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Was die Langobarden, was die Karolinger, was die starken Ottonen und die herrischen Salier vergebens erstrebten, das schien nun den Staufen zuzufallen: die Herrschaft in Italien. Das südliche Reich, das im Besitz Griechenlands geblieben war, das dann die Normannen erobert und zur Verfügung des Papstes gestellt hatten, das hatte Barbarossa an seinen Sohn gebracht. Eine neue märchenhafte Welt tat sich den Deutschen auf, wo das Grab des großen Zauberers Virgil und der Eingang zu den Höhlen des Hades waren, wo die heidnischen Sarazenen mit den Künsten des Orients die christliche Seele berückten. Vom Baltischen Meere bis zum Adriatischen und zum Mittelmeere breitete sich das Heilige Reich und schon wuchs es hinüber nach Afrika und nach Asien. Es verlor nicht im Norden, was es im Süden gewann, vielmehr dehnte es sich weiter und weiter nach dem Osten, und bald konnten seine Kaufleute, ohne fremdes Gebiet zu berühren, Bernstein von der samländischen Küste nach Palermo führen. Inmitten des mittäglichen Glanzes, der wie ein Mantel von Feuer das Stauferreich umstarrte, lief zuweilen ein Schauer über die Seele des deutschen Volkes. War es das ahnungsvolle Bewußtsein, daß es nicht gut ist, die Höhe erreicht zu haben, weil alle natürlichen Dinge sich auflösen müssen und von der Höhe zur Tiefe streben? An der Mosel sah man auf schwarzem Geisterroß Dietrich von Bern vorübergleiten. Trieb den Unbesiegbaren die Sorge um sein bedrohtes Volk? Ein anderer Schatten rührte sich im aufgewühlten Abgrund und stieg warnend ans Licht: der Antichrist. Immer von Zeit zu Zeit beunruhigte diese apokalyptische Gestalt die Gemüter; jetzt zog ihn das Gefühl des Endes herbei, den man auch den Endekrist nannte. In dem Spiel vom Antichrist, das wahrscheinlich am Ende des 12. Jahrhunderts in Deutschland aufgeführt wurde, mischte sich dies Endgefühl mit dem stolzen Bewußtsein der durch den König verwirklichten Weltherrschaft. Seinen Triumph, dem sich alle Mächte unterordnen, den auch Frankreich anerkennt, das auf die Nachfolge Karls des Großen und die Weltherrschaft Anspruch erhob, unterbricht der Antichrist mit den Schicksalsworten: Meines Reiches Stunde ist gekommen. Nicht die Reichsfeinde führen seinen Sturz herbei, von der gottähnlichen Macht des Bösen umgarnt, steigt er selbst vom Throne und legt seine Krone dem Antichrist zu Füßen. Wie im germanischen Mythos von der Götterdämmerung der Bruch des Rechtes durch die Götter das Ende herbeiführt und rechtfertigt, so hier der Abfall des Kaisers von Gott, da er das verlarvte Böse nicht mehr vom echten unterscheidet.
Die Nachricht vom fernen Tode Barbarossas ging wohl wie eine Wolke über die Mittagsglut des Reiches; aber sie brannte fort, obwohl der Umstand, daß die Söhne der Heroen entartet zu sein pflegen, den Übergang der Herrschaft auf die Erben eines Großen gefährlich macht. Alle Kinder Friedrichs I., seine fünf Söhne, wie seine Töchter, starben jung; zwei von den Söhnen allerdings, Konrad, Herzog von Sachsen, und Philipp, der jüngste, durch Mord. Heinrich, schon zu Lebzeiten des Vaters Mitregent, entsprach äußerlich nicht dem Bilde der Deutschen von ihrem Kaiser; wohl war er schön von Gesicht, aber dunkel und schmächtig. In der Kunst des Herrschens glich er dem Vater, nur daß alle seine Äußerungen um eine Schwingung härter und schärfer waren. Ein Liebesgedicht, das von ihm vorhanden ist, zeigt, daß er sich ritterliche Bildung angeeignet hatte, und deutet vielleicht auf Stunden des Spiels und der Schwärmerei, die ihm beschieden waren; es begleitet mit wehmütigem Flug seinen blutigen Gang durch die Geschichte.
