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Ich komme wieder aufs Meer zurück und in seinen Grund. Ist da nicht solch eine Kette von Geschöpfen, wie auf der Erde? Und wo die Seemenschen? Tritonen und Syrenen sind Erdichtungen, aber daß es nicht wenigstens Meeraffen gebe, glaube ich sehr wohl. Maupertuis Leiter wird nicht voll, bis das Meer entdeckt ist. Natürlich können sie so wenig schwimmen, wie wir fliegen. Der Fisch fühlt wenig: sein Kopf, seine Schuppen – sind, was dem Vogel Federn und sein Kopf, jedes in sein Element. Da singt der Luftvogel und dazu sein Kopf: der Fisch, was thut er? was hat er für neue Waßersinne, die wir Luft-Erdengeschöpfe nicht fühlen? Sind sie nicht Analogisch zu entdecken? Wenn ein Mensch je die Magnetische Kraft inne würde, so wäre es ein Blinder, der nur hören und fühlen, oder gar ein Blinder, Tauber, Geruch- und Geschmackloser, der nur fühlen könnte: was hat ein Fisch für Sinne? in der Dämmerung des Waßers siehet er: in der schweren Luft höret er: in ihrer dicken Schale fühlt die Auster – welch ein Gefühl, daß solche starke Haut nöthig war, sie zu decken, daß Schuppen nöthig waren, sie zu überkleiden? aber ein Gefühl welcher Dinge! vermuthlich ganz andrer, als Irrdischer.
Wie sich Welle in Welle bricht: so fließen die Luftundulationen und Schälle in einander. Die Sinnlichkeit der Waßerwelt verhält sich also wie das Waßer zur Luft in Hören und Sehen! Ei wie Geruch, Geschmack und Gefühl? – Wie die Welle das Schiff umschließt: so die Luft den sich bewegenden Erdball: dieser hat zum eignen Schwunge seine Form, wie das unvollkomme Schiff zum Winde! jener wälzt sich durch, durch eigne Kraft: dieser durchschneidet das Waßer durch Kraft des Windes! Der Elektrische Funke, der das Schiff umfließt, was ist er bei einer ganzen Welt? Nordlicht? Magnetische Kraft? – Die Fische lieben sich, daß sie sich, wo kaum eine dünnere Schuppe ist, an einander reiben, und das gibt, welche Millionen Eier! Der unempfindliche Krebs und der Mensch, welche Einwürkung und Zubereitung haben sie nicht nöthig! – Kennet der Fisch Gattin? sind die Gesetze der Ehe anders, als untergeordnete Gesetze der Fortpflanzung des Universum?
Das Schiff ist das Urbild einer sehr besondern und strengen Regierungsform. Da es ein kleiner Staat ist, der überall Feinde um sich siehet, Himmel, Ungewitter, Wind, See, Strom, Klippe, Nacht, andre Schiffe, Ufer, so gehört ein Gouvernement dazu, das dem Despotismus der ersten feindlichen Zeiten nahe kommt. Hier ist ein Monarch und sein erster Minister, der Steuermann: alles hinter ihm hat seine angewiesenen Stellen und Ämter, deren Vernachläßigung und Empörung insonderheit so scharf bestraft wird. Daß Rußland noch keine gute Seeflotte hat: hängt also von zwei Ursachen ab. Zuerst, daß auf ihren Schiffen keine Subordination ist, die doch hier die strengste seyn sollte: sonst geht das ganze Schiff verlohren. Anekdoten im Leben Peters zeigen, daß er sich selbst dieser Ordnung unterwerfen, und mit dem Degen in der Hand in die Cajute habe hineinstossen lassen müssen, weil er unrecht commandirte. Zweitens, daß nicht jedes seinen bestimmten Platz hat, sondern Alles zu Allem gebraucht wird. Der alte abgelebte Soldat wird Matrose, der nichts mehr zu lernen Lust und Kraft [hat], und dünkt sich bald, wenn er kaum ein Segel hinanklettern kann, Seemann. In den alten Zeiten wäre dies thunlich gewesen, da die Seefart als Kunst nichts war, da die Schiffe eine Anzahl Ruder und Hände und Menschen und Soldaten und weiter nichts enthielten. Jetzt aber, gibts keine zusammengesetztere Kunst, als die Schiffskunst. Da hängt von einem Versehen, von einer Unwißenheit alles ab. Von Jugend auf müßte also der Ruße so zur See gewöhnt [werden], und unter andern Nationen erst lernen, ehe er ausübt. Aber sagt mein Freund, das