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Franz Belteky erhielt den amerikanischen Brief, der ihm Elemer Harters Tod meldete; er erhielt auch den Auftrag mitsamt der Haarlocke und der Erde vom Schlachtfelde; – und er legte den Brief hübsch beiseite in sein Pult und warf die Erde samt der Locke weg; übergab aber nichts von allem der bewußten Miß.
Franz Belteky war zu der Zeit bereits Advokat in Pest, ein sehr geriebener Junge. Er verstand die Sache wunderbar.
Auch Ferdinand Harter lernte diese gute Eigenschaft an ihm kennen. Den Anspruchsprozeß des Junker Elemer um Herausgabe seines mütterlichen Erbteils urgierte er bei Gericht heillos. Ferdinand Harter mußte seinen ganzen amtlichen Einfluß aufbieten, um nur eine geringe Aufschubsfrist zu erlangen.
Mit absonderlichem Eifer warf sich der ausgezeichnete Jüngling hauptsächlich von jener Zeit an auf den Prozeß, seit die Kunde vom Potomak-Sieg der Unionisten nach Europa gelangt war. Hätte aber jemand Ferdinand Harter das Räthsel aufgegeben, in welchem Zusammenhangs die Schlacht am Potomak mit seinem eigenen Prozesse stehe, – er würde es in seinem ganzen Leben nicht erraten haben. Doch noch eine andere Seltsamkeit machte sich seit jenem Weltereignisse an dem trefflichen Rechtsgelehrten bemerkbar. Er begann bei den Vilagoschis Besuch abzustatten, obgleich er um deren Existenz sich bisher nicht viel gekümmert hatte.
Ich will um die Welt nicht jemand verleumden und spreche daher meinen Verdacht nur als vage Vermutung aus. Ich argwöhne jedoch, Franz Belteky wolle Fräulein Ilonka zur Frau nehmen.
Fräulein Ilonka ist ein schönes Mädchen, ein vernünftiges Frauenzimmer, eine tugendhafte Jungfrau; aber schließlich ist sie doch nur ein armes Mädchen, die durch Stundengeben das tägliche Brot für ihre Familie erwirbt. Nimmt sie ein gut renommierter, solider, gangbarer Advokatenpraxis sich erfreuender Kavalier zur Gattin, so setzt dies seinerseits unläugbar einen sehr edelsinnigen Entschluß voraus.
Freilich weiß außer Franz Belteky noch kein Geschöpf auf Gottes Erdboden, daß Elemer Harter in seinem Testamente für seinen Todesfall Fräulein Ilonka Vilagoschi zur Universalerbin eingesetzt hatte. Ebensowenig weiß außer ihm noch niemand, wie sehr der Testator sich beeilte, zu sterben. Er allein hat die amtliche Anzeige.
Von alledem weiß sogar Fräulein Ilonka selbst nichts. Sie wird mit dieser Entdeckung erst dann angenehm überrascht werden, wenn sie bereits in Franz Belteky einen liebenden Gatten besitzt. Die ihr vermachte Summe dürfte sich mit den sequestrierten Zinsen zusammen auf hunderttausend Gulden belaufen.
Ich vermute, daß irgend eine derartige Kombination in Franz Beltekys Kopf aufgestiegen sein mag, als er anfing, Fräulein Ilonka die Kur zu machen. Der treffliche junge Mann hatte jetzt nicht mehr über Herzkrämpfe zu klagen, sie waren gänzlich versiegt. Seinen Rang als Ballarrangeur auf den Bällen im »Louisenbade« zu Ofen gab er indessen noch immer nicht auf. Fräulein Ilonka sah ihn stets recht gern. Dieses Gernsehen mißverstehen aber oberflächliche junge Leute in der Regel. Mädchen sehen einen Mann ganz gerne, der ihren Herzen gleichgiltig ist, der sie unterhält, so lange er da ist; sie fragen ihn nicht, wo er war, wenn er zurückkehrt. Mit dem »Rechten« pflegt man nicht so umzugehen! Mit dem unterhalten sie sich nicht; dem lächeln sie nicht entgegen. Den empfängt ein mürrisches Gesicht, und es ist ihm zur Pflicht gemacht, herauszufinden, womit er sie erzürnt habe. Und wehe ihm, findet er das nicht heraus! Die reizende Sphynx zerreißt ihn in kleine Stücke, um sie dann wieder zusammenzusetzen.