Zwei Ziele verfolgte Heinrich VI.: das Königtum in Deutschland erblich zu machen und sich Süditalien zu unterwerfen, auf das er durch seine Heirat mit Constanze Anspruch hatte, beides fast aussichtslose Unternehmungen. Bedenkt man, daß alle Könige die Erblichkeit der Krone, wenn auch meist nur im einzelnen Falle, angestrebt hatten, und daß immer mehr von Fürsten und Papst gemeinsam der Grundsatz der Erblichkeit heftig bekämpft wurde, erscheint es wie ein Wunder, daß auf einem Hoftage zu Würzburg im Jahre 1196 der junge Kaiser die Annahme desselben durchsetzte. Wahrscheinlich verzichtete er schon bald danach auf den erlangten Erfolg, um die Stimmen widerstrebender Fürsten für die Wahl seines Sohnes zu gewinnen; eine Erbmonarchie in Deutschland hätte auf die Dauer wohl weder die Eifersucht der Stämme noch die geographische Beschaffenheit Deutschlands gelitten. Auch in Unteritalien erreichte er, was er wollte: nach grausamer Unterdrückung des Widerstandes mußte sich Sizilien unterwerfen. Mit den ungeheuren Reichtümern, die ihm aus dem Schatz der normannischen Könige zufielen, sicherte er sich die Anhängerschaft der deutschen Fürsten und Ritter. Eine zweite außerordentliche Einnahme verschaffte ihm die Gefangenschaft von Richard Löwenherz, der sich nur durch ein großes Lösegeld die Freiheit erkaufen konnte. Den Papst gewann er dadurch, daß er das Kreuz nahm, vermutlich ohne die Absicht, selbst den Kreuzzug anzutreten. Die nüchterne Art, wie er, einzig den politischen Nutzen im Auge, die Gebote der Ritterlichkeit und zuweilen auch die der Ehre und Menschlichkeit beiseite ließ, mißbilligte mancher Zeitgenosse; etwas Unheimliches lag in seiner Verbindung mit der Fremden, die Mutter seines Sohnes war und als Vertreterin ihres Volkes ihn haßte und, wie es hieß, ihn vergiftete. Wenn die trotzigen deutschen Fürsten keinen Widerspruch gegen ihren schneidigen Herrn wagten, wenn die Sizilianer sich unterwarfen und selbst das Glück an ihn gefesselt schien, der Tod blies gleichgültig das stolze Licht aus.
In Deutschland überwog noch die Anhänglichkeit an die staufische Dynastie; aber in Italien war das Aufschnellen des Widerstandes um so heftiger, je straffer die Zügel gespannt gewesen waren. Nachdem die Staufer nahe daran waren, eine Erbmonarchie in Deutschland zu errichten, und Sizilien erobert hatten, waren die Päpste entschlossen, sie zu vernichten. Zu diesem Zweck verbanden sie sich mit den lombardischen Städten. Wären die deutschen Könige Herren im Süden, Herren in der Lombardei und dazu noch Herren in der Toskana durch den Besitz der Mathildischen Güter, so konnte Rom, von allen Seiten eingeschlossen, ihnen nicht entgehen; sie waren dann in Wahrheit Könige von Italien. Das Gefühl, Rom zu sein, Italien zu sein, erfüllte die Päpste mit der Energie nationaler Leidenschaft. So wenig wie einst die Langobarden wollten sie jetzt die Deutschen in Rom und Italien dulden, wie einst der Frankenkönig mußte jetzt ein Fürst gewonnen werden, um Italien zu befreien. Der tragische Widerspruch, daß der Papst schicksalsmäßig Nachfolger der Cäsaren geworden war und doch kein Schwert führte, vielmehr durch sein Amt zum Friedensfürsten bestimmt war, macht das Dämonische seines Wütens gegen die Kaiser, die er selbst gerufen und gesalbt hatte, verständlich. Ohnmächtig im weltlichen Sinn konnte er nur durch Fluch und Bann, durch das Gift der Verleumdung wirken.
Lothar von Segni, der als Innocenz III., erst 37 Jahre alt, Papst wurde, erklärte seinen Standpunkt, indem er sagte, dem Fürsten werde die Macht auf Erden, dem Priester aber auch die Gewalt im Himmel verliehen, jenem nur über den Leib, diesem auch über die Seele. Soviel die Würde der Seele die des Leibes überrage, ebenso überrage die Würde des Priestertums die des Königtums. Einen Einfluß auf die Königswahl habe der Papst zu beanspruchen, weil das Reich ihm seinen Ursprung und seine Vollendung verdanke, den Ursprung, weil er das Reich von Griechenland nach Rom verpflanzt habe, die Vollendung, weil er dem König die Kaiserkrone verleihe. Die Staufer nannte er ein Geschlecht von Verfolgern der Kirche; er würde, wenn er einen Staufer kröne, einem Räuber Waffen gegen sich selbst in die Hand drücken. Die Fürsten indessen, geistliche wie weltliche, bestritten dem Papst in bestimmten Ausdrücken das Recht zur Einmischung in die Wahl, und Heinrichs Bruder Philipp, ein liebenswürdiger und beliebter Mann, hatte sich allgemeine Anerkennung erkämpft, als er von Otto von Wittelsbach, der sich von ihm beleidigt glaubte, ermordet wurde. Otto, Heinrichs des Löwen Sohn, den Innocenz als Angehörigen einer der Kirche ergebenen Familie unterstützt hatte, trat als unbestrittener Kaiser sofort in den unentrinnbaren Gegensatz ein, indem er mit Nachdruck die Reichsrechte auf Italien geltend machte und sich zur Eroberung Siziliens anschickte. »Es reut mich, den Menschen gemacht zu haben«, sagte Innocenz mit den Worten Gottes. Ungefährlicher als der rücksichtslose Welfe kam ihm der jugendliche Friedrich vor, Heinrichs VI. Sohn, der als sein Mündel in Sizilien aufgewachsen war und mit dem er in gutem Einvernehmen stand. Als der Achtzehnjährige ins Reich aufbrach und durch Rom kam, begegneten sich der mächtige Papst und der stolze Staufer zum ersten und einzigen Male. Innocenz starb vier Jahre später; vorher hatte er die Genugtuung, auf einem Konzil im Lateran den aufsässigen Welfen abzusetzen. In der Kirche hat er das monarchische Prinzip, das er im Reich so schneidend bekämpfte, gestärkt und in allen Ländern außer Frankreich die Bischöfe von sich abhängig gemacht.
