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Ketzer

Ketzer waren einzelne, die es besser wissen wollten, und Völker, die als Sonderwesen ihre besondere Beziehung zu Gott und den göttlichen Dingen zum Ausdruck bringen wollten.

Das Christentum ist keine Religion wie die übrigen. Es ist der Glaube, in dem sich die Menschheit vollendet, es bezeichnet den Augenblick, wo sie, in Christus, mit Gott eins wird, wo sie in Christus ihres göttlichen Ursprungs und Zieles innewird. Der Gottmensch ist die Wahrheit, der Weg und das Leben. Was diese Religion lehrt und spendet, ist, so voll von Übersinnlichkeit sie auch sein mag, doch nichts der Menschheit Wesensfremdes, sondern eine Entfaltung, ein Erstrahlenlassen des Menschheitsgedankens. Eine Religion, die über sie hinausgehn kann, ist so wenig denkbar wie ein Zurückgehn auf das Heidentum, das im Christentum mündete, in ihm enthalten ist; die einmal christlich gewordene Menschheit kann, wenn sie nicht christlich bleibt, nur zerfallen, verwildern und in einem entgötterten und naturfernen Zustand ihr Dasein weiterschleppen. Innerhalb des Christentums aber sind unzählige Besonderheiten der Auffassung möglich entsprechend den unzähligen Völkern und einzelnen innerhalb der Menschheit. Die Kirche erfaßte ihre Aufgabe, die Weltreligion zu verkünden, den großen Gedanken, die ganze Menschheit, zunächst wenigstens das Abendland, in einem Glauben zu vereinen, mit Ernst und Klugheit. Es schien selbstverständlich und auch leicht, solange das Christentum im Kampfe gegen den römisch-heidnischen Staat alle seine Kräfte im Namen des Erlösers zusammenfaßte; kaum aber war es herrschend geworden, als die unendliche Mannigfaltigkeit der Menschen die Schlichtheit des Bekenntnisses durchbrach und über den großen Symbolen und Worten des Herrn der einzelne ein verwickeltes Gedankengebäude auftürmte. So wie jeder Mensch unter Millionen sein eigenes Antlitz trägt, das ihn von allen anderen unterscheidet, sein eigenes Schicksal erlebt, das keinem anderen gleicht, so gehen auch seine Gedanken eigene Wege, und unüberwindlich ist die Lust eines jeden, die Welt mit eigenen Augen zu betrachten und ihre Rätsel mit eigenem Scharfsinn zu durchdringen. Diesem Drange nach eigener Erkenntnis steht der kindliche Hang gegenüber, sich den Anschauungen der Väter, dem Zeugnis Ehrwürdiger anzuschließen, und das unmittelbare Einströmen der großen Geister in die göttlichen Offenbarungen der Vorzeit. Wäre das nicht, die geistige Welt der Menschen und damit die Welt überhaupt wäre längst zerfallen. Dennoch greifen die auflösenden Kräfte so zahlreich und so kräftig an, daß außerordentliche Gewalt am Werk sein muß, um ihnen den sinnvoll gestalteten Kosmos zu entreißen. Als die Juden in der Wüste das Goldene Kalb anbeteten, erschlug Moses dreitausend Mann; da das wandernde Volk durch kein anderes Band zusammengehalten wurde, als durch den Glauben an seinen Gott, zog er es vor, einen Teil zu opfern, um das Ganze zu erhalten. Das Gebot »Die Zauberer sollst du nicht leben lassen«, das später die Aufschrift über einer düsteren Periode der abendländischen Geschichte wurde, will die Anwendung magischer Mittel zur Erreichung eines Zweckes durchaus, auch mit den schärfsten Mitteln ausschließen. Immer brandete unterirdisch ein titanischer Strom gegen die herrschende Ordnung, die auf unantastbaren Grundwahrheiten beruht.