ist ihr Grundfehler in Allem. Leichter nachzuahmen, zu arripiren ist keine Nation, als sie; alsdenn aber, da sie alles zu wissen glaubt, forscht sie nie weiter und bleibt also immer und in allem stümperhaft. So ists; auf Reisen welche Nation nachahmender? in den Sitten und der Französischen Sprache, welche leichter? in allen Handwerken, Fabriken, Künsten; aber alles nur bis auf einen gewissen Grad. Ich sehe, in dieser Nachahmungsbegierde, in dieser kindischen Neuerungssucht nichts als gute Anlage einer Nation, die sich bildet, und auf dem rechten Wege bildet: die überall lernt, nachahmt, sammlet: laß sie sammlen, lernen, unvollkommen bleiben; nur komme auch eine Zeit, ein Monarch, ein Jahrhundert, das sie zur Vollkommenheit führe. Welche grosse Arbeit des Geistes ists hier, für einen Politiker, darüber zu denken, wie die Kräfte einer Jugendlichen halbwilden Nation können gereift und zu einem Originalvolk gemacht werden – – Peter der grosse bleibt immer Schöpfer, der die Morgenröthe und einen möglichen Tag schuff; der Mittag bleibt noch aufgehoben und das grosse Werk »Kultur einer Nation zur Vollkommenheit!«
Die Schiffsleute sind immer ein Volk, das am Aberglauben und Wunderbaren für andern hängt. Da sie genöthigt sind, auf Wind und Wetter, auf kleine Zeichen und Vorboten Acht zu geben, da ihr Schicksal von Phänomenen in der Höhe abhängt: so gibt dies schon Anlaß gnug auf Zeichen und Vorboten zu merken, und also eine Art von ehrerbietigen Anstaunung und Zeichenforschung. Da nun diese Sachen äußerst wichtig sind; da Tod und Leben davon abhängt: welcher Mensch wird im Sturm einer fürchterlich dunkeln Nacht, im Ungewitter, an Ortern, wo überall der blasse Tod wohnt, nicht beten? Wo Menschliche Hülfe aufhört, setzt der Mensch immer, sich selbst wenigstens zum Trost Göttliche Hülfe, und der unwissende Mensch zumal, der von zehn Phänomenen der Natur nur das zehnte als natürlich einsiehet, den alsdenn das Zufällige, das Plötzliche, das Erstaunende, das Unvermeidliche schrecket? O der glaubt und betet; wenn er auch sonst, wie der meinige, ein grober Ruchloser wäre. Er wird in Absicht auf Seedinge fromme Formeln im Munde haben, und nicht fragen: wie war Jonas im Wallfisch? denn nichts ist dem grossen Gott unmöglich: wenn er auch sonst sich ganz völlig eine Religion glaubt machen zu können, und die Bibel für nichts hält. Die ganze Schiffsprache, das Aufwecken, Stundenabsagen, ist daher in frommen Ausdrücken, und so feierlich, als ein Gesang, aus dem Bauche des Schiffs. – – In allem liegen Data, die erste Mythologische Zeit zu erklären. Da man unkundig der Natur auf Zeichen horchte, und horchen mußte: da war für Schiffer, die nach Griechenland kamen und die See nicht kannten, der Flug eines Vogels eine feierliche Sache, wie ers auch würklich im grossen Expansum der Luft und auf der wüsten See ist. Da ward der Blitzstral Jupiters fürchterlich, wie ers auch auf der See ist: Zevs rollete durch den Himmel, und schärfte Blitze, um sündige Haine, oder Gewäßer zu schlagen. Mit welcher Ehrfurcht betete man da nicht den stillen silbernen Mond an, der so groß und allein da steht und so mächtig würkt, auf Luft, Meer und Zeiten. Mit welcher Begierde horchte man da auf gewisse Hülfsbringende Sterne, auf einen Kastor und Pollux, Venus u. s. w. wie der Schiffer in einer neblichten Nacht. Auf mich selbst, der ich alle diese Sachen kannte, und von Jugend auf unter ganz andern Anzeigungen gesehn hatte, machte der Flug eines Vogels, und der Blitzstral des Gewässers, und der stille Mond des Abends andre Eindrücke, als sie zu Lande gemacht hatten, und nun auf einen Seefahrer, der unkundig der See, vielleicht als ein Vertriebner seines Vaterlandes, als ein Jüngling, der seinen Vater erschlagen, ein fremdes Land suchte. Wie kniete der für Donner und