Im 7. und 8. Jahrhundert wiesen es die Päpste streng zurück, wenn sie als allgemeine Bischöfe angeredet wurden, weil sie dadurch den übrigen Bischöfen, ihren Brüdern, zu nahe träten. Sie wollten nicht mehr sein als die andern, nur wenn einer sich vergangen hätte, wollten sie sie zurechtweisen und in Fällen des Streites oder der Ungewißheit entscheiden dürfen. Innocenz III. beschränkte ihre Rechte, bis sie nicht viel mehr als Beamte des Papstes waren. Der Geist Roms richtete sich gebieterisch auf. Wozu einzelne Päpste den Grund gelegt hatten, das stand nun hüllenlos massiv da: die römische Weltherrschaft in der Hand der Päpste. Wiedergekommen war die Vergötterung der Cäsaren, die einst die christliche Kirche als Blasphemie der Heiden verdammt hatte. Innocenz III. sagte, er sei weniger als Gott und mehr als die Menschen und legte den Ton mehr auf das Erhobensein des Sterblichen in die Nähe der Allmacht als auf den Zwischenraum, der ihn noch von Gott trennte. Dasselbe Ziel verfolgte Gregor IX. in anderer Art. Innocenz war ein großer Organisator, umsichtig, immer seiner Zwecke bewußt und seine Mittel beherrschend mit der ruhigen Sicherheit des reifen Mannes. Gregor war alt, als er zur Regierung kam, und das Alter milderte seine Leidenschaft nicht, sondern steigerte sie zu äußerstem Ungestüm. Er mußte große Taten in eine kurze Spanne zwingen, mußte mit dem Feuer des Geistes die Gebrechlichkeit des Körpers ersetzen. Der Stil der päpstlichen Kurie, der von jeher eine Mischung spätrömischen Pompes und frommer Rührung gewesen war, schwoll grell an. Gregor entzündete einen roten apokalyptischen Himmel über Italien und Deutschland. Aber auch in das Kaisertum drang römischer Atem ein. Friedrich I. zwar hatte die römischen Ideen nur benützt, sich nicht davon beherrschen lassen; aber schon Heinrich VI., vor dem, als er in Palermo einzog, das Volk sich wie vor einem Gott in den Staub warf, begann in Sizilien eine Herrschaft aufzurichten, deren zentralistischer Charakter der deutschen Auffassung widersprach. Friedrich II. vollendete den Beamtenstaat, den er unumschränkt wie ein Despot regierte, wie der Papst über die sterblichen Menschen in die Nähe der Gottheit entrückt. Auch in Friedrichs Kanzlei wurde ein gebauschtes Pathos üblich; zwei Mächte stießen aufeinander, die sich bewußt waren, auf einer Ebene zu Häupten der Menschheit zu kämpfen.
Friedrich II. suchte sich im Beginn seiner Regierung mit Innocenz und dessen Nachfolger Honorius gut zu stellen, indem er förmlich versprach, erstens sein Königreich Sizilien nicht mit dem Reiche zu vereinigen, sondern es, sowie er Kaiser geworden wäre, seinem Sohne Heinrich zu übergeben, zweitens einen Kreuzzug zu unternehmen. Nachdem er im Jahre 1219 zum Kaiser gekrönt war, blieben beide Versprechungen unerfüllt. Die Vorwürfe des Papstes gab er zurück, indem er sagte, daß Honorius schlecht qualifizierte niedere Leute als Kreuzzugsprediger nach Deutschland schicke. Als Gregor Papst wurde, verfingen die Ausflüchte nicht mehr. Friedrich solle, sagte er, sich von den Lüsten der Welt abkehren, dem Himmlischen zu. Ihm sei eine dreifache Krone verliehen: von Deutschland, der Mutter, erhalte er die Gnadenkrone durch die freie Wahl der Fürsten, von der Lombardei, der Stiefmutter, die Krone der Gerechtigkeit, vom Papste, dem Vater, die Krone des Ruhmes, die ihm den Vorrang vor allen Gewalten der Welt gebe und das Reich mit Christus, der ebenfalls mit einem dreifachen Diadem gekrönt sei. Keinen geringen Rang gestand Gregor seinem Gegner mit diesem prachtvollen Bilde zu; er dachte groß genug, sich mit einem Ebenbürtigen messen zu wollen. Im Spätsommer desselben Jahres schiffte sich Friedrich, um den Kreuzzug anzutreten, in Brindisi ein; aber plötzlich wurde er krank, wie er sagte, und mußte zurückbleiben. Das entfachte den Streit von neuem. Ohne Untersuchung setzte Gregor voraus, daß die Krankheit des Kaisers vorgetäuscht sei, und exkommunizierte ihn, sich darauf stützend, daß