Innerhalb der christlichen Kirche wurde in den ersten Jahrhunderten die Grundlage des Glaubens nicht angegriffen; wohl aber tauchten allmählich verschiedene Auffassungen über die einzelnen Punkte des Bekenntnisses und die daraus zu ziehenden Folgerungen auf, wie etwa über das Wesen der Dreieinigkeit, über das Abendmahl, über die Gnadenwahl, über die Auferstehung. Den voneinander abweichenden Meinungen gegenüber sah sich die Kirche genötigt, eine Auffassung als die richtige, eine andere als unrichtig zu bezeichnen, was unter Zuziehung der führenden Männer auf allgemeinen Versammlungen geschah. So wurden aus Mysterien, die den Eingang zu den Abgründen des Übersinnlichen bezeichneten, die die ahnungsvolle Seele anbetend erfaßte, Dogmen, unanfechtbare, erlernbare Sätze. Aus dem Fließenden wurde etwas Starres, das mit seinem Anspruch auf unfehlbare Richtigkeit den Zweifel des widerspruchslüsternen Menschen um so mehr herausforderte. Nicht als ob die Kirche dem Volke die Mysterien in ihrer eindrucksvollen Bildlichkeit vorenthalten hätte. Durch Unterricht und Predigt wurde die Kenntnis der biblischen Geschichte verbreitet, und von den Wänden der Kirche konnte das Volk die große Tragödie vom Sündenfall und der Erlösung der Menschheit ablesen. Papst Gregor hatte sich gegen die Abschaffung der Bilder ausgesprochen, weil das des Lesens unkundige Volk sich durch das Anschauen der Bilder die Heilsgeschichte einprägen könne. An den Portalen der Dome empfingen den Eintretenden die Propheten und Apostel, die klugen und die törichten Jungfrauen, der Weltenrichter; aus den halbdunklen Gewölben glühten im vertrauten Umriß die wunderbaren Taten Gottes hervor und die geheimnisvollen Berührungen des menschlichen Daseins mit dem göttlichen: die Verkündigung des Engels, die Geburt im Stalle, die Auferweckung des Lazarus, der Tod des Gottes am Kreuz. Von diesen Bildern aber, sofern sich nicht durch den täglichen Anblick ihre Bedeutung abstumpfte, führte niemand den Gedanken weiter. Predigten wurden wohl im allgemeinen regelmäßig und reichlich gehalten, aber sie beschränkten sich auf leere Formeln und spitzfindige Allegorien. Wenn einer aus der Menge rege genug war, um sich eigene Gedankengänge zu graben, versperrten ihm die Dogmen wie eiserne Vorhänge despotisch starr den Weg. Immer brandet die Eigenart und der Freiheitswille des Individuums gegen die Fesseln, die der Wille zum Ganzen ihm anlegt, wenn sie seinen Geist zu ersticken beginnen. Die heidnischen Germanen öffneten sich im allgemeinen dem christlichen Gedanken leicht, weil sich der Übergang von der gotterfüllten Natur zu Gott leicht vollziehen kann. Andererseits ließ die Kirche das Heidnische, soweit das möglich war, ohne das Wesentliche zu zerstören, in sich einfließen, voll Weisheit bedenkend, daß die Weltkirche wohl alles Menschliche bilden, aber nichts Menschliches verleugnen soll. Nachdem aber einmal die Christianisierung vollzogen war, machte sich die Verschiedenheit der einzelnen und der Völkerschaften geltend, letzteres im selben Maße wie die Eigenart der Nation sich auswirkte. Wie weit und elastisch die Kirche ihren Umfang auch gezogen hatte, die Besonderheit der Germanen machte sich doch allmählich geltend und strebte nach einem germanisierten Christentum hin. Berechtigtes und Unberechtigtes pochte an die Pforten Roms.

