Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Einen Monat später, in einer Abendstunde des April, waren viele Menschen vor dem Portal des Domes zu Ribe zusammengeströmt. Es war nämlich zur Zeit des Landkonvents, und es war nun einmal eine alte Sitte, daß, solange der dauerte, dreimal in der Woche um acht Uhr abends Licht in der Kirche angezündet wurde, und dann kamen die feinen und vornehmen Standespersonen der Stadt wie auch ihre achtbaren Bürgersleute dahin, um im Schiffe auf und nieder zu wandeln, während ein kunstfertiger Organist ihnen auf der Orgel vorspielte. Aber die geringeren Leute mußten sich damit begnügen, von draußen zuzuhören.
Unter ihnen waren Marie Grubbe und Sören.
Ihre Kleider waren einfach und zerrissen, und sie sahen just nicht so aus, als hätten sie jeden Tag satt zu essen bekommen, was auch natürlich genug war, denn es war keine einbringende Hantierung, die sie betrieben. Sören hatte nämlich in einem Krug zwischen Aarhus und Randers einen armen, kranken Deutschen getroffen, der ihm für sechs schlechte Taler einen kleinen, hart mitgenommenen Leierkasten, einen bunten Hanswurstanzug und einen gewürfelten, alten Teppich verkauft hatte, und nun lebten er und Marie davon, daß sie von Jahrmarkt zu Jahrmarkt zogen, wo sie dann die Orgel drehte, während er, mit den bunten Kleidern angetan, auf dem gewürfelten Teppich stand und auf so viele Arten, wie er nur zu ersinnen vermochte, große eiserne Gewichte und lange eiserne Stangen, die sie von den Kaufleuten liehen, aufhob und herumschwang.
Es war auch ein Jahrmarkt, der bewirkte, daß ihr Weg durch Ribe führte.
Sie standen dicht an der Kirchentür, und es lief ein schwacher, gleichsam verblaßter Lichtschimmer von da drinnen über ihre bleichen Gesichter und über den dunklen Haufen von Köpfen hinter ihnen hinaus. Die Leute fuhren fort, in Paaren, einzeln und in kurzen Reihen zu kommen, plaudernd und sittsam lachend, bis hart an die Schwelle der Kirchentür; da schwiegen sie plötzlich, starrten ernst vor sich hin und veränderten ihren Gang.
Sören bekam Lust, mehr von dem Staat zu sehen, und flüsterte Marie zu, daß sie auch hineingehen wollten; sie könnten es ja immerhin versuchen, da ihnen nichts Schlimmeres geschehen könne, als wieder hinausgejagt zu werden. Marie schauderte bei dem Gedanken daran, daß sie von einer Stätte könne zurückgewiesen werden, wo einfache Handwerksleute frei ihren Fuß hinsetzen durften, und sie hielt Sören zurück, der sie mit sich ziehen wollte; aber dann auf einmal kam sie auf andere Gedanken, sie drängte sich eifrig vor, zog Sören nach sich und schritt zu, ohne ängstliche Behutsamkeit oder schleichende Vorsicht, im Gegenteil, gleichsam als sei sie darauf erpicht, bemerkt und weggejagt zu werden. Vorläufig war niemand da, der sie zurückhielt, aber als sie gerade in das erleuchtete, menschengefüllte Langschiff hineintreten wollten, wurden sie von dem dort postierten Kirchendiener bemerkt, der, nachdem er einen entsetzten Seitenblick die Kirche hinauf geworfen hatte, mit abweisenden, ausgestreckten, eifrig abwinkenden Händen und entrüstet raschen Schritten sie vor sich hertrieb, bis ganz über die Türschwelle hinaus. Hier blieb er einen Augenblick stehen und sah die Menge vorwurfsvoll an, als lege er ihr das eben Vorgefallene zur Last, ging dann bedachtsam zurück und stellte sich schaudernd auf seinem Posten auf.
Der Volkshaufe empfing die Hinausgejagten mit einem gellenden Hohngelächter und einem Regen spöttischer Fragen, die Sören veranlaßten, zu brummen und sich drohend umzusehen; aber Marie war zufrieden, sie hatte sich dem Schlag ausgesetzt, den der respektable Teil der Gesellschaft für Leute wie ihn und seinesgleichen stets bei der Hand hat, und sie hatte den Schlag empfangen.
In einer der gewöhnlichsten Herbergen in Aarhus saßen am Abend vor dem Sankt Olufsmarkt vier Gesellen und spielten Styrwolt.
