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Nach dem Tode des Darius kam das Reich an seinen Sohn Xerxes. Dieser war anfangs gar nicht zu dem Kriege mit Griechenland geneigt, sondern wollte lieber gegen Ägypten zu Felde ziehen. Aber Mardonius, ein Sohn des Gobryas und der Schwester des Darius, der unter allen Persern am meisten bei dem Xerxes galt, ging zu ihm und redete ihn folgendermaßen an: Herr, es ist unbillig, daß die Athener den Persern soviel Schaden getan und uns noch keine Genugtuung geleistet haben. Führe aber nur das aus, was du schon unter Händen hast. Wenn du dann Ägypten, das sich so schändlich empört hat, wieder gezähmt haben wirst, ziehe gegen Athen zu Felde, damit du einen guten Ruf unter den Menschen erlangst und sich nachher ein jedweder hüten möge, dein Land feindlich anzugreifen. Dies war die Vorstellung, mit welcher er den König zur Rache anreizte. Diese Vorstellung unterstützte er damit, daß Europa ein schönes Land wäre, welches vielerlei Arten fruchtbarer Bäume hervorbrächte, ein Land, das überaus vortrefflich wäre und welches verdiente, daß es der König vor allen Sterblichen allein besäße.
Dieses sagte er um deswillen, weil er zu neuen Unternehmungen geneigt war und gern selbst Statthalter in Griechenland sein wollte. Die Umstände der Zeit dienten ihm auch dazu, daß er es dahin brachte, den Xerxes zu überreden, dasjenige zu tun, was er ihm geraten hätte; denn es fielen außerdem noch andere Dinge vor, welche das ihrige dazu beitrugen, den Xerxes hierzu zu bewegen. Teils, daß Gesandte von den Alebaden (dieses waren Könige in Thessalien) kamen und den König gegen Griechenland um Hilfe anriefen und sich in allem zu unterwerfen versprachen, teils, daß einige von den Pisistratiden nach Susa kamen, welche ebendas sagten, was die Alebaden sagten, sich aber außerdem noch eines gewissen Atheners, den sie bei sich hatten, des Onomakritus bedienten, der ein Wahrsager war und die Weissagungen des Musäus auslegte. Mit diesem hatten sie ihre Feindschaft aufgehoben, ehe sie nach Susa kamen. Denn Onomakritus war vom Pisistratus aus Athen vertrieben, weil er von dem Lasus, einem Hermionier, auf offenbarer Tat ertappt war, daß er unter die Weissagungen des Musäus diese mit untergeschoben hatte, daß die um Lemnos herumliegenden Inseln in dem Meere untergehen würden. Um deswillen vertrieb ihn Pisistratus, da er vorher vertraut mit ihm umgegangen war. Damals aber reiste er mit hinauf nach Susa, und da er vor den König kam und ihm die Pisistratiden viel Lob erteilten, erklärte er die Weissagungen. Wenn aber etwas vorkam, worin des Persers Niederlagen enthalten waren, sagte er nichts davon, sondern las nur das aus, was ihm das größte Glück verkündigte, und sagte, daß ein Perser eine Brücke über den Hellespont schlagen würde, und was sonst zu diesem Feldzuge gehörte. Dieser suchte also den König durch Weissagungen und die Pisistratiden und Alebaden durch Vorstellungen zu bewegen.
Nachdem man den Xerxes dahin gebracht hatte, daß er gegen Griechenland den Krieg unternehmen wollte, zog er erst in dem zweiten Jahre nach dem Tode des Darius gegen die Aufrührer zu Felde, und da er diese gebändigt und ganz Ägypten weit unterwürfiger gemacht hatte, als es unter dem Darius gewesen war, so setzte er seinen Bruder Achämenes zum Statthalter darüber, der aber einige Zeit hernach von einem Libyer, Maros, des Psammetichus Sohn, ermordet wurde.
