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Es war aber Tomyris nach dem Tode ihres Mannes Königin der Massageten. An diese schickte Cyrus und ließ vorgeben, als wenn er sie zu seiner Gemahlin verlangte. Allein weil Tomyris wohl sah, daß er sich nicht um sie, sondern um das Reich bewürbe, versagte sie ihm den Zutritt. Wie nun dem Cyrus die List nicht gelungen war, zog er nach dem Araxes zu und machte aus dem Kriege gegen die Massageten kein Geheimnis, indem er zum Übergange der Armee Brücken über den Fluß schlug und auf die Schiffe, welche über den Fluß gingen, Türme baute.
Als er mit dieser Arbeit beschäftigt war, schickte Tomyris einen Herold an ihn, welcher ihn in ihrem Namen so anredete: Du König der Meder, laß von den angefangenen Unternehmungen ab! Denn du weißt nicht, ob dieselben gut ablaufen werden. Laß davon ab! Bleib' in den Grenzen deiner Herrschaft und laß uns in unsrer Herrschaft regieren. Willst du diesen Erinnerungen nicht Gehör geben und kannst du nichts weniger als die Ruhe leiden? Nun, wenn du ein so großes Verlangen hast, mit den Massageten eins zu wagen, wohlan, so überhebe dich der Mühe, die Brücken über den Fluß zu befestigen. Wir wollen uns drei Tagreisen zurückziehen, so kannst du in unser Land herübergehen. Willst du uns aber lieber in deinem Lande empfangen, so tue desgleichen. Als Cyrus dieses gehört hatte, rief er die vornehmsten Perser zusammen und trug ihnen zur Überlegung vor, welches von beiden er tun sollte. Die Meinungen fielen alle dahin aus, die Tomyris und ihre Armee in seinem Lande zu erwarten.
Krösus aber, der Lydier, welcher zugegen war, verwarf diese Meinung und behauptete das Gegenteil mit diesen Worten: O König, ich sagte dir schon damals, als mich Jupiter in deine Hände gab, daß ich allen Schaden, welchen ich wahrnähme, von deinem Hause und dir selbst nach Vermögen abwenden wollte. Was ich von Widerwärtigkeiten mit Verdruß erlitten habe, das hat mir zur Lehre gedient. Glaubst du unsterblich zu sein und das Kriegsglück in deiner Gewalt zu haben, so ist es unnötig, dir meine Gedanken zu entdecken. Erkennst du aber, daß du ein Mensch bist und über andre deinesgleichen herrschst, so lerne zuerst, daß menschliche Dinge in einem Kreise herumgehen, der sich immer dreht und einerlei Personen nicht beständig glückselig sein läßt. Jetzt habe ich also eine andere Meinung von der vorhabenden Sache als diese Versammlung. Denn wenn wir die Feinde in unser Land wollen kommen lassen, so ist die Gefahr für dich damit verknüpft, daß du nach einer Niederlage das ganze Reich dazu verlierst. Siegen die Massageten, so fliehen sie gewiß nicht zurück, sondern dringen in deine Herrschaft ein. Siegst du, so ist der Sieg nicht so groß, als wenn du sie in ihrem eignen Lande überwindest und den Flüchtigen nachsetzst. Denn nun will ich das Gegenteil von dem vorigen setzen, nämlich dieses: wenn du die Feinde besiegst, so dringst du gerade in das Reich der Tomyris ein. Außerdem aber ist es schändlich und unerträglich, daß Cyrus, der Sohn des Kambyses, einem Weibe weichen und vor ihrem Angriffe zurückziehen soll. Ich rate also, über den Fluß zu gehen und so weit fortzurücken, als jene vor uns ausweichen, hernach aber die Sache so anzufangen, daß wir Meister über sie werden. Soviel ich Nachrichten habe, sind den Massageten die guten Speisen und Getränke der Perser unbekannt, und sie wissen nichts von herrlichen Geräten. Man schlachte also Vieh in großer Menge, richte dasselbe zum Essen zu und bereite für diese Leute in unserm Lager eine Mahlzeit; man lasse sie dabei Wein in Überfluß und allerlei Speisen finden. Hierauf laß das schlechteste Volk von der Armee zurück und geh mit den andern wieder zurück an den Fluß. Denn wenn ich in meiner Meinung nicht fehle, so werden die Feinde bei Erblickung so vieler köstlicher Dinge sich dieselben gefallen und wohlschmecken lassen; alsdann bekommen wir Gelegenheit, etwas Großes auszuführen.
Diese Vorschläge wurden getan. Cyrus aber ließ den ersteren fahren und gab dem Rate des Krösus Beifall; daher ließ er der Tomyris andeuten, sich zurückzuziehen, weil er zu ihr hinüberkommen wollte. Sie zog sich auch, ihrem Versprechen gemäß, zurück. Cyrus übergab den Krösus in die Hände des Kambyses, seines Sohnes, welchem er das Reich anvertraute, und befahl ihm nachdrücklich an, demselben Ehre und Güte zu erweisen, wenn der Zug gegen die Massageten nicht glücklich ablaufen sollte. Nachdem er ihm diese Anweisung gegeben und sie nach Persien zurückgeschickt hatte, ging er mit dem Kriegsheere über den Fluß.