Bewundernswert der Römergeist, der das gewaltige Gebäude der Kirche errichtete, bewundernswert aber auch der germanische Geist, dem es nicht Genüge gab, der es mit seiner eigenen Frömmigkeit erfüllen wollte. An den Gegensätzen entbrennt das Feuer der Geschichte. Sicherlich nicht alle, die sich der Kirche widersetzten, wurden dazu von einem schöpferisch gläubigen, fruchtbar zweifelnden Drang bewogen. Viele nahmen Anstoß an der weltlichen Herrschaft, dem weltlichen Wesen der Kirche. Es war leicht, der Armut des Herrn, der nicht hatte, wohin er sein Haupt legen konnte, den weltlichen Pomp der Kirchenfürsten mit dem Papst an der Spitze entgegenzusetzen und damit den ganzen Charakter der Kirche zu verwerfen. Sicherlich war das keine Nachfolge Christi; aber es war ein über dem Grabe Christi aufgerichtetes Reich, das wachsen und einst die Welt beherrschen sollte, alle Stufen und Sphären des Lebens der Völker umfassend. Wäre ohne ein solches machtvolles Reich das Wort Christi erhalten worden? Wie berechtigt auch derartige Angriffe einzelner waren, wie etwa eines Arnold von Brescia, sie konnten zunächst die herrschende Kirche nicht erschüttern. Andere scheinen von dem weitverbreiteten Hang beseelt gewesen zu sein, sich durch irgendwelche Absonderlichkeiten hervorzutun, wie jene Ketzer, die Heinrich III. unter allgemeiner Zustimmung aufhängen ließ, die den Fleischgenuß verwarfen. Überhaupt war das niedere Volk mehr für gewaltsames Verfahren gegen Ketzer als der Klerus, obwohl die Ketzer meist aus den unteren Volksschichten stammten. Der Klerus ging ohne Untersuchung und genaue Feststellung häretischer Irrtümer nicht vor, während der Pöbel bereitwillig umbrachte oder Hinrichtung forderte. Hundert Jahre später traten in Köln Ketzer auf, die im Gegensatz zur katholischen Priesterschaft, deren bequeme Weltlichkeit sie als unchristlich verurteilten, arm lebten. Der hohe Klerus war ihnen gegenüber zur Milde geneigt, erlaubte ihrem Bischof sogar, mit einem Geistlichen zu disputieren; dagegen verlangte das aufgebrachte Volk, daß die übliche Strafe des Feuertodes gegen sie angewendet werde. Der Mut, mit dem sie, ihrer Überzeugung getreu, in den Tod gingen, erregte Bewunderung. Ein Bürger bat ein schönes Mädchen frei; aber als sie den Führer der Ketzer in den Flammen zusammenbrechen sah, verhüllte sie das Gesicht und warf sich über ihn, um mit ihm zu sterben. Eine neue Welle von Ketzerei erhob sich am Ende des 12. Jahrhunderts im Gefolge des Petrus Waldus, eines Bürgers von Lyon, der besonders in der Lombardei, aber auch in Deutschland viel Anhänger hatte. Die Waldenser waren die ersten Ketzer, die dem Dogmenlehrgebäude der Kirche mit Bewußtsein die Bibel entgegenstellten. Deutsche Übersetzungen einzelner Teile der Bibel gab es damals schon; sie waren aber, wie alle Bücher, nur den Geistlichen bekannt. Es gab kein Verbot der Bibel von Seiten der Kirche; aber es machte sich fühlbar, daß die Bibel zwar als Heiliges Buch der Christen galt, aber nur deshalb, weil die Kirche sie als solches anerkannte. Die Kirche betrachtete sich als unmittelbar von Gott gestiftet, als Inhaberin der Wahrheit und der Macht von Gott berufen, die Völker zu lehren. Die Meinung, daß es eine Quelle göttlicher Offenbarung gebe, die einem jeden mit Umgehung der Kirche zugänglich sei, war neu und unerhört. Aus der Heiligen Schrift hauchte das Wort Gottes den Hörer unmittelbar an. Der Deutsche vernahm es wie das Rauschen seiner Wälder und seiner Meere, einen wunderbaren Gesang voll geahnter Bedeutung. Hier handelte es sich nicht um Gebetsformeln, Fasten, Zehnten, sondern