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Unter den Einheriern

Männer, Männer! war Wodans einziger Gedanke geworden. Männer im Himmel und auf Erden. Männer der Tat, die wiederum Heldengeschlechter zeugten, Helden, die durch Tat und Todesverachtung auf Erden schon heranrückten an die Götter und im Himmel Wodans Söhne wurden. Was sonst brauchte die Welt, als Männer, wenn die Schicksalsstunde nahte, Männer, die Mannesehre über alles stellten, bereit allzeit, ihr Leben in die Schanze zu schlagen, um noch sterbend den feindlichen Mächten Abbruch zu tun und den Ruhm zu retten.

Manche seiner Wunschmädchen gebaren den Irdischen Helden; er selber zeugte auf seinen Wanderungen manches Heldengeschlecht und war anderen ein väterlicher Freund. Ein Freund jedoch, der sich unerbittlich selbst bezahlt machte und seine Schützlinge zu der Stunde, die ihm die rechte schien, auf der Höhe ihrer Kraft oder nach einem schlachtenreichen Leben, das Tausende nach Wallhall gesandt hatte, einholte zu den Einheriern. So unerbittlich wie das Schicksal, das die Götter bedrohte, so unerbittlich war Wodan in der Wahl der Mittel, dem unabwendbaren Schicksal den letzten Ruhm abzugewinnen und, wenn es ihn schon untergehen hieß, nur als Sieger über die Unheilsmächte unterzugehen. Im letzten großen Atemzuge noch Schöpfer einer neuen, kommenden Welt.

Darum war vom Tode gezeichnet, wer Wodans Freund auf der Erde hieß. Aber auch vom Ruhme bekränzt und durch die Sänger aller Zeiten zur Unsterblichkeit erhoben.

Wer aber ein Mann sich fühlte in germanischen Landen, der zögerte keinen Herzschlag lang und wählte Wodan für sich und seine Geschlechter. Lieber als ein königlich Volk mit seinen Göttern untergehen, denn als namenloser Sklave fronen. Und es waren die Besten Germaniens, die sich als Einherier in Walhall auf Wodans Bänken sammelten und nach ihrem irdischen Tode noch ihre Namen ehrfurchtgebietender und strahlender hielten, als alle die lebenden Weichlinge und Feiglinge zusammen.

* * *

Da saßen auf bevorzugten Plätzen Helden und Heerkönige. Da saß Sigmund unter ihnen, der Rheinfranken König, der ein Sohn Wolsungs war und von Wodans Blut. Denn Wodan selbst hatte den Wolsungenstamm gezeugt in dem Wolsungen-Ahn Sigi, um den Tisch der Einherier zu schmücken durch die Erziehung von Helden, Geschlechterreihen hindurch.

Jung war noch Sigmund, als sein Vater Wolsung die Tochter Signy dem ungeliebten König Siggeir von Gantland vermählte. In der Festhalle Wolsungs saßen die Männer beisammen, und die Franken und die Ganten erzählten von der Abkunft ihrer Geschlechter. Plötzlich verstummte jedes Getön. Ein hochgewachsener Alter, einäugig, in breitrandigem Hut und blauem Mantel, war unbemerkt von den Wachen in die Halle getreten und auf den Eichbaum zugeschritten, der mitten in der Halle wuchs und seinen Wipfel über das Dach breitete. Ein Schwert trug er unterm Arm, und er nahm es und stieß die Klinge bis ans Heft in den eisenharten Stamm.

»Kein bester Schwert als dies! Dem Besten nur gehör es an! Wer es herauszuziehen vermag, der führe es!«

Der Einäugige sprach es, blickte sich im Kreise um und ging aus der Halle, wie er gekommen war, unbemerkt.

»Wodan, der Wolsungen Stammvater, kam zum Hochzeitsfest,« raunten die Rheinfranken. Und es herrschte lange Schweigen und seltsames Grübeln im Saal. Dann aber traten die Männer an den Baum.

Wolsung packte den Schwertgriff und rüttelte daran. Umsonst. Seine stärksten Helden nach ihm. Vergeblich. Sein Schwiegersohn, der Gautenkönig Siggeir zog und riß in wilder Wut. Das Schwert rührte sich nicht. Sigmund, der junge, trat heran. Mit leichtem Ruck riß er das Schwert aus dem Stamm und schwang das Aufblitzende durch die Halle.

Ruhm brachte ihm Wodans Schwert und ein schweres Heldenleben. Siggeir forderte den Stahl von dem jungen Schwager, der das Begehr lachend abwehrte. Da lud Siggeir den König Wolsung und seine ganze Sippe nach Gautland und erschlug sie alle trotz flehentlicher Bitten der Wolsungentochter Signy, seines Gemahls, bis auf Sigmund, dem er das Schwert Gram – das ist »Zorn« – entwendet hatte. Ihn ließ er im finstern Wald in eine Erdhöhle werfen, wo er ohne Heldenehre schmählich verkommen sollte. Signy aber liebte den strahlenden Bruder Sigmund so heiß, daß sie sich nächtens heimlich zu ihm schlich und ihn tränkte und pflegte und koste. Und sie schenkte ihm einen Knaben, der hieß Sinfiötli, und Sigmund und Sinfiötli lebten im Walde wie die Werwölfe, unbändig, furchtlos und riesenstark, bis Sigmund die Stunde für gekommen erachtete, nach Germanengebot Blutrache zu nehmen an dem Mörder seines Vaters Wolsung.