Sobald Xerxes Ägypten wieder erobert hatte, war er entschlossen, den Krieg wider die Athener zu unternehmen. Er berief also die vornehmsten von den Persern zusammen, um ihre Meinung zu hören und ihnen selbst seinen Entschluß kundzumachen.
Als sie versammelt waren, sprach er zu ihnen: Ihr Perser, ich werde diesen Gebrauch nicht erst unter euch einführen, sondern mich nach demselben richten, da ich ihn von anderen empfangen habe. Denn nach dem Bericht alter Leute sind wir niemals ruhig gewesen, seitdem die Herrschaft von den Medern durch den Cyrus, welcher den Astyages des Reichs beraubt, auf uns gekommen ist; aber Gott lenkt es so und trägt, wenn wir ihm folgen, vieles zu unserer Verbesserung bei. Was Cyrus, Kambyses und mein Vater Darius für Völker überwältigt und sich unterwürfig gemacht haben, darf man Leuten, die es so gut wissen, nicht erst sagen; was mich aber betrifft, so bin ich gleich anfangs, da ich den Thron bestieg, darauf bedacht gewesen, meinen Vorfahren auf diesem Ehrenwege mit gleichen Schritten zu folgen und keine geringere Macht den Persern zu erwerben. Da ich nun dieses bedenke, so finde ich, daß wir teils unseren Ruhm vermehren und ein Land gewinnen können, welches nicht kleiner ist als das, welches wir besitzen, und nicht schlechter, sondern noch fruchtbarer ist; teils, daß wir Rache und Strafe an unseren Feinden ausüben können. Um deswillen habe ich euch zusammenkommen lassen, um euch meine Entschließung kundzutun; ich will nämlich eine Brücke über den Hellespont schlagen und die Armee durch Europa nach Griechenland führen, um die Athener wegen aller Feindseligkeiten zu bestrafen, die sie gegen die Perser und meinen Vater ausgeübt haben. Ihr wißt, daß schon mein Vater im Begriff war, diese Leute zu bekriegen; aber er ist darüber gestorben, und es ist nicht bei seinen Lebzeiten zustande gekommen, sie zur Strafe zu ziehen. Ich will aber für ihn und die anderen Perser nicht eher ruhen, bis ich Athen werde erobert und mit Feuer vertilgt haben, da die Bürger mir und meinem Vater zuerst unrecht getan haben. Erstlich sind sie mit dem Aristagoras von Miletus, der noch dazu unser Vasall war, nach Sardes gekommen und haben Haine und Tempel verbrannt. Nachher wißt ihr wohl, wie sie euch begegnet sind, da ihr unter Anführung des Datis und Artaphernes in ihr Land kamt. Durch diese Dinge werde ich angetrieben, den Krieg wider sie zu unternehmen. Überdem, wenn ich die Sache vernünftig erwäge, so finde ich unendliche Vorteile, die uns daraus erwachsen werden, wenn wir dieses Volk und ihre angrenzenden Nachbarn, die die Länder des phrygischen Königs Pelops bewohnen, überwinden und zeigen werden, daß nur die Luft das Reich Jupiters, Persien, umgrenze; denn die Sonne soll kein Land sehen, das unseres umgrenzte, sondern ich will euch alles zu einem Lande machen und von einem Ende Europas bis an das andere durchgehen. Denn wie ich höre, so ist unter den übrigen Menschen keine einzige Stadt, kein einziges Volk, welches imstande wäre, uns Widerstand zu leisten, wenn man die ausnimmt, welche ich erst genannt habe. Also werden die Schuldigen und die Unschuldigen sich unserem Joch unterwerfen müssen. Was euch betrifft, so werdet ihr darin nach meinem Wohlgefallen handeln, daß ein jedweder von euch sich ohne Verzug einstellt, wenn ich die Zeit, da ihr erscheinen sollt, bestimmen werde. Wenn ihr aber kommt, so soll derjenige, dessen Truppen in der besten Verfassung sein werden, von mir ein Geschenk von solchen Dingen bekommen, die in unserem Hause für das Kostbarste gehalten werden. Dies ist also dasjenige, was ihr hierbei zu tun habt. Damit es aber nicht das Ansehen habe, als wenn ich bloß mein eigenes Gutdünken vorbringen wollte, so lege ich euch insgesamt die Sache vor und gebe einem jeden unter euch, wer da will, die Freiheit, seine Meinung zu entdecken.