um sittliche Gebote, die im Herzen widerklangen, um Einsichten, die als goldene Frucht vom Baum des Lebens fielen. Man fühlte den Unterschied zwischen Menschenwort und Gotteswort und fühlte sich mit dem Gotteswort frei und unbesiegbar. Das Menschenwort, ob man es verstand oder nicht verstand, reizte zum Widerspruch, das Gotteswort in seinem unergründlichen Dunkel riß hin, erschütterte, überzeugte. Diejenigen Waldenser, die nicht lesen konnten, wußten große Stücke aus der deutschen Bibel auswendig; die Schönheit der Lieder, die sie sangen, fiel auch den Gegnern auf. Die Musik verband sich mit dem religiösen Aufschwung und drang auch in die Kirche ein; meistens wurde der Gottesdienst mit einem gemeinsam gesungenen deutschen Liede beendigt. Das niedere Volk, von dem man so wenig vernimmt, tritt in dieser ersten großen Ketzerbewegung aus seinen mühsalvollen Hütten hervor: hingebungsvoll, redlichen Sinnes, bereit den göttlichen Geboten zu folgen und dafür zu sterben, vielleicht zuweilen gehoben in der stolzen Zuversicht, daß Gott die Armen und Verachteten zu Jüngern der Vollkommenheit erwählt habe. Von dem Propst Heinrich Minneke von Goslar, dem viele Nonnen anhingen, und der auf einer Synode als Häretiker verurteilt und dann verbrannt wurde, weiß man nichts Näheres. Sicherlich gab es neben aufrichtiger Frömmigkeit mancherlei unordentliche, abgeschmackte und auch unsaubere Schwärmerei. Es gab Ketzer, die Materie für sündhaft erklärten und deshalb für jedermann übertriebene Askese verlangten, andere, die, weil sie glaubten, ohne priesterliche Vermittlung mit Gott eins und heilig werden zu können, sich alles, auch jede Ausschweifung erlaubten. Gute und Böse, Gescheite und Dumme schlossen sich der Bewegung an, und es wäre nicht zu verwundern, wenn die Fanatiker und die Toren in der Überzahl gewesen wären.

Die Päpste sahen mit Entrüstung Feinde den festgefügten Bau der Kirche unterwühlen. Es war der Bau, der die europäische Welt überwölbte, in ihren Augen eins mit dem Kosmos. Durch die Sakramente band sie den sterblichen Menschen an die unsterbliche Gottheit, hielt sie ihn eingeschaltet im Umschwung der Sphären. Riß das Band, so stürzte er wie ein erlöschendes Licht in das Nichts. Daß ein unmittelbares Band göttlicher Strömungen erwählte Geister zu einer unsichtbaren Kirche zusammenfassen könne, kam für die kirchliche Auffassung nicht in Betracht. Neben dem selbstsüchtigen Gefühl einer Macht, die sich im Genuß ihrer Herrschaft bedroht sieht, mögen solche Betrachtungen Papst Lucius III. bewegt haben, als er den Beschluß faßte, die Ketzer auszurotten, und Friedrich I. aufforderte, sich mit seinen Machtmitteln der Kirche zur Verfügung zu stellen. Der Kaiser war dazu durchaus bereit. Es wird ihn kaum ein Zweifel angewandelt haben, ob das, was die Ketzer lehrten, verdammenswert sei: weil sie sich gegen die Kirche auflehnten, waren sie Rebellen und mußte er, als Schutzherr der Kirche, sie strafen. Schon vor hundert Jahren hatte Gerhoh von Reichersperg gesagt: haereticum esse constat qui a Romana ecclesia discordat – Ketzer ist, wer von der Römischen Kirche abweicht. Auch Friedrich II., obwohl er selbst der Ketzerei verdächtigt wurde, erklärte sich mit seinem großen Gegner Gregor IX. einverstanden, als dieser im Jahre 1231 ein neues Gesetz zur Ausrottung der Ketzer erließ. Das Neue und Bedenkliche dieses Gesetzes war, daß künftig nicht nur der offenbare, gewissermaßen angreifende Ketzer zu verurteilen war, sondern daß der Ketzerei nachgespürt werden sollte, wodurch die gemeinen Instinkte der