Der erste Anschlag mißglückte. Siggeirs spielender Knabe entdeckte die wilden Männer hinter einer Mettonne, und der König ließ die Beiden einmauern wie wilde Tiere, beider Gelaß durch einen Felsen voneinander getrennt. Noch einmal kam Signy, Sigmunds Schwester, bei der Nacht. Sie kam bis an die Grube ihres Sohnes Sinsiötli und ließ hastig einen Strohbund hinuntergleiten. Als der riesenstarke Knabe ihn öffnete, fand er darin Sigmunds Schwert Gram. Er packte es beim Knauf, setzte die Spitze gegen die trennende Felswand und drückte, daß ihm die Adern an den Schläfen zu Platzen drohten. Da schnitt das Schwert durch den Felsen, und der Sohn drückte, bis der Vater es in seiner Grube an der Spitze zu fassen kriegte, und nun sägten Vater und Sohn mit des Schwertes Schärfe den Felsen durch, bis sie zueinander kriechen und Sigmund auf Sinfiötlis Schultern aus der Grube steigen konnte. Dann zog Sigmund den Sohn am Schwerte hinaus.

Durch die Nacht schritten sie zur Halle König Siggeirs und legten Feuer an. An der Tür des flammenumlohten Hauses hielten sie mit dem Schwerte Wacht, daß nichts Lebendiges heraus konnte. Nur Signy, die Königin, riefen sie. Aber die Königin wehrte der Rettung.

»Im Leben durfte ich Wolsungs Tochter sein und auf Blutrache für den Vater bedacht. Im Tode gehör ich an meines Mannes, des Königs, Seite, ob ich ihn liebe oder nicht.«

So entgegnete die königliche Frau und starb den Flammentod mit König Siggeir und seiner ganzen Sippe.

Heim segelte Sigmund an der Spitze eines Heeres und gewann mit Waffengewalt das Land der Wolsungen zurück. Mit der Königstochter Borghild von Bralund vermählte sich König Sigmund, und sie gebar ihm einen Sohn, Helgi, als Sigmund, wie immer, auf Heldenfahrten war. Und Wodan sandte seine Raben, dem Knaben der Wolsungen Kriegsglück zu weissagen. Fünfzehn Lenze zählte Helgi, als er mit seinem Stiefbruder Sinsiötli auszog gegen König Hunding, der Wolsungen Erbfeind und Länderräuber, und ihn mit eigener Hand in der Schlacht erlegte. Helgi Hundingstöter riefen ihn seitdem die Helden, und die Sänger sangen seinen Namen.

Die Hundingssöhne begehrten Buße von Helgi für den Vatermord. »Gewärtigt wilde Wetter, graue Gere und Wodans Gram!« ließ der junge Fürst ihnen vermelden und rückte mit einem Heere gegen die Stürmenden an. Unbekümmert um den Hagel der Gere und Pfeile rückte er vor. Über seinem Haupte war ein Rauschen wie von Schwanenflügeln. Neun Walküren schwebten schirmend über ihm, von der Schildmaid Sigrun geführt. Da schüttelte Helgi seine Locken und jauchzte Sigrun zu und brach wie ein Wolf in die Feinde, erschlug ihren Bannerträger und die meisten der Hundingssöhne.

Als Sieger schritt Helgi Hundingstöter über die Walstatt. Sein Arm lag um Sigrun, die Schildmaid.

Bild: Robert Engels

»Ich liebe dich,« sagte er, und sie antwortete ihm: »Auch ich liebe nur dich. Doch bin ich dem König Hödbrod angelobt, der mich jenseit der See erwartet. Hilf mir von ihm.«

Da sammelte Helgi Hundingstöter sein Heer zum anderen Male und stieß die Drachenschiffe ins Meer und fuhr aus um sein Liebesglück. Das sah des Seebeherrschers Ägir wildes Weib Ran, und sie sandte ihre Wogentöchter aus, die die Schiffe auf den Rücken nahmen und das Fürstenschiff hoch zu den Wolken werfen sollten, um es als Wrack hinabzuziehen. Schon hatte die leichengierige Ran ihre Klauen in den Schiffsrand geschlagen, um die Helden zu schlingen, da war ein Rauschen über den Masten wie von Schwanenflügeln, und Helgi Hundingstöter blickte empor und gewahrte die neun Walküren, von Sigrun stürmisch geführt. Und die Schildmaid schlug der rasenden Ran das Schiff aus der Hand und brachte den Helden mit seinem ganzen Heere glücklich an Land. Eine furchtbare Schlacht entbrannte. Mit König Hödbrod und seinen Brüdern ritt und stritt auch König Högni, der Vater der Schildmaid. Aber Helgi Hundingstöter, von Sinfiötli geleitet, durchbrach den Keil des feindlichen Heeres, erschlug König Hödbrod und seine Brüder, erschlug auch König Högni und schonte nur Högnis Sohn Dag. Sinfiötli aber würgte die anderen Häuptlinge, daß sie nimmer die Sonne sahen.

