemüth errathen; nun will ich auch ihr Innres auf die Probe stellen. Kommt näher, schöne Dame, möge Euch mein Betragen nicht unhöflich erscheinen, obgleich es Euch wohl, da es etwas seltenes ist, fremde vorkommen mag. (–) Nein, Lady, Ihr mögt sprechen, obgleich Bartschneider und mein Bedienter nicht sprechen dürfen, von allen Tönen hat nur allein die süße Stimme einer schönen Dame gerade das rechte Maaß für meine Ohren. Ich bitte Euch, Lady, sagt, aus dem ersten Feuer der sich treffenden Augen (wie ich gehört habe) wird die Liebe erzeugt, fühlt Ihr wohl eine solche Entzündung in Euch hervorgebracht, von irgend etwas, das Ihr an mir seht? Wie, Lady? (–) Ach, Lady, diese Eure Antworten, in stummen Verbeugungen, beugen mich nur und sind mir nicht erfreulich. Ich bin beim Hofe auferzogen, und diejenige, die meine Gemalin sein soll, muß mit höfischen und in die Augen fallenden Gaben ausgeziert sein. Könnt Ihr sprechen, Lady?

Epicoene, ganz leise. Urtheilt selbst.

Morose. Was sagt Ihr, Lady? Sprecht laut, ich bitte darum.

Epicoene. Urtheilt selbst.

Morose. Nach meinem Urtheil eine himmlische Zartheit! Könnt Ihr aber, Lady, da ich es bei jenen durch Belehrung und Mühe künstlich dahin bringe, Euch auch in so fern meinem Urtheil unterwerfen, und (ohne Euch an Eurer Zunge zu ergötzen, welches sonst der Weiber hauptsächlichstes Vergnügen ist) es für angenehm halten, mir nur durch stumme Geberden zu antworten, so lange meine Reden mit demjenigen, was Ihr meint, übereintreffen? (–) Herrlich! Göttlich! O wenn sie dies durchführen könnte! Sei ruhig, Bartschneider, Du bist auf immer glücklich, wie Du mich glücklich gemacht hast, wenn diese Seligkeit fortdauert. Ich will sie noch ferner auf die Probe stellen. Theure Lady, ich bin verwöhnt und meine Ohren müssen beständig mit angenehmen und witzigen Unterhaltungen bewirthet werden, lustige Einfälle und neckische Possen muß diejenige überströmen, die meine Bettgenossin sein will. Die Damen am Hofe halten es sowohl für ihren glänzenden Witz wie für ihren Werth ungeziemend, wenn sie keinen Mann finden, der ihnen den Hof macht; ist nun ein verliebtes Gespräch auf die Bahn gebracht, so lassen sie es nicht sobald ausgehn; seid Ihr nun allein von ihnen allen so verschieden, daß das, wonach sie mit so vieler Mühe streben, nämlich gelehrt, verständig, witzig und scharfsinnig zu scheinen, daß Ihr alles das in Stillschweigen begraben könnt, und lieber Eure Vorzüge in dem schönen Bewußtsein Eurer Tugend setzen, als sie der Welt und den Menschen bekannt zu machen?

Epicoene. Es sollte mir leid thun, wenn es anders wäre.

Morose. Was sagt Ihr, Lady? Liebe Lady, sprecht laut.

Epicoene. Es sollte mir leid thun, wenn es anders wäre.

Morose. Dieses Leid thun erfüllt mich mit Entzücken. O Morose, Du bist vor allen Menschenkindern glücklich. Gieb Dir Mühe, daß Du Dich mäßigen mögest. Nur noch eins will ich versuchen, und es soll die schlimmste und gefährlichste Probe ihres Geschlechts sein. Hört mich an, schöne Lady; ich liebe es sehr, daß diejenige, die meine Gattin werde, die erste und vorzüglichste in allen Moden sei, daß sie allen Hofdamen vierzehn Tage voraus ist, daß sie ihren Schneider habe, ihre Leinenkrämer, ihre Bandhändlerinnen, ihre Stickerinnen, und wohl zweimal des Tages mit diesen über die Französischen Moden rathschlage, und daß sie dann eben so mannichfaltig wie die Natur hervortrete, ja noch mannichfaltiger, und durch die Hülfe der Kunst, ihrer dienenden Nebenbuhlerin, noch reizender. Das ist es, was ich liebe. Und wie wollt Ihr, Lady, mit dieser geringen Redseligkeit im Stande sein, die vielfältigen aber nothwendigen Anweisungen zu geben für diese Schnürbrüste, jene Armbänder, für diesen Besatz, wegen jener Façon, dieses Zuschnitts, jener Stickerei, dieser Art zu schnüren, jener Kanten, Knoten, Kragen, Rosen, Gürtel, Fächer, Schärpe und Handschuhe? Nun, was sagt Ihr, Lady?

