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Übergang von mir zur Sache
Baireuth den 20. August 1819
Ihre gnädige Erlaubnis, ehrwürdige Kanonissin, meine zwölf Briefe über die Doppelwörter im Morgenblatte abdrucken zu lassen, hat niemand mehr Freude gemacht als mir selber. Es tut einem armen Gelehrten so wohl, deutsche höhere Personen, zumal des schönern Geschlechts, ordentlich anzureden, sowohl mit Feder als mit Zunge, und sie in seine Familienfeste der Gelehrsamkeit zu ziehen; – er vergleicht sich stolz mit dem ärmern Franzosen, welcher einen König von Frankreich nie anreden so wie zu keinem Privatbesuche bitten darf. Personen des höchsten Ranges so von ihren weltwichtigen Beschäftigungen ihres hohen Ranges zu bloßen gelehrten herabsteigen zu sehen, dies gibt dem mitarbeitenden Gelehrten ein so frohes und stolzes Gefühl, als sonst etwan einen Drechslermeister durchdringen mußte, wenn er Prinzen des östreichischen Hauses auf der Schnitzbank und unter Hobelspänen von Kinderspielsachen sitzen fand. –
So haben Sie, meine Gnädige, sich zu meinen zwölf grammatischen Briefen herabgelassen und sie, ich darf es sagen, durch Ihren Beifall zu ebenso vielen gekrönten Preisschriften erhoben. Desto mehr halt' ichs für meine Pflicht, Briefe, denen Sie Ihr Ja geschenkt, gegen jedes gelehrte Nein zu verteidigen in Postskripten. Wie gern verdient man nach dem Orden der eisernen Krone, den Sie für Briefe verliehen, den Orden des eisernen Kreuzes durch Nachschriften, die gehörig verfechten.
Mögen Sie mir aber doch vorher, gnädige Kanonissin, in Ihrer nächsten Antwort wieder wie bei den Briefen die Erlaubnis erteilen, die Postskripte durch Druck – aber nicht im Morgenblatte, sondern in einem besondern Büchelchen – bekannt zu machen, weil mirs sonst wenig hälfe, wenn ich meine Gegner noch so gründlich auf dem Postpapier angriffe und vielleicht umwürfe, sie selber aber nichts davon erführen auf dem Druck- und Fließpapier.
Erlauben Sie mir nun, Gütigste, daß ich vor allen meine Gegner in Klassen teile, und zwar in zwei (so viel bring' ich im Ganzen zusammen), in die, welche gegen mich hat drucken lassen, und in die andere, die bloß an mich geschrieben. Die erste besteht aus dem Herrn Professor Docen in der Eos und aus dem Herrn Grimm im Hermes; die zweite aber aus dem Herrn Hofrat Thiersch nebst dem Herrn Pastor Rink in Venedig und Herrn Prof. G—d.
Eh' ich mich in meine Gefechte einlasse, verstatten Sie mir, Gütigste, nur mit einigen Worten meine Freude über die wohltätigen Folgen auszudrücken, welche meine zwölf Tafel-Briefe gleich anfangs, da sie noch unabgedruckt in die gelehrte Welt geschickt wurden, in der letzten gehabt, und zwar Folgen, die ganz allein mich selber betrafen, indem ich durch sie einen Titel mehr bekam. Als ich nämlich im July 1818 nach dem glänzenden Frankfurt reisete, nahm ich als mein eigner Brieffelleisenfahrer die Briefe für das Morgenblatt mit, teils um etwas am Porto, teils auch an Belehrung zu gewinnen, wenn ich unterwegs einige gelehrte Urteile einholte. Ich ließ die Briefe einigen rühmlichst bekannten Mitgliedern des trefflichen Frankfurter Gelehrtenvereins für deutsche Sprache lesen; und hatte das Glück, nicht nur mehre gründliche Einwürfe – in den Postskripten soll ihnen begegnet werden –, sondern auch am 12ten Brachmonat die Aufnahme zu einem wirklichen Mitgliede des Gelehrtenvereins zu erhalten, so daß ich gegenwärtig fünf Titel habe, wenn ich mich ganz unterschreiben soll. Denn im Jahre 1799 den 2ten August wurd' ich, wie bekannt, zum Legationrat von Hildburghausen erhoben, was mein allererster Titel war – Dann im Jahre 1809 wurd' ich am 2ten April zu einem Ehrenmitgliede des Frankfurter Muesums gewählt – Erst später 1816 den 29sten März erklärte die Berlinische Gesellschaft der deutschen Sprache mich für ihr Mitglied – Und schon im Jahr darauf den 8ten August wurd' ich in Heidelberg gar zum Doktor der Philosophie sowohl als zum Magister aller sieben freien Künste kreiert und promoviert – Und endlich, wie gesagt, wurd' ich in Frankfurt ein gelehrtes Mitglied für das Deutsche. – –