Blitz und Adler? wie natürlich dem, in der obern Luftsphäre den Sitz Jupiters zu sehen? wie tröstlich dem, mit seinem Gebete diese Dinge lenken zu können! Wie natürlich dem, die Sonne, die sich ins Meer taucht, mit den Farben des fahrenden Phöbus, und die Aurora mit aller ihrer Schönheit zu mahlen? Es gibt tausend neue und natürlichere Erklärungen der Mythologie, oder vielmehr tausend innigere Empfindungen ihrer ältesten Poeten, wenn man einen Orpheus, Homer, Pindar, insonderheit den ersten zu Schiffe lieset. Seefahrer warens, die den Griechen ihre erste Religion brachten: ganz Griechenland war an der See Kolonie: es konnte also nicht eine Mythologie haben, wie Aegypter und Araber hinter ihren Sandwüsten, sondern eine Religion der Fremde, des Meeres und der Haine: sie muß also auch zur See gelesen werden. Und da wir ein solches Buch noch durchaus nicht haben, was hätte ich gegeben, um einen Orpheus und eine Odyßee zu Schiff lesen zu können. Wenn ich sie lese, will ich mich dahin zurücksetzen: so auch Damm, und Banier und Spanheim lesen und verbeßern und auf der See meinen Orpheus, Homer und Pindar fühlen. Wie weit ihre Einbildungskraft dabei gegangen ist, zeigen die Delphinen. Was schönes und Menschenfreundliches in ihrem Blicke ist nicht; allein ihr Spielen um das Schiff, ihr Jagen bei stillem Wetter, ihr Aufprallen und Untersinken, das gab zu Fabeln derselben Gelegenheit. Ein Delphin hat ihn entführt, ist eben so viel, als Aurora hat ihn weggeraubt: zwei Umstände kommen zusammen und sie müssen also die Folge seyn von einander. So ist Virgils verwandelter Mast, die Nymphen, Syrenen, Tritonen u. s. w. gleichsam von der See aus, leicht zu erklären, und wird gleichsam anschaulich. Das Fürchterliche der Nacht und des Nebels u. s. w. Doch ich habe eine beßere Anmerkung, die mehr auf das Wunderbare, Dichterische ihrer Erzählungen führet.
Mit welcher Andacht lassen sich auf dem Schiff Geschichte hören und erzälen? und ein Seemann wie sehr wird der zum Abentheurlichen derselben disponirt? Er selbst, der gleichsam ein halber Abentheurer andre fremde Welten sucht, was sieht er nicht für Abentheuerlichkeiten bei einem ersten stutzigen Anblick? Habe ich dasselbe nicht selbst bei jedem neuen Eintritt in Land, Zeit, Ufer u. s. w. erfahren? wie oft habe ich mir gesagt: ist das das, was du zuerst da sahest? Und so macht schon der erste staunende Anblick Gigantische Erzählungen, Argonautika, Odyßeen, Lucianische Reisebeschreibungen u. s. w. Das ist das Frappante der ersten Dämmerungsgesichte; was siehet man in ihnen nicht? Ein Schiffer ist auf solche erste Wahrzeichen recht begierig: nach seiner langen Reise, wie wünscht er nicht Land zu sehen? und ein neues fremdes Land, was denkt er sich da nicht für Wahrzeichen? Mit welchem Staunen ging ich nicht zu Schiff? sahe ich nicht zum erstenmal alles wunderbarer, grösser, staunender, furchtbarer, als nachher, da mir alles bekannt war, da ich das Schiff durchspatzierte? Mit welcher Neuerungssucht geht man gegen Land? Wie betrachtet man den ersten Piloten mit seinen hölzernen Schuhen und seinem grossen weißen Hut? Man glaubt <in ihm> die ganze Französische Nation bis auf ihren König Ludwich den Grossen in ihm zu sehen? Wie begierig ist man aufs erste Gesicht, auf die ersten Gesichter; sollten es auch nur alte Weiber seyn; sie sind jetzt nichts als fremde Seltenheiten, Französinnen. Wie bildet man sich zuerst Begriffe, nach Einem Hause, nach wenigen Personen, und wie langsam kommt man dahin zu sagen[:] ich kenne ein Land? Nun nehme man diese Begierde, Wunder zu sehen, diese Gewohnheit des Auges zuerst Wunder zu finden, zusammen: wo werden wahre Erzählungen? wie wird alles Poetisch? Ohne daß man lügen kann und will, wird Herodot ein Dichter: wie neu ist er, und Orpheus und Homer und Pindar und die Tragischen Dichter in diesem Betracht zu lesen! –