Auf der blutigen Walstatt traf Helgi Hundingstöter Sigrun. Ob ihr auch über den Tod ihres Vaters die Tränen aus den Augen stürzten, sie kränzte den Sieger und gab sich ihm, auf ihr Walkürenkleid für immer verzichtend, als Weib. Nie war ein glücklicheres Paar in nordischen Landen.

Dag aber, Sigruns Bruder, flehte Wodan an um Vaterrache. Und Wodan gedachte der Wolsungen und gedachte seiner Einherier. Da lieh er Dag seinen Todesspeer Gungnir, und Dag lauerte Helgi im Walde auf und rannte ihm den Todesspeer durch den Rücken.

Unstillbar war Sigruns Schmerz um den Heißgeliebten. Sie richtete ein Lager in der Grabkammer, breit genug für sich und ihren abgeschiedenen Helden, und saß am Hügel und weinte blutige Tränen. Um Mitternacht klirrte es von Waffen in der Luft. Aufgeweckt, sah sie Helgi Hundingstöter mit großem Geleite durch die Lüfte niederreiten und sah den Geliebten die Grabkammer betreten. Da warf sich Wodans einstige Schildmaid dem Heimgekehrten ans Herz und küßte ihm Augen, Mund und Hände. Und Helgi sprach: »Deine Tränen haben mich aus Wodans seligem Saal zurückgerufen. Sie brennen mir wie Feuertropfen auf der Brust, daß ich mit den Helden Walhalls nicht fröhlich werden kann. Warum weinst du so sehr, da dein Geliebter der Ewigkeit Ruhm gewann?« Und Sigrun schmiegte sich an sein Herz und sprach: »Nun will ich nie mehr klagen und still bei dir liegen.«

Als fahl der erste Frühschein über den Himmel glitt, schied Helgi Hundingstöter für immer und jagte frohgemut mit seinen Begleitern gen Walhall zurück, von Wodan freudig empfangen. Sigrun aber legte sich zum Sterben und lag in der Kammer angeschmiegt an den irdischen Leib ihres toten Gemahls. –

Sinfiötli hatte inzwischen nicht gefeiert. Während Vater Sigmund zu Ehren Wodans auf Wikingsfahrten war, hatte auch er Kämpfe auf Kämpfe bestanden und, um Hand und Kronland einer Königin zu gewinnen, seiner Stiefmutter Borghild von Barlunds Bruder im Zweikampf erschlagen. Rache schwur ihm Sigmunds Weib, Buße an Leib und Leben. Doch Sigmund kehrte heim und wehrte ihr und erklärte sich bereit, selber Buße zu zahlen, auf daß Sinfiötli, den er brennend liebte, frei sei. Da mußte sich die Königin zufrieden geben, aber beim Leichenmahl für den erstochenen Bruder reichte sie Sinfiötli im Trinkhorn vergifteten Met. Dreimal weigerte sich Sinfiötli zu trinken, und Sigmund, dem keinerlei Gift Schaden tat, trank ihm zu. Da trank auch Sinfiötli und stürzte tot zu Boden.

Aufheulte Sigmund vor Weh. Sein Weib verstieß er, und den Sohn, den Gefährten aus wilden Wolfstagen, nahm er in die Arme und irrte durch das Land, bis er zur Nachtzeit an einen breiten Strom kam. Dort fand er einen Fergen warten, einen einäugigen Alten in blauem Mantel und breitrandigem Hut. Der nahm die Heldenleiche in sein Schiff, aber dem klagenden Vater wehrte er den Zutritt und führte das Schiff schnell über den dunklen Strom.

Lange starrte Sigmund in die Dunkelheit. Er wußte, daß es Wodan war, der Wolsungen Ahn, der den Helden Sinfiötli der grausamen Hel entführte und ihn nach Walhall an die Tafel der Einherier brachte. Da wurde sein Gemüt fröhlich. Und so alt er war, er ritt aufs neue und ritt in des Königs Eylimi Land, dessen Tochter Hiördis die schönste aller Frauen war, und warb um ihre Hand. Mit ihm aber warb auch der König Lyngi, ein Hundingssohn. Die schöne Hiördis wählte nicht lange, sie wählte den Ruhmgekrönten trotz seines Alters und wurde König Sigmunds Eheweib.

Wutbebend sammelte Lyngi, der Hundingssohn, ein Heer und überfiel Sigmund in seinen Landen. Der ließ schleunigst Weib und kostbarste Habe in den Wald schaffen und drang an der Spitze seiner Mannen der Übermacht entgegen. Silberweiß flog ihm das Haar im Wind. Aber sein Arm schwang das Wodansschwert Gram, und wo der König Sigmund den Seinen voranschritt, da bahnte er eine blutige Gasse, und immer weiter watete der Wolsung, alles niederschmetternd, durch das Blut. Schon war der Sieg sein, da trat ihm ein alter Kämpe entgegen, einäugig, in breitrandigem Hut und blauem Mantel. Der fällte den Speer gegen ihn, und König Sigmunds Schwert zersprang an dem Speer in Stücke. Mit allen seinen Helden wurde Sigmund im Kampfe erschlagen. Wodan selbst hatte ihn nach Walhall entboten.