der Kaiser selbst sich dem Bann verfallen erklärt hätte, wenn er sein Versprechen nicht erfüllen sollte. Friedrich beantwortete den Angriff damit, daß er allen Klerikern, Ordens- und Weltgeistlichen in Sizilien befahl, den Gottesdienst wie immer abzuhalten, widrigenfalls er ihre Güter einziehen würde, und daß er die angesehensten römischen Familien zu seinen Vasallen machte, indem er ihnen ihre Güter abkaufte und sie damit belehnte. Dann unternahm er die Kreuzfahrt und errang einen über alle Erwartung glänzenden Erfolg. Ohne Kampf, durch persönliches Verhandeln und kluges Eingehen auf die Eigenart der Sarazenen bewirkte Friedrich, daß der Sultan ihm Jerusalem, Bethlehem, Nazareth, die hochheiligen Orte Palästinas, dazu Tyrus und Sidon überließ; einzig der Tempel des Herrn in Jerusalem sollte unter sarazenischer Bewachung bleiben, weil die Sarazenen dort zu beten pflegten, aber den Christen sollte freier Zutritt zur Verrichtung ihrer Andacht gewährt sein. Verschiedene andere Vergünstigungen kamen dazu. Es war ein Erfolg, der einem Wunder glich und wie ein Gottesurteil zugunsten des Kaisers erschien. Trotzdem beherrschte Friedrich sich so weit, daß er sich zwar die Krone in Jerusalem aufsetzte, aber einen Gottesdienst, weil er gebannt war, nicht abhalten ließ. Daß gleich darauf Gesandte des Papstes erschienen und in seinem Namen die heiligen Stätten mit dem Interdikt belegten, hob das Ansehen des Kaisers; denn während dieser den Christen des Heiligen Landes Frieden und Recht brachte, störte jener den Frieden und das Gebet. Die Tatsache, daß der Kaiser, der das Heilige Land gewann, vom Papst gebannt war, ließ nicht nur in Deutschland, sondern auch in einem Teil des Auslandes den Kaiser als einen Gläubigen, den Papst als einen Friedensbrecher erscheinen.
Daß Friedrich eine so maßvolle Haltung bewahrte, war Verdienst des Deutschordensmeisters Hermann von Salza, dem daran lag, die beiden Häupter der Christenheit in ein gutes Verhältnis zu bringen. Auf seinen Rat hörte der Kaiser wie sonst auf wenig Menschen, weil er ihn achtete und fühlte, daß er immer das jeweils Beste wollte. Von dem nicht größten, aber interessantesten aller Kaiser ist wie vom Zebra schwer zu sagen, welches die Grundfarbe seines Charakters war. Er war nicht, wie sein Großvater Friedrich Barbarossa, der allem und allen gegenüber unerschütterlich der gleiche war, aus Heiterkeit und Zorn immer wieder in das Gleichgewicht ruhigen Ernstes übergehend. Friedrich II. liebte es, mit den Dingen zu spielen, es gab nichts, was seine italienische Skepsis nicht benagte; aber er selbst wollte sehr ernst genommen sein, und das geheiligte Fundament, auf das er sich stellte, durfte nicht angetastet werden. Er erlaubte sich kecke Scherze über christliche Glaubenssätze, betonte aber zugleich seine Rechtgläubigkeit, verfolgte die Ketzer und führte die Sprache des bibelfesten Bekenners im witzigen Munde. Sein scharfer Verstand durchdrang Dinge und Menschen, durchschaute alle Falschheiten und sah hinter hochtrabenden Ankündigungen die niedrigen Absichten; das gab ihm ein Gefühl der Überlegenheit und ließ ihn die Menschen verachten. Vor nichts hatte er Ehrfurcht außer vor seiner kaiserlichen Würde. Er ermahnte seinen Sohn Konrad, eifrig zu studieren, damit er tüchtig und weise werde. Denn die Könige, schrieb er ihm, werden geboren wie die übrigen Menschen und sterben auch wie sie. Sie hörten auf, Könige zu sein, wenn sie die königliche Weisheit vergäßen und sich von Privatinteressen beherrschen ließen. Dann aber sprach er von dem edlen Blut der Fürsten, dem ein feiner und edler Geist eingegossen sei, und er pflegte vom Blut der Staufer als vom Reichsgeblüt oder dem Blut der Göttlichen zu sprechen. Solche Ausführungen waren zuweilen ein Redeprunk, den er für angemessen hielt und über den er in manchen Augenblicken vielleicht lachte, da er wirklich überzeugt war, daß Könige Menschen wären wie alle Menschen; zugleich aber fühlte er sich hoch