Der eine von den Spielern war Sören Großknecht. Sein Partner, ein schmucker Mann mit kohlschwarzem Haar und dunkler Hautfarbe, hieß allgemein Jens Untenherum und war Taschenspieler, während die beiden andern von der Partie gemeinschaftlich einen schäbigen Bären herumführten; beide waren sehr häßlich, der eine hatte eine mächtige Hasenscharte und hieß Salmand Bärenführer, der andere war einäugig, breitkiefrig und pockennarbig und wurde Rasmus Kiek genannt, offenbar weil die Hautumgebungen des kranken Auges so zusammengeschrumpft waren, daß er das Aussehen hatte, als schicke er sich an, durch ein Schlüsselloch oder eine ähnliche kleine Öffnung zu lugen.
Die Kartenspieler saßen am Ende des langen Tisches unter dem Fenster. Ein Licht und ein henkelloser Krug standen auf dem Tische. An der Wand ihnen gerade gegenüber befand sich ein aufgeschlagener Klapptisch, der mittels eines eisernen Hakens an der Wand befestigt war. An dem andern Ende des Zimmers stand querüber ein Schenktisch, und ein dünnes, langschnuppiges Licht, das durch die Röhre eines alten Trichters gesteckt war, warf einen schläfrigen Schein auf das Flaschenbord dahinter, wo einige viereckige Flaschen mit Branntwein und Bitterm, einige Pot- und Pegelmaße und ein Dutzend Schnapsgläser neben einer Strohschachtel voll Senfkörner und einer großen Laterne mit Scheiben aus abgebrochenen Gläserfüßen vollauf Platz hatten. Der eine Eckplatz an dem Schenktisch wurde von Marie Grubbe eingenommen, die abwechselnd schlief und strickte; und an der andern Ecke saß ein Mann mit vornübergebeugtem Körper, die Ellenbogen auf die Kniee gestützt. Er war sehr eifrig damit beschäftigt, seinen schwarzen Filzhut so tief wie möglich über den Kopf herabzuziehen, und wenn das erreicht war, griff er in die breite Krempe, drehte mit zusammengekniffenen Augen und in die Höhe gezogenen Mundwinkeln, wahrscheinlich weil es die Haare zerrte, langsam den Hut vom Kopfe und sing dann wieder von neuem an.
»Jetzt machen wir also das Meisterspiel«, Meisterspiel = das letzte Spiel. sagte Jens Untenherum und spielte aus.
Rasmus Kiek klopfte mit den Knöcheln auf den Tisch, Klopft man bei Styrwolt auf den Tisch, so bedeutet das, daß der Partner stechen soll. um Salmand zu erkennen zu geben, daß er stechen solle.
Salmand stach mit einer Zwei.
»Eine Zwei!« schrie Rasmus, »hast du denn nie was anderes als Zweien und Dreien in der Hand?«
»Ja, Herrgott,« brummte Salmand, »es hat allzeit Bettelvolk und arme Leute obendrein gegeben.«
Sören Großknecht stach mit einer Sechs.
»O weh, o weh,« jammerte Rasmus, »soll er den für einen Papst Papst = Sechs im Trumpf. haben? Was zum Teufel sitzest du auch da und knauserst mit den alten Stechern, Salmand?«
Er gab seine Karte zu, und Sören nahm den Stich ein.
»Mückenkirsten«, Mückenkirsten und ihre Schwester sind zwei wertlose Karten. sagte Sören und spielte Herz-Vier aus.
»Und ihre halbtolle Schwester«, fuhr Rasmus fort und warf Rauten-Vier bei.
»Ein Styrwolt Styrwolt = As. wird doch wohl hoch genug sein«, sagte Jens und stach mit Trumpf-As.
»Stich, Mensch, stich, und solltst du auch nie wieder stechen können!« rief Rasmus.
»Der ist mir zu hoch«, jammerte Salmand und warf bei.
»Dann spiel ich meine Sieben Die beiden Sieben in den zwei Trumpffarben können nicht gestochen werden. aus und noch eine dazu«, sagte Jens alsdann.
Sören nahm die Stiche ein.
»Und nu Buckskin«, Buckskin = Neun und Acht im Trumpf. fuhr Jens fort und spielte aus.
»Nu muß ich mit der gelben Mähre Gelbe Mähre = Herz-Zwei, die nächsthöchste Karte. rausrücken«, rief Salmand und stach mit Herz-Zwei.