Die Mama war eine erfahrene Frau; ihr schwante bereits, daß sich unter den Besuchen ernstere Absichten verbargen. Daß diese Absichten völlig loyale und konstitutionelle seien, darüber konnte kein Zweifel herrschen. Franz Belteky stand im Rufe eines Mannes von edler Gesinnung und sehr festem Charakter. So oft er kam, küßte er der Mama die Hand und erkundigte sich nach des »Herrn Altbruders« Befinden. Von solch' einem ehrenwerten Jünglinge konnte man in keiner Weise annehmen, daß er die Tochter des Herrn Altbruders und der Frau Muhme durchs Fenster entführen wolle. Nun, das ließe sich auch mit Ilonka nicht machen. Aber er selbst ist gleichfalls nicht darnach angethan.
Franz Belteky ist nicht der Mann, der die Sache damit anfinge, Mädchen zu verführen; er entzündet nicht verbotene Leidenschaft, stiehlt keine Herzen, mordet keine arglose Unschuld. Brandstiftung, Raub, Mord, das weiß er wohl, sind Kriminalfälle; er bleibt schön auf dem Wege der bürgerlichen Prozeßordnung; er unterhandelt mit dem Eigentümer. Der Eigentümer ist natürlich die Mama.
Eines Tages überraschte Frau Vilagoschi Ilonka mit der Neuigkeit, daß Belteky sich ernstlich vor ihr erklärt habe. Seine Besuche haben einen ganz ernsthaften Zweck. Er geht auf Freiersfüßen.
Den ersten Sturm schlug Ilonka auf leichte Weise ab. Sie wies hin auf ihren gemütskranken Vater und gab zur Antwort: »Wenn mein Vater mich einmal verheiratet, dann werde ich heiraten.«
Frau Vilagoschi verstand die Antwort und sagte mit einem tiefen Seufzer: »Du hast recht; was würde aus Deinem Vater, wenn auch Du fortgingst? Du allein erhältst ihn am Leben.«
Damit war der Waffenstillstand geschlossen.
Der währte jedoch nicht lange. Schon am andern Tage, nach einem neuerlichen Besuche Beltekys, teilte die von der freudigen Nachricht aufgeheiterte Mama mit strahlendem Gesicht ihrer Tochter mit:
»Sieh, was für ein edeldenkender Mann er ist! Er hat mir erklärt, daß, wenn Du seine Gattin wirst, wir alle bei Euch wohnen werden; Dein armer Vater wäre dort in Deiner Nähe; die gute Pflege, die Bequemlichkeit, welche er hätte, würde sein Übel heilen; wir würden nicht von einander getrennt.«
Dagegen bedurfte es bereits stärkerer Widerstandsmitttel.
»Mutter, ich liebe diesen Mann nicht.«
»Liebst Du irgend einen andern?«
»Niemand.« Dies kurze Wort klang so traurig wie das Echo aus einer Gruft, in die man hineinruft. »Niemand!« wiederholte Ilonka. »Wo sollte er auch sein? Seit ich vom Kinde zur Jungfrau herangewachsen bin, ist die ganze bekannte Welt um mich eine andere geworden. In der neuen Welt, in der ich jetzt wandele, sind mir alle Menschen fremd; die einen nehmen keine Notiz von mir und von den andern nehme ich keine Notiz.«
Frau Vilagoschi hätte ihre Tochter fragen sollen, ob sie niemand habe, den sie hasse? dann würde sie das Richtige erfahren haben.
Wir wissen wohl, daß Ilonkas Grausamkeit Herrn Belteky keine Knochen zerbrach.
Wäre nicht Elemer Harters Testament in seinen Händen gewesen, wegen Ilonkas schöner Augen hätte sein Herz keinen Kummer empfunden.
