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Die große Regel – erste Klasse der einsylbigen Doppelwörter mit e und Umlaut im Plural
Baireuth den 1sten Jenner 1817
Endlich, geehrteste reizende Freundin, erfüll' ich das Ihnen schon im vorigen Jahr vorgestern gegebene Versprechen, Sie mit meinem grammatischen Funde der Hauptregel über das Paaren des Bestimmwortes mit dem Grundworte zu unterhalten.
Das Bestimmwort – oder auch die Beifüge, wie es der vortreffliche Spate in seiner »Lehrschrift von der hochdeutschen Sprachkunst« nennt – ist eigentlich ein verstärktes oder ein verstärkendes Adjektiv, das sich mit dem Grundworte zu einem Worte verschmelzt und daher die gewöhnlichen Trenn- und Regierzeichen zwischen zwei Wörtern ablegt und dadurch das allgemeine Grundwort zu einer eingeschränkten Bedeutung bestimmt; z. B. es gibt viele abendliche Sterne, oder auch Sterne des Abends, aber der Abendstern ist ein besonderer und bestimmter; so wird aus großem Handel und großem Kreuze Großhandel und Großkreuz durch Einschränkung. Das bittere Salz wird ein bestimmtes Salz, wenn das Adjektiv-Trennzeichen wegfällt und so Bittersalz sich bildet; Ehre wirft sein Nominativ-e weg und bildet Ehrliche; andere Substantive geben die Pluralzeichen auf, z. B. in Fußbad; Zeitwörter das Infinitiv-en, z. B. fühlen in Fühlhorn. Daher gibt es wohl in der ganzen deutschen Sprachlehre keinen vielfachern Irrtum, meine Verehrteste, als den, das Bestimmwort im Verhältnis des Genitivs zum Grundworte zu denken. Denn erstlich tritt das Bestimmwort, wenn es ein Substantivum ist, aus jedem Beugefall an sein Grundwort, z. B. Mannweib, Zwergbaum (Nominat.) – göttergleich, ehrwidrig, Geldarmer (Dativ) – wahrheit-, ehrliebend (Akkusat.) – Berggipfel (Genitiv). – Zweitens gattet jede Wörterklasse sich mit einem Grundwort: Adverbien, z. B. Jetztwelt; Ausrufungen, z. B. Achgeschrei; Adjektive, z. B. Sauerhonig; so wie sogar Adjektive sich mit ihres Gleichen, z. B. bittersüß. – Drittens hab' ichs schon vorgeführt, wie die Bestimmwörter gerade ihre Eigentümlichkeiten und Trennzeichen fallen lassen, um mit ihren heiratenden Grundwörtern ein Leib und eine Seele zu werden. – Viertens könnt' ich noch anführen, daß daher die Genitiv-es und -s, die den Bestimmwörtern als Auswüchse anhangen, nicht bloß überflüssig, sondern oft sogar regelwidrig stehen, z. B. gesundheits-, ordnungswidrig, standesgemäß, wo offenbar der Dativ, oder wahrheitsliebend, wo der Akkusativ sein mußte.
Aber wozu dies alles? Ich habe die Regel gefunden, nach welcher sich die verschiedenen Klassen der Bestimmwörter an die Grundwörter knüpfen und mit einer Überzahl von Stimmen das Genitiv-es verwerfen.
Die Regel ist: Der Nominativ des Bestimmwortes im Plural entscheidet die Art der Verknüpfung mit dem Grundworte.
Ich will jetzo dieser Regel, Gnädige, durch die verschiedenen Plural-Klassen hindurch nachgehen und in jedem Briefe eine festhalten, zuerst die einsylbigen, dann die mehrsylbigen Bestimmwörter.
Die erste Klasse, die einsilbigen Wurzelwörter, die im Plural e mit dem Umlaut haben, z. B. Kopf, Köpfe, Hut, Hüte, reihen sich unverändert an das Grundwort.
Hier stehen männliche: Kahn, Zahn, Ast, Dachs, Bart, Stab, Hals, Kranz, Tanz, Sack, Stall, Saal, Kampf, Krampf, Paß, Saft, Dampf, Stamm – Topf, Frost, Stock, Zoll, Pflock, Rock, Knopf, Zopf – Fuchs, Hut, Fluß, Stuhl, Schwur, Fuß, Grund, Mund, Flug, Pflug – Traum, Baum, Zaum, Raum, Saum, Gaul, Bauch, Rauch. – Hier stehen weibliche: Hand, Kraft, Nacht, Wand – Lust, Luft, Kuh, Kunst, Zunft, Nuß, Brust, Schnur – Schoß – Haut, Braut, Faust, Sau.Der Leser verlange nicht, daß ich hier – oder auch in den nächsten Klassen – alle Wörter derselben Rotte aufführe; aber daß alle von nur ausgelassenen ganz nach derselben Regel gehen, dies verlang' er. – Geschlechtlose Wörter dieser Klasse kenn' ich nicht.
