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Jetzt kommen wir erst ins innere Reich und Afrika der Zensur; die armen Zeitungsschreiber halten sich darin auf und zuweilen ein Magnat von Geschichtschreiber, ein Großkreuz unter Kleinkreuzen.
Denn was Religion und Sittlichkeit anlangt, so ist es wohl nichts als Pflicht der Dankbarkeit, wenn man freudig behauptet, daß beide jetzt ohne alle Gefahr von jedem anzufallen sind, viel leichter als irgendein Kleinkonsul eines Reichsdörfchens. Gegen den Regenten der Regenten – nur ein atheistischer Franzose kann mich hier mißdeuten – ist zum Glück alles zu sagen erlaubt, nur gegen dessen irdische Ebenbilder und Pro-Konsuls und Unter-Imperatoren weniger, so wie man etwa in einer türkischen Provinz unschädlicher gegen den Groß-Herrn als gegen dessen Klein-Herren und Beys eintunkt.
Bei dieser richtigen Entgegensetzung des Himmelsthrons und des Thronhimmels ist nichts so sehr zu meiden, als sie über die Grenzen zu treiben und dadurch auf zwei Abwege auf einmal zu geraten.
Der eine ist der kleinere und weniger bedeutende, da er sich bloß auf Religion, nicht auf Fürsten bezieht. Da nämlich jetzt den Betglocken nicht das Glockenseil, aber doch der Klöppel fehlt und man kein Läuten hört – da wir immer mehr aus letzten Christen wieder zu ersten werden, welche Taufe, Abendmahl und alle ihre Gebräuche äußerst geheim hielten vor Heiden – und da so vieler Anschein ist, daß die Seetaufe der Linie die Landtaufe überlebe, und daß, wie sonst die Bibliotheken in Göttertempeln, am Ende die Tempel nur in Bibliotheken aufbewahrt werden: so kann es unmöglich zu jener Überfurcht, die man den Berliner Monatsschriftstellern als diseurs de mauvaise aventure gegen Jesuiten und Katholiken schuldgab, gerechnet werden, wenn man sich denkt, es könnte dahin kommen – freilich nur künftig, nicht jetzt –, daß auf dem umgekehrten Wege die Bibel zum zweiten Male verboten würde, aber von Protestanten als zu religiös und schwärmerisch (was wohl schwer zu leugnen), und daß man sie, wie in England unter Heinrich III., wenigstens Bedienten, Lehrjungen, Taglöhnern, Weibern untersagte, indes man sie wohl aufgeklärtern höhern Ständen in der Hoffnung zuließe, daß sie es, wie das Buch de tribus impostoribus, mehr als Seltenheit und literarisches curiosum und mehr der Form wegen studieren würden.
Noch ist diese Furcht viel zu früh; in den österreichischen, sächsischen und andern Staaten ist große Preßfreiheit für die Religion erlaubt und nichts weniger zu befahren als ein Ir-Religions-Edikt, vom 9. Jul.
Aber der andere Abweg ist abschüssiger. Wenn wir die Bücher, die die Türken zu drucken verbieten, nämlich die religiösen, erlauben: so verbieten wir schon mehr die, welche bei den Ägyptern allein (denn die Wissenschaften kamen auf Stein) auf Papier geschrieben wurden, nämlich die geschichtlichen. Noch wird nicht jedes historische Geschriebene als verpestet durch den Essig der Zensur gezogen, z. B. eben Briefe. Wenn die venezianische Staats-Inquisition jedem untersagte, die Regierung sowohl zu tadeln als zu loben, so haben wir noch immer bisher unsere alte Freiheit, eine Regierung zu loben, als das größere Überbleibsel des ächtdeutschen Geistes zu verfechten gewußt und sie mit dem Verluste der kleinern Hälfte wohlfeil genug erkauft.
Uebrigens ist Deutschland jetzt wie bei den Alten die Leäna abzubilden, als eine Löwin ohne Zunge – ihr Verwandter, der englische Wappen-Löwe, hat außer noch größeren und schärfern Dingen auch eine rauhe Zunge im Rachen –; doch bleibt uns noch die Geistersprache; denn Paracelsus sagt sehr schön: die Sprache der Geister ist Schweigen.
Was uns dahin gebracht und uns die musa tacita der Römer als die zehnte gegeben zum Gleichgewichte gegen unsere neun: dieses darf nicht einmal vom gegenwärtigen Verfasser, so deutschfrei er sonst hier spricht, genannt oder von weitem bezeichnet werden. Wie unterscheidet sich dagegen von uns Frankreich, welches mit so großer Freimüthigkeit sowohl über deutsche Staaten spricht als über andere fremde! Möge dieser urbane Staat uns auch hierin Gesetz und Muster sein und uns so freimütig machen, als er selber ist!