Wenn sich dann nachts das junge Mädchen auf ihrer schlummerlosen Lagerstätte allein befand in der großen menschenleeren Wüste, machte das zurückgedrängte Herzleid sich Luft; da sie nicht lieben konnte, mußte sie hassen, den Gegenstand ihres Hasses hervorholen. Ihn, den sie oft im Traume gesehen, und dem sie wach so oft ausgewichen, vor dem sie floh, und den sie überall mit sich herumtrug, dem sie nimmer verzeihen und den sie nimmer vergessen konnte.
Der hatte ihr allerdings nicht geschmeichelt, der hatte sie gröblich beleidigt durch seine Vermessenheit. Er hatte sie zu einer Zeit verletzt, wo er in ihr, wenn nicht das jungfräuliche Mädchen, so doch die Armut hätte respektieren müssen. Sie, deren Antlitz er nicht mit seinem Kusse hätte schänden, sondern deren Hände er mit seinen Thränen hätte weihen sollen.
Wenn aber sogar in der Frevelthat dieses elenden Burschen mehr Tugend war, als in der Wohlthat jenes andern? Sie liebte ihn! sie war von Sinnen.
Dann hat er auch dafür gebüßt, gebüßt wie noch nie ein Mann vor ihm. Ein Mädchen hat ihn geschlagen, geschlagen in Gegenwart einer Frau. Er dürfte mit Recht sagen, das sei sein Tod; denn daran mußte er sterben. So hatte er es verdient!
Wenn man nur erst die Nachricht von seinem Tode brächte. Wenn man ihr nur erst meldete, daß er begraben sei: – damit sie ihn nach Herzenslust beweinen könnte; damit sie ihn wieder in ihr Zimmer hereinlassen und – dem Toten, der abgeschiedenen Seele – Platz machen dürfte neben sich, auf ihrem jungfräulichen Lager: Ihm – den sie jetzt so haßt – so haßt, daß ihr das Herz davon zerspringen möchte.
Wenn er einmal tot ist, dann wird er ein guter gehorsamer Junge sein: er wird nicht unstät umherschwärmen, keinen Flattergeist mehr spielen; bei Tag braucht man nicht um ihn zu bangen, und Abends bleibt er daheim; er folgt dann dem Wort seiner Einzigen: »Sei gut, sei so wie ich Dich haben will, unschuldig sanft und edel; und habe nur mich lieb! dann werden wir allmählich beide miteinander alt werden, und dann werden wir miteinander sterben können; bis dahin mußt Du noch lange hier oben bleiben, bei mir, um mich herum, in meinem Herzen: Deine modernden Gebeine dort draußen in kalter Erde ...«
Frau Lemming sagte zu Ilonka einmal am Schlusse der englischen Lektion: »Apropos. Haben Sie schon gehört, daß Elemer gestorben ist?«
Ilonka wechselte keine Miene. »Ich habe nichts davon gehört.« »Er ist in der Schlacht am Potomak gefallen.« Darauf lachte Ilonka sogar hell auf. »Wie wäre er dazu gekommen, am Potomak zu fallen, und wie hätte er im amerikanischen Kriege fallen können?« »Er war Freiwilliger und, wie es heißt, ein sehr guter Soldat geworden.« »Das ist wohl möglich,« sagte Ilonka nachdenklich: »wenn es so gekommen ist, war es ein schöner Tod.«
Malwine schenkte ihr auch die Fechtstunde nicht. Sie wollte wissen, ob die Hand dieses Mädchens jetzt nicht zittert? Ob sie die Tempi nicht verfehlen wird? Ob sie nicht verstört ist?
Wahrhaftig, sie hatte auch jetzt alle Sinne beisammen. Malwine konnte ihr nicht beikommen. Zuletzt brach sie selbst die Lektion ab.