»Die kommt nie in den Stall!« lachte Sören und stach mit Spaten-Vier. Spaten-Vier = die höchste Karte.
»Jan«, brüllte Rasmus Kiek und schmiß seine Karten hin. »Jan Jan = Bête. auf Herz-Zwei, das war eine gute Tagesarbeit. Nein, nein, nein; es war nur gut, daß wir nicht länger spielen wollten; nun können die, so gewonnen haben, ihre Karten küssen.«
Sie machten sich nun daran, die Stiche zu zählen, und währenddessen kam ein behäbiger, wohlhabend gekleideter Mann herein.
Er schlug sofort den Klapptisch herunter und setzte sich hinten an die Wand. Als er an den Kartenspielen, vorüberging, berührte er mit seinem silberknopfigen Stock den Hut und bot ihnen: »Guten Abend allhie.«
»Danke«, antworteten sie und spuckten dann alle vier aus.
Der Neuangekommene holte ein Papier mit Tabak und eine lange Kreidepfeife heraus, stopfte die Pfeife und klopfte dann mit seinem Stock auf den Tisch.
Eine barfüßige Magd brachte ihm eine Feuerkieke mit glühenden Kohlen und einen großen Steinkrug mit zinnernem Deckel.
Er zog eine kleine, kupferne Zange aus der Westentasche und legte damit Kohlen auf die Pfeife, stellte den Krug zurecht, lehnte sich zurück und machte es sich überhaupt so bequem, wie der Raum es zuließ.
»Was kostet solch ein Brief Tabak wie der, den der Meister da hat?« fragte Salmand, indem er sich anschickte, eine kleine Pfeife aus einem Seehundsfellbeutel mit roten Schnüren zu stopfen.
»Zwölf Schilling,« antwortete der Mann und fügte hinzu, gleichsam um diese Verschwendung zu entschuldigen, »er ist so angenehm für die Brust, will ich Euch sagen.«
»Wie geht es sonst mit der Hantierung?« fuhr Salmand fort und schlug Feuer für seine Pfeife.
»Gut genug, mit schuldigem Dank für gütige Nachfrage, gut genug; aber man wird ja alt, will ich Euch sagen.«
»Ja,« sagte Rasmus Kiek, »aber Ihr habet ja auch nicht nötig, dahinterher zu sein, um Kunden ins Haus zu schaffen, die werden Euch ja allesamt gebracht.«
»Freilich,« lachte der Mann, »es ist das eine gar gute Hantierung, und man braucht auch sein Mundwerk nicht zu verschleißen, indem man den Leuten die Waren aufschwatzt; sie müssen sie nehmen, wie sie fallen, und können weder wählen noch küren.«
»Und sie verlangen auch keine Zugabe«, fuhr Rasmus fort, »und wollen nie mehr haben, als ihnen mit Fug und Recht zukommt.«
»Meister, schrein se bannig?« fragte Sören halb flüsternd.
»Ja, lachen tun sie selten.«
»Hu, dat is 'n grasig Hantierung!«
»Dann kann es wohl nicht nützen, daß ich mir Hoffnung darauf mache, daß Ihr mir helfet?«
»Macht Ihr Euch vielleicht Hoffnung auf uns?« fragte Rasmus und erhob sich drohend.
»Ich mach mir gar keine Hoffnung, nein; aber ich bin auf der Suche nach einem Gesellen, so mir zur Hand gehen könnte und der dann das Amt von mir erben könnt, das tu ich, will ich Euch sagen.«
»Was für einen Lohn würde der Gesell wohl kriegen?« fragte Jens Untenherum sehr ernsthaft.