Ich gehe weiter. Ein Schiffer, lange an solches Abentheuerliche gewohnt, glaubts, erzählts weiter: es wird von Schiffern und Kindern und Narren mit Begierde gehört, forterzählt – und nun? was gibts da nicht für Geschichten, die man jetzt von Ost und Westindien, mit halbverstümmelten Namen, und Alles unter dem Schein des Wunderbaren höret. Von grossen Seehelden und Seeräubern, deren Kopf nach dem Tode so weit fortgelaufen, und endlich gibt das eine Denkart, die alle Erzälungen vom Ritter mit dem Schwan, von Joh. Mandevill u. s. w. glaubt, erzählt, möglich findet, und selbst wenn man sie unmöglich findet, noch erzählt, noch glaubt, warum? man hat sie in der Jugend gelesen: da paßten sie sich mit allen abentheuerlichen Erwartungen, die man sich machte: sie weckten also die Seele eines künftigen Seemannes auf, bildeten sie zu ihren Träumen, und bleiben unverweslich. Eine spätere Vernunft, der Anschein eines Augenblicks kann nicht Träume der Kindheit, den Glauben eines ganzen Lebens zerstören: jede etwas ähnliche Erzählung, die man als wahr gehört (obgleich von Unwißenden, von halben Abentheurern) hat sie bestätigt: jedes Abentheuer, das wir selbst erfahren, bestätigt – wer will sie wiederlegen? Wie schwer ists, zu zeigen, daß es kein Paradies mit feurigen Drachen bewahrt, keine Hölle Mandevils, keinen Babylon. Thurm, gebe? Daß der Kaiser von Siam in seinem Golde das nicht sei, was er in solcher Dichtung vorstelle? Daß die weissen Schwanen und der Ritter mit ihnen Poßen sind? Es ist schwer zu glauben sagt man höchstens, und erzählte fort oder streitet dafür mehr als für die Bibel. Ist aber ein solcher Leichtgläubiger deßwegen in jeder Absicht ein Thor, ein dummes Vieh? o wahrhaftig nicht. Solche Träume und geglaubte Poßen seines Standes, seiner Erziehung, seiner Bildung, seiner Denkart ausgenommen, und er kann ein sehr vernünftiger, thätiger, tüchtiger, kluger Kerl seyn.
Hieraus wird erstlich eine Philosophische Theorie möglich, die den Glauben an eine Mythologie und an Fabeln der Erzälung erklärt. Unter Juden und Arabern und Griechen und Römern ist diese verändert: im Grunde aber, in den Vorurtheilen der Kindheit, in der Gewohnheit zuerst Fabel zu sehen, in der Begierde sie zu hören, wenn unsre eigne Begebenheiten uns dazu auflegen, in der Leichtigkeit, sie zu fassen, in der Gewohnheit sie oft zu erzählen, und erzählt zu haben, und geglaubt zu seyn, und doch manches damit erklären zu können, sollte es auch nur seyn, daß Gott nichts unmöglich sey oder andre fromme Moralen – das sind die Stützen, die sie unterhalten, und die sehr verdienen, erklärt zu werden. Hier bietet sich eine Menge Phänomena aus der Menschlichen Seele; dem ersten Bilde der Einbildungskraft, aus den Träumen, die wir in der Kindheit lange still bei uns tragen; aus dem Eindruck jedes Schalles, der diesen sausenden Ton, der in dunkeln Ideen fortdämmert, begünstigt und verstärkt; aus der Neigung, gern Sänger des Wunderbaren seyn zu wollen; aus der Verstärkung, die jeder fremde Glaube zu dem unsrigen hinzuthut; aus der Leichtigkeit, wie wir aus der Jugend unvergeßliche Dinge erzälen – – tausend Phänomena, deren jedes aus der Fabel der ersten Welt ein angenehmes Beispiel fände, und viel subjektiv in der Seele, objektiv in der alten Poesie, Geschichte, Fabel erklärte. Das wäre eine Theorie der Fabel, eine Philosophische Geschichte wachender Träume, eine Genetische Erklärung des Wunderbaren und Abentheuerlichen aus der Menschlichen Natur, eine Logik für das Dichtungsvermögen: und über alle Zeiten, Völker und Gattungen der Fabel, von Chinesern zu Juden, Juden zu Egyptern, Griechen, Normännern geführt – wie groß, wie nützlich! Was Don Quichotte verspottet, würde das erklären, und Cervantes wäre dazu ein grosser Autor.