über allen Menschen sowohl durch seine Abkunft wie durch seine Begabung und Persönlichkeit. Er hatte zu seinem kühlen Verstande und nüchternen Scharfblick die Vehemenz des Genies und das schmerzlich selige Selbstbewußtsein des Letzten einer bedeutenden Familie. Auch seine äußerliche Erscheinung war nicht einfach: man rühmte sein schönes Gesicht und sein königliches Auftreten, aber seine Kurzsichtigkeit und früh eintretende Kahlköpfigkeit veranlaßten einen Araber zu der Bemerkung, als Sklave würde er nicht viel gegolten haben. Da er das Schillernde seines Wesens und das Vielfachgeschliffene seines Geistes empfand, liebte er die schlichten, festgegründeten, einfachen Menschen wie Hermann von Salza und Landgraf Ludwig den Heiligen von Thüringen; diesen hatte er durch Hermanns Vermittlung kennengelernt. Auch darin war er italienisch, daß ihm Freundschaft der Männer mehr galt als Liebe der Frauen. Er war viermal verheiratet und hatte Liebesverhältnisse mit mehreren Frauen, ohne daß eine jemals Einfluß auf ihn gehabt zu haben scheint. Die Söhne, die aus den flüchtigen Verbindungen hervorgingen, liebte er mehr als die rechtmäßigen. Auch die Nahestehenden sah er zuweilen mit den Schlangenaugen an, die seine Feinde ihm zuschrieben, voll böser Kälte, und doch konnte er rückhaltlos vertrauen und warmherzige edle Männer an sich fesseln.
Hermann von Salza verstand den schwer zu durchdringenden italienisierten Staufer in seiner Größe und wußte ihn anderen verständlich zu machen. Ihm hauptsächlich mag es zu verdanken gewesen sein, daß eine Versöhnung zwischen Papst und Kaiser stattfand und daß diese vorläufige Klammer eine Zeitlang hielt. Die Ordnung seines sizilianischen Staates und ein Aufenthalt in Deutschland beschäftigten den Kaiser; sowie er aber mit einem auserlesenen, hauptsächlich aus Süddeutschen bestehenden Heere zurückkehrte, um die Lombardei zu unterwerfen, brach Gregor aus der mühsam bewahrten Zurückhaltung vor. Die Argumente, deren er sich bediente, waren die eines Papstes, aber sein Haß war der eines Königs von Rom und Italien. Friedrich solle nicht die Lombarden bekämpfen, sagte er, sondern die Sarazenen, mit denen aber verkehre er in Freundschaft, einer schnöden, verwerflichen für einen christlichen Kaiser. Solle er Italien, sein Erbland, verlieren, rechtfertigte sich Friedrich, um das entfernte Land der Sarazenen zu erobern? Wäre er, ein einzelner Mensch, imstande, die mächtigen Sarazenen zu besiegen? Gerade darum wolle er Italien unterwerfen, das reich an Waffen, Pferden und allen erdenklichen Schätzen sei, weil er diese Schätze zum Kampfe gegen die Ungläubigen verwenden wolle. Als dann Friedrich seine natürliche Tochter Selvaggia dem Ezzelino von Romano zur Frau gab und damit einen treuergebenen Anhänger in der Lombardei gewann, seinen Sohn Enzio mit der Erbin von Sardinien verheiratete, über das der Papst Lehensrechte zu haben behauptete, als er endlich den entscheidenden Sieg bei Cortenuova über die Mailänder erfocht, schleuderte der Alte in wütender Verzweiflung alle Waffen gegen den triumphierenden Feind, die ihm zur Hand waren. In der Bulle Ascendit de mare, Aus dem Meer steigt ein Tier, goß er über ihn aus, was der Haß ihm eingab und was sich ihm an Verleumdung und Klatsch darbot. Friedrich spiegele der Welt vor, er habe das Heilige Land befreit; in Wirklichkeit habe der Sultan nichts als die Mauern Jerusalems ihm abgetreten. Er verfolge die Christen, nicht die Sarazenen. Er habe gesagt, die Welt habe sich durch drei Betrüger täuschen lassen: Jesus, Moses und Mohammed, zwei von ihnen seien auf der Höhe ihres Ruhmes gestorben, der dritte, Jesus, sei am Galgen aufgehängt worden. Er leugne, daß Gott von einer Jungfrau geboren sei, er behaupte, daß die Menschen nichts zu glauben brauchten, was nicht durch die natürliche Vernunft bewiesen werden könne. Er sei ein Ketzer, das Tier der Apokalypse, der Vorläufer des Antichrist; er sei es und höre es gern, wenn man ihn so nenne.