Hierauf schwieg er still, und Mardonius nahm darauf das Wort und sprach: Du hast, o Herr, nicht nur über die vorigen, sondern auch über die künftigen Perser den Vorzug, indem du nicht nur insgemein die vortrefflichsten und wahrhaftigsten Dinge vorträgst, sondern auch besonders nicht zugeben willst, daß die Ionier, die in Europa wohnen, uns verlassen, was wir nicht im geringsten verdienen. Denn es wäre doch empfindlich, wenn wir die Saker, die Indier, die Äthiopier, die Assyrer und viele andere und große Völker, welche den Persern gar nichts zuwider getan haben, um unsere Macht auszubreiten, überwunden und unter unsere Herrschaft gebracht haben, uns aber an den Griechen, von denen wir zuerst beleidigt worden, nicht rächen sollten. Wovor fürchten wir uns? Vor der starken Anzahl ihrer Armeen? Vor der Macht ihres großen Reichtums? Wir kennen ja ihre Art zu fechten; wir kennen ja ihre Kräfte, die sehr schwach sind. Wir haben ja ihre Kinder unter unsere Gewalt gebracht, die nämlich, welche in diesem Weltteile wohnen und Ionier, Äolier und Dorier genannt werden. Ich habe es auch schon versucht und habe selbst auf Befehl deines Vaters gegen diese Leute einen Zug getan, und es ist mir, da ich bis nach Mazedonien gegangen und nicht weit mehr von Athen war, niemand entgegengekommen, um sich mir zu widersetzen. Die Griechen pflegen auch, wie ich höre, sehr unbesonnene Kriegsanstalten zu machen wegen ihrer Unerfahrenheit und Unverstandes. Denn wenn sie einander den Krieg angekündigt haben, so suchen sie die schönste und ebenste Gegend, die sie finden können, aus; da ziehen sie hin und halten ein Treffen, so daß die Sieger selbst mit großem Verlust abziehen. Von den Überwundenen will ich nicht einmal sagen; diese werden fast alle niedergemacht. Da sie doch sollten, weil sie einerlei Nation sind, durch Herolde und Abgesandte ihre Zwistigkeiten ausmachen und lieber alles versuchen, als sich miteinander zu schlagen; oder, wenn sie ja miteinander Krieg führen müßten, sollten sie einen Ort aussuchen, an welchem beide Parteien einander nicht leicht angreifen könnten und ihr Heil versuchen. Aus dieser törichten Gewohnheit, welche bei den Griechen ist, sind sie mir nicht zum Treffen entgegengekommen, da ich schon nach Mazedonien gekommen war. Wer will dir nun, o König, entgegenkommen, dich anzugreifen, da du das ganze asiatische Heer und alle Schiffe mitführst? Solche Verwegenheit wird, wie ich glaube, den Griechen nimmermehr in den Sinn kommen. Wenn ich mich aber in meiner Meinung betrügen sollte und sie mit unsinniger Kühnheit gegen uns die Waffen ergreifen sollten, so werden sie erfahren, daß wir vor allen Nationen im Kriege den Vorzug haben. Laßt also nichts unversucht. Denn es geschieht nichts von selbst, sondern der Mensch pflegt alles durch seine Unternehmungen zu erlangen. Als Mardonius auf eine solche Art dem Entschluß des Xerxes geschmeichelt hatte, schwieg er still.