Ein Kind Sigmunds trug Hiördis unter dem Herzen. Als es zur Welt kam, war es ein goldblonder Knabe von schlankem Wuchs, und sie nannte ihn Sigurd. Noch war Sigurd ein Knabe, als er ein Roß verlangte, das er sich unter den Hengsten auf der Weide wählen durfte. Ein alter Mann kam über die Weide, einäugig, in blauem Mantel und breitrandigem Hut. Der trieb die Rosse in den vorüberrauschenden Strom, aber nur ein junger Grauhengst schwamm quer hindurch, die anderen schwammen das Ufer entlang. »Den nimm,« riet der Einäugige. »Er stammt von Sleipnir, dem Hengste Wodans.« Da nahm ihn Sigurd und nannte ihn nach seiner grauen Farbe Grani. Auch ein Schwert forderte er, und als sein kräftiger Arm jede Klinge am Amboß zerschlug, gab ihm die Mutter die Stücke des Wodanschwertes Gram, das Erbe seines Vaters Sigmund, und ein kunstreicher Zwerg schmiedete ihm daraus aufs neue eine unbesiegbare Waffe. Dann rüstete Sigurd Drachenschiffe und fuhr mit einer Schar auserwählter Männer ins Reich der Hundingssöhne, als echter Wolsung zuerst Blutrache zu nehmen für den erschlagenen Vater Sigmund.

Stürmisch war die See und gefahrvoll die Fahrt. Aber da war der alte Einäugige wieder, der sprang in Sigurds Schiff und steuerte es sicher durch den Wogenbraus und lehrte den feurigen Jüngling auf dem Wege tiefe Geheimnisse der Kriegskunst. Kaum, daß Sigurd erwarten konnte, an Land zu gelangen.

König Lyngi, der Hunding, zog dem Wolsung entgegen. Eine mörderische Schlacht hob an, bis Sigurd, alles niedermähend, zum Banner König Lyngis drang und im furchtbaren Zweikampf mit seinem Schwerte Gram den Hunding vom Wirbel bis zum Sitz in zwei Teile spaltete.

Allein zog er weiter auf Abenteuer und erlegte auf ragendem Rheinfelsen den Drachen Fafnir, den Hüter der Schätze, die einst die drei wandernden Götter Wodan, Hönir und Loki einem Riesen als Buße für den irrig erschlagenen Sohn geleistet hatten, und er aß das Drachenherz und trank das Drachenblut und verstand mit einem Male die Stimme der Vögel, die von der allerschönsten Maid sangen, von Brynhild, der Wunschmaid in der wabernden Lohe. Wie lachte da Sigurds Jünglingsherz.

Auf seinem Hengste Grani, das gute Schwert Gram an der Seite, ritt er durchs Land, bis er den Feuerschein gewahrte, und sprengte furchtlos durch die Flammen, die über seinem Haupte zusammenschlugen, und gelangte zu der schönen Schlafenden, die er erschauernd auf den Mund küßte. »Sigurd bin ich, der Wolsung! Wach auf, Brynhild, und werde mein Weib!«

Mit staunenden Augen richtete sich Brynhild empor.

»Ein Furchtloser ist gekommen, ein Furchtloser! Allvater sei Dank für meine Erlösung!«

Und sie legte dem liebeglühenden Jüngling beide Arme um den Hals und erzählte ihm von ihrer Herkunft und ihrem langen Harren, und sie tauschten heiße Schwüre und verlobten sich einander.

Noch einmal wollte er vor der Hochzeit in die Welt, Heldenruhm heimzubringen, und er kam auf seiner Fahrt zu König Gibich, der drei Söhne besaß und eine Tochter. Die Königin aber wünschte sich den herrlichen Helden zum Eidam, denn seine Kraft erschien ihr gefährlich für das Reich und sein reiches Goldgut angenehm für des Hauses Schatz. Einen Vergessenheitstrunk gab sie Sigurd zu trinken, also, daß er Brynhild vergaß und die Gibichentochter zum Weibe nahm. Als dann der alte König Gibich gestorben war, wünschte der junge König die schöne und reiche Brynhild zu freien, und Sigurd, der nichts mehr wußte von seinem einst beschworenen Verlöbnis, ließ sich bereden und tauschte mit dem König die Gestalt und gewann ihm Brynhild. Das tat er zu seinem Verderben.

Die stolze Wunschtochter Wodans, das Weib des Gibichensohns, kam hinter den Betrug. Denn ihr Gatte war lässig, und Sigurd erfüllte die Lande mit seinen Heldentaten. Ein Streit brach aus zwischen der Stolzen und Sigurds Weib, und Brynhild, die verhöhnte, beschloß Sigurds Tod. Da ging sie hin und warb einen Getreuen. Und der Getreue fragte nicht viel und nahm einen Speer und stieß ihn Sigurd, der Brynhild vergessen hatte, in den Rücken.

Die stolze Schildmaid aber hatte Sigurds nicht vergessen. Als der Holzstoß lohte, der des Helden Leiche trug, warf sie sich zu Sigurd in die Flammen, barg sein Haupt an ihrer Brust und starb, ihren furchtlosen Erwecker in den Armen. –

Hochgefeiert saßen die Wolsungen, die Helden vom Rhein, saßen Wolsung und König Sigmund, saßen Helgi, der Hundingstöter, Sinfiötli und Sigurd Drachentöter unter den Einheriern an der Tafel Wodans, den die Nordmänner Odin nannten.