Menschen, insbesondere die Angeberei, aufgeregt wurden. Mit dieser peinlichen Aufgabe betraute der Papst den neugegründeten Orden der Dominikaner, der sich wegen seiner gelehrten Bildung dazu zu eignen schien. Die Zahl der häretischen Irrtümer, die sie austüftelten, überstieg sicherlich oft die Zahl der Heilswahrheiten, die den Beschuldigten selbst bekannt waren. Das Jahr des neuen Gesetzerlasses war das Jahr, in welchem die heilige Elisabeth starb. Ob der Tod der jungen Fürstin das düstere Gemüt ihres Beichtvaters trübte? Konrad von Marburg übernahm die seinem Orden zugewiesene Aufgabe mit einem Eifer, als bereite es ihm eine schreckliche Genugtuung, Menschen dem Feuertode zu überliefern. Wie eine Krankheit fraß der Verdacht der Ketzerei um sich; selbst Geistlichen kam Konrads Vorgehen wie ein blindes Wüten vor. Ein bisher unbekanntes Grauen beschlich die Menschen. Vielleicht hätte die Verfolgung sich ungehemmt ausbreiten können, wenn sie sich auf die unteren Volksklassen beschränkt hätte; aber gemäß einer ausdrücklichen Bestimmung des Papstes griff sie gerade die Hochgestellten an. Das reizbare Ehrgefühl des hohen Adels empörte sich gegen die Vergewaltigung durch ein geistliches Gericht. Graf Heinrich von Sayn wurde wegen Ketzerei angeklagt und erschien auf einer großen Kirchenversammlung in Mainz, bei der König Heinrich, Friedrichs II. Sohn, anwesend war. Sowohl er wie der Erzbischof von Mainz mißbilligten das Verhalten Konrads; der Erzbischof hatte ihn sogar ermahnt, sich zu mäßigen, aber ohne etwas auszurichten. Soviel bewirkte der Erzbischof, daß dem Grafen von Sayn eine Frist gegeben wurde, um sich zu rechtfertigen; die Gefahr blieb trotzdem groß, denn das Inquisitionsverfahren war so eingerichtet, daß es sehr schwer war, die einmal angezweifelte Rechtgläubigkeit zu erweisen. Am 30. Juli 1233 wurde Konrad von Marburg ermordet; man schrieb die Tat allgemein dem Grafen von Sayn zu. Er lebte noch 14 Jahre, ohne deswegen angegriffen zu werden; seine Witwe machte später große Schenkungen zum Heil für seine und ihre sündigen Seelen. Beinah gleichzeitig wurde in Straßburg der Dominikanermönch Droso, der durch sein Aufspüren von Ketzern die Stadt beunruhigte, von Heinrich von Mülnstein, einem, der sich bedroht fühlte, ermordet. Johannes Guldein, einer der angesehensten Straßburger Bürger, war im Jahre 1230 verbrannt worden. Nicht nur der Papst, sondern auch der Kaiser war entrüstet über die Mordtaten; es war einer der Vorwürfe, die Friedrich gegen seinen Sohn erhob, daß er die Ketzerverfolgung nicht unterstützt habe. Trotzdem ist anzunehmen, daß die Kaiser diese Pflicht ihres Amtes nur wie eine herkömmliche Formel zuweilen zu betonen für nötig hielten; denn wenn sie sich mit eigenem Willen dafür eingesetzt hätten, würde die Inquisition sich mehr ausgebreitet und festgesetzt haben, als tatsächlich geschah. Allerdings, wenn auch die scharfe Verfolgung, wie sie Konrad von Marburg eingeleitet hatte, sich nicht erneuerte, so wurden doch die Ketzergesetze weiterhin angewendet, und daß von Zeit zu Zeit die Flammen einen Irrgläubigen verzehrten, war nichts Auffallendes.

Immer weiter unterwühlt der titanische Strom die feste Erde. Ein Augenblick kann kommen, wo er nicht nur stärker, sondern auch reiner sein wird als das herrschende Gesetz. War der Tanz um das Goldene Kalb bei den Rechtgläubigen oder bei den Ketzern? Wenn die Regierenden anfangen, Feuer und Schwert anzuwenden, um die Einheit des Glaubens und Denkens zu erhalten, hat Gott sie meistens schon verlassen.


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