»Ich bin heute nicht imstande zu fechten. Die Todesnachricht von diesem Jungen hat meine Nerven doch stark angegriffen. Sie hat mich ganz verwirrt gemacht. Sie nicht?« »Mich nicht.« – »Wie ist das möglich?« – »Ich glaube nicht, daß er gestorben ist.« – »Ah! Nun warten Sie! Da liegt die Zeitung, in der es ausführlich beschrieben steht, wo und wann er gefallen ist, wer ihn gepflegt hat; jemand, der bis zu seinem letzten Atemzuge an seiner Seite war, hat den Brief selbst unterzeichnet. Lesen Sie!«
Ilonka las den Zeitungsartikel durch und sagte dann: »Ich weiß, daß dieser Herr schon einmal auf dem Meeresgrunde lag: man hatte ihm schon den Grabstein gekauft und danach ist er doch wieder zum Vorschein gekommen. Er wird auch jetzt heimkehren.«
Frau Lemming warf das Zeitungsblatt ärgerlich bei Seite. Es wurmte sie, daß sie nicht imstande war, den Sinn dieses Kindes zu brechen. »Nun, meine Liebe, von nun an haben Sie bereits den Tod eines Mannes auf dem Gewissen; das dürfen Sie nicht vergessen.«
Ilonka eilte hastig nach Hause. Sie wollte an das, was sie gehört hatte, garnicht denken, bis sie zu Hause sein würde. Sie legte sich das auf später zurück. Erst wenn sie daheim ist, in ihrem nach dem Gärtchen hinausgehenden Kämmerlein, wo sie zu studieren pflegte, wollte sie, wenn niemand sie hört und sieht, den Kopf auf den Tisch gesenkt, diesen Gedanken hervornehmen und ihre ganze Seele damit erfüllen. Daheim angelangt, fand sie die Mutter nicht zu Hause – die wackere Patriotin war in der Sitzung des ungarischen Hausfrauenvereins – nur jene waren gegenwärtig, die weder hören noch gehört werden; war jetzt die Zeit zum Weinen gekommen, so konnte sie sich ausweinen nach Herzenslust. Sie legte Tuch und Hut ab, kniete vor ihrem Tischchen nieder, barg ihre Stirn zwischen beiden Händen und fing nun an, von Anfang bis Ende durchzudenken, was sie gelesen hatte; und als sie lange darüber nachgedacht, sprang sie von ihrem Platze auf und lachte sich aus.
»Es ist nicht wahr; mein Herz weiß nichts davon!«
»Er sollte schon so lange tot sein und mein Herz sollte so lange nichts davon gefühlt haben!«
Ihr Herz glaubte auch jetzt noch nicht, daß es wahr sei.
Franz Belteky könnte ihr freilich den Brief im Original zeigen, geschrieben mit Elemers eigenem Blut, nach welchem Brief auch jene Zeitungsnachricht redigiert worden war; allein Belteky durfte das nicht thun, denn dann würde Ilonka auch vor der Zeit die Geschichte vom Testament erfahren, was wieder seine rechtschaffenen Absichten in ein falsches Licht setzen würde, ja zur Folge haben könnte, daß sie ihn ausschlüge. Ilonka durfte nicht wissen, daß sie reich war.
Eines Nachmittags sagte die Vilagoschi ihrer Tochter, daß dieser zweifelhafte Zustand nicht länger währen könne. Belteky wird sich ihr selbst erklären; morgen Vormittag wird er kommen und feierlichst um Ilonkas Hand anhalten. »Ich liebe ihn aber noch immer nicht.« »Warum nicht?« »Weil nichts Wahres an ihm ist. Er ist nicht wahr in dem, was er spricht, und nicht wahr in dem, was er zeigt. Er selbst betrügt sich in einem fort. Er redet sich etwas ein und bedauert dann, daß er sich's eingeredet hat. Er spielt sich auf den großen Patrioten hinaus und erschrickt dann vor sich selbst, wenn's zum Ernst kommt. Er ereifert sich zu gewaltigem Zorn und trifft er mit dem Gegenstand seines Zornes zusammen, so geht er ihm weit aus dem Wege. Er ist ein unausstehlich ›guter‹ Mensch.« – »Meine Tochter, ich frage Dich noch einmal: Liebst Du einen anderen?« – »Niemand.« – »Dann sagst Du vollkommen richtig ›niemand‹; denn wenn Du wenigstens mich liebtest, würdest Du nicht einer unvernünftigen Laune wegen das Glück Deiner Familie zerstören.«