* * *

Da saß der Dänenkönig Harald Hildetand, das ist »Eberzahn«. Blutjung war er mit seinen Drachenschiffen ausgefahren, um sich in Dänemark, seines Vaters Landen, die Krone aufs Haupt setzen zu lassen, als ein wütender Seesturm ihn überfiel und seine Krieger verzagten. Harald Hildetand verlor den Mut nicht einen Pulsschlag lang. Laut rief er Wodan an und weihte sich ihm und sein ganzes Heer, wenn Walvater einst sein irdisch Werk für abgeschlossen erachte. Und als er aufblickte – siehe da stand ein einäugiger Alter in Wetterhut und Wettermantel am Steuer, und das Schiff flog wie ein Falke über das Meer und in den dänischen Hafen.

Gekrönt war Harald, der Eberzahn, von den glücklichen Dänen. Hildetand, Eberzahn, nannten sie ihn, weil ihm zwei schimmernde Schneidezähne wie Eberzähne wuchsen. Aber die Schweden, die das Land widerrechtlich in ihrem Besitz gehalten hatten, wollten es nicht leichten Kaufes aufgeben, sondern zogen ein so übermächtiges Heer zusammen, daß der Dänenschar graute. Wieder rief der junge König Wodan an und weihte ihm sein Leben aufs neue. Und aus der Reihe der Krieger trat der Einäugige im blauen Mantel und trat heimlich belehrend zu Harald Hildetand und stellte das Kriegsvolk keilförmig auf in Gestalt eines Eberrüssels. Den Schild warf der junge Held hinweg, packte in jede Hand ein Schwert, sprang an die Spitze des Keiles und ließ die Hörner blasen. Und der Keil drang in das Schwedenheer und dehnte sich und sprengte es in Fetzen auseinander. Und vorn an der Spitze schritt Harald Hildetand und schnitt mit seinen Schwertern wie mit Sensen nach links und rechts die Garben und weihte die Haufen der Toten Wodan. Das war für Walvater willkommene Beute.

Hundert Kriegszüge und Wikingsfahrten unternahm Harald Hildetand Wodan zu Ehren, und fünfzig Jahre der Regierung schenkte ihm Allvater. Dann aber wünschte er den Helden zu holen. Er nahm die Gestalt von Harald Hildetands vertrautestem Manne an, dem Ratgeber Brugi, der mit einer Geheimbotschaft zu Haralds Neffen Sigurd Ring gefahren und auf der Reise ertrunken war Harald Hildetand selbst hatte den tapferen Neffen zum König über Schweden eingesetzt. Als Brugi kehrte Wodan nach Dänemark zurück und säete Feindschaft zwischen Harald Hildetand und Sigurd Ring, die nur das Schwert lösen konnte. Sieben Jahre rüsteten Schweden und Dänen zum Entscheidungskampf, so groß war der Haß geworden und der glühende Wille, den anderen für immer zu vernichten. Und nach sieben Jahren trafen sich die Heere auf dem Brawallafeld in schwedischen Südlanden.

Blind war König Harald Hildetand geworden von der Zahl der Jahre und ein Greis. Kein Roß vermochte er mehr zu besteigen. Aber auf einen Schlachtwagen ließ er sich heben und hob das Schwert. »Vorwärts, ihr Dänen! Vorwärts mit Wodan!« Da rannten seine Dänen an.

»Ich höre ihr Jauchzen nicht mehr,« murmelte der blinde Greis nach einer Weile. »Wie kämpft der Feind?«

Und Brugi, der neben ihm hielt, erwiderte lachend: »Er kämpft in der Keilform des Eberrüssels!«

Harald Hildetand fuhr zusammen. Nur ihm und Wodan war dies Geheimnis der Schlachtordnung bekannt. Der da zu ihm sprach, war nicht Brugi, es war Wodan selber. Wodan rief ihn. Und er hob das blinde Haupt und machte sich ruhig zum Sterben bereit.

Der Friese Ubbi jedoch, Harald Hildetands treuster und tapferster Held, wollte nichts vom geruhigen Sterben wissen. Wie ein Berserker warf er sich mit seiner mächtigen Streitaxt in den schwedischen Keil und zerspaltete die Schädel und Rückenwirbel, als spalte er Eichenklötze. Dreimal schlug er hin und zurück eine dampfende Bahn aus Blut, Gehirn und Knochen und jauchzte Harald Hildetand »Heil!«, wenn er zurückkam. Zu Dutzenden ließen die Schwedenhäuptlinge ihr Leben, schon wandten sich Heeresteile zur Flucht. Da befahl Sigurd Ring seinen sämtlichen Bogenschützen, nur auf den Friesen zu zielen, und von den Pfeilen gefiedert wie ein Aar stürzte Ubbi, der getreueste Mann, zusammen und hauchte seine Seele aus.