In der Nacht nach seinem Übergange über den Araxes hatte er in dem Lande der Massageten im Schlafe folgendes Gesicht: er sah im Traume den ältesten unter den Söhnen des Hystaspes, welcher Flügel auf den Schultern hatte, wovon der eine Asien, der andre Europa beschattete. Unter den Söhnen des Hystaspes, des Sohnes Arsames', war Darius der älteste und damals höchstens zwanzig Jahre alt. Weil er noch nicht das Alter erreicht hatte, in welchem man Kriegsdienste tun mußte, war er in Persien zurückgelassen. Als Cyrus erwachte, überlegte er bei sich selbst das Gesicht. Wie ihm nun dasselbe gar wichtig zu sein schien, ließ er den Hystaspes zu sich kommen, nahm ihn allein und sagte zu ihm: Hystaspes, es ist gewiß, daß dein Sohn mir und dem Reiche nachstelle, ich will dir anzeigen, woher ich dieses gewiß weiß. Die Götter tragen Sorge für mich und zeigen mir alles vorher, was mir begegnen wird. In der verwichenen Macht sah ich im Schlafe deinen ältesten Sohn mit Flügeln auf den Schultern, so daß er mit dem einen Asien, mit dem andern Europa beschattete. Es ist nach diesem Gesichte gar kein Zweifel, daß er nicht böse Anschläge wider mich haben sollte. Gehe du also auf das geschwindeste nach Persien zurück und mache, daß du mir deinen Sohn, wenn ich wiederum daselbst werde angelangt sein, zur Verantwortung stellen kannst.
So sprach Cyrus, in der Meinung, daß Darius Anschläge wider ihn gefaßt hätte. Der Schutzgeist aber offenbarte ihm, daß er daselbst sein Leben beschließen und das Reich auf den Darius fallen würde. Hystaspes gab ihm diese Antwort: O König, sollte wohl ein Perser gefunden werden, welcher dir nachstellen wollte? Ist aber einer, der werde unverzüglich vertilgt. Du hast ja die Perser aus Knechten zu freien Leuten gemacht; und da wir früher beherrscht wurden, herrschen wir nun durch dich über alle anderen. Wenn dir aber ein Gesicht andeutet, daß mein Sohn eine Empörung gegen dich vorhabe, so übergebe ich dir denselben, nach deinem Gefallen mit ihm zu handeln. Nach dieser Antwort ging Hystaspes über den Araxes zurück nach Persien, seinen Sohn Darius den Cyrus im Gehorsam zu erhalten.
Cyrus rückte von dem Araxes eine Tagreise fort und folgte den Anschlägen des Krösus. Als nachher Cyrus und die Perser mit dem besten Teile der Armee an den Araxes zurückgegangen und das untaugliche Volk zurückgelassen hatten, kam der dritte Teil der massagetischen Armee und machte die Zurückgebliebenen von dem Volke des Cyrus, welche Widerstand taten, nieder; und da sie die zubereitete Mahlzeit sahen, setzten sie sich nieder und schmausten, eben als wenn sie die Feinde schon völlig überwältigt hätten. Nachdem sie sich mit Speise und Trank beladen hatten, legten sie sich nieder und schliefen. Die Perser aber überfielen sie, machten viele nieder, viele nahmen sie gefangen und unter anderen auch den Sohn der Königin Tomyris, welcher die Armee der Massageten anführte und Spargapises hieß.
Als die Königin von dem Unglücke der Armee und ihres Sohnes Nachricht bekam, schickte sie einen Herold an den Cyrus und ließ ihm sagen: O Cyrus, dessen Blutdurst unersättlich ist, erhebe dich deswegen nicht, daß du durch die Frucht des Weinstockes, von dem ihr bei dessen übermäßigem Gebrauche so rast, daß euer Mund, wenn der Wein in den Leib gegangen, von bösen Worten überfließt, daß du durch dieses Gift listigerweise, nicht aber in einem Treffen durch Tapferkeit meinen Sohn überwunden hast. Da ich dir demnach noch jetzt einen guten Rat erteile, so nimm meine Vorstellung an. Gib mir meinen Sohn zurück und verlaß das Land, ohne meine Rache zu erwarten, daß du mit dem dritten Teile der massagetischen Armee so übel umgegangen bist. Wirst du dieses nicht tun, so schwöre ich dir bei der Sonne, dem Herrn der Massageten, daß ich deinen unersättlichen Blutdurst doch löschen will.
Cyrus kehrte sich an diese Worte nicht. Als aber Spargapises, der Sohn der Königin Tomyris, vom Weine nüchtern wurde und sah, in was für ein Unglück er geraten sei, bat er den Cyrus, ihm die Fesseln abzunehmen; sobald er von denselben los war und die Hände frei hatte, nahm er sich selbst das Leben. Das war sein Ende.
Weil nun Cyrus den Vorstellungen der Tomyris kein Gehör gab, versammelte die Tomyris ihre ganze Macht und lieferte dem Cyrus ein Treffen. Ich glaube, dieses Treffen ist das schwerste unter allen gewesen, so die Asiaten gehalten haben, und ich habe davon diese Nachricht: Zuerst, sagt man, schossen sie von weitem mit Pfeilen aufeinander. Nachdem sie sich aber verschossen hatten, gingen sie mit den Spießen und Säbeln aufeinander los. Sie standen lange Zeit fechtend gegeneinander, und keine Partei wollte weichen. Endlich aber bekamen die Massageten die Oberhand, und ein großer Teil der persischen Armee ging verloren; ja Cyrus selbst büßte sein Leben ein, nachdem er neunundzwanzig Jahre regiert hatte. Die Königin suchte unter den erschlagenen Persern den Leichnam des Cyrus, und als sie ihn fand, steckte sie den Kopf desselben in einen Schlauch, den sie mit Menschenblut angefüllt hatte; sie ließ also ihren Grimm gegen den Toten aus und sagte dazu: Da ich noch lebe und im Treffen siege, ist es aus mit dir. Du hast meinen Sohn mit List gefangen; ich aber will dich nach meiner Drohung mit Blut sättigen. Unter den vielen Erzählungen von dem Lebensende des Cyrus habe ich diese als die glaubwürdigste vorgetragen.