Epicoene. Das will ich Euch überlassen, Sir.

Morose. Wie, Lady? ich bitte, eine Note höher.

Epicoene. Ich will es der Weisheit und Euch überlassen, Sir.

Morose. Bewundernswürdige Kreatur! Ich will Euch nicht weiter beunruhigen, ich will mich an einer so süßen Unschuld nicht ferner versündigen. Vergönnt mir jetzt die Freiheit, auf diese göttlichen Lippen das Siegel zu drücken, daß Ihr die meinige seid. Bartschneider, ich gebe Dir Dein Haus frei, danke mir nicht anders, als mit dem Beine. (–) Bartschneider schüttelt den Kopf. Ich weiß, was Du sagen willst, sie ist arm und ihre Verwandten sind ihr gestorben: in ihrem Stillschweigen, Bartschneider, besitzt sie eine unermeßliche Mitgift, und was ihre Armuth betrifft, so wird sie um so liebevoller und gehorsamer sein, Bartschneider. Geh und schaff mir augenblicklich einen Pfarrer, mit einer sanften, leisen Stimme, um uns zu verheirathen, und bitte ihn, daß er nicht umständlich sei, sondern so kurz als möglich; nun gehe aber ganz sacht, Bartschneider. Bartschneider geht ab. Du da, führe Deine Gebieterin in den Eßsaal, denn jetzt ist sie Deine Gebieterin. Stumm führt Epicoene ab. Du meine Glückseligkeit! Wie will ich mich an meinem unverschämten Vetter und seinen Kabalen rächen, mich vom Heirathen abzuschrecken! Diese Nacht will ich mir einen Erben zeugen und ihn gänzlich aus meinem Blute verstoßen, als wenn er ein Fremder wäre. Er wollte Ritter werden, warlich, und dachte mich dadurch zu beherrschen, vermittelst seines Titels: nein, Vetter, nun mögt ihr mir Briefe und Empfehlungen von Lords und Lady's bringen, und es soll euch nichts helfen, Vetter. Eure Ritterschaft soll selbst vor mir auf den Knieen liegen und doch nicht erhört werden; sie soll wegen der Schulden für Lebensmittel verklagt, verdammt und doch nicht verbürgt werden; seine Ritterschaft soll während der Zeit des Prozesses an einem zwölf Pfennigstische zum Betrüger werden, und von einem Termin zum andern die Wirthin mit Erzählungen aufhalten; oder es soll seiner Ritterschaft noch übler gehn, sie soll ihre Zuflucht in ColeharborColeharbor war ein altes Gebäude in der Nähe der Themse, der Graf von Shrewsbury ließ es abtragen und viele kleine Häuser an dessen Stelle erbauen, die wohl die Wohnungen von Müßigen, Abentheurern und Schuldnern wurden. suchen und fasten. Alle seine Freunde soll er mit Borgbriefen in Furcht setzen, und wenn seine Ritterschaft von einem aus achtzigen zehn Schillinge herausgebracht hat, so soll sie sich nach den Kranichen, oder nach dem Bären zu Bridgfoot begeben und sich in aller Furcht betrinken; er soll nicht soviel Geld haben, eine Wirthshaus-Rechnung zu bezahlen, seine alten Gläubiger einzuladen, mit seiner Ritterschaft Geduld zu haben, oder neue, die es darauf wagen möchten, seiner Ritterschaft zu trauen. In seiner Schuldverschreibung soll er alte Töpfe als hauptsächlichsten Artikel annehmen müssen, und die sollen seiner Ritterschaft nicht so viel Geld einbringen, daß er eines Bäckers Wittwe, die mit hausbacknem Brodte handelt, damit in Versuchung führen kann. Seine Ritterschaft soll sich als Aushelfer von allen liederlichen Bürgerweibern brauchen lassen, und von einem Tanzmeister, oder dem geringsten Possenmacher in der Stadt verdrängt werden. Es soll ihm die Hoffnung fehlschlagen, sich durch Konstantinopel,Mancher Abentheurer unternahm diese Reisen, indem er ein Pfand umsetzte, das ihm diejenigen, die es annahmen, nach glücklich vollbrachter Reise vier, fünf, wohl zehnmal ersetzten, je nachdem die Entfernung weit, oder die Reise mit Gefahren verknüpft war. Irland oder Virginien wieder aufzuhelfen; das letzte und größte Glück seiner Ritterschaft mag dann sein, Dortchen Lakenreißer, oder Kätchen Allgemein zur Lady zu machen, und auf diese Weise mag seine Ritterschaft dann was zu essen haben. Geht ab.



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