Da nun alle übrigen Perser stillschwiegen und sich nicht unterstanden, etwas wider die vorgetragene Meinung vorzubringen, fing Artabanus, des Hystaspis Sohn und Vatersbruder des Xerxes, ein vorsichtiger Mann, also zu reden an: Wenn, o König, keine einander entgegenstehenden Meinungen vorgebracht werden, so kann man die beste nicht auslesen, sondern man muß die vorgetragene Meinung schlechterdings annehmen; werden aber verschiedene Meinungen vorgetragen, so ist's wie mit dem reinen Golde, welches man für sich allein nicht beurteilen kann; wenn es aber gegen anderes Gold gehalten wird, so sieht man bald, welches das beste ist. Ich habe es deinem Vater und meinem Bruder Darius widerraten, gegen die Skythen, die nirgends in Städten wohnen, zu Felde zu ziehen. Er hoffte aber diese herumziehenden Skythen zu überwältigen, verwarf meinen Rat und unternahm den Krieg, aus dem er mit Verlust vieler rechtschaffnen Leute von seiner Armee wieder zurückkam. Du aber, o König, willst gegen eine Nation zu Felde ziehen, die es an Mut den Skythen weit zuvortut, die zu Wasser und zu Lande unter allen die besten Krieger sein sollen. Es ist meine Schuldigkeit, dir zu sagen, was hierbei für Gefahr zu besorgen ist. Du sagst, du willst eine Brücke über den Hellespont schlagen und die Armee durch Europa nach Griechenland führen, du müßtest sie nun entweder zu Lande oder zu Wasser oder auf beide Arten zugleich besiegen; denn es sollen sehr herzhafte Leute sein. Nun kann man wohl schließen: da die Athener allein die Armee, die unter Anführung des Datis und Artaphernes nach Attika kam, zugrunde gerichtet haben, so möchte es wohl auf beiden Seiten nicht glücklich gegangen sein. Wenn sie es aber auf ein Seetreffen ankommen lassen und nach erlangtem Siege nach dem Hellespont zuschiffen und die Brücke abwerfen, wird das, o König, nicht sehr gefährlich sein? Ich mache diese Mutmaßung nicht aus meinem eignen Gehirn, sondern aus den ehemaligen Umständen, da wenig daran fehlte, daß wir unterdrückt wurden. Als nämlich dein Vater über die thrakische Meerenge ging und über eine Brücke, die er über den Ister schlug, ins Land der Skythen einfiel, so versuchten die Skythen alles und ersuchten die Ionier, denen die Bewahrung der Brücke über den Ister aufgetragen war, uns den Rückweg durch Abreißung der Brücke abzuschneiden. Und wenn damals Histiäus, der Fürst zu Miletus, der Meinung der übrigen Fürsten beigetreten wäre und sich ihnen nicht widersetzt hätte, so wäre es um die Perser geschehen gewesen. Es ist schon schrecklich genug zu hören, daß auf einem einzigen Manne die Erhaltung oder der Untergang des Königs beruht. Beschließ also nicht, dich in eine ebensolche Gefahr zu begeben, da dich keine Not dazu zwingt; sondern folge mir, laß jetzt diese Versammlung auseinandergehen; überlege die Sache selbst wieder für dich, wenn es dir am bequemsten scheint, und entdecke dann, was dir am besten deucht. Denn einen guten Anschlag zu fassen, halte ich für den allergrößten Vorteil. Wenn auch das Gegenteil geschehen sollte, so ist nichtsdestoweniger