»Fünfzehn Taler Kurant im Jahr, ein Dritteil von der Kleidung und eine Mark von jedem Taler, der nach der Taxe verdienet wird.«
»Was für eine Taxe ist das?«
»Das ist so eine Taxe, daß ich fünf Taler bekomme, einen mit Ruten zu streichen, sieben Taler, einen aus der Stadt zu peitschen, vier Taler, einen aus der Harde auszuweisen, und ebensoviel für Brandmarken.«
»Aber nun für die bessere Arbeit?«
»Ja, leider kommt die nur seltener vor; aber übrigens gibt es acht Taler, einem den Kopf abzuschlagen, das heißt mit der Axt; mit dem Schwert gibt es zehn; aber es können sieben Jahr dazwischen sein, eh das verlanget wird. Hängen macht vierzehn Reichstaler, die zehn für die Arbeit selbst, die vier dafür, daß man den Leichnam wieder vom Galgen abnimmt. Pfählen und Rädern trägt sieben Taler ein, für einen ganzen Körper nämlich, und da gebe ich selber den Pfahl zu und setze ihn auch ein. Ist sonst noch was? ja; einem Arm und Beine nach deutscher Manier in Stücke schlagen und aufs Rad flechten, das gibt vierzehn – das gibt vierzehn; und fürs Vierteilen und Pfählen bekomme ich zwölf; und das Zwicken mit glühenden Zangen, das macht zwei Taler für jedes Zwicken; das ist alles, weiter ist da nichts, außer was noch Besonderes vorfallen kann.«
»Das ist wohl nicht schwer zu erlernen?«
»Die Profession! Ein jeder kann es ja tun, aber wie, das ist die Sache; es gehört ja Handgriff und Übung dazu, wie zu jeglichem andern Werk der Hände. Das Rutenstreichen ist ja gar nicht so ganz leicht getan; es gehöret ja ein gewisser Griff dazu mit den drei Schlägen in einem Zug mit jeder Rute, so daß es flüssig und fließend gehen kann, als fächle man mit einem Tuch, und dabei doch so gewissenhaft hineinbeißet, wie die Strenge des Gesetzes und die Besserung des Sünders es erfordern.«
»Ich möchte wohl, glaub ich«, sagte Jens und seufzte dabei.
Seine Nachbarn rückten ein wenig von ihm ab.
»Hier ist Handgeld«, lockte der am Klapptisch und breitete einige blanke Silbermünzen vor sich hin.
»Öwerlegg di dat gründlich!« mahnte Sören.
»Überlegen und hungern und warten und frieren, das sind ein paar Vögel, die gut zusammenpassen,« antwortete Jens und stand auf; »leb wohl als ehrlicher und zunftgerechter Mann«, fuhr er fort und reichte Sören die Hand.
»Lewwol ut de Zunft und gah mit Gott!« antwortete Sören.
So ging es um den Tisch herum mit derselben Anrede und derselben Antwort. Auch von Marie nahm Jens Abschied und von dem Mann in der Ecke, der seinen Hut so lange loslassen mußte.
Jens ging dann zu dem Mann am Klapptisch, der ein feierliches Gesicht aufsetzte, seine Pfeife hinlegte und sagte: »Ich, Meister Hermann Köppen, Scharfrichter der Stadt Aarhus, dinge dich angesichts dieser guten Männer, Geselle zu sein und Gesellenwerk zu üben, Gott zur Ehre, dir zur Förderung und mir und dem rechtschaffnen Scharfrichteramt zum Frommen«; und während dieser unnötig pompösen Rede, die ihm eine innige Befriedigung zu gewähren schien, drückte der Meister Jens das blanke Mietgeld in die Hand. Darauf erhob er sich, entblößte sein Haupt, verneigte sich und fragte, ob es ihm vergönnt sein dürfe, den guten Zeugen einen Trunk Polak Polak – eine Mischung von Met und Branntwein. anzubieten.
Als er hierauf keine Antwort erhielt, fuhr er fort, daß es ihm eine große, eine sehr große Ehre sein würde, ihnen einen Trunk Polak zu bieten, so daß sie untereinander auf das Wohlergehen ihres früheren Genossen trinken könnten.
Die drei am langen Tisch sahen sich fragend an und nickten dann so ziemlich gleichzeitig.
Die barfüßige Magd brachte nun eine gewöhnliche Tonschale und drei grüne Glaskrüge, die hie und da mit roten und gelben Sterntüpfelchen verziert waren. Als sie die Tonschale vor Jens und die Krüge vor Sören und die Bärenführer gestellt hatte, holte sie eine große hölzerne Kanne und füllte erst die Krüge der drei ehrlichen Männer, alsdann die Tonschale und schenkte den Rest in Meister Hermanns Privatkrug.
Rasmus zog sein Glas zu sich hin und spuckte aus, die beiden andern folgten seinem Beispiel, und dann saßen sie eine Weile da und sahen einander an, als ob keiner von ihnen so recht Lust habe, der erste zu sein, der trank. Indessen trat Marie Grubbe an Sören heran und flüsterte ihm etwas zu, das er mit einem Kopfschütteln beantwortete. Sie wollte dann wieder flüstern, aber Sören wollte nichts hören. Einen Augenblick blieb sie unsicher stehen, dann ergriff sie seinen Krug und schleuderte den Inhalt auf die Diele mit den Worten, daß er nicht trinken solle, was der Henker spendiere. Sören sprang auf, packte sie fest am Arm und schob sie zur Tür hinaus, indem er ihr barsch befahl, hinaufzugehen. Dann verlangte er einen Pegel Branntwein und kehrte auf seinen Platz zurück.