Harald Hildetand vernahm die Botschaft. Hochaufgerichtet gab er seinen Wagenrossen die Zügel frei, daß sie ihn mitten in die Feinde führten. Blinden Auges mähte er, wie als Jüngling in jeder Hand ein Schwert, nach links und nach rechts in die Feindeshaufen. Da sprang Wodan in Brugis Gestalt auf den Wagen und zerschmetterte mit einem Streitkolben Harald Hildetands Haupt. Keine fremde Hand sollte die Silberlocken seines Schützlings berühren. »Dank dir, Wodan,« lächelte sterbend der König.

Hochgefeiert saß König Harald Hildetand, der Däne, unter den Einheriern an der Tafel Wodans, den die Nordmänner Odin nannten.

* * *

Da saß auch ein anderer Dänenkönig, Hrolf Kraki. Der hatte, als er erst zwölf Jahre zählte, die Größe und Kraft eines erwachsenen Mannes und wurde darum Kraki, die »Stange«, zubenannt. In heißer Jugendluft schwur er mit zwölf seiner tapfersten Recken zu Wodan, daß sie jeden Kampf gemeinsam bestehen und nur zusammen sterben wollten. Das hörte Walvater gern, denn er gedachte seiner Einherier.

Da wurde Hrolf Krakis Name berühmt in allen Meeren, die er auf Wikingsfahrten durchzog, und in allen Landen, die er eroberte und sich zinspflichtig machte. Er war ein Held nach Wodans Sinn.

Einmal aber war's, daß er nach Upsala in Schweden zog, eine alte Buße einzufordern für den Vater, den die Schweden dort einst erschlagen hatten. Sein Heer litt Hunger und Durst, und nirgend war Herberge. Plötzlich stand ein Gehöft vor ihnen, und ein Bauer, Hrani geheißen, lud sie zu sich ein. Aber als die Hungernden und Dürstenden sich gelagert hatten, entzog ihnen der Bauer Speise, Trank und Herdfeuer und beriet den König, nur die mit sich zu führen, die diese Probe ohne Murren bestanden hätten. Da waren es nur die zwölf Eidgesellen, und Hrolf Kraki ritt mit seinen Zwölfen weiter an des Schwedenkönigs Hof, der sie in ihrer Herberge ohne Brot und Wasser einmauern ließ und nach qualvollen Tagen Feuer an das Gebäude legen ließ. Hrolf Kraki und seine zwölf Gesellen besannen sich nicht lang. Sie warfen sich mit der Wucht ihrer Körper, als wäre es nur ein einziger Körper, gegen die Wand, daß die Mauer zusammenbrach und sie ins Feuer, aber auch ins Freie stürzten. Ein furchtbares Blutbad richteten die Wilden unter den Schweden an und kehrten, mit Schätzen beladen, zum Gehöft des Bauern Hrani zurück.

Hrani blickte sie strahlend an. Und er holte ein altes Gewaffe hervor, ein Schwert, einen Schild und eine Brünne, und bot alles dem König Hrolf Kraki als Gastgeschenk. Aber der Übermütige wies das uralte Gewaffe lachend zurück.

»Unweise bist du,« zürnte der Bauer, »du wirst es zu spät erkennen,« und er kündigte ihnen die Herberge auf.

Als König Hrolf mit seinen zwölf Gesellen nun durch die dunkle Nacht ritt, erkannte sein Geist, daß der Bauer Hrani Wodan selbst gewesen war, der ihm mit geweihten Waffen ein langes Leben verleihen wollte, und er wandte sein Roß und sprengte zurück. Wie er aber auch suchte, Gehöft und Bauer blieben verschwunden. Nun wollte Wodan sein Leben früher als bisher.

In Dänemark saß Hrolf Kraki und regierte ohne Krieg. Da gedachte seiner Schwester Mann, es sei an der Zeit, die Krone zu stehlen, und er kam mit einem unabsehbaren Gefolge und lud sich bei ihm freundlich zu Gast. In der Nacht aber ließ er alles Lebendige in der Burg niedermetzeln, und nur den zwölf Eidgesellen gelang es, sich zur Schlafkammer ihres Königs durchzuschlagen. Noch einmal tranken sie wie in Jugendtagen aus demselben Horn sich zu und erneuerten den alten Schwur. Dann warfen sie sich singend auf den Feind, erschlugen die Hälfte und sanken erst zu Tode, als keine heile Stelle mehr an ihrem Körper war.

Trunken lehnte der Verräter auf König Hrolf Krakis Thron. »Ist noch ein Mann übrig von meines Schwähers Gesindel?« Und die Tür öffnete sich, und ein alter einäugiger Kämpe trat herein. Der sprach: »Hier ist noch einer,« und stieß ihm das Schwert durch den Hals. –

Hochgefeiert saß der Dänenkönig Hrolf Kraki unter den Einheriern an der Tafel Wodans, den die Nordmänner Odin nannten. –

* * *

Da saß auch ein Schwedenheld, König Beowulf. Abenteuerlustig und furchtlos war er gewesen, wie kaum ein anderer. Dem Stamm der Wägmunde gehörte er an, die ihren Stammbaum bis auf die Götter führten. Und eine Tat, der Götter würdig, hatte er getan.