der Anschlag gut gewesen und hat nur dem Glücke weichen müssen. Wer aber einen törichten Entschluß gefaßt hat, der hat zwar, wenn ihm das Glück günstig gewesen, seinen Zweck erlangt; nichtsdestoweniger bleibt doch allemal sein Anschlag verwerflich. Siehst du, daß Gott die allzu großen Tiere mit dem Blitze erschlägt und ihnen nicht zuläßt, daß sie sich zuviel einbilden, die kleinen hingegen nicht um ein Haar verletzt? Siehst du auch, daß ebendiese Blitze die höchsten Gebäude und Bäume treffen? Gott pflegt nämlich alles, was erhaben ist, zu unterdrücken. Eben auf solche Art wird eine große Armee von einer kleinen überwältigt, wenn ihr Gott zuwider ist und sie entweder mit einer inneren Furcht oder mit seinem Donner schreckt; um deswillen sind einige ganz anders, als man es von ihrer Macht hätte vermuten sollen, zugrunde gegangen. Denn Gott läßt keinen außer sich groß von sich denken. Wenn man mit allen Dingen zu sehr eilt, so werden Fehler begangen, aus welchen großes Unglück zu entspringen pflegt. Bei einem langsamen Verfahren aber sind Vorteile, die sich, wenn sie auch nicht gleich in die Augen fallen, doch zu seiner Zeit finden. Dies ist, o König, der Rat, den ich dir erteile. Du aber, Sohn des Gobryas, Mardonius, unterlaß, solche törichten Dinge von den Griechen zu reden, die gewiß nicht verdienen, daß man übel von ihnen spricht. Denn durch Verkleinerung der Griechen willst du den König zum Kriege wider sie bewegen. Darauf scheinen mir alle deine Gedanken gerichtet zu sein; aber das sei ferne von uns, denn es ist nichts häßlicher als die Verleumdung. Bei derselben sind zwei Personen, eine, welche Unrecht tut, und eine, der Unrecht geschieht. Denn, einmal tut der, der verleumdet, dadurch einem anderen Unrecht, daß er ihn in seiner Abwesenheit verklagt: ferner tut ihm auch der Unrecht, der der Verleumdung Gehör gibt, ehe er die Sache genau untersucht. Der Abwesende aber wird dadurch von beiden beleidigt, daß ihn der eine verleumdet und daß der andere übel von ihm urteilt. Wenn aber ja gegen die Nation Krieg geführt werden muß, wohlan, so laß den König selbst in dem Lande der Perser bleiben. Wir beide wollen unsre Kinder an einem dritten Orte in Verwahrung geben. Führe du die Armee in diesem Kriege und suche dir vorher Leute aus, wie du willst, und nimm eine so große Armee, als es dir beliebt, hat die Sache für den König einen solchen Ausschlag, als du versprichst, so sollen meine Kinder und ich dazu umgebracht werden; geht es aber, wie ich sage, so soll ebendieses den deinen widerfahren und dir dazu, wenn anders du wieder zurückkommst. Weigerst du dich, dieses einzugehen und willst doch die Armee nach Griechenland führen, so weiß ich, daß die, die hier zurückbleiben, einmal hören sollen, daß Mardonius, nachdem er den Persern großes Unglück verursacht, in dem Lande der Athener oder der Lakedämonier irgendwo liegend von den Hunden und Vögeln gefressen werde, wenn es nicht gar vorher auf dem Marsche geschieht und du inne wirst, mit was für Leuten du dem Könige zu kriegen geraten hast.