Hier nun höret bei dem Zusammensetzen die Sprache weder auf die Foderungen der Mehrzahl, noch auf die des Wohllautes, sondern sie sagt keck: Baumschule (statt Bäumeschule), Fußbank (statt Füßebank), Zahnpulver, Faustkampf, Gasthaus, Kuhweide, Hutmacher, und ungeachtet des Mißklangs: Kopfschmerz, Dampfschiff, oder gar Fuchsschwanz, da doch der alte Genitiv »des Fuchsen« Milderung darbot.
Zu Tausenden können Sie, schöne Freundin, solche Doppel- oder Zwillingwörter (die Drillinge wie Nußbaumholz anstatt Nüssebaumholz geb' ich drein) im ersten besten Wörterbuch zusammenweben. Aber mit einer Macht von so viel Tausenden sollten, dächt' ich, die wenigen Überläufer zu schlagen und zu bessern sein, deren ich im Ganzen kaum ein Dutzend mühsam auftreibe.
Hier stehen sie: zuerst vier weibliche: die Maus, die Laus, die Gans und zuweilen die Kuh, welche Quadrupelalliance trotz der obigen Regel, die sogar gegen den Sinn die Einzahl beibehält, z. B. Handgemenge, Faustkampf, sinnwidrig die Mehrzahl einschwärzt, z. B. Gänsehals, Mäusefell. – Die männlichen sind sieben Mann stark: Rat, Wolf, Bock, Hahn, Schwan, Bund und Sohn. Wer nicht Wolfhaut, Bockhorn, Sohnliebe sagt, der muß auch sagen Pflocks-, Blocks-, Stocks-, Rocks-, Knopfs-, Zopfslänge u.s.w. – ja wer ins Bockshorn durch den Bocksbart gejagt ist, darf auch nicht mehr von Bockfüßen, Bockfellen, Bockställen, Bockleder und Bockpfeife reden. – Hahnen- und Schwanenhals – anstatt Hahn- und Schwanhals – kommt vom alten Plurale her, welcher anstatt Hähne und Schwäne sagte Hahnen und Schwanen; aber am Ende hätten ich und Sie wenig gegen die Rückkehr dieses alten Plurals, da er besser klingt und da Hahn und Schwan alsdann nach meiner fünften Pluralklasse, die ich Ihnen erst nach vier Monaten schicke, sich so richtig beugen würden wie Graf und Fürst. – In das Rathaus, worin Ratmann und Ratgeber und mehre Räte mit Ratschlüssen sitzen, gehören daher auch nur Ratschreiber, Ratdiener, mit Ratwahl und Ratsesseln. – BundestagIm Sprachschatz von dem Spaten findet man noch Bundbruch, Bundgenoß und Bundschuh. ist gerade so regelwidrig, als Mundestasse und Grundesriß und Grundesstein sein würden. Zum Glück kann Frankfurt durch das Gewicht seines Beispiels leicht neben größern alten Tatfehlern auch diesen Sprachfehler ausreuten, indem die Bundestagsversammlung ja schon durch den bloßen häufigen Gebrauch ihres Namens Bundtagversammlung das Ohr dem richtigern Sprachgebrauch zugewöhnen muß. So setz' ich überhaupt, Verehrteste, auf denselben Bundtag meine Hoffnung, daß er durch seine Sprech-Muster, da sie in alle Zeitungen kommen, es vermögen werde, den holperigen eckigen Geschäft- und Kanzleistil abzuschaffen und wie Briten und Franzosen einen runden einfachen einzuführen, der bisher in Geschäften so selten war als auf der Post ein runder Brief oder in den österreichischen Erblanden unter Joseph dem II. ein Honig- oder Pfefferkuchen.Deutsche Zeitung S. 374. – Endlich statt Sohns- Sohnfreude kann bei bisheriger Vater- und Mutter-freude so wenig fremd klingen als Autorfreude, welche besonders diejenige ist, womit ich dieses Jahr mit einem Brief an Sie, hohe Freundin, anfing und ihn beschließe als ewig der Ihrige etc.