An einem Tage des Jahres 1239, während Friedrich in Padova, wo er mit einem Elefanten, fünf Leoparden und 24 Kamelen im Kloster Santa Giustina abgestiegen war, auf der Stadtwiese den Spielen zusah, die dort jährlich abgehalten wurden, exkommunizierte ihn der Papst von neuem. Das traf ihn tief; wie wenig er auch sein Seelenheil dadurch gefährdet glauben mochte, so wenig unterschätzte er doch die Folgen des Bannes durch das Vorurteil der Menschen. Nicht nur, daß seine Feinde sich seiner bedienen konnten, auch unter seinen Anhängern erregte er Unsicherheit. Im Banne war er nicht mehr der Unantastbare, der heilige Kaiser; er war gebrandmarkt, ob zu Recht oder Unrecht. Zunächst allerdings wurde die Stellung des Kaisers nicht erschüttert. Frankreich, das Gregor mit der Kaiserkrone lockte, die er dem französischen König zuzuwenden versprach, lehnte vorsichtig ab. Wie komme der Papst dazu, wurde ihm geantwortet, einen so großen Fürsten vom Throne zu stoßen, ohne daß er der ihm vorgeworfenen Verbrechen überführt sei? Das könne nur ein Konzil tun. Würde der Papst mit französischer Hilfe den Kaiser entthronen, würde er alle Fürsten der Welt mit Füßen treten, stolz geworden, weil er den großen Friedrich zerschmettert habe. Ebensowenig ließen sich die deutschen Fürsten zum Abfall bewegen, sie drangen viel mehr in den Papst, der Zwietracht ein Ende zu machen, die das Reich mit Aufruhr und Mord erfülle. Die Volksstimmung in Deutschland war vollends ganz und gar kaiserlich. »Römische Sendlinge und ihr Gebot – Ist jetzt Pfaffen- und Laienspott«, sang der Dichter Freidank. In Schwäbisch-Hall traten Ketzer auf, die behaupteten, der Papst, die Bischöfe und Prälaten wären Ketzer, Kaiser Friedrich und sein Sohn Konrad wären vollkommen und gerecht. Auch kriegerisch hatte Friedrich Erfolge. Er drang siegreich im Kirchenstaate vor, und Gregor geriet in Gefahr, sein Gefangener zu werden. Er erbot sich zum Frieden unter der Bedingung, daß die lombardischen Städte einbezogen würden, was Friedrich ablehnte.
Ungefähr zur selben Zeit, als Gregor den Bann über den Kaiser verhängte, starb Hermann von Salza, der als sein guter Genius begütigend und vermittelnd neben ihm hergegangen war. Ein grausamer Zug tritt seitdem mehr und mehr in Friedrichs Wesen hervor. Wer sich ihm widersetzte oder ihm zu widerstreben schien, wurde ohne Nachsicht, hohnvoll, dem Untergang geweiht. Die Dominikaner und Franziskaner, die dem Papst anhingen, wurden aus dem Königreich Sizilien vertrieben. Als die Belagerung von Faenza, einer päpstlichen Stadt, sich lange hinzog, ließ der Kaiser siebzig Bürger, die aufgegriffen waren, aufhängen. Ebenso einen Sohn des Dogen von Venedig, weil er mit den Venetianern im Streit war und sie ihn geschädigt hatten. Die Gesandten, die zu Schiff nach Rom reisten, um einem Konzil beizuwohnen, das der Papst berufen hatte, nahm Friedrichs Sohn Enzio nach einer siegreichen Seeschlacht gefangen. Nicht nur, daß der Erzbischof von Besançon dabei ertrank, es starben noch mehrere während der langen Gefangenschaft, in der Friedrich sie hielt. Dies Verfahren gegen hohe Geistliche verschiedener Länder wirkte verstimmend. Der Kaiser aber drang unaufhaltsam gegen Rom vor, immer enger zog er die Schlinge um den geängsteten Gregor; da entriß der Tod den alten Mann seinem Feinde und bewahrte die Welt vor dem Zusammenstoß der rasenden Gestirne.