Als Artabanus diese Rede geendigt hatte, gab ihm Xerxes voller Zorn zur Antwort: Artabanus, du bist meines Vaters Bruder; dies dient dir zur Sicherheit, daß du nicht den verdienten Lohn wegen deiner törichten Reden empfängst. Doch sollst du den Schimpf tragen, weil du so zaghaft und furchtsam bist, daß du nicht mit mir nach Griechenland in den Krieg ziehen, sondern bei den Weibern zu Hause bleiben sollst. Ich werde ohne dich das, was ich gefragt habe, vollziehen. Denn ich wäre nicht wert, ein Sohn des Darius Hystaspis zu sein, ich müßte nicht von dem Arsamnes, nicht von dem Ariamnes, nicht von dem Teispes, nicht von dem Cyrus, nicht von dem Kambyses und nicht von dem Achämenes abstammen, wenn ich mich nicht an den Athenern rächen wollte. Denn ich weiß gar wohl, daß, wenn wir uns auch ruhig verhalten wollten, sie doch nicht Ruhe haben, sondern in unser Land Einfälle tun würden, wie man aus dem, was sie schon unternommen haben, indem sie Sardes abgebrannt und in Asien eingefallen sind, aufs künftige schließen kann. Es ist also auf beiden Seiten nicht möglich, wieder zurückzugehen; sondern die Sache ist einmal so weit gekommen, daß man entweder andern Schaden tun oder selbst erdulden muß, so daß entweder diese Länder alle zusammen den Griechen oder jene den Persern unterwürfig werden. Denn zwischen den Feindseligkeiten ist kein Mittel. Es ist also rühmlich, daß wir uns, die wir zuerst beleidigt sind, zu rächen suchen, damit ich sehe, was für Unglück mir widerfahren wird, wenn ich gegen die Leute zu Felde ziehe, welche schon der Phrygier Pelops, ein Vasall unserer Väter, so unter das Joch gebracht hat, daß noch bis auf diese Stunde sowohl die Leute als das Land von ihrem Überwinder den Namen führen. So sprach Xerxes für diesmal.
Als es aber Nacht wurde und ihn die Meinung des Artabanus sehr unruhig machte, dachte er der Sache nach und fand, daß es gar nicht ratsam sei, den griechischen Feldzug zu unternehmen. Mit diesen Gedanken schlief er ein und hatte, wie die Perser erzählen, folgenden Traum: Es deuchte den Xerxes, als wenn ein großer und ansehnlicher Mann bei ihm stünde und zu ihm spräche: Änderst du, o Perser, nunmehr den Entschluß, Griechenland mit Krieg zu überziehen, da du schon den Persern anbefohlen hast, Völker zusammenzubringen? Du tust nicht wohl, wenn du deine Meinung änderst, und du hast auch niemand, der dir Beifall gäbe; fahre also fort, den Weg zu gehen, den du gestern am Tage zu gehen beschlossen hast. Darauf schien es dem Xerxes, als wenn das Gesicht verschwände.
Wie es Tag wurde, achtete er diesen Traum nicht, sondern berief ebendiejenigen Perser wieder zusammen, die den vorigen Tag dagewesen waren, und sprach: Verzeiht mir, ihr Perser, daß ich in meinen Entschließungen veränderlich bin. Ich habe noch nicht die höchste Stufe meiner Klugheit erreicht, und die, die mir jenes raten, kommen niemals von mir. Da ich nun des Artabanus Meinung hörte, entbrannte die jugendliche Hitze auf einmal, daß ich gegen einen alten Mann solche Worte herausstieß, die der Ehrerbietung zuwider sind. Nunmehr, da ich meinen Fehler erkenne, will ich seine Meinung annehmen. Weil ich also entschlossen bin, den griechischen Krieg zu unternehmen, so könnt ihr ruhig sein. Wie die Perser dieses hörten, freuten sie sich sehr und fielen vor ihm nieder.
Als es aber Nacht war, erschien dem Xerxes ebendie Gestalt wieder im Traum und sprach zu ihm: O Sohn des Darius, du hast nunmehr doch den Persern den Krieg wieder abgekündigt und meine Worte für nichts geachtet, als wenn du sie gar nicht gehört hättest. Wisse also, daß, wenn du nicht sogleich zu Felde ziehst, du zu erwarten hast, daß du, eben wie du in kurzer Zeit groß und mächtig geworden, auch sehr geschwinde wirst erniedrigt werden.