Zweitens siehet man hieraus, wie eine relative Sache die Wahrscheinlichkeit oder Unwahrscheinlichkeit sei. Sie richtet sich nach ersten Eindrücken: nach ihrer Masse, Gestalt und Vielheit. Sie richtet sich nach der Langwierigkeit und Öfterheit ihrer Bestätigungen: nach einer Anzahl von Concurrenzen, die ihr die Hand zu bieten schienen: nach Zeiten, Sachen, Menschen. Ein Volk hat sie in dieser Sache anders in andrer Gestalt, und Graden, als ein anders. Wir lachen die Griechische Mythologie aus, und jeder macht sich vielleicht die seinige. Der Pöbel hat sie in tausend Sachen: ist seine Unwahrscheinlichkeit dieselbe, als des zweifelnden Philosophen, des untersuchenden Naturkundigen? Klopstocks dieselbe als Hume, oder Moses in eben der Sphäre? Jeder Erfinder von Hypothesen welche eigne Art Unwahrscheinlichkeiten zu messen: Hermann v. der Hardt? Harduin? Leibniz, und Plato, die beiden grösten Köpfe zu Hypothesen in der Welt: Deskartes, wie zweifelnd, wie mißtrauisch und welche Hypothesen? Es gibt also eine eigne Gestalt des Gefühls von Wahrscheinlichkeiten, nach dem Maas der Seelenkräfte, nach Proportion der Einbildungskraft zum Urtheil, des Scharfsinns zum Witze, des Verstandes zur ersten Lebhaftigkeit der Eindrücke, u. s. w. welche Theorie der Wahrscheinlichkeit aus der Menschl[ichen] Seele hinter Hume, Moses, Bernouille, und Lambert.
Jeder Stand, jede Lebensart hat ihre eignen Sitten: Hume hat in Geschichte und Politischen Versuchen viele solcher Charaktere sehr auszeichnend gegeben: ich lerne aus einzelnen Menschen Classen und Völker kennen. Ein solcher Schiffer – welch Gemisch von Aberglauben und Tollkühnheit: von roher Größe und Unnutzbarkeit: von Zutrauen auf sich und Feindseligkeit mit andern; in vielen Stücken wird ein alter Held kennbar: Wie er von sich erzälet, auf seine Kräfte pocht, seine Belesenheit für untrüglich, die Summe gemachter Entdeckungen für die höchste, Holland auf dem höchsten Grade hält: seine rohen Liebesbegebenheiten, die eben so unwahrscheinlich sind, seine Heldenthaten u. s. w. daherkramet = = doch gnug von solcher Charakteristik des Pöbels. Es wäre beßer gewesen, wenn ich einen Euler oder Bouguer und Le Caille von der Schiffart, Schifsbau, Pilotage u. s. w. gehabt hätte – ein Theil der Mathematik, den ich noch nothwendig lebendig studiren muß. Jetzt wenn ich den Hiob aus der Sandwüste las, so war es dem Ort eben so unangemeßen, als ein Hebräisches Lexicon zu studiren. Auf dem Meer muß man nicht Gartenidyllen, und Georgika, sondern Romane, abentheuerliche Geschichten, Robinsons, Odyßeen und Aeneiden lesen! So fliegt man mit den Fittigen des Windes, und schifft mit dem abentheurlichen Seehelden: statt daß jetzt die Bewegung des Geistes und des Körpers entgegen streben.