Von dem scheußlichen Meerriesen Grendel ging zu jener Zeit erneut Gerücht durch alle Lande. Der Dänenkönig Hrodgar hatte nahe dem Meere eine herrliche Halle aufführen lassen für Helden und Sänger, und Lachen und Lebensfreude scholl weit über die Wasser. Da tappte bei Nacht aus den Nebeln der Meere lüstern der Meerriese Grendel hervor, und das Ungeheuer würgte dreißig der sorglos schlafenden Helden und schleppte die Leichen in sein Versteck. Nacht für Nacht schlich er auf Nebelschuhen in den Saal, kein Stahl ritzte seine Haut, kein Männerherz konnte ihm widerstehen. Verödet lag die herrliche Halle bald, und wer sie betrat, der wurde bei Nacht erwürgt und ausgesogen. Laut jammerte das dänische Volk und rief nach dem Retter.

Das hörte der starke Beowulf in Schweden, der nichts von Gruseln kannte und nur das Zupacken, wie es der Donnerer liebte. Als halber Knabe noch hatte er fünf Tage und Nächte ohne Unterbrechung schwimmend im Meere zugebracht, um Abenteuer zu bestehen, auf dem Meeresgrunde Wasserungetüme erlegt und von den nadelspitzen Klippen neun Wassermänner heruntergestochen, bis ihn eine Woge glücklich wieder ans Land geworfen hatte. Nun zog Beowulf in seiner stärksten Manneskraft aus, den scheusäligen Unhold Grendel zu bekämpfen, und er nahm vierzehn unerschrockene Männer mit sich.

Da des Meerriesen Haut kein Stahl durchdrang, so beschloß der kühne Schwede, ihm waffenlos und nur mit den bloßen Fäusten zu begegnen. Seine Gefährten schliefen in der Halle, die der Dänenkönig Hrodgar mit allen seinen Helden und Höflingen am Abend verlassen hatte. Beowulf lag zwischen den Seinen mit wachen Augen. Dunkle Nebel stiegen vom Moor und Sumpf und schlichen wie Pesthauch ins Gemach. Das war Grendels Atem. Jetzt tappte er selbst heran, zerbrach den Türriegel, schlürfte in den Saal, ergriff den ersten der Schlafenden, riß ihn in Stücke und sog das Blut aus. Jetzt griff er mit der Krallenhand nach dem zweiten. Der zweite war Beowulf. Blitzschnell packte Beowulf zu und packte so furchtbar stark, daß er dem Ungetüm alle Finger der Hand zerbrach. Brüllend wollte der Meerriese fliehen, aber Beowulf hielt fest. Aus dem Saale wollte Grendel, aber Beowolf stemmte den Fuß gegen die Mauer und hielt des Riesen Handgelenk in seinen Fäusten wie in einem Schraubstock. Da rissen des Riesen Achselsehnen von der übergewaltigen Anstrengung, der Arm riß in der Wurzel aus und blieb mit der Riesenfaust in Beowulfs Händen. Der nagelte die Faust unter dem Jubel der erwachten Gefährten an die Saaldecke, während der Riese, der sich hastig verbluten mußte, durch den Nebel taumelte und schwand.

Ein großes Gelage gaben die fröhlichen Dänen dem siegreichen Kämpen und füllten ihm und seinen Gefährten die Schilde mit Gold. Die Nacht über blieben alle und dachten nicht mehr an die Furcht, als sie sich auf die Polster streckten. Aber da tappte im Nebel Grendels Mutter einher, ein wölfisches Ungeheuer. Mit stickigem Atem kam sie, den Tod des Sohnes zu rächen, und ergriff und zermalmte einen der dänischen Edelinge. Vom wilden Waffenlärm erschreckt, entfloh die Mörderin in ihren Unterschlupf.

Beowulf verfolgte ihre Spur. Immer unheimlicher wurde der Weg, immer schauriger der Wald, immer sumpfiger der schwankende Boden, den das Meer unterhöhlte. Feuerflammen tanzten auf den Fluten, ekelhaft Gewürm spreizte sich auf den Klippen, Riesenkrebse und boshafte Nixe. Hier war der Eingang zu Grendels Behausung, und Beowulf tauchte ohne Zögern in die Schrecken der See. Sofort fiel ihn mit Scheeren und Zangen das Wassergetier an, aber seine gute Brünne widerstand, und er tauchte tiefer zu Grund. Jetzt packte ihn die Wölfin, Grendels Mutter, bei den Beinen und schleifte ihn in eine wasserleere Grotte. Aufsprang der Held und warf sich mit Macht auf das geifernde Wolfsweib. Aber seine Kräfte ließen nach, und schon schien es, als müsse er der rasenden Unholdin erliegen. Ein Riesenschwert erblickte er an der Wand. Er riß es herunter und stach nach der Wölfin. Die scharfe Spitze ritzte nicht ihre Haut. Da überkam ihn der Berserkerzorn, und er packte das Schwert bei der Klinge und holte aus und zerschmetterte mit dem Knauf der wölfischen Riesin das Rückgrat, daß sie winselnd verendete. Und nun gewahrte er auch den Körper des toten Grendel und schnitt ihm den Kopf ab und stieg nach mühseligem Suchen und Wandern vom Meeresgrund auf zu den stürmisch jubelnden Gefährten.