In Gregors Nachfolger, dem Genuesen Innocenz IV., hoffte Friedrich einem ihm wohlgesinnten Manne zu begegnen; aber der Papst führte die kaiserfeindliche Politik Gregors, womöglich schärfer, unerbittlicher fort. Verkleidet floh er nach Rom, versammelte dort ein Konzil und entthronte und verfluchte Friedrich in Gegenwart von dessen Kanzler Thaddaeus von Suessa, der vergeblich seinen Herrn zu verteidigen versuchte. In Deutschland erklärten sich die Erzbischöfe von Mainz und Köln für den Papst; sie setzten die Wahl des Landgrafen Heinrich von Thüringen durch und nach dessen Tode des Grafen Wilhelm von Holland. Beide bekämpften Konrad als König von Deutschland mit wechselndem Glück, keiner konnte es zu durchschlagendem Erfolge bringen. Friedrich überlebte die endgültige Spaltung um fünf Jahre, zwar nicht besiegt, aber tief erschüttert. Die Untreue seines Kanzlers Petrus von Vinea, den er viele Jahre hindurch als unentbehrliche Stütze betrachtet hatte, die Gefangennahme des fröhlichen Enzio, seines Sohnes, dessen kriegerische Schneidigkeit sich so oft bewährt hatte und den auszulösen ihm nicht gelang, mußten ihm als Vorzeichen des Zusammenbruchs erscheinen. Aber welchen Schmerz und welche Bitterkeit er auch empfand, der Welt zeigte er immer die Heiterkeit, die als Merkmal des Königtums galt, wie es die Art der Sonne ist, zu strahlen. In sein Testament versiegelte er die Rache, damit nicht sein Tod seinen Feinden zugute käme. »Wir wünschen und befehlen, daß keiner der Verräter am sizilischen Reich jemals in dasselbe zurückzukehren und niemand aus ihrem Geschlecht in deren Rechte und Besitzungen einzutreten wage, unsere Erben seien vielmehr gehalten, an ihnen Rache zu nehmen.« Der Kirche, bestimmte er, sollten alle ihre Rechte zurückerstattet werden, jedoch ohne Schädigung des Reiches und der Ehre des Kaisertums und seiner Erben, und wenn die Kirche ihrerseits die Rechte des Kaisertums zurückerstatte. Ebenso treu ihrem Haß waren die Päpste. Friedrichs Sohn Konrad versuchte vergeblich zu einer Verständigung mit ihnen zu kommen, nicht nur Innocenz, sondern auch seine Nachfolger erklärten, daß sie keinen Sprossen des verfluchten Geschlechts der Hohenstaufer auf dem Thron der Könige und Kaiser dulden würden. Innocenz tat sofort nach Friedrichs Tod Schritte, um sich in den Besitz Siziliens zu setzen, starb aber, ohne etwas erreicht zu haben. Im selben Jahre folgte ihm Konrad im Tode nach. Manfred, Friedrichs Liebling, der sternenäugige Sohn der Bianca Lancia, der alle die glänzenden Eigenschaften des Vaters geerbt zu haben schien, schön, mutig, dichterisch begabt, hochgebildet war, verteidigte das Königreich mit Glück. Trotz seines überwiegend italienischen Ursprungs schmückte ihn die Blondheit der Staufer. An seinem Hofe sammelte sich alles, was der Süden Italiens an hoher Bildung und fremdartigem Reiz hervorbrachte. Er trug, so glaubte man, einen Zauberring, mit dem er Dämonen beschwören konnte und der später in den Besitz der Päpste gelangt sein soll. Ohne Erfolg für die Päpste zog sich der Krieg um Sizilien hin, bis Clemens IV. den Bruder des Königs von Frankreich, Karl von Anjou, ihn zu führen bewog. Manfred fiel in der unglücklichen Schlacht bei Benevent; zwei Jahre später wurde Konradin, der sechzehnjährige Sohn König Konrads und der Elisabeth von Bayern, in der Schlacht bei Tagliacozza besiegt und in Neapel hingerichtet. Es war im Jahre 1268. Die Schande, mit der dies unerhörte Verfahren den Namen Karl von Anjou unvertilgbar befleckte, war die einzige Strafe, mit der das Schicksal den Henker des jungen Königs zeichnete. Das unkönigliche und unritterliche Wüten gegen den Hochgeborenen und seine Getreuen erregte Widerwillen nicht nur bei den Ghibellinen Italiens und Sympathie für den Jüngling, der mit Anmut und dem Anstand eines Königs zu sterben wußte. Es wird erzählt, daß Konradin, nachdem seine Witwe gewordene Mutter sich mit dem Grafen Meinhard von Tirol vermählt hatte, sich nicht mehr vor ihr erhob, wie er früher getan hatte, und das damit begründete, daß sie ihr erlauchtes Geschlecht durch die Heirat mit einem weit unter ihr Stehenden verleugnet habe; er als König und Sohn des Kaisers werde ihr nun nicht mehr die Ehre erweisen, die der römischen Kaiserin gebührt habe. Der Fluch der Kirche und der Abfall des Glückes beugten den Stolz des Hohenstaufenblutes nicht. Wie gering auch die Aussicht war, den Kampf zu gewinnen, in dem sein mächtiger Großvater, sein Vater und sein Oheim gescheitert waren, er wußte, daß seine Ehre forderte, ihn aufzunehmen und seinen Vorfahren, wenn nicht an Glück und Ruhm, so doch an hohem Sinn zu gleichen, und starb königlich. Jahrzehnte später zeichnete ein Mönch von Winterthur eine erstaunliche Nachricht auf, die ihm mitgeteilt worden war: als König Konradins Haupt gefallen sei, habe sich ein Adler mit raschem Fluge vom Himmel herabgestürzt, habe seinen rechten Flügel durch das Königsblut gezogen und sei so, mit blutiger Schwinge, aufgestiegen und in den Wolken verschwunden. So ließ der Volksglaube das Herrengeschlecht in die göttliche Heimat zurückkehren.