Xerxes, der durch diesen Traum erschreckt wurde, sprang sogleich auf und ließ den Artabanus holen. Sobald er ankam, sprach Xerxes: Artabanus, ich habe unsinnig gehandelt, da ich gegen dich, als du mir einen so guten Rat erteiltest, so törichte Reden ausstieß. Nicht lange darauf bereuete ich's und sah wohl ein, daß ich dasjenige tun müsse, was du mir rietest. Aber es steht nicht in meiner Gewalt, das zu tun, was ich will. Denn da ich schon meinen ersten Entschluß geändert und bereut hatte, kam ein Gesicht und erschien mir im Traum, welches mir widerriet, dem letzten Vorsatze zu folgen, und jetzt geht es wiederum gar mit Drohungen von mir. Wenn es Gott ist, der mir diesen Traum schickt, und es sein gänzlicher Wille ist, daß ich Griechenland bekriegen soll, so wirst du ebendiesen Traum haben und so wird dir ebendas anbefohlen werden, was mir anbefohlen ist. Ich glaube, dies wird geschehen, wenn du allen meinen Schmuck nimmst, ihn anziehst, dich darauf auf meinen Thron setzt und alsdann in meinem Bette schläfst.
Als Xerxes ausgeredet hatte, wollte Artabanus anfänglich nicht gehorchen, weil er sich für unwürdig hielt, auf dem königlichen Thron zu sitzen; wie er aber zuletzt gezwungen wurde, tat er, was ihm befohlen war, sprach aber zuvor: Ich halte das für gleich, o König, wenn man selbst einen guten Entschluß faßt, und wenn man dem, der eine gute Meinung vorträgt, beizufallen bereit ist. Du hast diese beiden Eigenschaften, aber der Umgang mit bösen Leuten verdirbt sie; so wie man sagt, daß dem Meere, welches unter allen Dingen dem Menschen am nützlichsten ist, von den Stürmen der Winde, die daraus stoßen, nicht erlaubt werde, seiner eigenen Natur zu folgen. Mich hat zwar nicht sowohl dieses gekränkt, daß du mir so hart begegnetest, als vielmehr, daß du unter zwei Meinungen, welche von den Persern vorgetragen wurden, wovon die eine dem Stolze schmeichelte, die andere aber denselben unterdrückte und behauptete, es sei übel gehandelt, wenn man sich in den Kopf setzte, allzeit nach mehr zu streben, als man habe, daß du, sage ich, unter diesen beiden Meinungen diejenige erwähltest, die dir und den Persern am nachteiligsten ist. Nun sagst du, es sei dir, da du schon wegen des griechischen Krieges dich eines Besseren besonnen, auf Befehl eines Gottes ein Gesicht im Traume erschienen, welches dir verboten, die Armee auseinandergehen zu lassen. Aber dies kommt nicht von Gott, mein Sohn! Mit den Träumen, die bei den Menschen herumschwärmen, ist's so beschaffen, wie ich dir jetzt sagen will, der ich viele Jahre älter bin als du. Sie pflegen gemeiniglich dasjenige wieder vorzustellen, was man des Tages über denkt. Nun haben wir ja diese Tage her über den Feldzug eifrige Beratschlagung angestellt. Wenn dem nicht also ist, wie ich sage, und etwas Göttliches hierbei ist, so ist das wahr, was du überhaupt gesagt hast; denn es wird mir ebenfalls erscheinen und mir ebendas befehlen, was es dir befohlen hat. Aber das trägt im geringsten nicht dazu bei, daß es mir eher erscheinen müsse, ob ich deine oder meine Kleider anhabe, oder ob ich in deinem oder in meinem Bette schlafe, wenn es sonst erscheinen will. Denn solche Dummheit wird doch dasjenige nicht besitzen, was dir im Schlafe erscheint, es mag nun sein, was es will, daß es mich für dich ansehen und dich also bloß an den Kleidern kennen sollte. Wenn es aber auf mich nicht achtet, so wird es auch mich nicht würdigen, mir zu erscheinen und zu mir zu kommen, ich mag nun deine oder meine Kleidung anhaben. Hierauf ist jetzt zu merken. Denn wenn es öfter kommen sollte, so würde ich selbst sagen, es sei von Gott. Wenn dir nun dieses beliebt und du deine Meinung hierin nicht ändern willst, so will ich mich jetzt in deinem Bette schlafen legen. Wohlan, da ich dieses tue, mag es auch mir erscheinen; alsdann will ich der vorgetragenen Meinung Beifall geben.