Heimgekehrt nach Schweden, verübte er als hochsinniger König viele Heldentaten bis in sein Alter, und die letzte war, daß er, der Greis, einen menschenmordenden Drachen erlegte, den die Jünglinge und Männer flohen. Den überreichen Hort schenkte er den Schweden als letzte Königsgabe. Er selbst aber verschied an den Wunden des Kampfes und wurde zu Hronesnäß auf dem Holzstoß verbrannt, während aller Augen weinten. Über seiner Asche ward ein gewaltiger Hügel getürmt, und als Beowulfs Burg blickte das Heldenmal über die See, allen Wikingen ein ehrfürchtig Zeichen. –

Hochgefeiert saß der Schwedenkönig Beowulf unter den Einheriern an der Tafel Wodans, den die Nordmänner Odin nannten. –

* * *

Da saßen auch die Norwegerkönige Harald Harfagar, das ist Harald Schönhaar, und Erik Blutaxt und Hakon der Gute, die Haraldssöhne. In einem Meer von Blut hatte Harald Harfagar den Übermut der norwegischen Großen erstickt und mit fester Faust ein norwegisches Reich unter seinem Zepter errichtet. In einem Meer von Blut hatte des Schönhaars Sohn, Erik Blutaxt, gewatet, bis er aus dem Lande weichen mußte und auf wilder Wikingsfahrt in England ein neues Reich gewann. In neuem Kampf gegen Englands König fiel er und nahm fünf Könige mit in den Tod und tausende von Mannen. Wodan selbst befahl, ihn festlich zu empfangen, Bragi, der Dichtergott, griff begeistert in die Saiten, und König Sigmund vom Rhein erhob sich mit Sinsiötli, seinem Sohn, Erik Blutaxi entgegenzugehen.

»Nur eins sage mir, Wodan,« bat König Sigmund, »weshalb nahmst du dem blutigen Erik den Sieg, da er dich doch der kühnste der Könige dünkt?«

Da sprach Wodan und sah ihm fest in die Augen: »Weil es ungewiß ist, wann der graue Wolf zum Sitze der Götter kommt.«

Und Sigmund wußte, daß Allvater vom heulenden Fenriswolf und vom letzten Kampfe gesprochen hatte und schritt mit Sinsiötli zum Tor und bewillkommnete jubelnd Erik Blutaxt und die fünf Könige, die ihm folgen mußten, und den Heerbann der Helden.

Und wieder stand Wodan aufhorchend in Walhall und wies Bragi an, den Dichtergott, und Hermod, den Götterboten, vors Tor zu schreiten und den Haraldssohn Hakon festlich zu empfangen. Abgeirrt von den alten Göttern war Hakon, als er an seines Bruders Erik Statt das Zepter von Norwegen ergriff, aber heimgefunden hatte er vor der letzten Schlacht zu dem Glauben an Wodan. Darum wollte ihn Allvater besonders ehren. Seine Walküren sandte er auf die rauchende Walstatt, auf der König Hakon mit den Erikssöhnen rang, die aus England heimgekehrt waren, und alles Volk kämpfte für seinen König, den es um seiner Guttaten willen liebte.

König Hakon rief zu Wodan und hörte die Walküren rauschen. Und er hörte ihr Jauchzen: »Nun wächst der Götter Glück, weil die Waltenden Hakon mit einem großen Heere zu sich heim entboten.«

Siegreich blieb König Hakon in der Schlacht, aber von Wunden bedeckt, lag er auf dem Schilde. Freunde und Feinde umdrängten den Sterbenden, um noch einen Blick aus seinen Augen zu erhaschen, der der beste König war in Norwegen, und kein besserer war nach ihm.

Blutbespritzt stand der König mit seinen Mannen an der Pforte Walhalls, von Hermod geleitet, von Bragi mit Heldenliedern begrüßt.

»Helme und Brünnen wollen wir anbehalten und das Schwert nicht von uns tun,« sprach der König zu Wodan. »Es ist gut, bereit zu sein.« Und Wodan nickte, denn er kannte die Nähe der Stunde.

Hochgefeiert saßen Norwegens Könige, Harald Harfagar, Erik Blutaxt und Hakon der Gute, unter den Einheriern an der Tafel Wodans, den die Nordmänner Odin nannten. –

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Noch einer aber saß unter dem Hunderttausend. Der war aus Westfalenland und hieß Hermann, der Cherusker. In Germanien war er aufgestanden, als es keinen Mann gab, die deutschen Gaue von der alles erdrosselnden Römerherrschaft zu befreien. Er, der Einzige, rief die hadernden Stämme zusammen und rief den Mannesmut und den Heldenzorn an in den erloschenen Gemütern. Er, der Einzige, zeigte den verzagten Deutschen, was Schwerter wert sind in der Hand von Männern, denen die Ehre lieber ist als das Leben. Und sie ballten sich zusammen und erschlugen im Teutoburger Wald das römische Heer, mehr denn zwanzigtausend Mann. Der Befreier des Vaterlandes wurde der Cheruskerfürst und ward zum Dank von Neidlingen erdolcht. –

Auf dem Ehrenplatz an der Einheriertafel in Walhall saß Hermann, der Cherusker, und keinen liebte Wodan wie ihn. – –

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