»Das hätt meine selige Abelone sich erdreisten sollen«, sagte Rasmus und trank.
»Ja,« stimmte Salmand bei, »sie kann Gott nicht genug danken, daß sie nicht meine Alsche ist; ich hätt ihr, meiner Seel, was andres zu tun gegeben, als Gottes Gaben in den Dreck zu schütten.«
»Aber, weißt du, Salmand,« wandte Rasmus mit einem pfiffigen Blick zu Meister Hermann hinüber ein, »deine Alsche ist auch keine große Kreatur von der Wohlgeborenen ihrer Sippschaft; sie ist ein armes Geschöpf so wie wir hier, und darum kriegt sie ihre Hiebe, wenn sie sich vergangen hat, so wie es unter gemeinen Leuten Schick und Brauch ist; wär sie aber statt dessen ein hochadlig Ding gewesen, so würdest du dich scheinbarlich wohl niemalen erkühnet haben, ihren hochadeligen Rücken zu ärgern, sondern hättest sie dir zwischen die Augen speien lassen, wenn es ihr also beliebet hätte.«
»Nein, den Deuwel hätt ich das getan!« fluchte Salmand, »ich hätt sie durchgewichst, bis sie weder hätt Augen noch Maul aufsperren können; das hätt ich getan und hätt ihr die Nucken ausgetrieben; frag nur meine mal, ob sie die dünne Kette kennt, die Petz trägt, und du sollst sehen, der Buckel schmerzt ihr schon, wenn sie bloß davon höret; aber daß sie herkommen sollt, hier, allwo ich sitze, und meinen Trunk auf die Diele gießen tut, nein, und wär sie auch des Kaisers leibhaftige Tochter, sie sollt gestriegelt werden, solang ich eine Hand rühren könnt und noch ein Atemzug in mir wär. Was bildet so eine verdammte Puppe sich wohl ein! Ist sie mehr als andrer Leute Weiber sind, daß sie so ihren Mann in guter Leute Gesellschaft zu beschämen wagt? Glaubt sie, sie würd Schaden davon nehmen, wenn du sie anrühren tätst, alldieweil du von dem Traktament dieses braven Mannes getrunken hältst? Nein, wenn du mir folgen willst, Sören, so« – und er machte eine Bewegung, als schlüge er, »sonst kriegst du in aller Ewigkeit keine Gewalt über sie.«
»Ja, wer sich das getraute!« sagte Rasmus spöttisch zu Sören hinüber.
»Wohr di, lütt Kiek, süss will ick die wisen, worans de Häuner picken dohn!«
Und dann ging er.
Als er zu Marie hinaufkam, schlug er die Tür mit dem Fuß hinter sich zu und schickte sich an, den Strick zu lösen, der ihr kleines Bündel Kleider zusammenhielt.
Marie saß auf dem Rande des Bretterrahmens, der zusammengeschlagen war, um als Bettstatt zu dienen.
»Bist du böse, Sören?« fragte sie.
»Dat säst du all marken!«
»Nimm dich in acht, Sören, es hat mir keiner Schläge geboten, seit ich erwachsen bin, und ich leide es nicht.«
Sie könne tun, was sie wolle, sagte er, Prügel solle sie haben.
»Sören, um Gottes willen, um Gottes willen, schlag mich nicht, lege nicht gewaltsam Hand an mich, du wirst es bereuen!«
Aber Sören packte sie bei den Haaren und schlug sie mit dem Strick.
Sie schrie nicht, sondern stöhnte nur unter den Schlägen.
»So!« sagte Sören und warf sich auf das Bett.
Marie blieb auf dem Fußboden liegen.
Sie war ganz erstaunt über sich selbst, sie lag gleichsam da und wartete darauf, daß ein Gefühl rasenden Hasses wider Sören, unversöhnlichen, niemals verzeihenden Hasses in ihrer Seele geboren werden sollte; aber es kam nicht, es war nur eine innig tiefe, sanfte Trauer über eine Hoffnung, die zersprungen war ... wie konnte er das übers Herz bringen?