Mögen doch ja Ihre Gnaden keinen Augenblick mutmaßen, als wollt' ich mich vor Ihnen mit meinen fünf Titel-Treffern – zu deren Aufzählung ich ganz andere Gründe habe – aufblähen. Wahrlich, wer sich gegen den Professor Friedrich Pohl in Leipzig hält, der sich auf allen seinen Heften über die Landwirtschaft unterschreiben kann:
Ordentlicher Professor der Ökonomie und Technologie zu Leipzig, vormals Ökonomie-Inspektor –
Der Königl. Sächsischen ökonomischen Gesellschaft Leipziger Abteilung z. Z. Sekretär –
Der kameralistischen Gesellschaft Präses –
Der großherzogl. Sächs. Sozietät für die gesamte Mineralogie zu Jena und der naturforschenden Gesellschaft zu Halle auswärtiges vortragendes Mitglied –
Der herzogl. Mecklenburgischen landwirtschaftlichen Gesellschaft zu Rostock Ehrenmitglied –
Der Thüringischen Landwirtschaftgesellschaft zu Langensalza Ehrenmitglied –
Der Altenburgischen botanischen Gesellschaft und des Baierischen landwirtschaftlichen Vereins korrespondierendes Mitglied –
Der k. k. Mährisch-Schlesischen Gesellschaft des Ackerbaues, der Natur- und Länderkunde wie auch einiger andern landwirtschaftlichen und naturhistorischen Verbindungen wirkliches und Ehrenmitglied und Korrespondent etc. etc. etc.
ich sagte, wer seine Titel gegen solche hält – hinter welchen noch vollends die etc. etc. etc. oder die »Und so weiter«, gleichsam die Etcaeterati des Endlichen stehen, bei welchen sich leicht denken läßt, was Pohl noch sonst sein muß –, der wird eher verdrießlich als aufgeblasen. Denn was heißt dagegen ein elendes Cinq-quarambole-Spiel von fünf Titulaturen? In solchen Fällen ists kein Wunder, wenn der Mensch nach neuen Titeln greift, wo er nur einen sitzen sieht... So will ich denn vor Ihnen, gnädige Kanonissin, kein Geheimnis daraus machen, daß ich wenigstens noch einen sechsten Titel – es ist doch etwas –, den ich schon über 15 Jahre im Verborgnen führe, künftig öffentlich tragen kann und will, und zwar in diesem Postskripte zuerst und später vor Ihnen, Gnädige, mündlich im September, wo ich endlich des Glückes teilhaftig werde, Sie auf Ihrem Landsitze und unter Ihrer hohen Umgebung, welche wohl einige Titel von mir bloßen Privaten zum Umgange fodern kann, zu besuchen und zu erblicken.
Mein sechster Titel ist, edle Kanonissin, Kanonikus oder Präbendarius.
Als ich nämlich im Jahre 1801 bei Seiner Majestät dem Könige von Preußen ein Bittschreiben um ein Kanonikat oder eine Präbende eingereicht: so erhielt ich den 12ten Mai die für mich so erfreuliche Resolution und Versprechung, daß ich in die Liste der künftigen Präbendarien eingetragen worden.
Und fünf Jahre später darauf, als ich mein Bittschreiben wiederholte, wurde mir 1805 den 18ten März die vorige Resolution und Versprechung erneuert und bestätigt, daß meine Bitte, wenn ich an die Reihe käme, würde erfüllt werden.
Und dies ist für mich in Rücksicht eines Titels hinreichend; denn ob gleich der mit Recht an den Helena-Felsen geschmiedete Prometheus, der sein Feuer nicht von dem Himmel, sondern aus der Hölle stahl, mir außer manchem andern Schaden – z. B. der Einquartierungen – auch den zufügte, daß er die meisten preußischen Kanonikate an seinen Bruder vergab, und mir also später aus diesen und verwandten Gründen bis jetzo nichts gegeben wurde: so kann doch dieser Mangel bloß äußerlicher Einkünfte nicht hindern, daß ich nach einem doppelt bestätigten Versprechen und Willen einstweilen mich für einen Ehren- oder Titular-Kanonikus ansehe und geltend mache, gerade so wie ich ein Titular-Gesandtschaftrat des hildburghausischen Hofes bin, ohne einen Posten und ohne Depeschen und Silbergeräte.