Weithin leuchtend wie die Mittagshöhe des Reichs und der Staufer war ihr Untergang. Heinrich, Friedrichs Erstgeborener, wurde von seinem Vater zum römischen König und Regenten von Deutschland bestimmt, eine Belastung, für die er nicht nur zu jung, sondern auch, wie es scheint, zu leichtherzig, zu wenig klug und zu wenig charaktervoll war. Er erzürnte seinen Vater dadurch, daß er sich von der ungeliebten Margarete von Österreich scheiden wollte, um Agnes von Böhmen zu heiraten, und er verdarb es mit den Fürsten, weil er die Städte begünstigte. Friedrich verfuhr gegen ihn mit mehr als Härte, mit einer Grausamkeit, die den Sohn zum Äußersten trieb; er knebelte ihn so mit Vorschriften und Bedingungen, daß er den Königsnamen fast zum Hohne trug. Als der Ratlose sich mit den lombardischen Städten verbündete, bat Friedrich selbst den Papst, seinen Sohn zu exkommunizieren. Er lag erst in Heidelberg gefangen und wurde dann nach Apulien gebracht. Die Gelegenheit wahrnehmend, als er aus einem Kerker in einen anderen geführt werden sollte, riß er sich unterwegs von seinen Begleitern los und stürzte sich mit seinem Pferd in den Abgrund. Er war noch nicht dreißig Jahre alt. Friedrich ließ ihn in ein mit Gold und Silber gesticktes Gewand kleiden, worin Adlerfittiche eingewebt waren, und in einem marmornen Sarkophage in der Kirche von Cosenza beisetzen.
Enzio, der Sohn einer adligen Deutschen, der, wie man sagte, dem Vater am meisten ähnlich sah, soll versucht haben, in einem Fasse verborgen der bolognesischen Gefangenschaft zu entfliehen, aber durch eine seiner goldenen Locken verraten worden sein. Lange erheiterten ihm Liebe und Freundschaft und die eigene Liebenswürdigkeit die Öde der Gefangenschaft; aber im Lauf der Jahre verstummten sein Gesang und seine Gedichte. Er starb im Jahre 1272, überlebte also Konradins Tod um vier Jahre. Friedrichs Tochter Margarete, die den Wettiner Albrecht von Meißen geheiratet hatte, mußte einer Geliebten ihres Mannes weichen und starb bald darauf in einem Kloster in Frankfurt am Main. Die Sage erzählt, sie habe, als sie bei Nacht flüchtend ihre Kinder habe verlassen müssen, ihren kleinen Sohn Friedrich vor Schmerz in die Wange gebissen. Er trug später den Beinamen »mit der gebissenen Wange« oder der Freidige. Er betrachtete sich als den Erben Siziliens, ohne den Anspruch jemals verfechten zu können. In der Art, wie er inmitten der größten Widerwärtigkeiten immer heiter blieb, sogar zu scherzen liebte, zeigte er die Eigenart der staufischen Ahnen. Sein Sohn, Friedrich der Lahme, ein lieblicher Jüngling, wurde in der Nähe von Leipzig ermordet. Beatrix, die junge Tochter des ermordeten Königs Philipp, starb, war es Zufall oder dunkler Zusammenhang, kurz nachdem sie die Frau Ottos, des Nachfolgers ihres Vaters geworden war. Mit Geierblicken spähte das Geschick nach jedem gezeichneten blonden Haupte, wo immer es sich verbarg.
Wenn das Gerücht umging, Konrad, der Sohn der Kaiserin Isabella, sei von seinem Halbbruder Manfred vergiftet, und wiederum, Konrad habe Heinrich, den Sohn der Konstanze von Aragon, Friedrichs erster Frau, umbringen lassen, so sieht man, daß seit Heinrich VI. ein düsterer, fast diabolischer Zug sich in das Antlitz der Dynastie eingegraben hatte. Im Gedächtnis der Deutschen erhielt sich davon nichts. Sie verehrten in ihnen die Imperatoren, die den hohen Gedanken des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation glorreich verkörperten. Ihr Dasein empfindet man zwischen den Trümmern des Palastes von Gelnhausen, wenn man unter den gebrochenen Bogen des festlichen Saales über die wuchernden Gebüsche der Weiden und Schwarzpappeln hinweg zur Marienkirche hinübersieht, wenn man auf den gestürzten Kapitellen die edlen Linien der staufischen Adler erkennt, wenn man in den Gassen der kleinen, ärmlichen Stadt den schneidenden Atem des Schicksals spürt. Oder man fühlt es beim Hohenstaufen, wo Graf Friedrich von Büren, nachdem er Schwiegersohn Heinrichs IV. geworden war, die Burg erbaute, nach der sich künftig seine Familie nannte. Von dieser Burg, wo die unglückliche Irene, des ermordeten Königs Philipp junge Witwe, nachdem sie ein Kind geboren hatte, mit diesem starb, ist nichts übriggeblieben; der Wind streicht über Gras und Steine. Aber diesen niedrigen Hügel, an dessen Fuße Schafe weiden, umzieht ein geisterhafter Saum, türmt die Erinnerung hoch zu einem heroischen Mal. Nichts hat sich verwirklicht, was die großen Träumer wollten, die von hier ausgingen; aber sie selbst wurden unsterblich an ihren vergeblichen Taten.