Ilonkas Herz schnürte sich bei diesen Worten zusammen. Daß sie es sei, welche einer Laune wegen das Glück ihrer Familie zerstört, daß sie weder Vater noch Mutter liebt! »Mutter!« rief sie mit flammenden Augen, denen in diesem Augenblicke sogar das Weinen versagt war. »Ich weiß im voraus – und schwöre Dir darauf, daß dieser Mensch morgen nicht kommen wird, meine Hand zu verlangen. Ich bin sicher, daß Du um die Zeit, wo er kommen soll, einen Brief erhalten wirst, mit der Entschuldigung, er habe Herzkrämpfe bekommen; denn er bereut jeden seiner Gedanken, er wird auch bereuen, die Ehe versprochen zu haben. Er kommt morgen nicht. Wenn er aber kommt und Wort hält, dann sei Gott Richter zwischen uns, ob je ein Kind Vater und Mutter mehr geliebt hat, als ich Euch liebe. Jetzt lasse mich in mein Zimmer gehen und bis morgen früh laßt mich in Ruhe, denn ich will mich ausweinen.«
Damit ging sie nach ihrer Stube und weinte. Ihre Mutter bereute hinterher, was sie ihr gesagt hatte und lauschte gegen Abend bekümmert an ihrer Thür. Ihre Tochter schlief bereits. Sie schlich zu ihr; ist sie nicht tot? o nein. Sie lag hold lächelnd auf ihrem Kissen und ihre Brust atmete ruhig. Anderen Tages stand sie in heiterer Laune auf; sie scherzte, schäkerte. Sie ließ sich durch die Böschke das schönste ihrer Kleider anziehen; auch die Locken frisierte sie sich mehr nach der Mode, mutwillig darauf anspielend, dies geschehe den Hochzeitsbittern zur Ehre. Endlich kam die entscheidende elfte Stunde. Aber Franz Belteky kam nicht. Auch halb zwölf Uhr war bereits vorüber; da trat – ein Dienstmann ein mit einem Briefe, auf den er keine Antwort zu erwarten habe.
Der Brief war an Frau Vilagoschi adressiert. An der Aufschrift erkannte man Beltekys Handschrift. Sie war nicht imstande, den Brief zu lesen, so heftig zitterten ihre Hände. Die Buchstaben liefen vor ihren Augen zusammen. Ilonka nahm ihr den Brief aus der Hand und las ihn laut vor:
»Geehrte gnädige Frau!
Der Fluch des Schicksals u. s. w.; als ich bereits an der Schwelle der Glückseligkeit u. s. w. u. s. w. – kehrte mein altes Übel wieder, die Herzkrämpfe ... u. s. w. u. s. w.; mit solch einem Verhängnisse einen Engel unglücklich machen u. s. w. u. s. w.; besser, ich trage allein mein elendes Dasein u. s. w. u. s. w.«
Auch die übrigen Stellen waren ausgefüllt mit schöngedrechselten Phrasen: diese hatte jedoch Ilonka teils übersprungen, teils so gelacht, daß man nicht hören konnte, was sie las. Genug an dem: statt des Bräutigams einen Brief. Ilonkas Antlitz strahlte. Sie triumphierte. Wie eine dem Feinde entrissene Fahne schwenkte sie den Brief in den Lüften. »Hab ich's nicht vorausgesagt, daß zu dieser Stunde die Herzkrämpfe sich einstellen werden?«
Frau Vilagoschi zerriß zornig den Brief und fiel dann schmerzlich schluchzend Ilonka um den Hals. »Du hattest recht. Fortan höre auf keinen meiner Ratschläge mehr.«
*
Doch um die volle Wahrheit zu sagen, Franz Belteky hatte Punkt elf Uhr zu den Vilagoschis gehen wollen, um seinen Heiratsantrag zu machen; er hatte auch bereits die pfirsichblütenfarbigen Handschuhe angezogen; nicht minder stand schon der Fiaker vor seinem Thore. Belteky will eben zur Thüre hinausgehen, da wird diese von jemandem geöffnet, und vor ihm steht, wahrhaftig, wie er leibt und lebt – Elemer Harter.
*