Darauf tat Artabanus, was ihm befohlen war, in der Meinung, den Xerxes zu überführen, daß sein Vorgeben unbegründet sei. Nachdem er die Kleidung des Xerxes angezogen und auf seinem Throne gesessen, legte er sich schlafen. Wie er eingeschlafen war, sah er ebendas Traumbild, welches dem Xerxes erschienen war. Dieses trat über ihn und sprach: Bist du derjenige, der dem Xerxes widerrät, den griechischen Krieg zu unternehmen, als ob du sein Vormund wärst? Aber es wird dir weder künftig noch jetzt so ungestraft hingehen, daß du dasjenige widerrätst, was nach dem Schicksal unüberwindlich ist. Was aber dem Xerxes widerfahren soll, wenn er nicht gehorcht, das ist ihm schon angezeigt.
Als Artabanus diese Drohungen des Gesichtes hörte, kam es ihm vor, als wenn es ihm die Augen mit glühenden Eisen ausbrennen wollte, weswegen er entsetzlich schrie und aufsprang. Er ging alsobald zu dem Xerxes, erzählte ihm das Gesicht, das er im Traume gehabt, und setzte darauf hinzu: Da ich, o König, ein Mensch bin, der gesehen, wievielmal das Große und Mächtige von einer kleineren Macht überwältigt worden ist, so wollte ich nicht zugeben, daß du in allem zu sehr nach dem Triebe deines Alters handeltest, weil ich wohl wußte, daß es nicht gut sei, immer mehr zu verlangen; ich erinnerte mich, wie der Krieg des Cyrus gegen die Massageten und wie der Krieg des Kambyses gegen die Äthiopier abgelaufen; ich bin auch selbst mit in dem Feldzuge des Darius gegen die Skythen gewesen. Da ich dieses alles wußte, war ich der Meinung, du wärst der glücklichste unter allen Menschen, wenn du ruhig bliebst. Da aber ein göttlicher Antrieb da ist und den Griechen, wie es scheint, ein von Gott verhängtes Unglück bereitet ist, so trete ich selbst zurück und ändere meine Meinung. Mache du nun den Persern die Gesichte, die wir von Gott bekommen haben, kund und befiehl ihnen, die Befehle zu vollziehen, welche du ihnen anfangs wegen der Zurüstung der Armee erteilt hast. Handle übrigens so, daß du, da du alles auf Zulassen Gottes tust, es auf deiner Seite an nichts mangeln läßt. Wie er dieses gesagt, waren ihre Gedanken noch immer auf das Gesicht gerichtet; und sobald es Tag wurde, meldete Xerxes den Persern alles dieses, und Artabanus, der vorhin der einzige gewesen war, der abgeraten hatte, bezeigte jetzt öffentlich, daß er dazu anrate.
Nachdem Xerxes schon im Begriffe war, in den Krieg zu ziehen, sah er noch zum dritten Male ein Gesicht im Traume, welches von den Magiern, sobald sie es hörten, so ausgelegt wurde, als gehe es die ganze Welt an und bedeute, daß ihm alle Menschen untertänig sein würden. Das Gesicht war folgendes: Es träumte dem Xerxes, er würde mit einem Ölzweige gekrönt, dessen Zacken sich über die ganze Erde ausbreiteten; und darauf kam es ihm vor, als wenn der Kranz um das Haupt verschwinde. Nachdem die Magier den Traum ausgelegt hatten, ging ein jeder nach seiner Statthalterschaft zurück und bestrebte sich mit allem Eifer, die gegebenen Befehle zu vollziehen, indem ein jeder die versprochenen Geschenke zu erhalten suchte.