Und dies wäre denn der Rechtstitel meines sechsten Titels, eines Fahrens mit Sechsen für einen Autor, der gern eine coccinella sex punctata vorstellen will. Man sieht wenigstens, daß der Mensch täglich steigt, wenn auch nur wenig. Betrachtet man sich oder andere mit den anklebenden Titeln: so findet man sich mit einigem Vergnügen dem lettischen Diminutive ähnelnd, aber nach entgegengesetzter Richtung; wie nämlich (Merkeln zufolge) der Lette das Diminutiv bis zum vierten Grade verkleinern kann und z. B. aus brahlitis, Brüderchen (brahlis ist Bruder) brahlutis, kleines Brüderchen, aus diesem wieder brahlulitis, ganz kleines Brüderchen, und endlich daraus brahluliusch, noch kleineres Brüderchen, zu bilden vermag: so wird nach dem Titel-Rinforzando das Große unaufhörlich vergrößert; Rat wird gesteigert von Rat zu Rat bis zu Geheimrat, ja wirklichem Geheimrat, und gleichförmig heckt das Wohledelgeboren Hochedelgeboren aus, dieses dann Wohlgeboren, letztes Hochwohlgeboren und dieses endlich Hochgeboren.
– – Euer Hochgeboren werden das unerwartete Einmischen meiner Persönlichkeit in eine Sprachlehre leichter nachsehen, wenn Sie bedenken, daß solches ohnehin in der eigenen Lebensbeschreibung, die doch nicht zu vermeiden ist, sich lagern muß, und breiter dazu. Überhaupt der Gelehrte, der nichts Seidenes in Knopflöchern, nichts Gestirntes auf Rockklappen und nichts von Schlüsseln hinten in Rockfalten zu führen hat, dieser muß wohl, wenn er ehrliebend ist, sich nach dem Papiergeld und Papieradel bloßer Titel bei Mangel an wahrer Reallehre von Kreuzen und Sternen und Schlüsseln umsehen; ein Unterschied von Ehren, der unter Nominal- und Realinjurien nicht größer ist, sondern ebenso groß. Der Mann von Stand hat an seinen Sternen und Kreuzen eine hypothekarische Sicherheit der Ehre; aber der bloße Mann von Verstand oder von noch Weniger kann auf Seine Titel und Diplome nur eine chirographische fundieren. Hier muß er sich nun helfen. Der Mann kann seinen Titel, der ihn präsentieren und repräsentieren soll, nicht selber ersetzen – so wenig als sonst in Frankfurt bei der Kaiserwahl ein Kurfürst durch persönliche Anwesenheit den Gesandten ersetzen konnte, den er zur Wahl abzuschicken hatte –, aber leichter kann der Titel den Mann vertreten. Je mehr nun ein Gelehrter zu sein glaubt, ein desto zahlreicheres Gesandten- oder Titel-Personale, das ihn vorstellen muß, hat er zu wählen; und durch Menge der Titel ist, wie ich und Pohl zeigen, der Größe derselben einigermaßen nachzuhelfen. –
Übrigens erwart' ich nichts als das zweite Postskript, um über die Doppelwörter wirklich zu schreiben. Ich werde mit den Siegen über meine Widersacher und mit den Zusätzen für meine Anhänger gerade fertig sein, wann das herrlichste Herbstwetter eintritt und ich dann zu Ihnen, Gönnerin, abreise, um vor Ihren Augen mehr als einen blauen Himmel zu genießen. Ich weiß nicht, wie es kommt, aber eben fährt mein wetterprophetischer Geist in mich und befiehlt mir, daß ich das künftige Wetter, da es so heiter ausfällt, auch andern zum Vorgenusse wahrsagend mitteile. Es ist nämlich der ganze September schön, folglich wird es auch der erste oder der Egydiustag, der jenen bekanntlich bestimmt. Aber der Egydiustag würde nicht heiter werden, wären es nicht vorher die zwei letzten Tage des Augusts, welche den September nach den urältesten Bauerregeln entscheiden. Daraus folgt nun, daß auch der 28ste August das schönste Wetter verleiht, weil dann das erste Mondviertel eintritt, das nach Quatremère-Disjonval über die Regierung des nächsten Mondlaufs das Hauptsächlichste weissagt. Natürlicher Weise gehen die fünf ersten Tage des Neumonds vorher, wovon nach einer alten und längst ins Lateinische übersetzten Regel der erste und zweite Tag nichts beweisen, der dritte aber schon etwas bestimmt, endlich der vierte und fünfte alles entscheiden, welche beide folglich im gegenwärtigen Falle, wo das schöne Wetter, ärztlich zu reden, schon angezeigt ist, wieder nichts anders sein können als schön. Daß es heute den 20sten August regnet, ist eben recht gut, denn es ist der erste Neumondtag, der nichts bedeutet. – Wie hoffend aber unterschreib' ich mich als Ihren
Kanonikus
J. P. Fr. Richter!